GORATH gingen hier irgendwie unter, bis auf das famose 2005er-Werk „Elite“ verschwanden die an und für sich rührigen Belgier unter dem Radar. „MXCII“ ist das mittlerweile fünfte Album der Truppe, die sich zu einer progressiven Black Metal-Band entwickelt hat, auch wenn sie es nicht schafft, sich völlig von Genre-Konventionen zu befreien. So könnte der Gesang mehr Variationen als das gewohnt böse Knurren gut vertragen, ohne die tiefschwarze Atmosphäre der Songs zu zerstören. Lob gebührt dafür der facettenreichen Gitarren- und Schlagzeugarbeit – beides weit über Genre-Standard angesiedelt („Heidewake“). Allerdings bleiben GORATH beim Songwriting aller Progressivität zum Trotz zu oft auf bekannten Wegen, wo schon Bands wie DISSECTION gewandelt sind, was „MXCII“ viel an eigener Identität kostet. Klar kann nicht jede Schwarzmetall-Combo den SATYRICON-Weg gehen,aber etwas mehr Mut hätte GORATH gut zu Gesicht gestanden und „MXCII“ zu mehr als einer guten, aber eben auf bekannte Zutaten setzenden Black Metal-Platte werden lassen. Wer sich daran nicht stört oder sogar genau auf der Suche nach einer progressiven, aber nicht zu weit vom Genre wegschwenkenden, Platte ist, wird mit dem neuen Langeisen aus dem Hause GORATH gut bedient werden.
Ursprünglich mal als Soloprojekt des Isländers Einar Thorberg gegründet, wurde aus FORTID im Jahr 2008 eine echte Band. Mit dem Engländer Daniel Theobald an seiner Seite, der ähnlichen künstlerischen Genüssen (die Werke von FORTID sind an die Ásátru-Literatur angelehnt) frönt, setzt Herr Thorberg seine „Völuspá“-Saga nun mit dem dritten Teil „Fall Of The Ages“ fort. Statt auf schwülstigen, pseudo-intellektuellen Oberlehrer-Black Metal setzt die Band auf epische, oftmals flotte Stücke mit zwar nicht gerade weltbewegenden, aber stimmungsvollen Melodien. Mitunter erinnern FORTID dabei in ihren härteren Momenten an eine schmutzigere Variante von DIMMU BORGIR, falls diese ihren Bombast-Overkill etwas zurückschrauben und eine basischere, schwarzmetallisch-rotzige Produktion fahren würden. Songs wie „Ragnarök Army From The East“, das Titelstück, das mit starkem Viking/Pagan-Einschlag daherkommende „Equilibrium Reclaimed“ oder das teilweise akustische, getragene „New Dawn“ sind durchweg hörenswert, wenn auch insgesamt nicht gerade vor Originalität übersprühend. Viele der angesprochenen Melodien meint man schon woanders gehört zu haben, und richtig aggressiv und „böse“ kommen FORTID auch nicht herüber. Auch wirkt das Album als Gesamtwerk etwas zerfahren und lässt sich in keine Ecke stellen, da den Black Metallern hier zu wenig Wumms geboten wird, die episch orientierten Düsterheimer zu wenig Atmosphäre bekommen und die Wikinger nur ganz vereinzelt angesprochen werden. Das Ganze ergibt am Ende eine zwar durchaus hörenswerte, aber wenig essentielle Scheibe.
