Ich muss gestehen, dass mir die Franzosen in Sachen Black Metal immer besser gefallen, jedenfalls besser als in Sachen Automobiltechnik. Nach prinzipiell starken, wenn auch mitunter reichlich unzugänglichen Bands wie GLORIOR BELLI, DEATHSPELL OMEGA oder den für meinen Geschmack immer noch zu zähen BLUT AUS NORD reihen sich nun auch ANGMAR aus der Normandie in die Reihe dieser anspruchsvollen Truppen ein. Im Gegensatz zu ihren norwegischen oder schwedischen Kollegen, die entweder auf reichlich basischen Sound (DARKTHRONE, BURZUM, MAYHEM,…) oder auf Highspeed-Geballere (DARK FUNERAL, MARDUK,…) setzen, versucht sich eine Band wie ANGMAR an progressiven, ausladenden Songstrukturen, die mitunter wirken, als wollten die Jungs eine schwarze Version von FATES WARNING oder DREAM THEATER an den Start bringen. Ein Stück wie „Perdition“ besitzt sogar „romantisch“ wirkende Parts, jedoch wird der Hörer später durch blackmetallische Raserei wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Zurück In Die Unterwelt“ (warum unsere düsteren Nachbarn derart auf deutsche Sprache abfahren, habe ich noch nicht ganz ergründen können…) bietet genug Stoff für anspruchsvolle Black Metaller, die sich gerne lang und ausgiebig mit einer Scheibe beschäftigen wollen. Allerdings – und damit schließt sich der Kreis – wirkt auch dieses Album über einige Strecken etwas zäh, und ein paar Songs hätten ruhig etwas kompakter ausfallen können. Hätte das gesamte Album die Klasse des grandiosen letzten, treibenden Stückes „Lachrimae Mundi“, würde über dem Album der „Tipp“ stehen, aber eben diese Gratwanderung zwischen hohem Anspruch, geilen Melodien und auf den Punkt gebrachtem Songwriting gelingt dem Trio zumindest hier noch nicht immer. Trotzdem eine starke Vorstellung!
Seit über 15 Jahren wirbeln ENTHRONED bereits durch die düsteren Metal-Gefilde, womit sie durchaus zu den dienstältesten Combos im Sektor des Black Metal gezählt werden können. In dieser Zeit sind sie mir auf verschiedenste Weise begegnet, konnten sich jedoch nie auf Dauer in meinem Gehör fest fräsen. Das liegt einerseits daran, das ich mit dem Genre an sich nicht so viel am Hut habe, andererseits waren die Songs wohl nicht gut genug, um mich eines besseren zu belehren. Die soll sich aber nun, mit dem mittlerweile achten Studioalbum „Pentagrammaton“, schnell ändern.
Direkt nach dem kurzen, aber extrem stimmungsvollen Intro fällt auf, das ENTHRONED großen Wert auf eine anständige Produktion gelegt haben. Die Gitarren bollern fett aus den Boxen, insgesamt kann man von einer sehr differenzierten Abmischung sprechen, in dem alle Teilnehmer entsprechend zu Geltung kommen. Das Vorurteil, das Black Metal zu klingen hat, als wäre alles mit einem Diktiergerät aufgenommen, führen ENTHRONED zum Glück ad absurdum. Das Gaspedal wird von Beginn an durchgetreten, ENTHRONED bieten Hymen im stark gehobenen Geschwindigkeitssektor. Dazu keift Frontmann Norganest für diese Stilrichtung sehr angenehm und verständlich seine okkulten Inhalte heraus. Wer aber denkt, ENTHRONED können nur schnell und direkt auf die Zwölf, der irrt. Gerade in den gebremsten Passagen zeigen die Belgier ihre volle Stärke. Dadurch wird „Pentagrammaton“ nicht langweilig, gibt nach den Hassattacken Zeit zu verschnaufen, und saugt den Hörer noch stärker in die verstörende, perfide Atmosphäre hinein. Auch wenn unsere Nachbarn in der Vergangenheit stark mit Abwanderungen und Neubesetzungen zu kämpfen hatten, die neue Mannschaft ist fingerfertig und eingespielt, hier greift jeder Ton in den anderen.
