Proggies aus den Niederlanden sind selten. Das dachten sich anscheinend auch NATURAL SCIENCE, als sie sich 2000 anschickten, den Rest der Welt mit ihrer vielseitigen, anspruchsvollen, aber nicht einfachen Musik zu bereichern. Wobei "nicht einfach" ganz treffend ist: zwar essentieller als holländische Tomaten, werde ich mit "This Side Of Paradise" einfach nicht ganz warm, obwohl der Stil der Band und die Stimmung auf dem Album durchaus passabel sind. Es wird riffbetonter, atmosphärisch kühler und vertrackter Metal gezockt, der mit Piano - Parts, Elektro - Ausflügen und Akustik - Einlagen aufgewertet wird. Ein wenig erinnern mich NATURAL SCIENCE an die schon lange aufgelösten deutschen Prog - Genies THOUGHT SPHERE, was aber vermutlich hauptsächlich auf Roy Wassink zurückzuführen ist, dessen Stimme sich auf einem ähnlich kraftvoll - klaren Level bewegt wie die von Andreas Lohse. An die songwriterische Genialität der Deutschen kommen die Niederländer jedoch nicht heran, fehlen auf "This Side Of Paradise" einfach die herausragenden Songs. Wer sich jedoch dazu berufen fühlt, das Album einmal anzutesten, sollte in den sperrigen, aber interessanten Opener "On My Own", das krachige "Match Made Up…", das (der Titel sagt es bereits) symphonische "Soundbite Symphony" oder den Rausschmeißer "Novska" reinhören und sich selbst ein Urteil bilden. Schlecht ist das Album keineswegs, aber der Funke wollte bei mir auch nach zig Durchläufen nicht überspringen.
Bei "Timeloss" handelt es sich um das Debütalbum von 2002 der Stockholmer Formation PAATOS, daß jetzt durch InsideOut zum erstenmal außerhalb Schwedens (wieder) veröffentlicht wird. Der Fünfer entstand ursprünglich aus den Formationen LANDBERG bzw. ÄGG, die im Februar 1993 zusammen in einem Rockclub auftraten, zunächst als Begleitmannschaft für die Folksängerin Turid aktiv waren und seither unter der Paatos-Flagge gemeinsame Sache machen. "Paatos" ist das Pendant zum griechischen Pathos, die Schweden haben aus rein optischen Gründen einfach noch ein zweites "a" eingefügt. Das Quintett um ihre charaktervolle Sängerin/Cellistin Petronella Nettermalm läßt, allerdings nur was die helle Klangfarbe der Stimme betrifft, größere Assoziationen an BJÖRK aufkommen, die Musik ist dann doch eine ganz andere, viel weniger elektronisch geprägt sondern mit starken progressiven aber noch mehr jazzrockigen Parts mit teilweise recht ausgedehnten Improvisationen. Hieran werden sich dan schon die Geister scheiden, denn nicht immer kann dieses zwar urwüchsige Konglomerat aus 70er Jahre Prog Rock, virtuosen Querflöten, moderne Keyboardsamples, üppigen Mellotronarrangements, Streichern, knarzenden Bassläufen sowie sphärischen Gitarren über die volle Zeit überzeugen oder besser gesagt fesseln. Trotz der (nur) auf den ersten Blick leicht altmodisch wirkenden Features, man will den hier geprägten Stil übrigends selbst als "melancholic post rock" verstanden wissen, hat die Band auf den nur knapp vierzigminütigen fünf Tracks neben manchen nur schwer