THOSE DAMN CROWS sind kurz davor, richtig abzuheben. "God Shaped Hole", Album Nummer 4, kann das quasi nur bestätigen. Und da das Werk schon einige Tage auf dem Markt ist, wissen wir, dass es in UK auf Platz 1 gelandet ist. Somit freuen wir uns auf die Tour und klatschen ordentlich Applaus für den verdienten Erfolg.
Aber im Vergleich zum überragenden Vorgängerwerk fällt das neue Album in seiner Intensität doch ein wenig ab. Shane Greenhalls verdammten Krähen gehen auf Nummer sicher, und auch eine gewisse Routine im Songwriting ist spürbar. Fluffig, dynamisch und hymnisch eröffnet "Dancing With The Enemy" den Longplayer. Shanes Stimmfärbung ist vertraut und gehört zum Profil der Waliser Band. Nach dem flauschigen "Glass Heart" wird es etwas schwerer: "Fake" ist bedrohlich und wuchtig, bleibt aber leider zu eindimensional. "Dreaming" ist schöner Radio-Rock, aber auch hier attestiere ich wieder eine gewisse Durchschaubarkeit. Jetzt beende ich aber das ABER.
THOSE DAMN CROWS bieten auf ihrem vierten Longplayer geschmeidigen Rock, der den Erfolg absolut verdient. Die fünf haben ihr Möglichkeiten noch mehr genutzt, um ein noch größeres Publikum zu erreichen. Dass dabei die Tiefe etwas verschwindet und die Grobkörnigkeit zusätzlich weichgezeichnet wird, ist die Regel und gängiges Prozedere. Ich beschwere mich nicht, ich stelle nur fest. Gleichwohl wäre das Gros der Genre-Kollegen froh, wenn es in der Lage wäre, ein solches Album auf die Theke zu legen. THOSE DAMN CROWS sind auf dem Weg, Maßstab in dem Genre zu werden - und das mit großem Talent!
Die Stuttgarter Band HELLDRIFTER bringen ihr zweites Album bei Violent Creek, dem Hamburger Label, das Bauke de Groot (RIP) und Burkhard Schmitt 2014 gründeten. „Shell of Inexistence“ liegt irgendwo zwischen melodischem Death Metal und Thrash, klingt aber nicht so, als könnten sich die Jungs nicht entscheiden, sondern als ob sie es genau so wollten. Der Opener „Martyrs of A Dying Age“ erinnert dann auch ganz klar an die flammenden Göteborger, verzichtet aber zum Glück auf Keyboard-Pathos und New-Metal-Schmonz. Die folgenden Stücke decken viele Tempovarianten ab, „Cosmic Justice“ ist ein gebremster Stampfer mit ausuferndem Solo und wirkt ein bisschen progressiver, das Mathestudium ist aber dennoch verzichtbar. Wem das dennoch zu anstrengend ist, den belohnen die Schwaben mit dem thrashigen „Beyond The Grave“ und dem ebenfalls flotten und sehr Göteborg-(g)riffigen „Deception“. Schick, dass sich HELLDRIFTER das Titelstück bis zum Ende aufgehoben haben, denn „Shell of Inexistence“ bündelt nochmals die Stärken der Spätzle-Experten. Und es macht Appetit auf mehr und eine weitere Runde dieses variablen Albums, das mit gutem Sound begeistert und auf dem auch die bisweilen einigermaßen eindimensionale Stimme nicht weiter stört, sondern sogar für den gewissen violenten Aggro-Faktor sorgt.
HAKEN, die Londoner Progressive Metaler, legen mit "Liveforms: An Evening with Haken" ihr zweites Live-Album vor und feiern damit auch gleich ihren letzten Longplayer oder besser gleich ihre aufregende Karriere mit. 2007 gegründet und 7 Studioalben später hat sich die Band mit zur Speerspitze des Progressive Metals gemausert. Und da macht es durchaus Sinn, das mit Selbstbewusstsein zu feiern. Und das machen HAKEN mit einem fetten Live-Album. Und mit fett meine ich fett: 3 CDs mit einer Spielzeit von bummeligen 160 Minuten, 21 Songs und das ganze auch als Blu-ray DVD, damit man auch was fürs Auge hat.