Klirrende Gitarren, schnelle Riffs und durchaus melodische Soli, schleppende aber umso wuchtigere Passagen, all das verbinden ENTHRONED auf „Pentagrammaton“ düsteren, intensiven und abwechslungsreichen Platte - ein mehr als nur hörenswertes Werk.
BLISS OF FLESH werfen mit ihrem ersten Langeisen die Frage auf, was BELPHEGOR eigentlich gerade treiben. Denn genau wie die Salzburger Bekloppten ballern sich BLISS OF FLESH aus dem schönen Frankreich ohne Gnade durch ihre acht Songs (plus echt lahmes Intro) im Schnittfeld von Black und Death Metal. Auf technisch hohem Niveau (besonders das Drumming sei hier erwähnt) gibt die Scheibe keine Sekunde Zeit zum Luftholen, stattdessen wird alles weggeballert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Es spricht für die Fähigkeiten der Musiker, dass „Emaciated Deity“ nicht zu einer eindimensionalen Prügelorgie verkommt, sondern durchweg Abwechslung bietet, ohne es nur ein einziges Mal an Kompromisslosigkeit, Brutalität oder Wut missen zu lassen. Eine feine Scheibe für die ganz harten Jungs!
Ja ja, ich weiß: mit seiner “Ich-male-mir-mal-´n-Hakenkreuz-auf-die-Wampe-und-das-finden-sicher-alle-cool!“-Aktion hat sich TAAKE-Bandkopf Ørjan „Ulvhedin Hoest“ Stedjeberg seinerzeit sprichwörtlich vom Hoest zum Horst gemacht und ist ganz berechtigt von allen wichtigen und unwichtigen Festivals wieder freundlich ausgeladen worden. Inzwischen hat der Herr in mehreren Interviews betont, dass er (vor Allem als Norweger – aua!) niemals mit solchen Konsequenzen und blablubb. Ob man´s glauben mag, steht woanders. Vielleicht ist ja inzwischen Hirn vom Himmel gefallen. Musikalisch kann und konnte man TAAKE jedoch nie etwas vorwerfen, und auch „Over Bjoergvin Graater Himmerik“ (oder kurz „…Bjoergvin…“ genannt) ist auch acht Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein ausgesprochen gutes Black Metal-Werk der alten Norweger Schule, die sich hörbar an den Genre-Begründern DARKTHRONE, BURZUM, MAYHEM, etc. orientiert. Wer das Original des Albums bereits besitzt, muss bei diesem spartanisch aufgemachten Re-Release kein zweites Mal zugreifen, denn weder wurde das Album remastert (was bei abgefucktem Old School-Schwarzmetall auch großen Sinn machen würde…), noch finden sich Bonustracks oder Linernotes. Außer einem schmucken Jewel-Case bekommt man lediglich ein zweiseitiges Booklet ohne Texte und nur mit der damals aktuellen Auflistung der Bandbesetzung. „…Bjoergvin…“ ist kein Meilenstein des norwegischen Black Metal, aber eine Scheibe, die auch heute noch ohne Frage jede Sammlung bereichert.
Die Norweger ANGST SKVADRON berufen sich laut Info darauf, Black Metal mit progressiven Klängen aus den 70er Jahren und psychedelischen Sounds zu kombinieren. Doch was am Ende auf ihrem neuesten Werk „Sweet Poison“ dabei herauskommt, könnte höchstens als Kammermusik für Prinz Valium herhalten. Witzigerweise nennt die Band den Opener des Albums bestätigenderweise auch noch „Valium Holocaust“, was den Inhalt der Platte sehr kurz und prägnant zusammenfasst. Das Sextett mit den Pseudonymen T.B, L.F.F, R.M, O.M.P, H.V, M.K und Session-Mitglied Chiron langweilt sich durch zehn Stücke, die zwar hin und wieder mit Piano-Einschüben, Chören und Frickelorgien aufgepeppt werden, sich aber wie Kaugummi dahin ziehen. Auch atmosphärisch bleibt diese zähe Mischung trotz ohrenscheinlichem Talent der Musiker weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, denn der wenig organische, furzdröge Sound verstärkt die Wirkung dieser Schlaftablette noch. Hört Euch probeweise nur mal „We Miss Them“ oder den instrumentalen Titelsong an, der zwar ausnahmsweise kein monotones Gekrächze, sondern nette Orchestrierung bietet, ansonsten aber eher dem Sandmännchen als dem Deibel huldigt. Eine Scheibe für dauerbekiffte Experimentalisten!
