Dass die unglaubliche kreative Wucht der französischen Black Metal-Szene kein alleiniges Phänomen der letzten paar Jahre ist, zeigen unter Anderem die progressiven Wunderknaben MERRIMACK, die ihren Stil im Laufe der Jahre immer weiter von seinen Wurzeln (dem Skandinavien der 90er) entfernt haben und jetzt einen völlig eigenen Sound auffahren, der die üblichen Szene-Scheuklappenträger von vornherein aussperrt. Zwar kann man immer noch ansatzweise diverse Einflüsse wie MARDUK, GORGOROTH oder MAYHEM heraushören, aber die mal vertrackten, mal mit epischer BATHORY-Breitwand gespickten und ab und an auch einfach nur rasanten Einlagen gehen beileibe nicht sofort ins Ohr, sondern müssen sich mit vielen Durchläufen erschlossen werden. Dabei schaffen es Perversifier, A. K., Blastum, Vestal und Daethorn immer, keine Selbstzweck-Frickelei zu betreiben, sondern all diese Elemente so geschickt und mitunter subtil in die durchweg erstklassigen Kompositionen zu integrieren, dass sie anfangs gar nicht auffallen. Als Anspieltipps empfehle ich das mächtige „Gospel“, das stellenweise doomige und mit Sitarklängen auslaufende „Hypophanie“ und das monumentale, überlange Abschlusswerk „Liminal“, in dem MERRIMACK noch einmal ihre großen Midtempo-Stärken ausleben. „The Acausal Mass“ ist eine annährend perfekte Gratwanderung zwischen dem Urschleim der „Zweiten Generation“ des Black Metal und einer höchst innovativen, dabei aber keinen Deut weniger bösen Alles-geht-Mentalität, die viel weiter gedacht ist, als es ein Großteil der leider ziemlich besserwisserischen Szene begreifen wird. Black Metal 2.0 – grandios!
Ein weiteres Urgestein nimmt seinen Hut und sagt "Good Bye": die Epic Doomer von CANDLEMASS, zumindest vorerst (wir wissen ja, wie kurzlebig solche Aussagen sein können). Das "Aufhören" soll sich auch erst einmal nur auf die Konserve beschränken, das heißt Live bleibt uns die Band erhalten.
Zum (Studio-) Abschied knallen uns die Schweden noch mal ordentlich eine ins Gesicht - "Psalms For Dead" heißt das finale Werk und geht musikalisch zu den Wurzeln, welche den Doom-Metal groß gemacht haben. Mit einem gewaltigen Riffgewitter, begleitet von grollendem Donner beginnt der musikalische Schwanengesang. "Prophet" prescht zornig, fast schnell aus den Boxen und begießt uns mit Metal bis auf die Haut. Nr. 2 („The Sound Of Dying Demons“) beginnt atmosphärisch düster und erobert mein Herz mit Bitternis und Verzagtheit. Auffällig schiebt sich immer mal wieder ein gespenstig wimmerndes Keyboard in den Song. Die Inszenierung der Doom Messe ist Weltklasse, viel Atmosphäre und Liebe zum Detail steckt in jeder einzelnen Nummer. Manchmal verbreitet sich fast 70er-Jahre-Fair, dazu trägt vor allem die starke Keyboard-/Orgelarbeit bei. Erwähnung muss auch das klasse Gitarrenspiel von Lars Johansson finden, der mit seinen Soli zum Retro/Klassik-Doom-Gefühl beiträgt. Tony Iommi's Schatten war nie dunkler und mächtiger bei der schwedischen Messe. Wie gewohnt macht auch Rob Lowe einen super Job und veredelt die Scheibe mit Inbrunst und Emotion. Apropos Robert Lowe: und hier kommen wir zum unangenehmen Teil der Review. Ich kann Leif Edling´s "Personalpolitik" nicht nachvollziehen, wie kann man einen so starken und verdienten Sänger quasi zeitgleich mit der Veröffentlichung des neuen und "letzten" Albums feuern? Und dann noch als Begründung mangelnde Live-Qualität des Vocalisten anführen, mit dem man klaglos 5 Jahre zusammengearbeitet hat. Solches Verhalten beschädigt die Band und spricht dafür, dass Stil wohl nur in der CANDLEMASS-Musik zu finden ist.
