Hätte ich Ronnie Romero etwas raten dürfen, ich hätte auch die Rückkehr zu seiner Stammband LORDS OF BLACK für gut geheißen - der Band, bei der er von Ritchie Blackmore entdeckt worden ist, und die mit Gitarrist Tony Hernado einen hervorragenden Songwriter und Bandkopf besitzt. Nun, der zwischenzeitlich zum Sangessöldner mutierte chilenische Barde hat genau diesen Schritt vollzogen, und das spanische Quartett legt mit "Alchemy Of Souls, Part 1" heuer sein viertes Album vor.
Waren die ersten beiden Alben von LORDS OF BLACK überzeugende und packende Power Metal-Juwele, konnte das dritte Werk bei Weitem nicht mehr so punkten. Das lag vielleicht an dem immensen Erfolg des Sängers und der damit verbundenen Mehrbelastung und/oder der damit einhergehenden veränderten Bandstatik. Letztgenanntes ist geklärt; ein neuer Schlagzeuger (Johan Nunez/FIREWIND) sorgt intern für mehr Ruhe, und Hernado und Romero ziehen wieder gemeinsam an einem Strang. Das kommt dem neuen Album zugute, es wirkt gebundener und bestimmter als der Vorgänger.
Mitreißende Gitarrensalven starten "Dying To Live Again", ehe der hymnische Refrain zupackt und das Album verheißungsvoll eröffnet. "Into The Black" zeigt sich variabel: mal drückend, mal erzählerisch. Tony Hernado gelingt es, mit seinem auffälligen Spiel immer wieder intelligent Akzente zu setzen und so Spannungsbögen in die Songs zu weben. Ronnie Romero zeigt ein weiteres Mal, warum er zur Zeit einer der begehrtesten Sänger im Heavy Metal ist. Pure Kraft, Melodie und Emotion flechtet er wie kaum ein anderer gesanglich ineinander. "Tides Of Blood" ist ein Hybrid aus BLACK SABBATH und DIO, und ich verstehe die sehr an Ronnie James Dio mahnende Gesangsdarbietung als Verneigung vor Ronnie Romeros Idol. "Closer To Your Fall" schwankt zwischen Melodic Rock und Metal und macht dies mit einer Eindringlichkeit und Melodie, die zum Kniefall einladen. Zu guter Letzt beschließt ein wuchtiger, zehnminütiger Monolith als Titelsong das kurzweilige und gehaltvolle Album.
Mit "Alchemy Of Souls, Part 1" melden sich die spanischen Power Metal-Kings kraftvoll, leidenschaftlich und in einer grandiosen Form zurück. Excelente y fantastico!
Nach 30 Jahren Bandgeschichte sollte man mehr vorweisen können als einen Support-Slot im Jahre 1983 für DEF LEPPARD. NIGHTMARE kann auch viel mehr vorweisen, nämlich unzählige Besetzungswechsel, die den Sound immer wieder nachhaltig verändert haben. Auch in 2020 ist man wieder mit einer neuen Frontsängerin am Start und zielt in „Aeternam“ gezielt auf Liebhaber von viel Epos und sinfonischem Metal, der gerne auch mal einen gewissen Härtegrad erreichen darf.
Sängerin Madie beherrscht ihren Job und kann Akzente setzen. Leider trifft das nicht auf die Kompositionen zu, da sich innerhalb der zehn Songs zu oft verzettelt wird. Von modernem Heavy Metal über Power-Einlagen bis hin zu gnadenlosem Kitsch wurde hier krampfhaft versucht, wirklich jeden Hörer zu erreichen. Die Stimmung der Songs ist teilweise sehr düster gehalten, und die passenden Riff-Salven unterstreichen den wirklich tollen Gesang, aber selten werden ein Riff oder ein Part sinnvoll beendet oder ein passender Übergang gefunden. Diese kompositorischen Mängel lassen „Aeternam“ leider ins Mittelfeld abdriften. Mir kommt es so vor, als wenn NIGHTMARE einfach zwanghaft auf einer Welle mitschwimmen wollen, auf der sie zufällig gelandet sind.
Natürlich gibt es auch Lichtblicke. „Lights On“ ist ein solcher Song. Dynamisches Riffing, treibende Drums und wummernder Bass, die in einem tollen Refrain gipfeln. Hätte jedes Stück von „Aeternam“ diese Qualitäten, dann wäre einer hohen Bewertung nichts entgegenzusetzten. Leider tauchen diese Momente nur vereinzelt auf und lassen den Hörer ratlos zurück. Die Band will und kann es ja eigentlich, aber die Umsetzung lässt leider zu wünschen übrig. Was bleibt, sind gute Ansätze, die leider nicht ausgespielt werden und somit keine Wertung oberhalb des Durchschnitts zulassen.