verdaulichen Ergüsse durchaus einige sehr sehr starke Momente. Hierfür sthen u.a. das mitreißende "Hypnotique" (ist als Bonus-Video enthalten) oder das fesselnde mit Drum’n"Bass Rhythmen unterlegte etwas soundtrackartige "Quits", leider wurde hier der Schluß mit einer für meinen Geschmack völlig missratenen vierminütigen schrägen Bläserimprovisation ziemlich verhunzt. Ansonsten wird der größtenteils relativ schwermütig daherkommende Sound zwischen den reichhaltigen instrumentalen Parts klar von der naiv fast schon zerbrechlich zart wirkenden Stimme Petronella’s geprägt, die mit unterkühlten Charme melancholische Atmosphären wie in verrauchten Jazzbarkellern aufkommen läßt. Ehemann, Drumer & Haupttexter Huxflux N. zeigt sich äußerst vielseitig, Breaks & verschiedenste Sounds schüttelt er im Dutzend aus den Ärmeln. Als Sessionsmusiker war u.a. auch schon bei JOHN NORUM, CLAWFINGER oder RAMMSTEIN aktiv. Gitarrist Peter Nylander, studierter Musiker mit Abschluss am Berklee College, hat sich in der Jazzszene einen beachtlichen Namen erspielt. Bassist Stefan Dimle betreibt nebenbei den Plattenladen in Stockholm. Johan Wallén schließlich, (ex-Dub-Formation Pro-Seed) hat mit seinen gepflegten Mellotron-Sounds einen großen Anteil am starken Retrocharakter im PAATOS Sound. Sicher außergewöhnliche Musiker, nur wie gesagt, die Scheibe bietet insgesamt keine leichte Kost, für "Timeloss" muß man sich intensiv Zeit nehmen dann können die jazzig plakativen Songstrukturen durchaus ihre Reize entfalten.
DIVINE RUINS nennt sich die neue Combo von SHADOW KEEP - Sänger Ronnie Stixx, der das Konzept zu "Sign Of The Times" bereits 1997 geschrieben hat und das von 2000 - 2001 aufgenommen wurde. Zu den fünf Originalsongs dieses Mini - Albums gesellen sich noch drei Bonustracks; einer davon hört auf den klangvollen Namen "Flight Of Icarus" und stammt von… na, von wem wohl?! Das gesamte Werk klingt sehr stark nach frühen QUEENSRYCHE, wobei besonders Ronnie Stixx’s deutlicher Hang zum US Progressive Metal der 80er Jahre unüberhörbar ist. Der Mann schlägt sämtliche (hohen) Töne mit einer Hingabe an, die verdeutlicht, dass er in dieser Hinsicht seine Hausaufgaben gemacht hat. Nur leider steht das Songmaterial in keinem Verhältnis zu den stimmlichen Leistungen, denn bis auf das tolle "Voices" (der Song und dabei besonders der Refrain erinnert stark an FATES WARNING) und das verspielte, ebenfalls sehr gute "Hands Of Time" (einer der Bonustracks) bleibt keiner der Songs lange im Ohr hängen und richtig mitreißen können die Stücke auch nicht. Die MAIDEN - Coverversion ihres 83’er Megahits ging trotz erstklassiger Gitarrenarbeit ebenfalls derb in die Buchse und ein Dickinson wird Mr. Stixx wohl nicht mehr werden. Im Ganzen ist "Sign Of The Times", allein schon aufgrund der wirklich fähigen Musiker und der hörbaren Produktion, zwar kein schlechtes Werk geworden, den letzten Schliff in Sachen mitreißendes Songwriting, in der Tradition der Vorbilder, hätte es aber noch verdient gehabt. Nett, aber kein Muss.