Für mich ist "Psalms For Dead" ohne Zweifel die stärkste Scheibe der Lowe-Ära. Es scheint, als ob sich eine Band gefunden hat (ob es je eine Band war oder nur angestellte Musiker, ist die Frage) - alle Stärken vereint, gebündelt und gänzlich offenbart zum stimmigen Gesamtwerk. Nur leider ist es das letzte Feuer, der finale Brand: nie leuchtet es heller, strahlt es mehr Wärme aus, ehe es in Asche und Rauch versinkt.
Michael Voss ist überall: Bei Vengeance als Schreiber, bei Schenker nicht als Fahrer, sondern auf Tour und eben und sowieso bei seinem Baby MAD MAX. Und natürlich fahren die Maxes wieder die typische Hardrock-Schiene – zumindest teilweise sogar aus Metall. Back to the Roots? Der Titel erscheint durchaus als Reminiszenz an das vierte Album „Night Of Passion“ (1987) – das letzte Werk vor der zwölfjährigen MM-Pause. Die Stammbesetzung um Voss und Breforth dürfte heute die Zielgruppe zu 100 Prozent entschädigen. Und zwar mit diesem: Ein harter Opener „Rocklahoma“, ein posiger Stadionrocker „40 Rock“, ein stampfige „Metal Edge“, das coole Gray-Moore-artige Outro „True Blue“ und so weiter und so fort. Leider kann die Coverversion des Sweet-Klassikers „Fever Of Love“ das gute Niveau von „Another Night Of Passion“ nicht ganz halten, was aber nicht an einem wirklich guten, abwechslungsreichen und vollkommen zeitlosen Hardrock-Album ändert. Die Digipak-Version kommt zudem angeblich mit einem kompletten Berlin-Konzert aus Berlin - eine DVD mit Video gibt es derzeit aber nicht.
Die jungen, hübschen Dänen sind in die Jahre gekommen. Kinder, was waren das für Zeiten, als sie beim Metal-Hammer-Festival ungestüm über die Bühne an der Loreley rasten – und dabei stürzten, sich aufrappelten und weiter bretterten, als sei nix gewesen. So richtig agil sind sie die übergebliebenen Dänen live nicht mehr – aber musikalisch wirken sie alles andere als ausgebrannt. Das beweist auch die Live-Konserve, die zum 30-jährigen Jubiläum als Doppel-CD/DVD-Paket „It Comes Alive - Maid in Switzerland“. Es gibt verschiedene Versionen, hier lag aber nur die CD ohne Bonus „Lethal Heroes“ vor. Auf der DVD sind außerdem Konzertvideo und „Rockumentary“ mit Backstage-Material und Interviews vorhanden. Aufgenommen haben die Skandinavier in Pratteln (Schweiz) und taten das hochprofessionell. Mit sehr markanter Stimme führt Ronnie Atkins durch die Bandhistorie, auch, wenn „Spooked“ und „Planet Panic“ –Titel beispielweise (und zum Glück?) fehlen. Die absoluten Kracher sind natürlich dabei, die Scheibe weckt vor allem mit der Bandhymne zum Abschluss schönen Erinnerungen zurück und macht Spaß. Das reicht für eine Live-Scheibe allemal.
CD 1
01. Pandemonium
02. INVU
03. Hell On High Heels 04. Wake Up To The Real World
Die Schweizer MOONFROST gehören eindeutig zu den melodischeren und auch progressiveren Vertretern des Schwarzmetalls der Alten Schule. Mit ihrem zweiten Album „Starfall“ nach dem Debüt „… Towards The Twilight Realm“ von 2007 legen sie einen schwer verdaulichen Brocken vor, der neben flotten, reduzierten Parts auch genug epische Einschübe auffährt, was das Quartett grob im Fahrwasser von Bands wie CRYPTIC WINTERMOON oder älteren DARK FORTRESS schwimmen lässt, was beileibe keine schlechten Referenzen sind. Einzig das Songwriting betreibt das zuständige Duo Ark und Ven relativ dröge, woran auch eingestreute Spoken Word-Sequenzen wie etwa in den Songs „Torrent Of Hatred“ und „Unveiling The Dark“ nicht viel ändern können. So bleibt „Starfall“ auch nach mehreren Durchläufen blass, und man hat kommt zu dem Schluss, dass auch Stücke wie „Chaos Within“ oder das atmosphärische „Ignorance“ zwar grundsätzlich viel Potential offenbaren, aber irgendwie nicht ganz zu Ende gedacht worden sind. Ohne die scheinbar mit aller Macht gewollte, aber leider zu wenig gekonnte Progressivität wäre das Album sicher deutlich zugänglicher ausgefallen. So bleibt am Ende eine musikalisch gelungene, aber wenig aussagekräftige Scheibe, die nicht aus der Masse heraus sticht.
Erstaunlich, mit welcher Professionalität ASTRAL DOORS 2005 ihren Erstling aufgenommen haben. Klar, Tägtgren hat gemixt, die Platte ist insgesamt super versoundet. Die elf Stücke von „Cloudbreaker“ (unter dem Namen ist das Album übrigens in Japan erschienen) bis „Man Of The Rock, dem schwächsten von lauter guten Songs sind eine Offenbarung für Old-School-Fanatiker. Das Songwriting stimmt genau wie der Umgang mit den Instrumenten – von der fabulösen Johansson-Stimme mal ganz abgesehen. Dass der geneigte Fan das alles schon mal woanders gehört – wen kümmert’s? Wie auch Hardy 2003 schon schrieb: Für Dio-Purple-Rainbow-Jünger ist das hier allemal eine Prozession in Richtung CD-Händler Wert – oder wie auch immer der heutige Kunde sein Produkt bestellt. Selbst, wenn der Re-Release keinen Bonus enthält. Welche der drei Widerveröffentlichungen die beste ist? Keine Ahnung, sind alle prima.
Kamerad Knacki hat 2005 in seinem Review für „Metal Inside“ bereits alles gesagt: Sein Fazit: Die Scheibe gehört in jede Sammlung. Weil sich das aber (angeblich) aufgrund hoher Preise und anderer Gründe etwas schwerer gestaltet¤, macht das Metal-Städtchen es Nachzüglern per Re-Release möglich, auch „Evil Is Forever“ ins Regal zu stellen. Natürlich klingt hier vieles wieder nach Rainbow, Black Sabbath, Dio und Deep Purple, aber wenn dabei so geile Epiker wie der Titelsong herauskommen, ist das total Latte. Und dass es auch mit ganz viel Dampf geht, beweisen Songs wie „Lionheart“ oder „Pull The Break“ sehr energisch. Viel mehr gibt es über das zweite Album der Borlänger nicht zu sagen – Hören sagt hier mehr als tausend Worte. Einen Kritikpunkt gäbe es dann aber doch: Ohne Bonus-Track ist das immerfort währende Teuflische doch etwas mager ausgestattet. Was aber Hard-Rocker, die das Album seinerzeit übersehen/-hört haben, wenig stören sollte. Und von denen müsste es eigentlich ein paar geben….
Schlechte Witze über noch schlechtere Hamburger Biermarken verbieten sich bei ASTRAL DOORS und dem Re-Release ihres dritten Albums von 2006 von selbst. Sicher wie das Amen in der Kirche sind jedoch die Plagiatsvorwürfe. Denn die Schweden sind – logisch - 1a-Kopisten von Größen wie Dio, Black Sabbath, Rainbow oder Purple und Co. Gekonnt eingesetzte Orgel, coole Riffs, geile Soli, prima Hard-Rock-Metal-Songs, Semi-Balladen („Israel“), tolle Harmonien – all das machte die Blaupausen aus – und all das macht eben auch ASTRAL DOORS aus. Und über allem, thront die Stimme Patrick Johanssons‘ – die Ronnie James selbst sicherlich als legitime Nachfolgerin gelten ließe. Hört einfach mal „Raiders Of The Ark“ – Erinnerungen an „Rising“ werden wach. Leider ist die Band – vielleicht gerade wegen der Kopier-Vorwürfe chronisch unterbewertet, was auch die herbe Nichtbeachtung vieler Fans auf dem Headbanger Open Air zeigt. Verdient haben es die sympathischen Skandinavier ganz und gar nicht. Traditionalisten, Alt-Fans und der Nachwuchs müssen diese Scheibe genau wie die beiden anderen Wiederveröffentlichungen haben, zumal die Originale nur schwer zu bekommen waren und mit „21 Century Medieval“ ein brandneuer Song das 14-Song-Album von knapp 55 Minuten beschließt. Darauf ein Holsten - vielleicht bei der Tour im Dezember!
Die letzte Scheibe von LITA FORD („Wicked Wonderland“, 2009) war, gelinde gesagt; bescheiden. Demnach kann es nur besser werden – und wird’s auch! Auch wenn „Living Like A Runaway” noch immer ein ganzes Stückchen weg ist, so scheint LITA FORD sich auf den 80er-Sound zu besinnen, der sie erfolgreich machte, wie u.a. „Gotta Let Go“, „Kiss Me Deadly“, „Close My Eyes Forever“ (mit OZZY). Dabei darf man den Titel „Living Like A Runaway“ durchaus programmatisch verstehen, startete LITA FORD (Jahrgang 58) in den 70ern doch in der Band THE RUNAWAYS (u.a. mit Kollegoin JOAN JETT) und hatte über die letzen Jahrzehnte nicht immer leichtes Spiel – ein reges (vor allem auch privates) Auf und Ab. Wobei, wie schon erwähnt, dass 2009er Comback ein richtig Schwaches war und damit ein großes „Ab“. Auf „Living Like A Runaway“ zeigt LITA FORD sich nun wieder eher rockig – wie der gut nach vorne gehende Opener „Branded“ oder auch das direkt folgende, rhythmische „Hate“ – könnte sicherlich Airplay bei einschlägigen US-Stationen kreigen. Womit die stärksten Songs aber auch bereits gleich zu Anfang verbraten werden; gelungen auch noch die gefühlvolle Akustik-Ballade „Mother“. Bei den restlichen Songs wechseln sich weitere typische Rocknummern mit einer gewissen Härte und (leider) auch etwas belanglosere Kompositionen ab. Nicht bei allen Songs hat man das Gefühl, dass sie LITA FORD repräsentieren, manches wirkt musikalisch zu aufgesetzt, auch wenn die Texte meist autobiografische Züge tragen. „Living Like A Runaway” ist definitiv kein Album auf welches die Hard Rock Gemeinde gewartet hat. Guter Durchschnitt, that’s all. Wer von seinen 80er Schwarm Neues hören möchte, darf aber durchaus ran. Ansonsten ist man mit den ersten LITA FORD Platten immer noch bestens bedient.
MUTILATION RITES ist das neue Betätigungsfeld ehemaliger TODAY IS THE DAY- und TOMBS-Mucker, die hier ihrem Faible für Black Metal nachgehen. Der hat mit dem hippen WOLVES IN THE THRONE ROOM-Sound aber nichts gemein, stattdessen wird auf eine Crust-meets-DARKTHRONE-Mixtur vertraut, die dank einer entsprechend räudigen Produktion schön authentisch nach Mitt-90er klingt. Witzigerweise sind die Songs länger als erwartet, in gut 35 Minuten gibt es ganze sechs Songs und nicht wie erwartet die doppelte Anzahl. Die Songs selbst sind gnadenlos: gnadenlos schnell, gnadenlos roh, gnadenlos heftig, aber leider nicht gnadenlos geil. Einzeln machen sie durchaus Laune, gerade wenn MUTILATION RITES mal das Tempo kurz rausnehmen und leichte Doom-Einflüsse einstreuen; aber auch die rasanten Songs können einzeln gefallen. Nur im Albumverbund will das Ganze nicht zünden, dafür ist es dann doch zu sehr nach dem gleichen Strickmuster gemacht. Ein zwiespältiges Album, das sich Black Metal-Puristen ruhig mal anhören können, aber Wunderdinge sollten nicht erwartet werden.