InterviewWie würdest Du das neue Album beschreiben?
"Ich hatte eine tolle Zeit, es aufzunehmen, also kann ich nicht unleidenschaftlich sein, ich kann es nicht objektiv sehen. Als ich es fertig hatte, habe ich so viele Dinge darin gesehen. Ich bin wirklich zufrieden. Ich habe es genossen, wieder in einem Team zu arbeiten, und viele der Songs sind in einem Stück geschrieben worden. Während der Arbeiten daran habe ich wenig anderen Leuten vorgespielt, sondern habe meine Kreativität fließen lassen und lieber am Ende das ganze Produkt präsentiert."
"Das neue Album ist ein Teil von dem ganzen, das ich mache. Wer dieses Album nicht mag, fein, dann vielleicht ein anderes. Ich kümmere mich nicht darum, was die Leute davon halten, oder was sie von mir erwarten. Ich versuche nur immer, die Meinung der Leute zu ändern, was sie von mir erwarten sollten, denn jedes Album ist anders."
"Und was meine textliche Inspiration angeht - ich entschied mich, als übergreifendes Thema für dieses Album Namen von Plätzen und Straßen zu wählen, die auf irgendeine Art eine Bedeutung für mich hatten. Strutton Ground, z.B. das war eine Straße in Victoria, London, in der die Jobvermittlung saß, die mir meinen ersten Job nach der Schule vermittelte. Es ist die Romantik von Plätzen, die sich durch das Album zieht. Und all diese Dinge setzen sich zusammen wie ein Puzzle zu einem Song, zu einem Album."
Wieviel Zeit Deines Tages ist von Musik bestimmt?
"Ich versuche, jeden Tag etwas zu schreiben. Gar nicht unbedingt mit einem Instrument, momentan habe ich z.B. keine Gitarre dabei, aber einen Notizblock. Ich versuche, immer kreativ zu sein. Es gibt Wochen, in denen ich jeden Tag etwas aufnehme, aber oft lasse ich die Ideen auch einfach wieder gehen. Oder ich nehme sie mir, wie gesagt, später noch einmal vor."
"Es ist dieser Kontrast von Dissonanzen gegen Harmonie und Auflösung, die am meisten Power hat. Dissonanz alleine finde ich unbefriedigend, ich brauche immer ein bisschen Frieden in meinem Krieg."
Du sagst, Deine Musik muss nicht mehr vergleichbar, nicht mehr wettbewerbsfähig sein - liest Du Kritiken?
"Habe ich, ja, aber Kritiken kümmern mich nicht mehr. Ich war so lange in dem Geschäft, ich habe mich damit abgefunden. Wenn sich Leute zumindest die Zeit nehmen, überhaupt etwas zu schreiben, zeigt das doch, dass sie zumindest interessiert sind. Glücklicherweise bin ich bislang von den tiefen Schlingen der Kritik verschont geblieben. Es ist eine Weile her, seit das letzte Mal jemand geschrieben hat, dass er mich wirklich nicht mag. In den späten 70ern, frühen 80ern habe ich die härteste Kritik erfahren. Ich glaube, was die Leute versucht haben zu sagen, war, dass es nicht konstruktiv genug war, nicht anarchisch genug. Ich glaube, es wurde oft als zu kompliziert empfunden, zu unzugänglich. Und ich kann diese Gedanken von damals durchaus verstehen. Es war die Zeit des Punk, lauten Gitarren und direktem Rock, der auf die Bühne gebracht wurde, das war die Zeit damals."
In letzter Zeit bist Du verstärkt zu Deinen Genesis-Wurzeln zurück gekehrt - Du hast nicht immer Genesis Songs live gespielt, oder?