AGRYPNIE sind das Projekt von Ex-NOCTE OBDUCTA-Sänger Torsten – an dem jetzt auch der Ex-Nocte Patrick sowie Musiker von Rising Hate und Cheeno/Autumnblaze mitwirken). AGRPYNIE überzeugte schon mit den Vorgängern „F51.4“ und "Exit" Das Merkwürdigste ist damit auch schon genannt: die "Albennummerierung". Auch auf „16[485]“ gelingt es die verschiedensten Stilrichtungen miteinander zu verweben - und damit eine erstklassige Scheibe zu produzieren. Da sind die ureigenen basischen Black-Metal-Elemente, da ist düstere Avantgarde im Katatonia-Kleid oder sogar death-metallische Anklänge der Duftmarke Disbelief. Herausgekommen sind echte Hits (im positivsten Sinne) wie „Kadavergehorsam“ oder „915.2“ und jede Menge gute Songs, ein Album ohne jeden Durchhänger. Die deutschen Texte vermeiden glücklicherweise den übertriebenen Philiosophen-Pathos vieler germanischer Black-Metal-Eleven – und erinnern in Duktus und Wortwahl durchaus an Totenmond („Verfall“).. Auch der Sound dieser vielschichtigen Angelegenheit (die das Label nicht ganz unpassend „Post Black Metall“ nennt) passt sich der großen Klasse der Musik ohne Probleme anm, ebenso wie die Gastmusiker Alboin von Geist (singt beim Titelstück mit) oder der Komponist der abschließenden Ambient-Stückes "Figur 109-1" Markus Grassow überzeugen. Das hier ist moderne Düster-Musik mit jeder Menge Anspruch und Professionalität – und obendrauf mit viel Herz und Seele. Super, volle Punktzahl für 16[485].
Minimalistisch sind KILTE aus Belgien. Sehr minimalistisch und ziemlich kalt. Negativ, trübselig, melancholisch, geradezu depressiv. Allerdings schmeißen die Jungs (nicht ganz untypischer Weise sind’s zwei) auch mit Wattebäuschen – um den Sound herum. Das trübt das Hörvergnügen mächtig, während keifiger Gesang und klirrende Saiteninstrumente klingen wie eingepackt, erschreckt einen das manches mal sehr direkte Schlagzeug-Spiel doch immer wieder arg, in dem es klar durch die Wattewelt pöppelt. Das ist wiederum alles sehr schade, denn die Absicht der Band wird trotz genannter Probleme klar: Das Schöne an ihrer Welt ist ihre Hässlichkeit – wobei das Keyboard manchmal den Eindruck entstehen lässt, es handele bei den kalten Beneluxlern um warme Brüder Falkenbachs. Zweifelsohne sind hier sehr gute Ansätze vertreten, die es rechtfertigen, die ursprünglich 2006 erschienene Scheibe erneut zu veröffentlichen. Weil das echte Master damals verschwand, ist das Material jetzt angeblich rundum erneuert und auf jeden Fall mit zwei Demos-Songs angereichert (wobei „Haar Laatste Traan“ zum Springen vor selbigen zu ermuntern scheint, dann aber doch viel Hoffnung symbolisiert und somit voll ins Konzept der optimistischen Hoffnungslosen passt).
Es hat lange gedauert (fünf Jahre) bis die deutsche Band NEBUNAM diese EP nach einem Demo auf den Markt brachte. Und zwar 2008, im Mai. Warum die Scheibe jetzt noch mal bei Karge Welten nachgeschoben wird? Keine Ahnung.. Aber: Es lohnt sich, mal reinzuhören. Der erste der beiden Songs ( „A Winter’s Tale“) stolziert mit großer Erhabenheit durch die Gegend und transportiert große Beklommheit. Und verzichtet dabei zum Glück auf den großen Pathos und klebrigen Schleim. Dafür groovt der traurige Black Metal der beiden Burschen durch stete Wiederholung ziemlich – Monotonie kann innig sein. Nicht ganz so gelungen ist der zweite Song „Sturm“ – vor allem das streckenweise stumpfe Drumming (Sasso-Computer – wobei das nicht das Problem ist) fällt eher negativ ins Gewicht. Wobei negativ auf NEBUNAM-Niveau anderen germanischen Schwarzwurzeln immer noch einen gehörigen Schub brächte… Womit wir zum Positiven zurückkehren können: „Sturm“ mischt deutsche und englische Worte – und kommt dabei glücklicherweise auch um die vielen Fremdschämfaktoren der schwarzmetallischen Philosophenfront herum. Gewaltig klirrende Gitarren, getragene Melodien, fiese Vocals, was will BMler mehr? Wenn jetzt noch ein Drummer aus Fleisch und Blut die Band weiterbrächte, die Verwandtschaft mit den Blackseed Boys nicht verwunderte und die Jungs vielleicht dann doch mal ein paar mehr Songs veröffentlichten, dann hätten wir hier einen echten Geheimtipp…
Zwei Songs in 25 Minuten präsentieren AUSTERE auf dieser EP – nix Neues, aber gut. Sie stammen von der Split mit den Briten Lyrinx und sind bereits knapp zwei Jahre alt. „Towards The Great Unknown“ beginnt mit einem furchtbaren Schrei, kehlig und schrill, aber eben nicht Micky Maus. Texte sucht der Hörer zunächst und auch später vergebens, aber auch ohne Worte machen AUSTERE absolutes Leid und totale Verzweiflung klar – und vergisst dabei beinahe schmeichelnde Melodien durchaus nicht. Was ja Puristen vielleicht übel aufstößt, denn Puristen wollen ja keine Pussies sein, Puristen-Pussies sozusagen, geht ja nich. Immerhin sind beide Songs lange nicht so prall produziert wie das aktuellere Werk „To Lay Like Old Ashes“, die gar furchtbare Stimmung trägt „Only The Wind Remembers“ allemal. Eine wunderbar melancholische Scheibe, die das Leben vielleicht bis zur nächsten voll-langen Veröffentlichung der Band lebenswerter macht. Oder reicht das etwa nicht?
Australien ist zwar weiter weg als Norwegen, dennoch ergeben sich erstaunliche Parallelen in Sachen Band-Inzest. Denn das derzeitig als Duo fungierende Projekt unterhält verwandschaftliche beziehungen zu Austere, Funeral Mourning, Nazxul, Pestilential Shadows, Black Reign und vielen anderen. Musikalisch sind WOODS OF DESOLATION nicht so ganz weit von AUSTERE entfernt – es geht also mal wieder um Depri-Black-Metal. Allerdings gehen die Jungs wesentlich rauer zu Werke als die gelegentlich verspielteren Austere, was für allem der wahren BM-Basis besser zu bemaltem Gesichte steht. Also krächzt Sorrow seinem Namen entsprechend leidend (aber doch eher hoch), die Gitarren klirren kalt und monoton und der Sound ist erfrischend dünn – wird zitierte Basis meinen. In den vier Songs passiert über insgesamt gut 25 Minuten nicht viel – aber genau das macht die Stärke der Scheibe aus. Die stete Wiederholung der irgendwie eindringlich leidenden Melodien verschafft ihnen eine durchschlagende Wirkung, die gelegentliche Tempoeruptionen (wie in „The Leaden Torn Sky) zusätzlich unterstützen. Gute Scheibe mit viel Depression und Leid – allerdings muss der geneigte Hörer dem sehr minimalistischen Sound zumindest offen gegenüberstehen.