CELESTE haben „Misanthrope(s)“ gefühlt gerade erste veröffentlicht, da steht mit „Morte(s) Nes(s)“ schon der Nachfolger parat, der beim ersten Hören mit seiner schwarzmetallischeren Schlagseite überrascht. Der Black Metal hat die Oberhand gewonnen, ohne dass die Doom- und Postcore-Einflüsse zu weit ins Hintertreffen geraten sind. Aber dank der Produktion haben die Gitarren den typischen Black Metal-Klang bekommen und sind lauter als noch auf „Misanthrope(s)“, wodurch das neue Album heftiger aus den Boxen kommt. Gleichzeitig sind die Franzosen auf den Trichter gekommen, noch öfter das Tempo aus den Songs zu nehmen, um so die ganze Bösartigkeit und Wucht ihrer Musik zur vollen Entfaltung zu bringen, was ihnen durchweg gelungen ist. Der Gesang ist anno 2010 die Konstante im CELESTE-Sound geblieben, wie gehabt wird ausschließlich in der Muttersprache gebrüllt – und das so fies und bösartig, dass norwegischen Shoutern Angst und Bange werden kann. Höhepunkt er Scheibe ist ganz klar das abschließende minütigen „De sorte que plus jamais un instant ne soit magique“, in dem CELESTE noch einmal alles auffahren, was sie an Ideen, Können und Atmosphäre haben, angereichert um einige Gastauftritte (Geige, Klavier), die dem Stück den letzten Kick geben und es zu einem würdigen Abschluss für eine großartig böse Platte machen. Das Beste zum Schluss, wobei zu sagen ist, dass die sechs anderen Stücke ebenfalls auf sehr hohem Niveau angesiedelt sind. Mit ihrem dritten Album (das wieder als kostenloser Download zu haben ist, wie auch als wunderschönes Vinyl und auf CD) könnte es CELESTE gelingen, noch mehr Fans zu für sich zu gewinnen und gerade in der Schwarzwurzel-Szene zu wildern. Verdient wäre es mit diesen bärenstarken Album, dass ihnen der Durchbruch (soweit das mit solch extremer Musik möglich ist) gelingt!
SHEMHAMPHORASH haben 2003 ihre letzte Scheibe rausgebracht, so dass ihr neues Lebenszeichen in Form von „Sulphur“ dezent überraschend kommt. Und die Frage aufwirft, womit sich die Katalanen die Zeit vertrieben haben – Songwriting kann es nicht gewesen sein, dafür sind die neun Songs zu unspektakulär geworden und bieten nicht mehr als den Standard. Überraschende Wendungen gibt es nur selten („Uluntasuneratz”), was nicht reicht, um das handwerklich gut gespielte Album aus der Masse herausragen zu lassen. Für das Design ihrer Website haben sich SHEMHAMPHORASH erkennbar mehr Zeit genommen, oder zumindest mehr Ideen gehabt. Was sie auf Platte gebannt haben, kommt da nicht ran und hätte von ein paar Stunden mehr im Proberaum stark profitiert. So bleibt „Sulphur“ ein Album, das Black Metal-Maniacs genügen wird, abseits davon aber kaum jemand interessieren dürfte.
Allzu viele Leute dürften die 2004 gegründete Black Metal-Band um Vespasian (Drums, Gitarre, Akustikgitarre, Bass, Synthies) und Horaz (Gesang, Gitarre, Synthies) noch nicht kennen, hat die auf der Bühne zum Quintett ausgeweitete Band erst zwei Alben aus den Jahren 2006 und 2007 auf dem Buckel, die seinerzeit keine große Presse bekamen. Mein Kollege Memme springt jedenfalls beim Anhören des Drittwerks „Procella Vadens“ im Fünfeck und feiert das Werk als eine der besten deutschen Black Metal-Veröffentlichungen der letzten Jahre, was ich aber nur bedingt teilen kann. IMPERIUM DEKADENZ gehen sehr atmosphärisch zur Sache; stellenweise erinnern ihre mit bombastischen Hintergrundteppichen ausstaffierten Kompositionen etwas an die letzten Scheiben der Finnen MOONSORROW oder die epischen Ergüsse der ebenfalls deutschen Bläckies GEIST, doch verzettelt sich das Duo mitunter in gähnend langatmigen Zwischenspielen der Marke „Á La Nuit Tombante“ oder „The Descent Into Hades“ (mit weiblichem Gesäusel, das aber recht passend wirkt), die zwar gut gedacht sind und die Atmosphäre noch weiter steigern sollen, wirklich starken (und nicht weniger epischen!), „echten“ Schwarzmetall-Hymnen wie „A Million Moons“, „An Autumn Serenade“ oder „Ocean, Mountains Mirror“ wie eine recht überflüssige Bremse gegenüberstehen. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist, dass die Jungs das Tempo zu wenig variieren und durchgehend auf Midtempo setzen, was zwar gut zum ausladenden Stil passt, Abwechselung und Aggression aber ein wenig zu kurz kommen lässt. Unterm Strich ist „Procella Vadens“ eine wirklich starke Black Metal-Scheibe, die (nicht nur) allen Leuten gefallen wird, die durchdachte Düstermucke fernab jeder Brutalraserei genießen möchten, die aber als Gesamtkunstwerk nicht ganz so überzeugend ist, wie sie von vielen Kollegen gemacht wird.
NEGURA BUNGET haben Ende 2009 ja mächtig ausgewechselt, Hupogrammos und Sol Faur verließen damals ja die Band. Ganz so bitter kann der Abschied aber nicht gewesen sein, immerhin haben sich die beiden mit Drummer Negru ins STduio begeben, um „Maiestrit“ zum zehnjährigen Geburtstag neu einzuspielen. Erweitert um semiakustischen Versionen von Songs „A-Vint In Abis” und „Plecaciunea Mortii“ kommt das Album auf gute 75 Minuten und beseitigt außerdem den größten Schwachpunkt der Originalausgabe: den schrecklichen Sound. Anno 2010 kann der wüste, ungestüme Black Metal der NEGURA BUNGET-Frühezeit voll überzeugen und endlich die Würdigung bekommen, die es damals wegen der Produktion nicht gab. Das Trio schafft es, die mal majestätische, mal urgewaltige Atmosphäre der Songs auch in der Überarbeitung zu erhalten und „Maiestrit“ so zu einer packen Black Metal-Scheibe zu machen, die zwar die Einflüsse von ENSLAVED nicht verleugnen kann, aber dank guter Songs trotzdem überzeugt. Vorwiegend im Mid Tempo gehen die drei Musiker vor, was der bedrückend dunklen Atmosphäre gut tut, die schnellen Passagen wirken da wie das Wüten einer Bestie. Rohe Kraft trifft auf unterbewußt vorhandenes Böses, so wie Black Metal sein soll. Für alle, die sich mit den NEGURA BUNGET-Frühwerken noch nicht auseinandergesetzt haben, ist dieser Re-Release Pflicht, für Fans sowieso, werden die Songs doch so endlich in dem Soundgewand präsentiert, das ihnen zusteht.
SLECHTVALK haben es laut Bio mit einem Video mal bis zur MTV-Rotation geschafft und u.a. ENDSTILLE und SUIDAKRA auf Tour begleitet. So weit, so gut. Auf ihrem Best Of-Album „An Era Of Bloodshed“ werfen die Niederländer die Frage auf, wie es dazu kommen konnte, bietet die Scheibe doch schlecht produzierten, langweiligen Black Metal, der so nicht mal in der Glanzzeit des Genres für Aufmerksamkeit gesorgt hätte. Alles zukleisternde Keyboards, Gitarren, denen jeglicher Druck fehlt und ein im Hintergrund zu erahnendes Schlagzeug vermischen sich zu einem Soundbrei, gegen den der an und für sich gute Keifgesang nicht ankommt. Wenig zuträglich ist dabei das biedere Songwriting, bei dem SLECHTVALK keine wirklich guten Songs gelungen sind, von einigen Parts mal abgesehen. Auch wenn „Era Of Bloodshed“ drei brandneue Stücke aufbieten kann, braucht dieses Machwerk nur der ganz harte Kern der Schwarzwurzel-Gemeinde.
RAGNAROK haben seit “Blackdoor Miracle” fleißig am Besetzungsbaum gerüttelt und “Collectors Of The King” in beinahe komplett neuer Besetzung eingespielt, was aber erstaunlich wenig Einfluss auf das Endprodukt hatte, denn wie gehabt gibt es ordentlich heftigen Black Metal auf des Hörers Ohren. Die ersten drei Songs nach dem Intro sind pfielschnelle Geschosse, die mit der Gitarrenarbeit und dem Drumming punkten können, ehe es mit dem Titeltrack etwas schleppender wird, aber dafür Melodien aufgefahren werden, die so schnell nicht aus den Gehirnwindungen zu bekommen sein werden und das Stück zum ersten Highlight des Albums machen. „The Ancient Crown Of Glory“ und „May Madness Hunt You Down“ legen den Fokus wieder mehr auf die Gitarrenarbeit, vom Songaufbau sind sie etwas konventioneller, während das mit „Wisdom Of Perfection“ noch einmal alle Register gezogen wurden, um einen bitterbösen Black Metal-Song einzuspielen, der so verdammt gut ist. Wären mehr Songs dieser Kategorie auf „Collectors Of The King“ vorhanden, ein Traum würde wahr werden. So bleibt es bei einem guten Black Metal-Album, mit dem sich RAGNAROK eindrucksvoll zurück melden und dass der Konkurrenz in nichts nachsteht (und auf Keyboards zum Glück komplett verzichtet). Bleibt die Frage, ob den Herren jetzt endlich der Durchbruch gelingen wird. Mag man ihnen fast schon nicht mehr wünschen, scheinbar liegt auf solchen Wünschen ein Fluch…
Hinter TRIDENT verbergen sich mit Tobias Sidegård und Alex Friberg zwei NECROPHOBIC-Leute plus Johan Norman (DISSECTION/ SOULREAPER), keine Anfänger also. Da verwundert es nicht, dass „World Destruction“ ein rundum gelungenes Black/ Death-Album geworden ist, dass sich Fans der genannten Bands bedenkenlos kaufen können. Der Einstieg in das Album ist überraschend brachial, „Jaws Of Satan“ ist ein gut nach vorne gehender Song, der allerdings in Sachen Melodie hinter den Möglichkeiten zurück bleibt. Dafür ist „Stockholm Bloodbath“ nicht nur mit dem coolsten Titel der Platte gesegnet, sondern kann in allen Belangen überzeugen. In der zweiten Hälfte des Album geht es dann etwas getragener zu, ehe der Titeltrack noch mal richtig Gas gibt und das Können der Beteiligten aufzeigt: starke Melodien, gute Riffs und ein spannendes Songwriting lassen den Song zu einer echten Stockholmer Perle werden und den Hörer mit einem Grinsen zurück. Wären alle Tracks auf „World Destruction“ in der Güteklasse und weniger Füllstoff wie das eindimensionale „Luciferian Call“, hätten TRIDENT ein saustarkes Album abgeliefert, so bleibt es beim gut.
Ich muss gestehen, dass mir die Franzosen in Sachen Black Metal immer besser gefallen, jedenfalls besser als in Sachen Automobiltechnik. Nach prinzipiell starken, wenn auch mitunter reichlich unzugänglichen Bands wie GLORIOR BELLI, DEATHSPELL OMEGA oder den für meinen Geschmack immer noch zu zähen BLUT AUS NORD reihen sich nun auch ANGMAR aus der Normandie in die Reihe dieser anspruchsvollen Truppen ein. Im Gegensatz zu ihren norwegischen oder schwedischen Kollegen, die entweder auf reichlich basischen Sound (DARKTHRONE, BURZUM, MAYHEM,…) oder auf Highspeed-Geballere (DARK FUNERAL, MARDUK,…) setzen, versucht sich eine Band wie ANGMAR an progressiven, ausladenden Songstrukturen, die mitunter wirken, als wollten die Jungs eine schwarze Version von FATES WARNING oder DREAM THEATER an den Start bringen. Ein Stück wie „Perdition“ besitzt sogar „romantisch“ wirkende Parts, jedoch wird der Hörer später durch blackmetallische Raserei wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Zurück In Die Unterwelt“ (warum unsere düsteren Nachbarn derart auf deutsche Sprache abfahren, habe ich noch nicht ganz ergründen können…) bietet genug Stoff für anspruchsvolle Black Metaller, die sich gerne lang und ausgiebig mit einer Scheibe beschäftigen wollen. Allerdings – und damit schließt sich der Kreis – wirkt auch dieses Album über einige Strecken etwas zäh, und ein paar Songs hätten ruhig etwas kompakter ausfallen können. Hätte das gesamte Album die Klasse des grandiosen letzten, treibenden Stückes „Lachrimae Mundi“, würde über dem Album der „Tipp“ stehen, aber eben diese Gratwanderung zwischen hohem Anspruch, geilen Melodien und auf den Punkt gebrachtem Songwriting gelingt dem Trio zumindest hier noch nicht immer. Trotzdem eine starke Vorstellung!