PEARL JAM waren vor allem in ihren Anfangstagen von ungeheuerlicher Relevanz. So verwundert es kaum, dass sie Anfang der 90er beim noch recht jungen MTV-Format „Unplugged“ auftreten durften. Aufgenommen wurde das Ganze am 16. März 1992 in New York in den Kaufman Astoria Studios, wenige Tage nach dem Ende ihrer US-Tournee zu ihrem Debütalbum „Ten“. Und so stammen bis auf „State Of Love And Trust” (stammt vom Soundtrack zum Film „Singles“) alle anderen Songs der CD von ihrem Multi-Millionen-Seller. Live waren PEARL JAM damals unschlagbar - auch akustisch lieferten Eddie Vedder, Stone Gossard & Co. den Beweis ab, dass sie zurecht bis heute neben NIRVANA zu den Superstars des Grunge zählen. Gute Songs mit Tiefe, emotional vorgetragen – das hat an diesem Abend perfekt gepasst und war eine der Sternstunden von MTV.
Und auch wenn es einen freut, dass man PEARL JAMs „MTV Unplugged“ endlich auf CD kriegen kann – bei MTV wurden Anno 1992 noch weitere Songs interpretiert (ein tolles NEIL YOUNG-Cover von „Rockin‘ The Free World“ sowie die beiden Zugaben „Garden“ und „Leash“ fehlen). Die hätte man hier dann doch schon mit draufpacken können. Das gibt Abzug in der B-Note. Ansonsten ist das für meine Generation eine tolle Zeitreise, als MTV noch Neues und Relevantes brachte, und Bands wie PEARL JAM zum Mainstream gehörten.
Ska-Punk, Brass-Punk! Kopie von FEINE SAHNE FISCHFILET, Klingen wie DIE TOTEN HOSEN (das gewitzte „Drei Vor Fünf Vor Zwölf“) mit Bläsern! Sie singen gegen Rechts, gegen Nazis, Juden- und Türkenhass, gegen Alltags-Sexismus, gegen alles Mögliche! 100 KILO HERZ nennen Herrn Wiebusch und kriegen Besuch von Planlos-Pino („Scheren Fressen“), Texte sind unpeinlich, manchmal gar überraschend. Und Rodi kann natürlich nicht wirklich singen, genauso wenig wie Monchi oder Campino. Die Musik ist erwartbar, und Kritiker dürften es sogar kalkuliert nennen. Oder Punks werfen den Leipzigern Mainstream und metallisierte Gelegenheits-Punk-Hörer chronische Verpoppung vor. Nämlich. Kann „man“ alles sagen. Muss man aber nicht. Denn an „Stadt Land Flucht“ muss der Hörer unbedingt mit dem Herzen rangehen und eventuell vorhandene Klischees über Bord werfen. In Hamburg ist auch nicht jeder Schanzengänger ein Hipster, und das trifft so ähnlich auch auf die sächsische Messestadt zu. Und wer nun sagt, derartige Bands atmen nur heiße Luft aus, anstatt etwas zu ändern, dem rufe ich zu: Fickt euch! Jedes, wirklich jedes Bundesland muss mindestens eine Band mit diesem Verve haben, egal, ob Mainstream oder nicht. Dann schunkeln vielleicht nicht nur Rock-Im-Park-Wochenendrockpunk-Metaller zu poppigem Punk und machen sich Gedanken.... Und abseits der löblichen Polit-Punk-Message haben 100 KILO HERZ etwas, was FSF und zumindest früher auch die Hosen ausmacht(e): Richtig coole, simple Melodie, die Nickelbrillen-Feuilletonisten sicherlich als primitiv herabwürdigen, weil diese nicht erkennen, wie viele andere Herzen diese Hymnen wärmen. Flott ist das zudem meistens auch, und echte Peinlichkeiten (wie viele neue Hosen-Horror-Songs) bleiben einem auch erspart. Alles wirkt irgendwie liebenswert. Sie singen gegen so Vieles und klingen dabei ungeheuer positiv und machen irre gute Laune. Da fällt mir ein, ich muss mal wieder nach Connewitz und endlich mal zu Roter Stern!
In Sachen Heavy Metal sind FORSAKEN AGE bereits seit 2009 in Neuseeland unterwegs. Frontfrau Chrissy und ihre vier Mitstreiter haben sich dem klassischen Metal verschrieben, der gerne auch Ausflüge gen NWOBHM unternimmt, und der bis dato auf einem Longplayer und einer EP unter die Leute gebracht wurde.