Es war im September 2024 eine Art Heimkehr nach der Tour ins Londoner O2 Forum. Auf "Liveforms: An Evening With Haken" ist das gefeiert Heimspiel der Progressive Pioniere enthalten. Die Show wurde in zwei Teile gegliedert. Auf Set 1 wird das komplette "Fauna"-Album gespielt und auf Set 2 werden die Hits ihrer bewegten Laufbahn performt. Die Qualität der Veröffentlichung ist makellos und hochwertig. Sowohl Sound als auch Bildqualität und Schnitte sind sauber, klar, echt und nachvollziehbar. Der Klang der Instrumente, das filigrane Spiel der Protagonisten und dazu Ross Jennings klarer melodiöser Gesang - das alles kommt in ganzer Hülle und Fülle perfekt zur Geltung. Für HAKEN-Fans ein must have, für Progressive Anhänger eine klasse Gelegenheit, die Band in aller Breite kennenzulernen.
Die uns vorliegende 3 CD+1 Blu-ray-Edition enthält das Konzert in voller Länge (ohne Ein- und Ausblendungen) als Audio- und Videoaufzeichnung sowie als Bonus nie zuvor gezeigte Interviews, in denen die Band auf ihre bisherige glanzvolle Karriere zurückblickt. Das Album gibt es auch in einer Vinylversion, allerdings mit dem Makel, dass nur Set 1 auf zwei Vinylscheiben zu hören ist.
Rémy Lafontaine ist Raymz und Raymz ist DEEP SPACE MASK. Der französische Künstler spielt alle Instrumente, singt, produziert und komponiert sein drittes Album "Burn in Hell" alleine, das dieses Mal vom Berliner Label metalloscope verlegt wird. Enthalten ist eine recht grobkörnige Melange aus Doom, Stoner, Thrash und Punk-Einflüssen.
Der eröffnende Titelsong ist groovender Thrash, der sich irgendwo zwischen OVERKILL und EXODUS platziert hat. Bei "Teenage Dream" wird es metallastiger, der Gesang von Raymz ist roh, leicht kehlig, der Song eher simpel, er kann aber zumindest mit Leidenschaft punkten. Erst ab Song Nummer 4 ("Like a Hurricane") wird es interessant. Der Track überzeugt mit Stoner-Qualität, sprich, das Ding hat einen bluesigen Grundton/Tiefe, und der Gesang zeigt sich hier variabler, hintergründig und trotzdem führend. Die fast 8 Minuten werden unterhaltsam gefüllt, und DEEP SPACE MASK haben ab jetzt meine volle Aufmerksamkeit. Ja, und tatsächlich ist hier die stärkste Phase des Longplayers zu finden. "A Price To Pay" - patzig, angepisst - folgt und kann mit punkiger Attitüde gefallen.
Raymz dritter Longplayer kann nicht komplett begeistern, hat aber starkes Material an Bord, vielleicht sein stärkstes bis dato. Gerade im stoisch-doomigen Dämmerlicht ("Master Of Evil") gefällt das Angebot, des One-Man-Projekts. Auch der Move mit dem sympathischen Berliner Label sichert ihm Aufmerksamkeit und wird einen beachtlichen Beitrag zum Gelingen der Veröffentlichung leisten.
Sänger Kenny Leckremo ist seit 2020 zurück, und mit dem neuen Album "Welcome to the Future" hat er jetzt zu seinem Nachfolger und Vorgänger Erik Grönwall mit ebenso 4 Longplayern aufgeschlossen. Ich werde versuchen, den für mich schmerzlich vermissten Erik Grönwall hiermit zum letzten Mal in der Review zu erwähnen, und ich bitte darum, mir diese Parteilichkeit nachzusehen.
H.E.A.T. sind wie schon auf dem Vorgänger-Album dynamisch, positiv und gradlinig, ohne dabei glatt zu sein. Der Opener "Disaster" ist mitnichten ein Missgeschick, sondern eine typische, nach vorne preschende Rocknummer, die in Kürze die Zuschauer live zum Schwitzen bringt. "Bad Time For Love" waren die 80er nicht unbedingt, aber hier ist eben genau diese Epoche musikalisch präsent. Und "Running To You" hat ein wenig BON JOVI inside - simpel, aber voller Energie und Leidenschaft. H.E.A.T. haben ihre Formel und die wird nicht oder kaum variiert. "Welcome To The Future" ist eigentlich welcome to the 80ies, welcome to Rock 'n' Roll und welcome to a good time!
Und wer kann da schon etwas dagegen haben? Die fünf Schweden haben genau das auf ihrer Agenda stehen, und tatsächlich kann man sich kaum dem lebensbejahenden Schwung, wie z.B. bei "Call My Name", wiedersetzen. Warum sollte man auch? Ein Album, das Freude macht.
