An den italienischen Industrial-Black Metallern ABORYM scheiden sich seit jeher die Geister; ein Umstand, den auch „Psychogrotesque“, das inzwischen fünfte Album der Band, nicht ändern wird. Durch exzessive Wechsel im Line-Up (unter Anderem gehörten schon MAYHEM´s Attila Csihar und DISSECTION´s Set Teitan zur Band) war es für Bandchef Malfeitor Fabban nahezu unmöglich, eine einheitliche Linie zu finden. Mit Bard G. „Faust“ Eithun, Paolo „Hell:IO:Kabbalus“ Pieri sowie einer Armada Gastmusiker im Gepäck wurde „Psychogrotesque“ eingetütet, das ebenfalls zwischen allen Stühlen sitzt. Auf Songtitel wurde ganz verzichtet, lediglich eine Nummerierung ziert das Backcover, aber eigentlich ist das auch Hupe, denn das Album wirkt sowieso am Besten am Stück genossen, auch wenn hier alles verkocht wurde, was gerade in der Küche war. Mal werden ein paar Minuten lang zu Synthie-Klängen italienische (glaube ich zumindest…) Spoken Word-Passagen eingefügt, dann regieren mal rasender Black Metal, Saxophon-Soli, Dance-Floor-Beats oder gotischer Bombast inklusive Chören. ABOYRYM bedienen irgendwie alles und jeden, aber doch wieder gar keinen, denn die experimentelle Auslegung des Albums dürfte den meisten Black Metallern (also der eigentlichen Zielgruppe) zu schwer im Magen liegen. Aufgeschlossene Naturen finden aber eine interessante, vielseitige und technisch sehr gut umgesetzte Scheibe vor, die keine Scheuklappen erlaubt. Und ich denke, die Band könnte mit ihrem Konzept echt abräumen, wenn sie ihre vielen Ideen in geordnete Bahnen lenken und gezielter auf den Punkt kommen würde. So lange bleibt die Musik von ABORYM zwar originell und durchaus sehr hörenswert, aber ebenso gewöhnungsbedürftig.
Mir will bis zum heutigen Tag nicht in den Schädel, warum gewisse Veröffentlichungen als „EP“ oder „MCD“ deklariert werden, wenn sie doch nur (wenn überhaupt!) wenige Euros günstiger sind als Alben. Aber egal… im Fall von HELHEIMs neuem Scheibchen „Asgards Fall“ dürfte sich die Anschaffung, zumindest für die Fans der Band, einmal mehr lohnen, denn diese EP bietet tatsächlich richtig cooles Material, das nicht nur rein qualitativ überzeugt, sondern es sogar auf Albumlänge bringt. Und um ehrlich zu sein, überzeugt mich „Asgards Fall“ mehr als die letzten beiden Alben der Band, „Kaoskult“ und „The Journeys And The Experiences Of Death“. Neben dem erstklassigen, zweiteiligen, epischen Titelsong (mit Gunnar Emmerhoff von EMMERHOFF & THE MELANCHOLY BABIES am Mikro) gibt es mit „Dualitet Og Ulver“ (mit Horst von TAAKE am Mikro) einen ebenso überzeugenden Vorgeschmack auf´s nächste Album der Bergener sowie eine Neuaufnahme des Songs „Jernskogen“ vom Album „Blod Og Ild“. Außerdem hat sich mit Trine Mjanger eine Bläserin des französischen Horns (Ui!) auf die EP verirrt, die speziell das Titelstück noch einmal aufwertet. Insgesamt ein Fest für HELHEIM-Anhänger, das wirklich Appetit auf mehr macht!
Das norwegische Duo GJENFERDSEL ist bereits seit 2002 aktiv, bisher aber nicht über Underground-Status hinausgekommen. Hört man sich „Varde“, das bislang erst zweite Album der Band, an, ist eigentlich auch schon klar, warum. Hier gibt es rein gar nichts, das man nicht schon von Landsmännern der beiden Herren Iudex und Invictus in deutlich besserer Form vernommen hätte. Räudiger, zugegebenermaßen passender Sound trifft auf zumeist in flotterem Midtempo gehaltenes, relativ monotones und gleichförmiges Songmaterial, das zudem ein paar Viking/Pagan-Einflüsse nicht verleugnen kann. Richtig bedrohlich, böse oder ultra-abgefuckt klingen GJENFERDSEL aber leider zu keiner Sekunde, so dass „Varde“ nur eine sehr kleine Duftmarke hinterlässt. Etwas mehr Kompromisslosigkeit und Gespür für einprägsameres Songwriting hätte dem Album wirklich gut getan, so dass es wohl leider in der großen Masse der Veröffentlichungen untergehen wird.
Eine so schwierige Scheibe habe ich schon lange nicht mehr gehört: 2008 gründete Stefán von KERBENOK das Projekt ARSTIDIR LIFSINS, das übersetzt so viel heißt wie „Die Jahreszeiten Des Lebens“, das sich in der großen Schnittmenge aus Black-, Viking-, und Pagan Metal tummelt und so gar nicht zum Rest der Genre-Suppe passen will, die wir dieser Tage – inzwischen leider meist allzu fade – serviert bekommen. Das momentane Line-Up, zu dem unter Anderem auch Kollegen von HELRUNAR, DRAUTRAN und CARPE NOCTEM gehören, zählt zehn Leute, die, teilweise als Session-Musiker, hauptsächlich für Gesang und Chöre zuständig sind. Was am Ende dabei herauskommt, klingt interessant, ist unglaublich verspielt und vielschichtig, aber auch ebenso gewöhnungsbedürftig, da arg uneingängige Songstrukturen und mitunter derbe an den Nerven kratzender Kreischgesang die Oberhand inne haben. Es macht auch nicht viel Sinn, hier einen Anspieltipp zu nennen (bei diesen Songtiteln würde ich mir beim Eintippen auch irgendwas ausrenken…), da „Jötunheima Dolgferd“ als Gesamtwerk konzipiert ist, und so die Verzahnung aus gesanglichem Bombast, Folklore, rasendem Schwarzmetall und sogar beinahe romantischen Piano-Parts am Besten funktioniert. Lediglich den langweiligen Stammtischchor „Eigi Hefr…“ (Song Nummer sechs) hätte man sich schenken können. Am Ende bleibt ein ungewöhnliches, absolut polarisierendes Album, das nordische Düsterkunst in sehr experimentelle Sphären führt und sicher vielen Leuten gefallen dürfte, die mittlerweile von Genre-Fastfood der Marke KORPIKLAANI, EQUILIBRIUM, ELUVEITIE und Co. die Schnauze gestrichen voll haben.
ABIGAIL WILLIAMS aus Phoenix, Arizona wollen anscheinend unbedingt die amerikanische Antwort auf CRADLE OF FILTH, DIMMU BORGIR und Co. werden, was sie bereits mit zwei EPs und einem Album unter Beweis gestellt haben. Aber an diese beiden Dunkelbombast-Referenzbands (ja, ich weiß, die sind kein Black Metal und so, aber darum geht es hier nicht…), die speziell in ihrer Frühphase wegweisende Alben aufgenommen haben, kommt das Trio beim besten Willen einfach nicht heran. Zwar schafft man es mit Hymnen vom Schlage eines „Final Destiny Of The Gods“, „In Death Comes The Great Silence“ oder „Malediction“, einer Humpenkapelle wie GRAVEWORM ordentlich Paroli zu bieten, und die ständige Doublebase sowie die verfrickelten Einlagen hat man deutlich zurückgenommen, aber das Problem von ABIGAIL WILLIAMS lässt sich immer noch einfach beschreiben: unter der Verpackung aus voluminöser Produktion (den Mix übernahm sogar Peter Tägtgren!), viel Bombast und noch mehr Breaks befindet sich nur leidlich starkes Songwriting, das man jetzt auch genauso verstärkt wie verzweifelt in Richtung späterer IMMORTAL lenkt. Und ein wenig Eiseskälte von Bands wie DISSECTION oder NAGLFAR darf auch nicht fehlen, wie mein Kollege Lars im Review zur letzten Scheibe „In The Shadow Of 1000 Suns ebenfalls feststellen musste. Vordergründig ist „In The Absence Of Light“ also eine gut aufgemachte und nicht wirklich schlechte Scheibe, aber wer auf ein wenig mehr Tiefgang und mitreißende, nicht allerorts zusammenkopierte Qualitätsware aus ist, wird die Band sehr schnell als das entlarven, was sie leider ist: Mitläufer ohne Kreativität.
UNLIGHT aus Baden-Württemberg haben noch nie zum Einheitsbrei der Schwarzkittelszene gehört, sondern immer ihr eigenes Ding durchgezogen. Das einzige Problem des Trios (zu dem zuletzt, zumindest auf der Bühne, noch Frank Urschler von den Thrashern BITTERNESS gestoßen ist) ist eigentlich nur, dass es zwischen allen Stühlen sitzt, was „Sulphurblooded“, das mittlerweile fünfte Album der Band, einmal mehr unter Beweis stellt. Die herben Thrash-Einflüsse machen aus UNLIGHT keine waschechte Black Metal-Band, aber als reine Thrasher gelten sie eben auch nicht. Nimmt man dann noch hinzu, dass sich der gemeine, pseudoböse „True“-Black Metaller leider oftmals irgendwo zwischen unheilbar intolerant und einfach nur dumpfbacken einpendelt, hat es eine über den Tellerrand blickende und technisch versierte Truppe nicht immer einfach. Wer aber ein ultrafett und voluminös produziertes Knüppelbrett (das in Sachen Sound sogar an die letzten IMMORTAL-Werke erinnert) nicht scheut und rasende Riffkunst über blechernes Geschrammel stellt, wird mit Songs wie dem Titelstück, „Sic Transit Gloria Mundi“, dem Massaker „Become An Opponent“, der brachialen Hymne „By The Seventh Spell – A Blackthrash Blasphemy“ oder der deutschsprachigen Vollgasorgie „Deine Waffen Zu Meinen Füßen“ wieder vollends bedient. Insgesamt ist „Sulphurblooded“ zwar kein Meisterwerk (einige Songideen und Riffs kommen erfahrenen Hörern sicher bekannt vor), aber eine starke Black-Thrash-Scheibe von einer coolen Band, die man auch in Zukunft auf der Rechnung haben sollte.
VULTURE INDUSTRIES wurden mit Erscheinen ihres Debütalbums „The Dystopian Journals“ immer wieder mit ARCTURUS verglichen, was angesichts der komplexen Musik, die auf Black Metal aufbaut, verständlich ist. „The Malefactors Bloody Register”, das von Brian Gardner (ISIS, DAVID BOWIE, NINE INCH NAILS) mit einem grandiosen Sound versehen wurde, führt die Entwicklung weiter und präsentiert acht Songs, die in der Schnittmenge von ARCTURUS, BORKNAGAR und Progressive Metal zu Hause sind, wobei besonders der Gesang von Bjørnar E. Nilsen heraussticht, der zwar Vergleiche mit den üblichen norwegischen Sangeskollegen über sich ergehen lassen muss, aber durch seine eigenständige, volle Stimme und die gekonnte Intonierung immer wieder Akzente im VULTURE INDUSTRIES-Sound setzt ("I Hung My Heart On Harrow Square") – ganz großes Gesangskino! Glücklicherweise hat er sich mit ähnlich talentierten Musikern umgeben, die auf „The Malefactors Bloody Register“ eine wilde Mixtur aus eingängigen, melodischen Parts, Kopfkino-Passagen und verdammt viel zwischen Wahnsinn, Beklemmung und Befreiung pendelnder Atmosphäre erschaffen, durch die das Album eine intensive Angelegenheit geworden ist und zu keiner Sekunde langweilt. Seien es „This Cursed Flesh“, das die Vertonung eines Kampfes zwischen Gut und Böse, Klarheit und Wahnsinn ist, oder das jazzig angehauchte „The Bolted Door“, alle Songs des Album sind Perlen der komplexen, avantgardistischen Musik. Solche Scheiben schreiben sich nicht mal eben so und sicherlich nicht von jeder Band! Umso mehr dürften Fans oben genannter Bands mit „The Malefactors Bloody Register“ glücklich werden und hoffen, dass die Norweger nicht den Band vieler anderer ähnlich gelagerter Bands gehen und am eigenen Anspruch (oder am eigenen Wahnsinn?) zugrunde gehen, wie es beispielsweise FARMAKON passierte. Drücken wir die Daumen, dass VULTURE INDUSTRIES noch lange aktiv sein werden und sich nie zu weit von „The Malefactors Bloody Register“ weg bewegen!
ENSLAVED gehen auf ihrem neuen Werk „Axioma Ethica Odini“ (das es auch in einer Version mit einer Bonus-7“ gibt) einen Schritt zurück: weniger verkopft als es „Vertebrae“ war, wird in den neun neuen Songs wieder griffigeres Material präsentiert. „Ethica Odini“ legt die Marschroute direkt fest, so druckvoll und bösartig geht der Song nach vorne, dass jegliche PINK FLOYD-Ideen gleich wieder verschwinden. Das soll nicht heißen, dass ENSLAVED sich auf DARKTHRONE-mäßige Punknummern eingeschossen hätten, die Songs sind noch immer recht lang und weisen durchweg guten, spannenden Aufbau auf. Die Gitarren prägen die Songs, ohne sie zu dominieren, sorgen aber dafür, dass jeder schnell in den Hörers Ohr hängen bleibt. Über das effektive und druckvolle Drumming muss nichts mehr gesagt werden, das ist gewohnte Spitzenklasse und kommt dank der druckvollen Produktion gut zur Geltung. Der Wechsel zwischen Keifgesang und klaren Vocals ist den Norwegern durchweg gelungen, immer genau an die Stimmung des jeweiligen Songs und der einzelnen Parts angepasst – nie gibt es das Gefühl,c dass sich ENSLAVED für den unpassenden Gesangsstil entschieden hätten („The Beacon“). „Axioma Ethica Odini” ist härter, metallischer, böser als sein direkter Vorgänger, schwarzmetallischer haben ENSLAVED schon lange nicht mehr geklungen. Allerdings gibt das abschließende Quartett einen Ausblick in die Richtung, in die die Band vielleicht in Zukunft geht und in der sie Progressivität und Black Metal, Gegenwart und Vergangenheit noch stärker zusammenbringen.„Vertebrae“ war ein gelungenes Experiment, „Axioma Ethica Odini“ ist die Verbeugung vor der eigenen Geschichte und das Versöhnungsangebot an diejenigen, die mit dem Vorgänger nicht viel anfangen konnten. Es bleibt abzuwarten, wohin sich die Band entwickeln wird, wie viel Neues sich im nächsten Album findet. Auf der 7“ finden sich mit „Jotunblod” und “Migration” zwei weitere Songs, die das Qualitätslevel des Albums halten und die Spielzeit über die 70 Minuten-Marke drücken.
Sieh an, sieh an, die Franzosen. Was anfangs nach Hype und verzweifelter Suche nach der neuen Black-Metal-Bewegung aussah, speit inzwischen immer wieder wirklich tolle Bands aus. Und das bezieht sich nicht nur auf Bands wie Deathspell Omega, sondern auch auf an sich wesentlich hausbackenere Ausrichtungen. Wie eben OTARGOS. Die bedienen auf ihrem vierten Album „No God, No Satan“ schon mit ihrem angepinselten Antlitz viele Klischees und verarbeiten auch musiklaisch viele typische - will meinen - skandinavische Einflüsse. Dabei zeigen sie sich erfrischend variabel, arbeiten vom schnellen Knüppel-BM bis hin zum lavadesk dahinwabernden „The Hulk of Conviction and Faith“ sämtliche Tempobereiche. Und alles in allem kreieren die Franzmänner eine wirklich dichte Atmosphäre, die einigen vielleicht noch nicht kosmisch genug ist. OTARGOS sind richtiger Black Metal, meilenweit entfernt von der Kommerz-Muggelei der erfolgreichen Mega-Bands – aber eben auch viel, viel geiler als die Heerscharen der Garagenbands.
Gut und gerne sechs Jahre haben sich die Niedersachsen PEST für ihr neues Album Zeit gelassen und in der Zwischenzeit lediglich eine selbst betitelte EP veröffentlicht. Eine große Stiländerung ist jedoch nicht zu vernehmen: noch immer rasiert sich der in der Mehrheit kahlköpfige Haufen (ja, PEST sind unpolitisch – soviel dazu!) durch ein Feuerwerk an räudigem, basischem, ganz klar von altem Norwegendunkelstahl beeinflusstem Black Metal, der zwar zweckdienlich aufs Nötigste reduziert, aber keinesfalls schwachbrüstig-blechern tönt. Auch in Sachen Songwriting lässt das Quartett nicht viel anbrennen, obwohl speziell das Hymnenhafte in den Melodien noch ausbaufähig ist und ein wenig Luft nach oben lässt. Wer etwa auf die ersten drei IMMORTAL-Werke, flottere, ältere DARKTHRONE oder die Anfangstage von SATYRICON abfährt, wird definitiv an „Tenebris Obortis“ Gefallen finden, denn sehr gute und durchdachte Stücke wie „Trance“, „Weltgericht“, das majestätische Instrumental „Bonded“ oder das atmosphärische, sprichwörtlich saucoole und überlange „Entering Forest“ gehören eindeutig zu den besseren Momenten deutschen Black Metal-Schaffens!