Das Songwriting ist leider nicht besonders ausgefallen und bedient sich hauptsächlich der geläufigen Schemata. Gut, bei dieser Stilrichtung erwarte ich auch keine progressiven Einflüsse, und die 11 Songs funktionieren ja auch alle in ihrem enggestrickten Schema F. Die Refrains sind allesamt sehr eingängig gehalten und laden zum gemeinsamen Mitsingen ein. Hier muss nicht viel nachgedacht werden, da die Songs einfach selbsterklärend sind. „Raven`s Cry“ und „Heavy Metal Nightmare“ sind beispielsweise Stücke, die tief aus der Klischee-Schublade ausgegraben worden sind, und bei denen man tatsächlich schon jedes einzelne Riff und jeden Gesangston im Voraus kennt. Bei „Raven`s Cry“ hat sich sogar Prominenz eingeschlichen. Der Ripper steuert ein paar Gast-Vocals bei, wobei dies in letzter Zeit ziemlich oft geschieht. Der Ex-JUDAS PRIEST-Frontman braucht scheinbar ein paar Dollar in der Kasse. Endgültig scheitert „Heavy Metal Nightmare“ aber nicht an den Kompositionen oder an den technischen Fähigkeiten der Band. Leider passt der Gesang von Chrissy nicht zu einer Heavy Metal-Band. Die Vocals sind viel zu zahm und erinnern mehr an einen Kirchenchor - ganz selten probiert sie sich als Rockröhre ("Heavy Metal Nightmare"), aber dies auch nur im Amateurbereich. Bestes Beispiel für die Harmlosigkeit der Musik ist „Ride On“, welches wirklich nichts mehr mit Rebellentum oder Leather & Steel zu tun hat. So handzahm hat noch nie eine Band einen Metal-Song interpretiert, und der Gesang klingt nach Bibelschule und reicht eventuell noch für eine x-beliebige Cover-Band.
Ein paar gute Momente hat die Scheibe auch. Musikalisch ist „Running In The Dark“ schon ganz guter Durchschnitt, aber dann dieser Gesang… Nö, ich revidiere, es gibt doch keine guten Momente. Damit wir ein stimmiges Gesamtergebnis haben, wurde bei der Produktion auch geschlampt. Haben wir es hier wirklich mit zwei Gitarren zu tun? Ich höre das nicht raus. Ach, was soll ich sagen? Die Scheibe ist leider nicht mal mehr unterer Durchschnitt, und ich kann da jetzt auch wirklich nichts mehr schönreden. Es gibt einfach nichts Positives zu berichten. Eventuell das Cover-Artwork? Nö, das ist auch scheiße.
SÓLSTAFIR - was für eine unfassbar ausgefallene und interessante Band. Grenzen im musikalischen Sinn lösen sich bei den Isländern wie frühmorgendlicher Nebel unter Sonnenlicht auf. Post Rock, Metal, Folk und Ambient, alles darf miteinander kombiniert werden oder eben nicht. Und dazu die fremdartige, ungewöhnliche, dennoch wohlklingende isländische Sprache. Heuer besteht diese originelle Band nahezu ein Vierteljahrhundert und veröffentlicht passend zur Jahreszeit mit "Endless Twilight Of Codependent Love" ihr siebtes Album.
SÓLSTAFIR eröffnen ("Akkeri") schwankend zwischen ruppig punkig und nachdenklich rockend; dazwischen darf ein Ambient-anmutender Teil den Song halbieren um zu guter letzt groovend zu enden. Unnachahmlich gelingt es hier, aus drei bis vier Musikrichtungen einen Song zu kreieren, der in sich stimmig und unverkennbar nach SÓLSTAFIR klingt. Überraschend konventionell unterhält darauffolgend die Alternative-Nummer "Drysil", die einzig durch den isländischen Gesang und ihren überproportionierten Schluss Eigenart ausströmt. Mit einen größeren Anteil an vertraut anmutendem Gitarren-Rock, dazu gesanglich fragiler und aufgewühlter nehme ich das Output der Isländer 2020 wahr. Der Longplayer ist gleichwohl eindringlich und atmosphärisch wie eh und je. "Endless Twilight Of Codependent Love" ist ein Album für den Kopfhörer. Es ist eine musikalische Reise durch spärlich besetzte Bars, nächtliche Ausfahrten durch vereinsamte Siedlungen, morgendliche Spaziergänge über neblige, bewaldete Felder. Das Werk ist so ungewöhnlich wie ihre Heimat Island, so ursprünglich wie die Vegetation, so unberechenbar wie die Polarlichter, so überraschend wie heiße Quellen in kalter Umgebung.
Tiefer Hass, Traditionalisten ficken die Schafe, Blasphemie, ARMAGEDDA, Raw Black Metal: Bleiben es hohle Klischees und simple Phrasen, oder sind es echte Versprechen? Wichtiger als Worte: Taten! Und so wenden wir uns der ersten Full-Length der Bremer Musikanten (ohne Schaf) zu. Denn das lohnt sich ungemein. Trotz Album-Premiere sind hier keine unerfahrenen Schwarzwurzeln am Sägen: Denn mit „Whorelocaust”, dem ersten Demo von 2016, dem Demo-Nachfolger “Satans Terror“ (2018) und der im gleichen Jahr erschienenen EP “Unholy Raw Black Metal“ setzte der grimmige Dreier bereits erste Achtungszeichen. Sich an DARKTHRONE oder MAYHEM zu orientieren, ist wahrlich kein Verbrechen (und das wäre den Bremer Bösewichten vermutlich eh latte). Aber die Gefahr, dass sich die Gemeinde langweilt wie beim Gottesdienst in der Paulus-Kirche in Celle, die ist groß. Aber: SARGERAS, wie der gefallene Held der brennenden Legion aus „World Of Warcraft“, sind nun mal nicht öde. Denn sie halten ihre Versprechungen, schaffen einen – ähem – wirklich traditionellen Sound, der klingt wie aus der gewünschten Garage, der aber dennoch gehörig wummst. Die ghoulische Gitarre fesselt mit schneid-sägenden Aktionen, Vvytcher schreit-röchelt höllisch-hysterisch wie ein Pandämon, und von hinten besorgt Irasyati Carnage mit seinen hass-hetzenden Drums den Rest. Geil. Anspiel-Tipp? Alle sechs Songs überzeugen, der Titelsong könnte auch Namensgeber für das Label sein, „Sabbath“ ist ein Hammer. Das Album „behandelt die Auslöschung heidnischer Kulte durch das Christentum, ebenso wie den Wunsch nach Rache und die Liebe zu Satan.“ Liebe ist in diesem Kontext ein überraschendes Wort – aber andererseits scheinen SARGERAS eben auch Black Metal zu lieben, anders sind Groove und Verve von “The Return Of The Dancing Whores" nicht zu erklären. Gutes Album.
Die Freiburger DEAF AID wüten schon seit den späten 80er Jahren im deutschen Underground und haben sich von einer Punk-lastigen Thrash-Kapelle zu einer ernstzunehmenden und professionellen Doom-Death-Band entwickelt. Dies wird mit der neuen EP „Precursors Of Extermination“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Band setzt hierbei auf ein sehr dichtes und schweres Gitarren-Riffing, welches gerne von passenden Melodieausflügen sinnvoll begleitet wird. Das Grundgerüst sehe ich hier bei alten SIX FEET UNDER und BOLT THOWER. Besonders die druckvollen Midtempo-Parts erinnern schon oft an die Engländer und werden dem Hörer ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern. Natürlich wird auch mal das Gaspedal durchgedrückt, aber die stärksten Momente sind definitiv diese, wenn die Musik an einen zähen Lavastrom erinnert, der alles verschlingt. In diesen Momenten kann die Musik von DEAF AID beeindrucken und begeistern und einen Platz im Oberhaus der harten Töne für sich beanspruchen. Auf „Prescursors Of Extermination“ wird viel mit Stimmungen und teilweise auch mit Disharmonien gespielt, was den Songs einen eigenen Charakter verleiht und öfter mal den Namen DISBELIEF ins Spiel bringt.
Besonders angetan hat es mir der Song „Bullet“, der mit viel Melodie startet und dann in ein Thrash/Death-Inferno mündet. Hier kann die tiefe, aber immer dominante Stimme von Sänger Marc richtig fett punkten. Der Song sprüht nur so vor Energie und Kraft, die auch dem Band-dienlichen Drumming geschuldet ist. Ein feiner Solo-Ausflug beendet diesen kleinen Hit, der wirklich in allen Belangen restlos überzeugen kann. Der Opener „Fragment By Fragment“ setzt auf einen schlagkräftigen Mix aus stampfendem Death und diversen Thrash-Einlagen. Auch hier kann Vocalist Marc seine Stimme gekonnt in Szene setzen. Es ist eh überraschend, wie Marc sich auf der Scheibe verkauft. Seine Stimme ist definitiv nicht variabel, aber irgendwie gelingt das Kunststück, dass die Musik nie langweilig wirkt. Die Stimme passt einfach zu DEAF AID wie Arsch auf Eimer. Punkt! Mit „Your Flesh Is Mine“ und „Crossfading Existence“ folgen weitere gutklassige Songs, die immer für Kontrolle, Melodie und Weltklasse-Riffing stehen. Hier wurden alle Hausaufgaben gemacht, und man entdeckt immer wieder nette Kleinigkeiten, die die Songs enorm bereichern können. Der letzte Song „The Grudge“ lässt mich ein wenig ratlos zurück. Hätte man als Abschluss des Albums mit einem weiteren Feuerwerk gerechnet, ziehen DEAF AID eine ganz andere Spielkarte. Hier wird auf 8 Minuten mit Stimmungen gespielt, die man von GODFLESH oder SCORN in der Vergangenheit vernehmen konnte. Klingt eher nach einem vertonten Horrorfilm, der im Kochtopf mit einer DISBELIEF-Platte gelandet ist und nach dem Kochen zu kalt abgeduscht wurde… OK, ich kann damit halt gar nichts anfangen, wie man wohl merkt.
Was bleibt, sind ein Spitzensong („Bullet“) und drei weitere oberklassige Metal-Songs. Leider eben auch ein Totalausfall, der aber eventuell von anderen Hörern ganz anders interpretiert wird, und den ich hier nicht überbewerten möchte. Zusammengefasst haben wir hier eine wirklich sehr gelungene Scheibe, die der Band hoffentlich einen verdienten Deal einbringen wird. Unterstützt derzeit die Band bei Bandcamp – Ihr werdet es nicht bereuen. Starkes Teil!
Hi Lynda, erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem ersten Album. Soweit ich das bis jetzt überblicken kann, kommt es bei den Fans und den Medien sehr gut an. Was waren denn während den Aufnahmen Eure Erwartungen oder Hoffnungen?
Hallo Fabian, vielen Dank! Ja, die ersten Meinungen zu dem Album fallen wirklich sehr positiv aus, und die Leute scheinen es wirklich zu mögen. Das bestärkt uns natürlich in dem, was wir tun. Wir hatten die Hoffnung, dass es den Menschen gefällt, aber zuallererst wollten wir unsere Musik teilen. Die Musik, welche aus unseren Herzen kommt, zu uns passt und unserem persönlichen Geschmack entspricht, zu den Fans bringen. Wir haben den Gesang, die Backingvocals, den Bass und die Drums hier in Paris in den Labomatic Studios unter der Ägide von Igor Moreno aufgenommen. Die Gitarren wurden im Homestudio unseres Gitarristen Sam Flash aufgenommen, und alles zusammen wurde in Italien im Domination Studio von Simone Mularoni (DGM) gemixed und gemastered. Wir waren wirklich sehr engagiert.
Im Info gebt Ihr JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN als Eure Einflüsse an. Aber ich denke, dass die Quellen Eurer Inspiration tiefer als diese beiden Klassiker liegen. Was war der Hauptgrund für Euch, um mit der Musik anzufangen?
In der Tat, unsere Einflüsse sind vielschichtiger. Wir alle lieben klassischen Heavy Metal, aber jeder von uns bringt noch ein anderes Element ein. Billy steht auf schnelle Gitarristen wie SYMPHONY X oder YNGWIE MALMSTEEN, Sam ist ein alter Thrasher, der EXODUS und OVERKILL mag, Zaza liebt Death / Thrash Metal à la DEATH oder SEPULTURA, und ich bringe noch alten Hard Rock wie BLACK SABBATH mit ein. Der Hauptgrund, warum jeder von uns mit der Musik angefangen hat, ist sehr persönlicher Natur. Bei mir lag es vor allem an meiner mexikanischen Herkunft. Die mütterliche Seite meiner Familie ist sehr künstlerisch veranlagt. Alle spielen ein Instrument, einige sind Radiomoderatoren, andere bringen jede Party in Schwung. Musik spielt in ihrem Leben eine große Rolle. Es ist also sowas wie ein Erbe. Ich habe es schon als Kind geliebt, wenn ich im Radio elektrische Gitarren gehört habe, und eines Tages war ich auf einem Flohmarkt. Schon aus der Ferne sah ich in der Sonne etwas glitzern. Es war ein Pin von MEGADETH. Vic Rattlehead, wie er einen leuchtenden Smaragd in den Händen hält. Etwas später kaufte ich ein Metal-Magazin mit Eddie auf dem Cover, und das erste Musikvideo, welches ich mir auf meinem ersten eigenen Computer angesehen habe, war eine IRON MAIDEN-Nummer. Und hier bin ich nun!
Wie läuft denn das Songwriting im Hause FURIES ab? Wie in alten Tagen im Proberaum? Oder werkelt jeder für sich zu Hause im stillen Kämmerlein?
Wir komponieren alle, aber normalerweise bringen Billy oder Sam ein, zwei Hauptriffs an, und zusammen arbeiten wir den restlichen Song aus und arrangieren ihn. Manchmal bringt auch jemand schon das komplette Grundgerüst eines Songs mit, den wir dann im Proberaum vervollständigen. Ich schreibe alle Texte und die Gesangsmelodien. Dabei lasse ich mich von den Gefühlen, die die Songs auslösen, inspirieren. Wir sind ziemlich Old School und treffen uns jede Woche im Proberaum, wo wir üben und arbeiten. Um unsere Partituren aufzuschreiben benutzen wir aber eine Software. Und zwischen zwei Proben arbeiten wir aber auch zu Hause weiter.
Gibt es einen Masterplan für Euren Sound? Oder gilt eher "alles ist möglich"? Gab es Situationen, wo jemand mit einem interessanten Riff ankam, die Idee aber als “nicht Metal genug” wieder verworfen wurde?
Ich denke nicht, dass wir einen echten Masterplan für unseren Sound haben, aber wir möchten schon ein zusammenhängendes Klangbild haben. Ich weiß zum Beispiel, dass unsere Gitarristen hart daran arbeiten, dass der Sound ihrer Instrumente einerseits gut zusammenpasst und man doch klar hört, wer von beiden gerade ein Solo und wer ein rhythmisches Riff spielt. Zaza hat das absolute Gehör und kann ihre Drums perfekt stimmen, und ich mag einfach den natürlichen Sound meines Flying V-Basses. Es gab eigentlich keine Situationen, in denen jemand ein "unmetallisches" Riff anschleppte, welches wir aussortieren mussten. Im Gegenteil: Sowas kann die Songs auch aufpeppen. Natürlich mögen wir nicht jede Riff-Idee und sortieren da auch aus. Aber das passiert natürlich und im Konsens. Wir haben da eine ganz spezielle Magie in der Band.
In Deinen Texten beschreibst du FURIES nicht als normale Band, sondern als Familie. Was machen die Beziehungen innerhalb der Band so speziell?
Ja, FURIES sind zu einer Familie geworden. Wir verstehen uns super, verbringen unheimlich viel Zeit miteinander, arbeiten zusammen, … Eine Band ist wie eine Ehe. Was kann es also Besseres geben als mit der Familie zu arbeiten und zu spielen?
Wir habt Ihr Euch eigentlich gefunden? Kanntet Ihr Euch auch schon, bevor Ihr zusammen bei FURIES Musik gemacht habt?
2015 erzählte mir ein Freund, dass eine Allgirl-Band eine Session-Bassistin braucht, also stieg ich bei FURIES ein. Währenddessen formierte ich aber auch meine eigene Band. Allerdings war mein Zusammentreffen mit Zaza fantastisch. Wir hatten die gleiche musikalische Vision, und das Timing stimmte einfach. Dann entschieden wir uns, Bill Lazer (Gitarre), der sowieso schon mit uns abhing, anzuheuern. Bald darauf traf ich Sam Flash (Gitarre) in einer Bar und lud ihn zum Vorspielen ein. Das war wohl weibliche Intuition, denn Zaza und Sam kannten sich schon seit Ewigkeiten, da sie aus der gleichen Kleinstadt in der Nähe von Paris kommen. Unser Schicksal ist voll von Verbindungen und guten Schwingungen.
Und wann habt Ihr Euch entschieden, vom Konzept einer Allgirl-Band zu verabschieden?
Das war nicht wirklich eine Entscheidung. Am Anfang wollte Zaza eine reine Frauenband gründen und hatte damit auch Erfolg. Für mich jedoch war es egal, ob ich mit Frauen oder Männern in einer Band spiele. Hauptsache, ich habe eine Verbindung zu meinen Band-KollegInnen. Wir haben auch schlicht nicht viele Frauen gefunden, die sich bei uns für den Job der Gitarristin beworben hätten. So begannen wir Jungs und Mädels einzuladen.
Da wir gerade von den Jungs sprechen. Die scheinen ja wirklich auf “shredding” zu stehen. Wer sind denn ihre Idole?
Billy: Auf jeden Fall. Ich began diesen Stil zu lieben, als mir mein damaliger Gitarrenlehrer ein VHS-Tape von YNGWIE MALMSTEEN - "Live In Leningrad ´89" - auslieh. Ich war damals 14 Jahre alt und dachte immer noch, dass die Soli von METALLICA die am härtesten zu spielenden seien. Dann wurde ich Fan von Marty Friedman, Michael Romeo (SYMPHONY X) and Kiko Loureiro (gerade die frühen ANGRA mit André Matos waren ein wichtiger Einfluss für mich). In letzter Zeit haben mich einige neue "Shred-Machines" tief beindruckt. Wie z.B. Jason Richardson (Ex-BORN OF OSIRIS) oder Stephen Taranto. Auch wenn ich kein großer Fan dieses "modernen Progressive Metals" bin, so haben diese Jungs die Grenzen noch einmal auf ein neues Level gehoben.
Sam: Als ich mit dem Gitarrespielen anfing, war ich noch nicht so sehr auf dem Metal-Trip, wie ich es heute bin. Die ersten Gitarristen, die mich inspirierten, waren Hendrix, Vaughan und Blackmore. Als ich dann anfing, Thrash Metal zu hören, wollte ich sofort so schnell wie diese ganzen Bands spielen. Ich mochte unter Anderem EXODUS und KREATOR. Dann lernte ich wie man "shreddet", und mein größter Einfluss wurde Paul Gilbert. Dann entdeckte ich YNGWIE MALMSTEEN, und die Heerscharen an weiteren High Speed-Gitarristen aus den 80ern. Heutzutage beeindrucken mich weniger reine Metal-Gitarristen, und ich interessiere mich sehr für Musiker aus dem Jazz / Fusion-Bereich. Wenn ich einen Musiker nennen müsste, der ein Mix aus allem was mich inspiriert, bietet, dann muss ich Emil Werstler nennen.
Eure Pseudonyme sind recht witzig (Lynda Basstarde, Zaza Bathory, Billy Lazer and Sam Flash), und auch auf Euren Band-Fotos zeigt Ihr, dass Ihr eine gesunde Portion Humor besitzt. Auf der anderen Seite jedoch seid Ihr keine Satire und macht Euch über die Heavy Metal-Kultur nicht lustig. Ihr seid selbst Fans und nehmt Eure Musik sehr ernst. Ist es manchmal schwer, den goldenen Mittelweg zwischen Persiflage und liebevoller Hommage zu treffen?
Alle unsere Pseudonyme haben eine tiefere Bedeutung, und wir haben sie nicht zufällig gewählt. Meines z.B. spielt darauf an, dass meine Familie unterschiedlicher Herkunft ist. Eine Seite ist mexikanisch, und eine Seite ist polnisch, und ich selbst spiele Bass. Deshalb entschied ich mich für “Basstarde” als Pseudonym. Zaza benutzt “Bathory” weil sie sich mit der starken historischen Figur der Gräfin Bathory identifizieren kann. “Lazer” bezieht sich auf Billys Ein-Mann-Band, und “Flash” kommt daher, dass Sam bei seiner alten Band sehr schnell spielte. Und natürlich sind die Pseudonyme auch eine Hommage an die 80er Jahre, und wir wollen auch, dass sie als eigene Charaktere zum Leben erwachen. So wie man sie als comichafte Figuren auf dem Cover unseres "Fortune’s Gate"-Albums sehen kann. Unsere Musik nehmen wir sehr ernst. Wir arbeiten sehr hart um gute Songs zu schreiben, die zu uns passen. Denn wir mögen es auch, Party zu machen und zu relaxen. Dieser Mix macht aus, was wir sind.
Euer erstes Video war das animierte Video zu "Voodoo Chains". Wer zeichnet sich für den einzigartigen Look des Clips verantwortlich?
Das Video ist die animierte Version unseres Album-Covers. Das Cover und das Video wurden von Slo Sombrebizarre, einem französischen Illustrator, der für seinen Comicstil bekannt ist, entworfen. Er hat sogar schon einige Metal-Comics gezeichnet. Eigentlich sollte das animierte Cover erst für einen anderen Song stehen, aber wegen der Covid-Situation wurde es "Voodoo Chains", und es passte perfekt. Es gibt einige Symbole in diesem Cover. So ist der Eiffelturm ein Symbol für Kraft und natürlich auch eine Referenz an die Stadt, in der wir leben. Dann bei "Unleash The Furies" sind wir noch in unserer Höhle, welche wir durch das "Fortune’s Gate" verlassen und die Leute dazu ermutigen, uns bei unseren Abenteuern zu begleiten. Dieses mysteriöse Tor symbolisiert Erneuerung, eine Wolke der Herrlichkeit, eine mysteriöse Aura… Jeder kann es für sich selbst interpretieren.
Gibt es irgendeine lustige Episode, welche Du uns vom Dreh eures zweiten Clips "You And I" erzählen kannst?
Also, am Anfang hatten wir alles genau geplant. Wir hatten ein spezielles Studio in einer Schule für audiovisuelles Gestalten gemietet. Hatten sogar spezielle Lichter gemietet und wollten ein richtig künstlerisches Video erstellen. Aber am Tag bevor es losgehen sollte, wurde das Studio wegen des Corona-Virus geschlossen. Deshalb hatten wir nur noch die Filmcrew und sonst nichts. Wir fanden aber schnell eine andere Location und drehten das Video in einer ganz anderen Version.
Ihr scheint in der Metal Community sehr gut vernetzt zu sein. Wie habt Ihr es den hinbekommen, auf internationalen Festivals zu spielen, ohne ein Album draußen zu haben?
In der Tat. Ich selbst bin schon sehr lange in der Metal-Szene unterwegs. Auch schon mit meiner vorherigen Band, dadurch hatte ich schon einige Verbindungen, und als ich den Leuten meine neue Band FURIES präsentierte, mochten sie es. So konnten wir mit Freunden wie ADX oder ULTRA-VOMIT die Bühne teilen und uns auf größeren Festivals wie dem HELLFEST oder dem MUSKELROCK in Schweden präsentieren. Darüber hinaus hat Zaza durch ihren PR-Job gute Kontakte in die Welt der Mainstream-Medien wie dem Radio oder den großen Rock-Magazinen. Das hilft uns dabei, unser Publikum zu vergrößern.
2017 habt Ihr ein Cover von "Mourir Sur Scène" der französischen Sängerin DALIDA aufgenommen. Dieses konntet Ihr sogar im TV präsentieren. Wie kam es denn dazu? Und warum funktionieren alte französische Songs eigentlich so gut im Metal-Kontext? Ich persönlich mochte z.B. die KILLERS-Version der alten BARBARA-Nummer "L’aigle Noir" immer schon sehr. Vielleicht sollte es mal ein komplettes Chanson-Cover-Album der französischen Metalszene geben.
Wir wollten einen französischen Song covern, und Zaza hatte die Idee zu „Mourir Sur Scène“. Sie liebt DALIDA, die eine sehr starke Frau war, aber auch viel in ihrem Leben leiden musste, wirklich sehr. DALIDA ist eine wahre Ikone. Zaza hat sogar ihre Katze "Orlando" getauft, nach Zazas Bruder und Produzenten. Wir haben dann eine Metal-Version aus diesem Song gemacht und denken, dass das echt gut funktioniert hat. Ich denke, populäre französische Songs aus den 80ern lassen sich leicht in Metal-Songs umwandeln, da die bereits eine rockige Basis besitzen. Bei diesem Song war es allerdings ein wenig komplexer, da wir ihn neu arrangieren mussten, damit er richtig funktioniert. Ja, so ein Coversampler könnte eine interessante Sache sein.
2019 bist Du bei der Legende SORTILÈGE eingestiegen und hast bei einigen Shows deren Sänger Zouille (Christian Augustin) gesanglich unterstützt. Kanntest Du die Jungs schon vorher? Oder klingelte einfach eines Tages das Telefon und jemand sagte: „Hey, hast Du Bock, bei SORTILÈGE zu singen?“
Ja, ich sang zuerst mit Alexis (Roy-Petit; HÜRLEMENT, BLASPHEME, Ex-EVIL ONE - Anm. d. Verf.) in einer Tribute-Band. Dann reformierte Zouille SORTILÈGE. Wir waren wie Vater und Tochter füreinander, und er lud mich ein, als Gastsängerin bei SORTILÈGE mitzuwirken. Dafür bin ich sehr dankbar, denn SORTILÈGE ist eine meiner absoluten Lieblingsbands. Die magischen Songs und der perfekte Gesang sind unglaublich. Es war ein einzigartiges Erlebnis, diese Songs zusammen mit Zouille und den anderen Musikern live aufzuführen. Sowohl mit den originalen Mitgliedern als auch mit den Musikern aus der Tribute-Band!
Welche französische Band sollte jeder Heavy Metal-Fan kennen (außer FURIES and SORTILÈGE)?
HÜRLEMENT, EXISTANCE und ANIMALIZE sollte man sich mal ganz genau anschauen.
Nachdem 2020 so ziemlich im Arsch ist, was sind Eure Hoffnungen und Pläne für nächstes Jahr?
Wir hoffen in erster Linie, dass wir die ausgefallen Gigs nachholen können. Besonders die im Ausland. Wie wollen wieder nach Schweden, Dänemark und Deutschland! In der Zwischenzeit werden wir einfach neue Songs schreiben. Wir sind also aufgeregt, was die Zukunft uns bringen wird.
Danke Dir für dieses tolle Gespräch und ich wünsche Dir alles Gute mit FURIES.