"Nein, jahrelang nicht. Mal einen Song, "Horizon", ein Song den ich geschrieben hatte, als ich noch bei Genesis war, also war es ein bisschen ein Genesis Song, aber eben eigentlich ein Song von mir. Aber mit den Jahren hat sich das geändert. Ich erinnere mich an einen Gig in den frühen 90ern, als ich gerade einen neuen Song spielen wollte, und aus dem Publikum rief einer nach "Supper´s ready". Und ich weiß, dass ich dachte, dass ich wünschte, die Leute würden nicht danach fragen, weil ich ja mein neues Material präsentieren wollte. Aber dann erkannte ich, dass das, wonach sie fragten, eine andere Seite von mir war. Also warum sollte man das so strikt trennen? Also fing ich immer mehr an, diese Sachen für mich wieder zu entdecken. Einfach, weil es vieles dieser Musik nicht gegeben hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre."
Stücke wie "Circus of Becoming" oder "The Silk Road", meiner Ansicht nach durchaus Stücke mit Genesis-Reminiszenzen, sind doch auch ein Schritt auf die alten Fans zu, oder?
"Findest Du? Da würde ich eher "Mechanical Bride" nennen".
Das ist eher King Crimsonesque...
"Und Stan Canton und John Coltrane und viele Leute vor King Crimson genauso wie Genesis und "Selling England by the Pound", denke ich."
Das ist die dissonante Seite?
"Ja, und Big Band Jazz."
Wenn wir schon von Genesis sprechen - es gab seit der Archive-Box einiges an Diskussionen über die Möglichkeit, wieder etwas zusammen zu machen, klar mehr von den Fans gewünscht, als von der Band geschürt... - aber eine Sache, die man vernehmen konnte war eine Zusammenarbeit der alten Besetzung - hättest Du daran Interesse?
"Ich hatte eine Unterhaltung mit Tony vor ein paar Wochen, und ich fragte ihn, ob er meinte, dass eine Reunion passieren könnte. Er sagte, wenn Phil das gefragt wird, sagt der immer ´ja, das ist möglich´, aber Tony sagte, er glaube nicht, dass er das wirklich meint. Im Endeffekt sagte ich ihm hinterher, dass es an mir nicht liegen sollte."
Nach Genesis hattest Du ja auch noch GTR - gibt es eine Chance für derartige Projekte, oder gibt es jetzt nur noch den Solokünstler Steve Hackett?
"Eine solche Zusammenarbeit ist oft nicht mehr als ein Name. Ich meine, viele der Sachen sind im Endeffekt doch nur umbenannte Solo-Prokjekte. Ich hätte dem neuen Album leicht einen Bandnamen geben können, weil es eine Band war, die es aufgenommen hat. Aber manchmal denke ich auch, es wäre nett, eine Band zu haben neben meiner Solotätigkeit, nur im Endeffekt ist es beides gleich arbeitsintensiv. Also was wäre der Wert davon? Ich meine, ja, vielleicht wäre es auch ganz interessant, die Diktatur mal gegen ein bisschen Demokratie einzutauschen."
Hörst Du Dir Deine eigenen Platten an?
"Ja, am meisten, wenn ich sie gerade fertig gestellt habe. Und dann lege ich sie eine Weile weg, und höre sie mir später wieder an, um zu sehen, was man hätte ändern können. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich mich lange genug mit dem Album beschäftigt habe, um später mal nicht viel daran ändern zu wollen, weil ich sehr genau darauf geachtet habe, welche Details wo und wie stehen. Alles was man ändern könnte, wären die Songs, aber wie gesagt, das ist der Grund, warum ich permanent im Studio arbeite. Ich bin immer darauf vorbereitet, ein neues Album fertig zu haben, wenn eins gewünscht wird. Stell Dir vor, dieses Album wird ein Riesenhit, dann habe ich ein weiteres, das ich nachschieben kann. ´Just in case´, dass dieses das "Sergant Peppers" oder Dark Side of the Moon" der heutigen Zeit wird. Ja, das wäre doch was. Ich könnte mit 50.000 Tonnen Equipment auf die Bühne gehen, mit Tänzerinnen an der Seite (lacht). Ja, das könnte interessant werden." (Ralf Koch, Kontakt über die Redaktion)
Review: To Watch the Storms
STEVE HACKETT - schon zu Lebzeiten ist er ein Vorbild für gleich mehrere Generationen von Saitenzupfern gewesen. Kein Zweifel dieser Mann ist hoch musikalisch, dies hat er während seiner nun fast schon 30-jährigen Karriere (für diejenigen, die da noch gar nicht geboren waren, sei erwähnt, daß er in den 70er Jahren mal Gitarrist bei GENESIS war) immer wieder eindrucksvoll bewiesen wie auch auf diesem aktuellen Werk "To Watch The Storms".