LIV KRISTINE hat sich den Frühling als "Sendetermin" ausgesucht, um ihr siebtes Soloalbum "Amor Vincit Omnia" zu veröffentlichen. Ob das blühende, summende und sonnenbeschienene Umfeld die richtige Atmosphäre für die doch eher düsteren und sinnierend anmutenden Songs schafft, darf durchaus in Frage gestellt werden; gleichwohl, es bleiben ja noch die Wolken, der Regen und die Nacht. LIV KRISTINE hat mit dem Studio-Musiker Sascha Dannenberg ein relativ unbeschriebenes Blatt als Komponist und Produzent verpflichtet und damit auch eine grundlegende, zumindest personelle, Neuaufstellung markiert.
Nach dem gespenstischen "Prelude" kredenzt uns die Künstlerin zusammen mit ihrem Mann, Michael Espenæs, einen fast death-doomigen Einstand mit dem Titelsong. Der könnte in der deutschen Übersetzung auch von ROSENSTOLZ sein. Musikalisch ist er eine Melange aus DRACONIAN und ihrem Ursprung THEATRE OF TRAGEDY. "Ode to Life Pristine" beschreitet in seiner Stimmung einen ähnlichen Pfad, ist musikalisch aber viel reduzierter und ohne Growls. Die Produktion des Albums ist kristallklar und wunderbar ausgeleuchtet. Jeder Part strahlt in seiner Essenz und bildet erst zusammen ein neues Ganzes. Applaus an dieser Stelle an den Karlsruher Produzenten, Gitarristen und Komponisten des Longplayers. Hier scheinen sich zwei auf einer künstlerischen Ebene gefunden zu haben, und das hört, nein, das spürt der Rezipient. Erzählerisch, feministisch und irgendwie vergeistigt präsentieren sich Sound und Künstlerin bei "12th February". ENYA mit einer Gothic Rock-Ausrichtung ist als Vergleich durchaus entsprechend. Meint man, bei manchem Anfang oder Moment im Song seine Aufmerksamkeit lockern zu können, so zieht man im nächsten Moment wieder die Zügel an und hält die Spannung.
Mit wenig Ausnahmen ("Unzip My Love") zeigt sich das Album eher schlendernd, nicht forsch; aber "Amor Vincit Omnia" hat Ausstrahlung, ist voller Inspiration und Kraft. Ein Gothic Rock-Album, das sehr persönlich, anmutig und gleichzeitig modern klingt. Hut ab einmal nach Karlsruhe und einmal nach Norwegen oder eben in die Schweiz, meines Wissens lebt sie ja in der Alpenrepublik.
BENEDICTION legten vor vier Jahren mit "Scriptures" ein Comeback nach Maß hin. Zuvor war es zwölf Jahre lang ruhig um die Briten geworden. Ex-Sänger Dave Ingram war wieder mit an Bord und die Truppe erfreute Old School Death Metal - Fans weit und breit. Aktuell hat der noch junge Nik Sampson den Job am Bass von Dan Bate übernommen.
Nun stellen wir uns selbstredend die Frage: Kann BENEDICTIONs neuer Streich "Ravage Of Empires" das Niveau halten? Grund genug gleich zwei Reviews zum aktuellem Longplayer zu verfassen! Kollege Karsten war als erster fertig und gab dem wüsten Treiben das Prädikat wertvoll und es fallen Begriffe wie dreckig, dynamisch, kompromisslos und ehrlich. Und was soll ich sagen: aus „böser Cop – guter Cop“ oder „Plus und Minus“ wird nichts! Da gibt’s nix zu rütteln, BENEDICTION demonstrieren eindrucksvoll wie Death Metal zu klingen hat und können das Vorgänger-Album-Niveau locker halten.
Fieses Lachen, tiefe Growls, fetter Groove: Der Opener „A Carrion Harvest“ tritt die Tür ein. „Beyond the Veil (of the Grey Mare)“ ist aus dem gleichen Holz geschnitzt und setzt in Sachen Gitarrenspiel noch einen drauf. Das brechend-brachiale "Deviant Spine", das bohrend-liebreizende „Crawling Over Corpses“ oder das besessen-flotte "In The Dread Of The Night": alles gute Nummern mit Power und Schmiss und einer effektiven Primitivität. Angenehm trendverweigernd, bestialisch walzend beweist das Szene-Urgestein Rückrat. Der Sound ist, trotz der erneuten Produktion durch Scott Atkins im Grindstone Studio, anders als zuletzt schön knisternd-derb und schmutzig. Hier wird nicht nur demoliert, sondern gekonnt in Asche und Trümmer zerlegt!
Dass die zwei Künstler Spaß beim Einspielen der Platte hatten, hört man in jeder Sekunde. Und allein das trägt schon immens zum Hörgenuss von "Black Light/White Noise", dem zweiten Longplayer von ADRIAN SMITH & RICHIE KOTZEN bei. Aber nicht nur das, da sind flirrende Songs wie "White Noise", "Black Light" oder das beschwörende "Darkside", Songs voller Seele und die vor Leidenschaft geradezu brennen, performed mit flehenden, ausdrucksstarken Vocals, die beide Musiker nahezu gleichwertig und gleich intensiv zu ihrem feurigen Gitarrenspiel abliefern. Damit wäre jetzt eigentlich auch schon alles gesagt. Aber gerne gebe ich noch ein wenig Beschreibung des Albums obendrauf.
Blues, Soul und erdiger Hard Rock sind die Ingredienzen. Die Gitarren sind zwar prominent in den Kompositionen, aber der voller Hingabe strotzende Gesang hält die Waage und wird mindestens ebenbürtig wahrgenommen. Die Kompositionen gewinnen von Hördurchlauf zu Hördurchlauf und wachsen in den Hörer quasi hinein. War das Debüt schon durch die gebotene Intensität on the Top, so steckt hier noch eine Prise mehr Selbstbewustsein drin. Bei "Heavy Weather" hat man das Gefühl, die beiden duellieren sich mit ihren Gitarrenhälsen; einen Gewinner kann ich nicht ausmachen oder doch, es ist der Hörer.
Ein Album, das positiv, aber nicht naiv klingt, das hart, aber nicht aggressiv ist, das sich anschmiegt, ohne kuschelig zu sein. "Black Light/White Noise" steckt voller Gefühl, ohne sentimental zu sein.
Uns liegt der Tonträger als schwarze, 180g schwere Vinylversion vor. Pressqualität und Klang sind makellos. Die Platte steckt in einer ungefütterten, bedruckten Hülle, inklusive aller Songtexte. Natürlich gibt es das Werk auch als CD und digital, und zusätzlich zum schwarzen Vinyl bekommt der Sammler auch noch einige limitierte Farbversionen.
Ich bin kein Freund von solchen Coveralben. Erschwerend kommt hinzu, dass die gebotenen Songs auch zu den üblichen Verdächtigen solcher Alben gehören. Und doch gefällt mir manches ausgesprochen gut bei HERMAN RAREBELL & FRIENDS. Dazu später mehr.
Herman Rarebell war von 1977 bis 1996 Schlagzeuger der SCORPIONS und damit in der erfolgreichsten Zeit der Hannover Hardrocker. Bei den Hitalben "Lovedrive", "Blackout", "Love at the First Sting" und "Crazy World" war er der Mann an den Drums. Federführend hat sich Michael Voss (u.a. MICHAEL SCHENKER, MAD MAX) als Gitarrist, Sänger und Mitproduzent in dieses Projekt eingebracht. Dazu konnte man u.a. mit Dann Huff, Howard Leese und Bob Daisley namhafte Musiker für das Album gewinnen.
Hochkarätige Mitmusiker für ein Projekt zu buchen ist in der heutigen Zeit (digitale Aufnahme, physische Anwesenheit unnötig) nichts besonderes mehr. Aber das von Michael Voss stark gesungene und atmosphärische "In The Air Tonight" ist einfach gut gemacht. Und es ist mutig, sich an diese im Original bereits nahezu perfekte Nummer heranzutrauen. Überragend ist Van de Forsts emotionale Performance von "Love Is A Battlefield". Auch der Song strahlt Frische und gleichwohl Vertrautheit aus, was ich als besondere Kunst in diesem Covermetier empfinde. Und das gelingt nahezu immer, wenn die Dame aus Münster am Mikro steht, was sie relativ häufig, manchmal nur partiell macht. Und ja, auch die neuen Arrangements leisten einen Beitrag. "Every Breath You Take" zum Beispiel klang nie hoffnungsvoller und dynamischer wie hier. Zugegeben, "Sweet Child O'Mine" holt mich nicht ab, das liegt aber schon am Original. Und "Here I Go Again" kann kein anderer Sänger besser singen als David Coverdale. Aber das wunderbare "Passion Rules The Game" war schon bei den SCORPIONS ein Hammer-Song, hier wächst das Ding aber tatsächlich noch mal. Und dieser Umstand ist für ein Coveralbum eigentlich der Ritterschlag.
Also, HERMAN RAREBELL & FRIENDS ist ein bockstarkes Werk gelungen, weniger wegen Schlagzeuger Herman Rarebell oder anderer großer Namen, sondern wegen Mitproduzent und Arrangeur Michael Voss und nicht zuletzt Sängerin Van De Forst, die beide einen tollen Job gemacht haben.