DGM, DSG, ESP, ABS,… keine Ahnung, wer sich so einen wenig aussagenden Bandnamen wie DGM ausdenkt, aber ehrlich gesagt, ist "Misplaced” das beste italienische "Echtmetall” - Produkt, das ich seit Langem zu hören bekommen habe. Die Buben holen zum Glück nicht die Schwerter aus der Kiste, die Drachen bleiben in ihren Höhlen und Ringe gibt’s auch keine! Statt, italotypisch, die True Metal - Keule herauszuholen, konzentrieren sich DGM, wie schon auf ihrem Debüt "Hidden Place", auf schön melodischen, leicht progressiven Power Metal mit ausladenden Soli und etwas Pathos. Namen wie DREAM THEATER und besonders SYMPHONY X (zu "The Divine Wings Of Tragedy" - Zeiten) kann man hier als grobe Wegweiser nennen, auch wenn DGM deren Klasse nicht ganz erreichen. "Misplaced" geizt zu keiner Sekunde mit verspielten Einlagen wie Chören, symphonischen Parts und variantenreichen Tempowechseln, was das Album für "Easy Listener" sicher nicht einfacher macht. Am Besten gefällt mir das Werk, wenn die Band Anspruch mit Eingängigkeit verbindet und dabei richtige Prog - Hymnen entstehen lässt, wie etwa das speedige, geile "Is Hell Without Love?", "Through My Tears" den kraftvollen Opener "Living On The Edge" oder das nicht weniger tolle "A New Day’s Coming". Befänden sich alle Songs auf diesem Level, hätte ich glatt den "Tipp" gezückt, nur leider trüben nicht ganz so stimmige (obwohl dabei auch noch gute) Stücke wie das zu arg verspielte, sich stetig steigernde "Still Believe" oder das schwer zugängliche "Pride" etwas den Gesamteindruck. Hier hätten DGM, die übrigens mit Titta Tani einen begabten, nicht eunuchenden Sänger in ihren Reihen haben, eindeutig noch mehr aus sich herausholen können. Zusammen mit der kraftvollen Produktion ergibt das eine gute bis sehr gute Scheibe mit erfreulich wenigen Schönheitsfehlern.
Klassischer Neo Prog Rock ist angesagt - zumindestens was diese Formation von unseren Multikulti gescholtenen Nachbarn aus den Niederlanden Namens RICOCHER betrifft. Wie man aus den amtlichen Quellen entnehmen kann, gibt’s die Jungs bereits seit 1993 und so handelt es sich bei dem aktuellen "Chains" mittlerweile um Album Nummero drei. Ganz so billig wie die spartanische Promo mit papierkopierten Cover sowie gebrannter CDR zunächst vermuten lies, hört sich die Musik dann zum Glück nicht an. Die Produktion geht insgesamt jedenfalls in Ordnung, als Produzenten fungierten dabei keine ganz Unbekannten, denn Oliver Philipps & Christian Moos sind ansonsten als Musiker bei EVERON tätig. Allerdings haben die beiden anscheinend nur recht wenig inhaltliche Schwerpunkte setzen dürfen/können, denn der über weiter Strecken präsentierte Prog von RICOCHER kommt doch ziemlich altbacken und vor allem ziemlich unselbständig daher. Aus allen "Ecken" oder besser gesagt in allen auf "Deifel komm raus" mit typisch zugekleisterten Keyboardsounds geglätteten Songstrukturen, klingen solch führende Genreacts wie PENDRAGON, ARENA oder IQ überdeutlich heraus. Mmit eigenen Ideen oder gar Innovativen sieht es da eher etwas mau aus. Sänger Erwin Boerenkamp erinnert bei den hohen Passagen doch mitunter stark an RUSH, doch dies stört nicht weiter, die Gitarren, wenn sie mal etwas losgelassen wie gegen Ende agieren dürfen, können durchaus gefallen (die Solos erinnern zunehmend an ganz alte MARILLION Alben) im Gegensatz dazu ist das leicht monotone Drumming nicht ganz so überzeugend. Es gibt einige Songs mit Unterparts ansonsten gehen die Tracks meistens mehr oder weniger ineinander über, stimmungsmäßig verläuft die Betonung eher in ruhigeren Bahnen, wenn auch stellenweise einige bombastisch rockende Stellen zu finden sind - insgesamt könnten RICOCHER ruhig etwas mehr Gas geben. Wie gesagt, mir kommt einfach vieles auf "Chain" so vor, als hätte man es schon mal irgendwo (besser) gehört, was nicht gleichzeitig bedeutet, daß die Band schlecht wäre aber will man eine Daseinberechtigung haben muß bei der nächsten CD etwas mehr Eigenständigkeit her. Als kleiner Tipp seien hier nochmals die deutschen Underdogs von MARTIGAN erwähnt, die eindrucksvoll gezeigt haben, wie moderner und abwechslungsreicher Neo Prog Rock klingen sollte.