Mein Interesse bzw. Augenmerk bezüglich des "Meisters" tendierte nach der legendären Supergroup GTR (1986 u.a. mit Steve Howe von YES), die leider nur ein einziges fantastisches Album herausbrachte, über die letzten Jahre ohne triftigen Grund mehr oder weniger gegen Null. Nach dieser relativ kommerziellen Geschichte mit GTR brachte Hackett aber noch zahlreiche, äußerst diffizile Soloalben, die sich stilistisch irgendwo im Nirvana zwischen Rock, Folk, Jazz und Klassik bewegten, heraus.
"Beständigkeit liegt für mich einzig und allein im Wandel", so stellte er einmal fest" ...wem gefällt was ich tue, der teilt meine Haltung gegenüber der Musik. Nur ihre Ausdruckskraft zählt, die Form kann stets im Fluss bleiben". Getreu nach diesen Grundsätzen ist er auch auf dem neuen Album "To Watch The Storms" vorgegangen, allzu frickelige Soloeinlagen oder gar übertrieben, verschachtelte Instrumentalpassagen hat er sich, anders als zunächst befürchtet, verkniffen (einziger kleiner Ausfall der CD ist das verschrobene "Mechanical Bride"). Größtenteils sind es melodische und teilweise sogar auf den ersten Hub recht eingängige Titel wie "Strutton Ground" oder "Rebecca" mit recht einfühlsamen Vocals. Hier erinnert mich der Gesang stark an ALAN PARSONS PROJECT zu deren besten Zeiten. Bei "Circus Of Becoming" fühlt man sich gar deutlichst an STING's ("Spread A Little Happiness") bzw. alte GENESIS Tage erinnert, sehr gut gemacht. Bereits an der Zusammensetzung der virtuos agierenden Band mit den unterschiedlichsten Instrumenten die von Terry Gregory (Bass), Roger King (Keyboards), Gary O'Toole (Schlagzeug), Rob Townsend (Whistles), Ian McDonald (Sax) und seinem Bruder John Hackett (Flöte) bedient werden, erkennt man die ungemeine Vielseitigkeit dieser Musik auf "To Watch The Storms".
Auch der "normale" Bombastrockfan kommt dabei zu seinem recht, denn "Brand New" könnte ebenso als reinrassiger YES-Song durchgehen. Dazwischen gibt’s quasi zur Erholung immer mal wieder klassische Elemente, die für so einen begnadetem Gitarristen wie Hackett nicht mehr als typische Fingerübungen z.B. "The Moon Underwater" darstellen. Zum Schluß noch ein abschlußstatement des Künstlers: "Wenn sich Dinge nahtlos einfügen, die in der Rockmusik vermeintlich gar keinen Platz haben, wenn Du den Eindruck hast, jemand versucht wie besessen das Letzte aus seinen Instrumenten herauszuholen, und wenn Du zum Beispiel merkst, dass von einer Gitarre stammt was Du zunächst für Saxophon oder Klavier hältst - dann hörst Du Hackett!" dem ist eigentlich nicht mehr hinzuzufügen. Diese CD "To Watch The Storms" ist sicher nichts für schnell mal so Zwischendurch aber auch nicht zu progig und experimentell ausgefallen, daß der Normalrockfan nicht auch gefallen daran finden könnten, man muß sich allerdings auf die Musik schon länger einlassen (wollen).
To Watch the Storms
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
13
Länge:
58:18 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten