„Back To The Roots“ heißt es im Hause DARKTHRONE. Denn nicht nur optisch unterscheidet sich “Arctic Thunder” ziemlich von den vorherigen Veröffentlichungen der Band: “Arctic Thunder” ist unheimlich kalt, rauh und vielleicht das schwärzeste Werk der Norweger seit langem. Vorbei sind die nicht immer ganz geglückten Experimente mit Speed und Heavy Metal und DARKTHRONE liefern eine echt stimmige Platte aus purem Black Metal und Black’N’Roll ab. Bereits der eingängige Opener „Tundra Leach“ zeigt, wie gut die stampfend, rumpelige und doch rockige Mischung funktioniert. Ein Blast Beat-Donnerwetter bekommt der Hörer hier zwar nicht geboten, aber das ist auch gar nicht nötig, wie ich finde. Schwachstellen oder Längen sucht man hier vergebens, da DARKTHRONE immer wieder kleine Variationen einfließen lassen, so dass „Arctic Thunder“ gar nicht langweilig wird.
DARKTHRONE liefern hier definitiv ihr bestes Album seit langem ab! Wer die Band jedoch mit „F.O.A.D“ kennengelernt hat und punkigen Heavy Metal-Mischmasch erwartet, sollte probehören.
Anspieltipps: “Throw Me Through The Marshes” und “The Wyoming Distance”
Blackened Thrash aus Athen? Da ist man bei RAVENCULT definitiv an der richtigen Adresse. Die Band aus der griechischen Hauptstadt liefert mit ihrem dritten Album „Force Of Profanation“ ein stimmiges Gesamtwerk ab. „Force Of Profanation“ liefert alles, was man vom Raben-Kult erwartet: Rasende Riffs, Heftiges Schlagzeug und extrem wütende Vocals – die dieses Mal nicht von Linos stammen. Mit Alexis Papatheofanous (NIGREDO, EXARSIS) konnte aber durchaus passender Ersatz gefunden werden.
„Force Of Profanation“ ist wenn man so will, ein klassisches Blackened Thrash-Werk, dem leider etwas die Höhen fehlen. Vieles klingt hier gleich, durch ein paar mehr Variationen, Solis und Tempi-Wechsel hätte das Album durchaus profitieren können. Refrains und Riffs wollen hier nicht wirklich zünden und es dauert, bis man die feinen Unterschiede heraus hört. So heben sich das als vorab veröffentlichte „Beneath The Relics Of Old“ mit etwas variablerer Arbeit an Drums und Gitarren, „Into Dephs“ mit seinem Instrumentalpart im zweiten Drittel und der recht komplexe Titelsong doch nach häufigerem Hören am Meisten hervor.
Für Genre-Fans ist „Force Of Profanation“ dennoch eine Rotation wert.
Herzlichen Glückwunsch zu eurem neusten Album „Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken...)", auch wenn es sich dabei letztlich um gar nicht so viel Neues handelt, da hier vieles aus 2004 / 2005 stammt. Wie schwierig war es sich da wieder rein zu finden und wie lange habt ihr gebraucht die einzelnen Fragmente wieder zusammen zu setzen?
Das lässt sich so eindeutig gar nicht beantworten, das Album als Konzept seit seinem ersten Anlauf 2004 quasi unaufhörlich durch meinen Kopf geisterte. Es ist nicht einmal so, dass der Schwerpunkt aus den Jahren 2004/05 stammt, denn schon damals wurde teilweise auf älteres Material zurückgegriffen, das natürlich nicht eins zu eins übernommen wurde. Ebenso wenig wurde diesmal der Zustand von 2004/05 kopiert, sondern vielmehr das damals erdachte Konzept zugrunde gelegt. Von der ursprünglichen Version des Albums sind eigentlich nur die Lieder „Am Ende des Sommers“ und „Glückliche Kinder“ in mehr oder weniger gleicher Version erhalten geblieben.
Andere Lieder haben sich stark gewandelt. So wurde aus dem damaligen „Ein Hauch Anis“, dass wichtige Parts an „Töte das Jahr für mich“ von Dinner Auf Uranos verlor, irgendwann das wesentlich einfachere „Ein Ouzo auf den Nordwind“, beide Lieder gründen sich allerdings massiv auf ein Lied von 1994.
Die erste Version des damals noch titellosen „Löschkommando Walpurgisnacht“ war wesentlich langsamer und verträumter und ist völlig in Vergessenheit geraten, dasselbe gilt für das damals nur grob skizzierte „Die Pfähler“, das dafür aber schneller und roher war.
Das auf einigen Konzerten 2005 sogar live präsentierte zentrale Stück „Operation: Traumreise“ fiel wie so manche rohe Skizze der Schere zum Opfer, insbesondere weil der Longtrack „Desîhra Mogontiacum“ wuchs und wuchs und inhaltlich quasi en Raum beanspruchte, der vorher von anderen Stücken ausgefüllt worden war. Dieses Stück beinhaltet ebenfalls Parts, die bis in die frühen 90er zurückreichen, entstand als fertiger Song aber tatsächlich erst 2013. Die meisten Jahre zwischen 1993 und 2013 dürften in irgendeiner Form auf dieser Scheibe vertreten sein, es gibt aber mit „Löschkommando Walpurgisnacht“, „Am Waldrand“ und „Die Phähler“ drei von Grund auf neue Stücke aus dem Jahr 2013.
Ihr habt nach „Nektar“ einige Alben herausgebracht. Wer oder was gab euch den Anstoß das Album („Mogontiacum“) erneut anzugehen?
Das Album war immer nur aufgeschoben, es war nie wirklich vom Tisch. Dass wir uns im Winter 2005/06 spontan zu „Sequenzen“ entschlossen, war vor allem äußeren Umständen geschuldet. Man kann viel spekulieren, aber ich denke, dass ein Album wie „Mogontiacum“ den Abbruch der Aufnahmen wesentlich schlechter verkraftet hätte als seinerzeit „Sequenzen“, denn das war flexibler, deutlich kürzer und inhaltlich nicht von einem solchen Gewicht.
Als wir uns dann 2010 entschlossen, die zwischenzeitlich ausgestiegenen Herren Flange und Torsten zumindest für das Studio wieder ins Boot zu holen, war „Verderbnis“ bereits geschrieben. Es hatte sich aus einem BM-Soloprojekt von mir entwickelt, und Flange überzeugte mich eines Tages im Frühling 2010 davon, dass es albern sei, wenn ich ein BM-Album aufnähme, dessen Besetzung weitgehend mit der von Nocte übereinstimmte und auch auf altes Material zurückgreife, die ganze Geschichte dann aber anders nenne.
„Umbriel“ präsentierte ebenfalls Material, an dem wir schwerpunktmäßig in der Zeit zwischen 2006 und 2010 gearbeitet hatten, das konnten wir unmöglich einfach über den Haufen werfen. Diese beiden Alben geben außerdem den Jahren 2006 bis 2011 ein musikalisches Gesicht. Und auch wenn ich die damalige Zeit absolut nicht noch einmal erleben muss, ist ihre Verarbeitung doch eine Herzensangelegenheit gewesen. „Verderbnis“ und „Umbriel“ sind für mich persönlich zwei dunkle Geschwister, wobei das rein optisch wesentlich hellere „Umbriel“ in seiner gefühlten Schwärze für mich locker an „Schwarzmetall“ heranreicht.
Der Titel, als auch die Lyrics erwecken den Eindruck, dass es sich hier um ein sehr persönliches Werk handelt. Was verbindet ihr mit eurer Heimatstadt Mainz?
Persönlich sind die Alben alle, aber die Bezüge zur Bandgeschichte sind auf „Mogontiacum“ tatsächlich allgegenwärtig. Die ständigen Querverweise auf Ausschnitte der Bandbio und teils stark verklausulierte Beschreibung reeller Orte brachten uns nach diversen anderen Vorschlägen irgendwann auf den Titel. Man sollte ihn aber keineswegs überinterpretieren, er bot sich lediglich an.
Mir ist aufgefallen, dass ihr in euren Songtexten sehr oft zurück blickt und früher Tage, Jugend und Kindheit reflektiert. In „Glückliche Kinder“ und „Desîhra Mogontiacum“ wird das besonders deutlich. Wie kommt das?
Die retrospektive Betrachtung der Dinge war immer schon ein Merkmal der Texte, ich selber bin auch ein Mensch, der viel zurück schaut. Die beiden erwähnten Lieder beschreiben an vielen Stellen sehr konkrete Ereignisse, ganz besonders „Glückliche Kinder“, noch stärker ist das aber bei „Ein Ouzo auf den Nordwind“ der Fall. Gleichzeitig warnt das Album allerdings davor, sich zu sehr in Rückblicken zu. Wer krampfhaft versucht, eine gute Zeit dadurch aufrecht zu erhalten, indem er ihre Merkmale ritualisiert, beraubt sie all jener Dynamik, die sie vermutlich eigentlich auszeichnete. Und so ist „Mogontiacum“ eine reflektierte Bearbeitung der Lieder, die „Desîhras Tagebuch“ von „Nektar 2“ beinhaltet, denn das geschah damals bewusst unkritisch und rein erzählend.
Der Eindruck der ewigen Rückblicke entsteht allerdings hier und da sicherlich auch irrtümlicher Weise, weil ich sehr oft mit wiederkehrenden Begriffen wie beispielsweise „Lethe“ oder „Aschefrühling“ arbeite. Diese Begriffe haben aber symbolische Bedeutung und eine Aussage und sind keine bloßen Rückgriffe auf bereits Gesagtes.
Unter dem Namen DESÎHRA habt ihr nie etwas veröffentlicht und dennoch gibt es jetzt einen Song über die Band mit der alles anfing. Wie viel DESÎHRA steckt denn noch in den heutigen NOCTE OBDUCTA?
Wie oben angedeutet so einiges, denn es gibt immer wieder Rückgriffe auf Desîhra-Parts, da wir früher nie etwas veröffentlichten und Songs sogar meist verwarfen, sobald wir sie spielen konnten. Der bekannteste Part dürfte wohl die Leitmelodie von „Und Pan spielt die Flöte“ sein.
Das die aktuelle Platte beschließende „Im Dunst am ewigen Grab der Sonne“ wurde fast unverändert von 1994 übernommen. Als ich im Herbst 1999 „Der Regen“ bzw. „The Rain“ ausgrub und völlig überarbeitete, wurde auch der Text vom Grab der Sonne ins Deutsche übersetzt (wir hatten bis Mitte 1996 sowohl englische als auch deutsche Texte) und ein Lead-Part als Outro hinzugefügt, ansonsten haben wir es hier mit einem meiner liebsten alten Desîhra-Stücke zu tun. Das liegt vor allem daran, dass es mich an eine nachdenkliche aber unheimlich gute Zeit erinnert.
Das von Dir angesprochene Lied beinhaltet aber keinen größeren Anteil an Bezügen zur Band als manch anderes Lied auf dem Album, bzw. entsteht dieser Eindruck nur über die Länge und den Titel. „Ein Ouzo auf den Nordwind“, „Glückliche Kinder“ oder „Löschkommando Walpurgisnacht“ sind wesentlich näher an konkreten Geschehnissen aus der Zeit unter dem alten Bandnamen.
Auch „Lethe“ gab es bei euch schon mal. Seht ihr „Lethe, Stein und See“ als konzeptionelle Weiterentwicklung zu den beiden „Lethe“-Instrumental-Stücken eures ersten Albums?
Jein. Der erste Teil entstand damals unmittelbar vor den beiden „Lethe“-Songs, ich hatte dazu aber erstmal einen See im Kopf. Erst 1998 wurde daraus dann der Fluss. Ich habe dann im Vorfeld von „Mogontiacum“ tatsächlich versucht, das Arrangement ein wenig dem von „Lethe“ anzugleichen, um es dann in den zweiten Teil übergehen zu lassen. Erst kurz vorm Studiotermin habe ich die Stücke dann wieder getrennt und sehr lange überlegt, ob ich daraus nicht „Lethe III“ und „Lethe IV“ mache, zumal die Bilder sich zunehmend mit denen von „Lethe“ vermischten. Der Aspekt des Sees und der Felsen war mir dann aber einfach zu wichtig, das sind halt einfach Erinnerungen.
Ihr habt „Am Ende Des Sommers“ als Instrumentalstück aufgenommen – und doch finden sich dazu Lyrics im Booklet. Was hat es damit auf sich?
Nichts eigentlich. Das Lied war immer als Instrumental geplant, hatte aber schon immer diesen Text. Den einleitenden Gitarrenpart schrieb ich sogar während der Aufnahmen von „Nektar“ in der kleinen Wohnung über dem Studio, in der wir zu dieser Zeit untergebracht waren. Es ist auch das erste Lied, das wir mit Flange im Proberaum spielten, nachdem Steffen im Sommer 2004 ausgestiegen war, und irgendwann im Spätsommer kam dann der Text dazu, der aber immer nur für das Booklet gedacht war.
Trotz allen technischen Fortschritts klingt „Mogontiacum“ ursprünglich und als stünde man direkt im Proberaum. Ich nehme an, dass ihr mit den Aufnahmen zufrieden seid! Wie hätte das Album vor zehn Jahren geklungen? (Und wäre so ein vielspuriger Song wie „Desîhra Mogontiacum“ damals überhaupt möglich gewesen?)
Technisch möglich gewesen wäre das Ganze auch damals schon, hinsichtlich der eingesetzten Mittel sind wir bei „Mogontiacum“ sogar wieder wesentlich analoger vorgegangen als zu Zeiten von „Nektar“. Das Album hätte 2006 trotzdem anders geklungen, weil das einfach eine andere Zeit war. Die Kompositionen waren damals über weite Strecken metallischer, ich gehe außerdem davon aus, dass wir die Scheibe wesentlich glatter gemischt hätten. Vielleicht nicht ganz so glatt und komprimiert wie „Nektar“, aber eben auch nicht so dynamisch wie es jetzt der Fall war. Auch hätten wir vermutlich nicht solch radikal fuzzig verzerrte Gitarren wie bei „Löschkommando“ und „Waldrand“ eingesetzt. Die Komplexität und generell breit gefächerte Stilistik des Albums wäre in jedem Fall gegebenen gewesen, allerdings mit weniger Schmutz und roher Dynamik, dafür mit mehr klassischen Metal-Sounds.
Zusätzlicher Krach aus „Schlimmheim“ aus dem Jahr 1994 hat seinen Weg auf das Album gefunden. War es geplant das irgendwann zu verwenden oder eher eine spontane Idee?
Das war einigermaßen spontan. Der Mittelteil von „Glückliche Kinder“ gründet sich auf eine Jam-Session, die ich mit unserem damaligen Gitarristen Jan im Herbst 1994 aufgenommen habe. Ich wechselte zwischen zwei übertriebenen Raum-Effekten, von denen einer irgendeine Modulation dabei hatte, er hatte einen ätzenden Reverse-Sound an, im Hintergrund meldete sich immer wieder der Schleudergang einer Waschmaschine. Die Aufnahme hatte eine Spielzeit von rund 20 Minuten und hieß „Between the Planets“, worauf auch die doppeldeutige Zeile „Und wir spielten zwischen den Sternen“ in „Glückliche Kinder“ anspielt. Dieses Tape ist einer meiner kostbarsten Schätze aus der Bandgeschichte, und als ich es eines Nachts im letzten Dezember bei Kerzenschein und zunehmender Trunkenheit digitalisierte, da dachte ich mir, es wäre schon eine Sünde, nicht wenigstens einen Schnipsel davon zu verwenden.
Habt ihr noch Kontakt zu den ehemaligen Bandmitgliedern?
Das kommt ganz darauf an. Mit Alex (1996 bis 1999), Kesa (2003 bis 2004) und Thomas (2002 bis 2004) besteht weiterhin ein enger freundschaftlicher Kontakt, das ist alles noch Nocte-Familie. Auch mit Emanon (1999 bis 2004) pflege ich weiterhin einen freundschaftlichen Kontakt, wenn auch deutlich eingeschränkter hinsichtlich der Häufigkeit unserer Treffen. Der Kontakt zu S. Magic M. (1993 bis 2000) bestand auch nach seinem Ausstieg noch einige Jahre, riss dann aber um 2007 herum irgendwie ab. Das ändert sich aber gerade wieder. Der erste zaghafte Kontakt kam tragischer Weise zustande, als er mir Ende 2012 die Todesanzeige eines ehemaligen gemeinsamen Freundes schickte, der mich mit ihm und Limbach (1993 bis 1997) bekannt gemacht und damit letztlich die Gründung der Band ermöglicht hatte.
Der Kontakt zu den übrigen Ex-Members ist entweder sehr sporadisch und zufällig oder auch nicht mehr existent, aber das heißt nicht, dass das so bleiben muss.
Seit eurer zwischenzeitlichen Auflösung ist Torsten mit AGRYPNIE beschäftigt und auch ziemlich viel unterwegs. Wie geht ihr mit der damit um? Wird es dadurch schwieriger gemeinsam zu proben oder habt ihr genug Zeit?
Das gestaltet sich tatsächlich alles andere als einfach, aber es ist ja nicht so, dass er der Einzige wäre, der noch in mindestens einer anderen Band spielt, von daher kann man das nicht auf Torsten beschränken.
Wird es eine Tour geben und bekommt man euch dieses Jahr noch irgendwo einmal live zu sehen?
Eine Tour ist für den Frühling 2017 in Planung, Auftritte dieses Jahr wird es nicht mehr geben.
Habt ihr schon Material für ein weiteres Album beisammen? (Und wenn ja: „recycelt“ ihr viel, oder schreibt ihr viel neu?)
Ich habe quasi immer Material für ein paar neue Alben beisammen, auch wenn immer nur ein Teil fertig durcharrangiert ist. Und natürlich kommt auch immer neues dazu.
Es mag vielleicht auf den ersten Blick überstürzt klingen, aber das nächste Album ist schon seit Juli fertig geschrieben und konzipiert, ich sitze gerade an einer Art Vorproduktion bzw. schließe sie soeben ab, denn Ende November soll es schon wieder ins Studio gehen.
Das Material für das kommende Album mit dem Arbeitstitel „Totholz“ wird metallischer, dunkler und kompakter ausfallen, ohne aber auf Soundspielereien gänzlich zu verzichten. Dass wie immer ein gewisses Augenmerk auf den instrumentalen Passagen liegt, dürfte niemanden überraschen, aber alles in allem ist es uns ein Bedürfnis, diesmal schneller auf den Punkt zu kommen. „Umbriel“ war zwar in meinen Ohren recht straight, aber unglaublich ausladend, „Mogontiacum“ ein vertracktes Wechselspiel, das den ein oder anderen vielleicht auch schlichtweg genervt hat, „Totholz“ geht die Sache da deutlich frontaler an.
Dankeschön für eure Zeit! Wenn ihr unseren Lesern noch etwas mitteilen möchtet, dann könnt ihr das hier tun:
„Sarkomand“ wurde erst vor fünf Jahren veröffentlicht. Wieso habt ihr euch dazu entschlossen das Album erneut zu veröffentlichen?
M.: Einerseits, weil Sarkomand bis dato unser stärkstes Album war und auf CD so gut wie ausverkauft, andererseits wollte unser Label MDD Records den Namen Ctulu erst wieder ins Rennen schmeißen, bevor es ein brandneues Release gibt.
Wird es auch ein Re-Release von „Freie Geister“ geben?
M.: Haha, ich habe wirklich schon öfter darüber nachgedacht und vielleicht wäre das auch eine tolle Idee für das 10 jährige Jubiläum des Albums aber da ist derzeit nichts geplant.
Euer letztes Werk „Seelenspiegelsplitter“ kam (völlig zu unrecht!) nicht bei allen Fans gut an. Woran liegt das eurer Meinung nach und wie seid ihr damit umgegangen?
A.: Ich meine, dass es zu Recht nicht angekommen ist, wo es hinsollte. Aber da das eine Geschmackssache ist, braucht man das nicht totzudiskutieren. Ich halte das Album nicht für schlecht, aber definitiv für zur falschen Zeit am falschen Ort erschienen. Hätten wir das Album in der Form allerdings nicht gemacht, würde das aktuelle nicht aussehen, wie es aussieht. Und da ich das neue für gelungen halte, hat Seelenspiegelsplitter als unfreiwilliger Wegbereiter der etwas anderen Art durchaus seine Daseinsberechtigung. So sind wir damit umgegangen.
„Seelenspiegelsplitter“ liegt auch schon drei Jahre zurück… Und ihr habt mittlerweile Material für ein neues Album beisammen. Wann wird es veröffentlicht und wie liefen die Aufnahmen?
M.: Ja, so ist es. Das neue Album ist sogar schon fertig aufgenommen und wird am 18. November 2016 via MDD Records veröffentlicht.
Hierzu haben wir uns bei Jörg Uken in der Soundlodge - Rhauderfehen eingefunden, was sich als absolut gute Entscheidung erwies und ganz im Gegensatz zu früheren Studiobesuchen lief diesmal alles wie am Schnürchen.
Das Arbeiten mit Jörg war wirklich äußerst angenehm und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden; kann ich nur jeder Band empfehlen.
Wird das neue Album wieder „klassischer“ oder experimenteller klingen?
A.: Sowohl als auch. Dabei kann man das Klassische aber eher in Richtung unserer Demos und des Debüts verorten und das Experimentelle auf einer anderen Ebene als Seelenspiegelsplitter. Es gibt keine x Intros mehr und keine überflüssigen Wiederholungen. Wir wollten uns darauf konzentrieren, nur das Wesentliche rüberzubringen und das so gut wie möglich zu machen. Mit den begrenzten Möglichkeiten, die wir haben. Für mich war das im Grunde das größte Experiment, uns zu begrenzen und hörbar zu machen, was wir wirklich können und auch nicht können.
Bleibt ihr H.P. Lovecraft was eure Lyrics betrifft treu?
A.: Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, dass wir das immer tun werden. Lovecraft ist die Essenz von Ctulu.
Ihr hättet die 2013-Akustik-Version von „Nachtwind“ auch auf eine EP / Single / das neue Album packen können. Wieso habt ihr euch dagegen entschieden?
M.: ''Dagegen entschieden'' ist so nicht richtig. Wir haben nachdem die Akustikversion im Kasten war, relativ oft versucht, sie auf einem Tonträger ( EP / Single / 7'') zu veröffentlichen, nur leider gerät man oftmals an Leute, die mehr reden als sie zu leisten imstande sind, oder die Plattenfirma wird verklagt, weshalb unser Vorhaben einige Male scheiterte.
Die Wiederveröffentlichung von Sarkomand war die einzig reelle Chance, die sich uns bot. Außerdem möchte man seinen Hörern ja auch einen kleinen Bonus bieten können, wenn es schon ein Re-Release geben soll.
Geht ihr noch in 2016 mit dem neuen Material auf Tour?
M.: Für dieses Jahr haben wir unsere Konzerttermine schon abgearbeitet und im Moment steht auch nichts Weiteres an. Das kann sich natürlich noch ändern, das Jahr ist ja schließlich noch nicht vorbei. Mal sehen, was nach dem Release am 18. November passiert.
Ihr wart in diesem Jahr auf einigen Festivals, unter anderem sogar in Tschechen und Österreich. Welches Festival / Welchen Auftritt fandet ihr am gelungensten?
M.: Also rein vom spielerischen Standpunkt aus gab es mehrere gute Auftritte, wo wirklich alles glatt lief, zum Beispiel das Ragnarök Festival in Lichtenfels, oder das Heathen Rock Festival in Hamburg... aber im Großen und Ganzen hat mir das Czech Death Fest Open Air am besten gefallen, da stimmte von der Organisation bis zum Auftritt einfach alles.
Welches der Festivals fandet ihr am empfehlenswertesten?
A.: Das Czech Death Fest war beide Male großartig. Sowohl vor als auch hinter der Bühne. Leider gab es dieses Jahr nicht ganz so viele Überraschungen aus der tschechischen Szene für uns. 2013 haben wir sehr empfehlenswerte Bands wie fdk dort kennengelernt, von denen wir vorher nicht einmal den Namen gehört hatten. Neben dem Czech Death Fest war auch das Unaussprechliche Culthe Festival in Münster ein Meilenstein für mich. Unfassbar gute Bandauswahl, angenehme Halle, freundliche und kompetente Veranstalter. Und dann kommt da keine Sau hin. Ich verstehe bis heute nicht, warum das Festival so mager besucht war.
M.: Echt, das war wirklich ein Ding der Unmöglichkeit, alle jammern immer, dass die geilen Bands nie in der Nähe auftreten und wenn es dann doch mal dazu kommt, kriegen die Leute ihren Arsch nicht hoch. Da muss man sich nicht wundern, wenn die ganzen kleineren Events der Reihe nach zu Grunde gehen... traurig!
Habt ihr alle das „Necronomicon“ komplett gelesen?
A.: Soweit ich das überblicke, hat das keiner von uns komplett gelesen. Da das Buch ja auch alles andere als eine zusammenhängende Geschichte ist, halte ich das auch für ziemlich überflüssig. Für mich ist das Necronomicon so etwas wie eine Kurzgeschichtensammlung, die man relativ beliebig aufschlagen kann. Es bietet ja auch jede Seite ein solches Füllhorn an Material zur Weiterbeschäftigung in der sumerischen Mythologie, dass man ziemlich schnell ganz woanders landet und dann wieder ein Geschichtsbuch vor der Nase hat. Auch die häufigen Wiederholungen im Necronomicon machen eine komplette Lektüre ähnlich sinnvoll wie die der Bibel. Ich suche für gewöhnlich nach bestimmten Symbolen (im übertragenen Sinne) und Atmosphären, die sich mit der geschriebenen Musik decken und verwebe das zu einem thematischen Skelett, das die Musik dann halten kann.
Was bedeuten H. P. Lovecraft’s Texte für euch?
A.: Lovecraft war arg vom Leben gebeutelt und hat in einer Zeit gelebt, in die er vorn und hinten nicht hineingepasst hat. Um dem zu entfliehen, hat er Kunst geschaffen, von der er wusste, dass sie kommerziell nicht funktioniert. Damit ist das Geschriebene unheimlich authentisch und auch wenn manche Formulierungen gar zu weit über die Stränge schlagen, muss man anerkennen, dass da jemand aus vollster Überzeugung arbeitet. Das kann man kaum hoch genug einwerten. Und ich muss neidvoll anerkennen, dass ich dem wahrscheinlich nicht folgen könnte, käme es hart auf hart. Um es mit einem Titel unseres aktuellen Albums zu sagen: der Mann war verbittert, enttäuscht und zu allem bereit. Das ist gleichzeitig ein absolut beschissener Zustand, andererseits gibt es keine größere Freiheit.
Davon ab bietet Lovecraft einen thematischen Fundus, aus dem wir noch 20 Alben schöpfen können. Worum geht es in „Windschreiter“?
A.: Die Inspiration kam durch Lovecrafts Traumsuche nach dem unbekannten Kadath. Es geht um eine luzide Träumerin, die die Kontrolle über ihren (Alb-)traum verliert. Abgesehen davon bedeutet der Text für jeden Leser etwas anderes und ich gebe ungern Musterlösungen zur Interpretation heraus.
Dankeschön für eure Zeit!:) Wenn ihr unseren Lesern noch etwas mitteilen möchtet, dann könnt ihr das hier tun:
A.: Alles, was wir mitzuteilen gedenken, gibt es auf dem Album zu hören. Danke für deine Zeit!
Salut Neige!
Zuerst möchte ich dir zu deinem neuen Album gratulieren, das wie ich finde sehr gut geworden ist. Ich denke, dass „Kodama“ für viele deiner Fans eine große Überraschung ist. Du hast zum „Shelter“-Release angekündigt, dass ALCEST sich weiter in Richtung Indie-Rock entwickeln werden. In dem Interview 2013 meintest du, dass Screams sehr unnatürlich seinen und auch von härter Instrumentierung habt ihr euch damals distanziert. Nun beziehst du genau diese Element (erneut) in deine Musik ein. Wie kam es dazu?
Hallo! Dankeschön, es freut mich sehr zu hören, dass es dir gefällt. Ich denke dass einige Fans über diese Veränderung überrascht sein werden – Und das hoffentlich positiv!
Auf eurem neuen Album gibt es reichlich viele Metal-Einflüsse. Wieso auf einmal?
“Shelter” war ein sehr “lufitiges” Album, sehr ätherisch und leuchtend und hat sich hauptsächlich auf die Gitarren und die atmosphärische Seite von ALCEST konzentriert. Wir fühlten die Notwendigkeit mit „Kodama“ zu aussagekräftigeren und dynamischeren und etwas düstereren Songs zurückzukehren. Evolution und Veränderung sind für uns ein sehr wichtiger Punkt um kreativ zu bleiben und mit jedem Album versuchen wir tendenziell in eine andere Richtung zu gehen wie mit dem Album davor. Es geht um die Musik, aber auch um die allgemeine Stimmung, die Wahrnehmung, etc. …
Wann habt ihr die Songs für“Kodama” geschrieben? Was war zuerst da: Die Musik oder die Lyrics?
Die Musik kommt immer zuerst! Texte zu verfassen ist nicht das natürlichste für mich – also kommt das immer später. In der Zeit wo ich Demos gemacht habe, habe ich die Vocals immer ohne Lyrics aufgenommen und irgendetwas improvisiert um die Melodie des Gesangs zu haben. Manchmal behalte ich diesen improvisierten Gesang bis zum Schluss und lasse sie in die fertigen Aufnahmen einfließen – wie in dem Song “Kodama” oder “Untouched”.
“Kodamas” sind Geister der japanischen Folklore. Was verbindet dich mit der japanischen Folklore und wie kamst du auf die Idee ein Album über diese Wesen zu machen?
Das Album handelt nicht wirklich von diesen Geistern und wurde eher von dem Film „Prinzessin Mononoke“ inspiriert. Die Idee zu dem Konzept dieses Albums wurde ausgelöst, als ich den Film vor einiger Zeit erneut ansah. In dem Film geht es um zwei Welten verschiedene Welten – den Menschen und die Natur. Diese beiden Welten versuchen zusammen zu existieren und daraus resultieren viele Konfrontationen und Konflikte. Ich mochte San, den starken Frauencharakter in dem Film. San trägt einen Teil aus beiden Welten in sich, da sie ein Mensch ist, aber von den Tiergöttern im Wald herangezogen wurde. Sie kämpft gegen die menschlichen Stämme und ihre zerstörerischen Technologien und hasst sie dafür, dass sie ihren geliebten Wald zerstören, obwohl sie als Mensch geboren wurde. Ich konnte mich sehr gut mit ihrem Charakter identifizieren und fühle selbst diese Zweischneidigkeit zwischen in mir. Ich fühle mich nicht zugehörig zu diesem Ort, als würde ich in zwei Welten leben: In der Stadt und der Natur, in der physischen Welt und der spirituellen. Ich liebe auch die Message dieses Filmes – Die Tatsache, dass wir mehr auf die wunderschöne Natur um uns achten sollten und in Harmonie mit ihr leben sollten. Natürlich ist das eine Utopie, wenn man überlegt wie die Gesellschaft heutzutage handelt, doch jeder kann fühlen, dass die Menschen mehr und mehr von diesen en bestimmt werden.
Kannst Du mir etwas über die Lyrics im Opener erzählen?
Der Opener hat gar keine Lyrics, das ist textloser Gesang. Aber hier gibt es eine Gastsängerin: Kathrine Shepard von SYLVAINE singt hier im Chorus und der cinematischen Passage im Mittelteil.
Dein neues Album ist um einiges düsterer als “Shelter”. Was ist mit den Sonnenstrahlen passiert, die „Shelter“ 2013 verbreitet hat?
Nachdem „Shelter“ sehr hell und leuchtend war, wollten wir die duklere und wildere Seites der Band erkunden. In der Welt läuft zurzeit auch nicht alles gut und ein ökologisches Thema fließt durch das gesamte Album. Auch die erst kürzlich geschehenen Terror-Attacken in Paris haben mich sehr getroffen und ich denke dass das den Sound des Albums maßgeblich beeinflusst hat.
Der Opal steht für Freude, Lebenslust, Gelassenheit und wirkt gegen Hemmungen und Depressionen. Der Onyx steht für Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und verleiht Widerstandskraft, Stabilität und Lebensfreude. Jedoch schimmert der “Opal” in hellen Farben, während der “Onyx” Schwarz ist. Inwiefern präsentieren diese Edelsteine „Shelter“ und „Kodama“?
Ich weiß nicht wieso, aber ich mag es sehr Namen von Edelsteinen für meine Songs zu verwenden. Ahah. Ich hielt es nicht für nötig die Bedeutung dieser Steine nachzuschlagen, es war er ihre Farbe und Ausstrahlung die mich inspirierte. Der „Opal“ ist sehr klar und leuchtend, wie die Stimmung die ich in dem Song erschaffe. Auf der anderen Seite reflektiert der „Onyx“ etwas düsteres, vulkanisches und erdiges.
„Oiseaux de proie“ klingt sehr verzweifelt und manchmal richtig wütend. Worum geht es in dem Song? Ich nehme an, dass die „Raubvögel“ eine Metapher sind. Wofür stehen sie?
Ja, das ist definitiv ein sehr wütender und urtümlicher Song. Die Lyrics in diesem Song stehen für die Rache der Natur auf alles was wir geschaffen haben. Die Raubvögel sind halb Kind halb Tier und deshalb gehen sie in die Wälder und Tiefen der Erde um die moderne Welt zu übernehmen.
Ich habe eure Show auf dem Prophecy Fest in der Balver Höhle sehr genossen und ich finde dass sich dieses Konzert sehr von den Konzerten während der „Shelter“-Tour unterschieden hat. In der Höhle war eine sehr intensive Atmosphäre und das Publikum hat die Songs sehr gefeiert. Wie hat sich diese Show deiner Meinung nach von anderen Shows unterschieden und wie hat dir die Lokation gefallen?
Ja, da war eine Art von Spannung/Elektrizität in der Luft – ich denke, das Publikum war sehr neugierig und enthusiastisch. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht dort zu spielen! In einer Höhle mit einem solch speziellen Ambiente zu spielen passte sehr gut zu der Atmosphäre unserer Songs. Die Lichter, die wir benutzt hatten, hatten auch etwas vom Meer und so fühlte es sich für uns an als würden wir auf dem Boden des Ozeans spielen.
Wie kam es, dass ihr dort das komplette “Écailles De Lune”-Album gespielt habt?
Wir wurden von unserem Label Prophecy Productions gefragt, ob wir nicht dort auftreten und und das koplette Album spielen möchten. Die Idee gefiehl uns wirklich sehr und so haben wir natürlich zugestimmt. So eine Show vorzubereiten bedeutet aber auch sehr viel Arbeit von unserer Seite. Da mussten wir uns nochmal intensiv reinhören und ich wurde etwas nervös über dieses Vorhaben – Aber ich denke, zum Schluss hat alles sehr gut funktioniert.
War es schwer die Songs von “Écailles De Lune” neu einzustudieren? Habt ihr “Kodama” vor oder nach dem Prophecy-Fest aufgenommen?
Es gab einige Songs auf dem Album die wir noch nie live gespielt haben, weil wir immer dachten dass sie zu komplex und zu schwer live rüberzubringen sind. Das gald besonders für die Wechsel zwischen Klargesang und Screams – das ist alles andere als einfach.
Gibt e seine Verbindung zwischen eurem Tour-Partner MONO (aus Japan) und eurem japanisch betitelten Album? Wie kam es zu der Idee zusammen mit MONO zu touren?
In der Tat ist die Tatsache, dass unser Album einen japanischen Titel hat und wir mit einer japanischen Band touren, kein Zufall. Wir dachten es ist eine sehr gute Idee mit ihnen aus diesem Anlass zu touren, und seit wir mit MONO bei der gleichen Booking-Agentur sind, ist das auch einfacher zu realisieren.
Zusammen mit MONO spielt ihr siebenunddreißig Konzerte innerhalb von siebenunddreißig Tagen. Das klingt wirklich hart. Wieso legt ihr keine Pausen ein?
Wir hätten gerne ein paar Tage Pause gehabt, weil siebenunddreißig Tage in einer Reihe wirklich extrem lang sind. Das ist jetzt vielleicht ein Bisschen trivial, doch es hat in der Tat ökonomische Gründe und wurde von der Booking-Agentur so festgelegt. Wenn eine Band einen Tour-Bus mietet ist es der einzige Weg zu spielen um für die Kosten aufzukommen.
Hast du schon Ideen für ein folgendes ALCEST-Album?
Es ist ein bisschen zu früh dass zu sagen, doch wir denken, dass wir weiterhin Screams und Kontraste in unseren Songs nutzen werden. Vielleicht gehen wir damit sogar weiter.
Falls du noch etwas zu ergänzen hast, kannst du das hier tun:
Wir werden eine Show in Köln spielen um „Kodama“ zu promoten und wir hoffen, viele von euch dort zu sehen.
Dankeschön für deine Antworten!
Wir sehen uns in Köln,
Der metallische Tod von ALCEST schien mit dem letzten Album „Shelter“ (2014) und Neiges Worten im folgenden Interview leider eindeutig besiegelt. Nun gibt es mit „Kodama“ aber letztlich doch nicht den von Neige persönlich prophezeiten Indie-Rock, sondern eine (gänzlich unerwartete) Rückkehr zum „alten“ ALCEST und eine daraus resultierende Wiederaufnahme von metallischen Klängen in den Sound.
Bereits die beiden vorab veröffentlichten Songs „Je Suis D'Ailleurs“ und „Oiseaux De Proie“ machten sehr neugierig auf das fünfte Werk von ALCEST, denn bereits hier schien vieles zu schön um wahr zu sein: Zutiefst atmosphärische Momente vereinen sich mit (Black) Metal, wie man es von früheren Werken gewohnt ist.
Auch der Opener präsentiert ALCEST so mächtig wie lange nicht mehr: „Kodama“ weiß mit seiner mächtigen Instrumentierung von Anfang an zu fesseln, wartet mit Screams, Clean-Vocals und sphärisch entrücktem Gesang auf, schafft unglaubliche post-rockige Klangwelten und dank verstärktem Einsatz von Gitarren und Schlagzeug auch endlich wieder abwechslungsreiche Instrumental-Parts.
Die auf „Shelter“ perfektionierten, Shoegaze-Soundscapes treffen hier auf atmosphärischen Metal und das erschafft ein wahres Wechselbad der Gefühle. Die Gitarren, Drums und der Gesang harmonieren hier so wunderbar perfekt, dass man sich fragt wie „Shelter“ ohne all dies auskommen konnte.
Innovation oder nicht: „Kodama“ zeigt ALCEST in einer wahnsinnig guten Verfassung, ohne auch nur ein schlechtes oder langweiliges Lied. ALCEST agieren gekonnt zwischen den Welten, schaffen eine wahnsinnige, wechselhafte Atmosphäre und laden zum Träumen ein. Das was ALCEST mit dem fabelhaften „Écailles De Lune“ (2010) geschafft haben, wird in „Kodama“ neu aufgegriffen und perfektioniert/modernisiert.
Tatsächlich wissen Neige und Winterhalter auf „Kodama“ mit jedem Song zu überzeugen. Sei es das verträumte „Eclosion“, das atmosphärische „Untouched“ oder das etwas aggressivere „Oiseaux De Proie“ – ALCEST haben hier eine Platte mit unendlich vielen und wechselnden Höhepunkten geschaffen. „Kodama“ ist absolutes Pflichtprogram für Fans von ALCEST, LES DISCRETS, AMESOEURS und MYRKUR.
„Als Tier Ist Der Mensch Nichts“ nennen UNRU ihr neustes Werk und erstes Album. Damit wecken die Bielefelder zunächst in Kombination mit dem doch recht abstrakten Artwork Interesse, denn diese Aussage ist sehr provokant, stiftet Unruhe und vor allem ist sie wahr.
Musikalisch handelt es sich bei UNRU um eine turbulente Mischung aus Drone, Black Metal, Hardcore, Punk und Crust. Rauschende Drone-Elemente leiten mit „Zerfall Manifest“ in das Werk ein, bevor es mit „Das Anna-Karenina-Prinzip“ einen ersten (richtigen) Song zu hören gibt. UNRU schaffen es hier eine verstörende und verzweifelte Atmosphäre aufzubauen, welche ihren Höhepunkt in der Mitte des Songs hat. Tatsächlich gibt es hier jede Menge kranke Melodien zu entdecken. Dabei ist das Ganze sehr Schlagzeug orientiert und obwohl die Musik der Bielefelder nicht gerade leicht greifbar ist vergehen die zwölf Minuten hier wie im Flug.
Leider war „Das Anna-Karenina-Prinzip“ aber auch der mit Abstand stärkste Song des Albums. Mit dem recht seicht beginnenden „Hēdonée“ verfallen UNRU in einen ziemlich zähen, stampfenden Rhythmus, der Song baut sich sehr langsam auf und UNRU kommen erst nach sieben Minuten mit einigen Akzenten und Variationen etwas in Fahrt. Einem vollkommenen Ansatz folgt „Totemiker“: Hier geht es gleich von Beginn an heftig zur Sache und für nicht ganz so hartgesottene stellt sich hier schnell die Frage wo Musik endet und wo Krach beginnt.
„Als Tier Ist Der Mensch Nichts“ ist nicht leicht greifbar, sehr abstrakt, laut und leise zu gleich. Wer etwas crustig-krankes sucht ist hier genau richtig, wer sich (aufgrund des Titels) experimentellen, deutschsprachigen BM á la BETHLEHEM erhofft ist hier falsch.
Manche gehen vor, andere lieber einen Schritt zurück. CTULU gehen offenbar lieber zurück indem sie nach ihrem experimentelleren Album „Seelenspiegelsplitter“ (2013) erst einmal „Sarkomand“ (2011) re-releasen.
Mit „Sarkomand“ hatten CTULU ihren Durchbruch. Insgesamt ist „Sarkomand“ viel rauer, schwärzlicher und ungestümer als das aktuelle Werk: Schlagzeug und Gitarren rasen hier förmlich und auch die Vocals sind viel aggressiver – Das macht bereits der Opener „Arkanum Der Tiefen“ eindrucksvoll deutlich und der Härtegrad weiß sich mit dem leicht thrashigen „Gezeitenstürme“ und „Blindes Chaos“ sogar noch beachtlich zu steigern.
Es gibt aber auch ruhigere Momente, Atmosphäre und für Black Metal-Verhältnisse immer noch einiges an Melodie auf „Sarkomand“. CTULU wussten sich auch 2011 schon mit beständigen Melodien in ihren Songs von Knüppel-Schwarzmetall-Kapellen abzugrenzen und das ohne Kitsch oder übertriebenes atmosphärisches Getue.
Mit „Nachtwind“ ist sogar ein ruhigeres Stück auf dem Album zu finden. Und nach wie vor finde ich, dass hier die eigentliche Stärke von CTULU liegt: Ohne Kitsch und Keyboard schaffen die Sachsen es hier nämlich einen äußerst düster-atmosphärischen Song mit Gänsehaut-Feeling zu präsentieren, welches sich in der Bonus-Akustik-Version noch einmal deutlich verstärkt.
Ich mochte „Seelenspiegelsplitter“ und kann die von vielen daran geübte Kritik nicht nachvollziehen. Ob dies jetzt der Grund für das Re-Release ist, oder die neue Akustik-Version von „Nachtwind“ ? Wer die Band noch nicht kennt und deutschsprachigen Schwarzmetall mit Melodie und H. P. Lovecrafts Monstern mag, sollte hier reinhören. Anspieltipps: „Nachtwind“, „Traumturm“ und „Windschreiter“.
„Mogontiacum“ heißt Mainz – Und das neuste Album von NOCTE OBDUCTA. Dass Besondere an „Mogontiacum“ ist, dass es unter anderem Namen und in Sequenzen schon seit Ewigkeiten existiert und ursprünglich an „Nektar“ (2005) anschließen sollte. Einige Alben und mehr als zehn Jahre später ist es dann endlich soweit und „Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken…)“ steht in den Regalen.
Was bringt das Album mit dem nostalgischen Titel und dem psychedelisch-düsteren Artwork mit sich?
„Mogontiacum“ ist vieles, aber keine Fortsetzung zu „Nektar“. NOCTE OBDUCTA haben lange an dem Album gefeilt und sich nicht mit der Ur-Form von damals zufrieden gegeben, neu und alt prallen hier aufeinander. Psychedelische Instrumentalpassagen, gotische Düsternis und finsterster Schwarzmetall koexistieren hier wie selbstverständlich und nirgendwo anders. NOCTE OBDUCTA klingen vertraut und doch neu. „Mogontiacum“ ist voller Gegensätze und doch homogen.
Mit „Am Ende Des Sommers“ haben NOCTE OBDUCTA einen sehr sperrigen und abstrakten Instrumental-Song an den Anfang gesetzt. Wabbernde Synthesizer, ruhige Drums und Akustik-Gitarren geben den Start in eine etwas zähe, psychedelische und einlullende Traumwelt. Im Kontrast dazu ist das „Löschkommando Walpurgisnacht“ hingegen purer Black Metal mit knüppelndem Schlagzeug und Highspeed-Poesie. Wo Songs wie der griffige Ohrwurm „Ein Ouzo Auf Den Nordwind“ sicher nicht nur Live-Potential haben, kommen „Glückliche Kinder“, „Die Pfähler“, „ Am Waldrand“ ausgesprochen atmosphärisch, mitreißend und vielseitig daher. Hier gibt es diese entscheidenden Momente, die einen gerne auf die Replay-Taste drücken lassen – und das zu Hauf. Dem neunzehn-minütigen „Desîhra Mogontiacum“ merkt man seine Läge natürlich nicht an. Nicht nur hier ist ein Blick in das Booklet ausgesprochen interessant, lohnenswert und aufschlussreich: NOCTE OBDUCTA singen von „Nektar“, „Aschefrühlung“ und „Anis“, trinken auf den „Nordwind“ und schaffen es ihre Musik fabelhaft durch ihre Lyrics zu untermauern – wie es nicht vielen Bands gelingt. NOCTE OBDUCTA arbeiten nämlich nicht nach dem (wohl beliebten) Prinzip „Reim-Dich-Oder-Stirb“ und erschaffen neben der wohlklingenden Musik Texte, die man sich gerne durchliest.
Der Sound von „Mogontiacum“ ist einmalig original und gegenwärtig. Auf schwammige Aufnahmen haben NOCTE OBDUCTA (wie üblich) verzichtet und man fühlt sich bei voller Lautstärke wie im Proberaum. Wem also avantgardistischer, deutschsprachiger Schwarzmetall mit vielen ruhigen und auch lauten Momenten zusagt, der sollte hier zugreifen!
Wer die Bühne mit Bands wie DEBAUCHERY, EKTOMORF, DRONE und EISREGEN geteilt hat, braucht sich nicht zu verstecken. Und doch hat es unfassbare sieben (!) Jahre gedauert, bis die hessischen PENTARIUM sich anschicken ihr erstes Album herauszubringen. Hier hat sich einiges getan seit „The Avenger“ (2009): PENTARIUM klingen düsterer, melodiöser, sind ein wenig weg vom Death Metal und hin zum Black Metal gerückt und schreiben ihre Lyrics fortan in Landessprache. Geblieben sind jedoch die kraftvolle Instrumentierung und die dominanten, melodiösen Keyboardmelodien. So überrascht es auch nicht, dass Songs wie „Auf Schwarzen Schwingen“, „Seelenheil“ oder auch das geniale, gefühlvolle „Nimmermehr“ leicht in Richtung Dark/ Gothic Metal winken. Generell bekommt man bei den Hessen eher langsamere Refrains geboten, die Power steckt hier eher in den Strophen. Dafür sind die Refrains durchweg sehr einprägsam und mitreißend. Der Gebrauch der deutschen Sprache stellt sich für PENTARIUM auf jeden Fall als Gewinn heraus und lässt die Songs eher zünden als auf der Demo und der Gesang hier sehr viel facettenreicher. Auch wenn PENETARIUM sich inmitten ihrer fünfzig Minuten Spielzeit dass ein oder andere Mal wiederholen ist „Schwarzmaler“ dennoch ein echt starkes Debüt mit einigen Höhenpunkten.
Fans von deutschsprachigem (Melodic) Black Metal mit einem Hauch Gothic, Death Metal und Doom sollten hier unbedingt reinhören! Anspieltipps: Das epische „Drachenstein“, das düstere „Nimmermehr“ und das mächtige„Weltenbrand“.