Australien scheint sich ja zu mausern, denn neben tollen Bands wie BLACK MAJESTY oder EYEFEAR tritt jetzt noch ein gänzlich unbekanntes Trio namens WITHOUTEND auf den Plan, das mit seinem gleichnamigen Debüt für eine plötzliche Glückshormonausschüttung sorgt. Mal ganz ehrlich: stellenweise erinnern mich WITHOUTEND an ihre leider nicht mehr existenten Landsleute von VAUXDVIHL, was den vertrackten, aber jederzeit nachvollziehbaren Stil und auch den klaren, hochemotionalen Gesang betrifft. Das gesamte Album wird einer schwer zu beschreibenden, schwermütigen, dabei aber nicht depressiven Grundstimmung durchzogen. Die Stücke sind meist sehr sanft, aber auch hymnisch aufgebaut; Radiotauglichkeit vermischt sich mit hohem Anspruch. Der Hörer benötigt drei, vier Durchläufe, bis sich das Material völlig erschließt, aber dann wird man mit einem Album belohnt, das man sich ständig anhören kann, das bei jedem Durchlauf erneut Spaß bereitet und sich nicht abnutzt. Sogar drei Gastmusiker hat man dem Werk gegönnt: zwei Keyboarder und eine Operndiva (nicht unbedingt nötig…) unterstützen die Band, was die Stücke noch mit etwas getragenem Bombast würzt. Wie bereits erwähnt, ist es nicht einfach, den mal flott - simplen und im nächsten Moment wieder sehr anspruchsvollen, aber immer songdienlichen und dynamischen Stil von WITHOUTEND zu beschreiben. Aber Stücke wie der obergeile, überlange Opener "Again", der sehr eingängigen Hit "Analyse", die (gerade beim Gesang) etwas an METALLICA erinnernde Ballade "I Still Remember", das dramatische "Descend" oder das mitreißende "Comfort Zone" sprechen Bände und können nur im Selbsttest richtig ausgelotet werden. Wer gerne eine Scheibe hören möchte, die auf der einen Seite schön vertrackt, progressiv und anspruchsvoll ist, auf der anderen Seite aber mit einer mit HIM oder REAMONN vergleichbaren Eingängigkeit und Hitverdächtigkeit aufwartet, wird hier reichlich belohnt werden. Ein klasse Album eines klasse Newcomers!
HAPPY THE MAN noch nie was von gehört - so wird es sicher einigen Konsumenten (mir übrigends auch) ergehen, wenn sie diesen Bandnamen hören und das obwohl diese Jungs in den 70ern anscheinend mal ne relativ große Nummer im Progzirkus waren. Sie hatten zwar nie so den ganz großen Erfolg wie etwas YES, ELP oder KING CRIMSON aber die Band um ihren Leader Stan Whitaker wurde Ende der Siebziger anerkanntermaßen als eine der eigenständigsten Progrockbands angesehen. Die beiden damals erschienenen Studioalben der Amerikaner gelten als Meilensteine des Genres und wurden bereits mehrfach wiederveröffentlicht. Nach zwei weiteren CD’s mit Live- bzw. Demomaterial in den Neunzigern formierte sich die Band nach andauernden Reuniongerüchten im Jahr 2003 dann tatsächlich nochmals neu, zwar nicht ganz im original Line-up, aber egal - jetzt hat man mit "The Muse Awakens" jedenfalls ein nagelneues Album am Start. Tja was soll man sagen, HAPPY THE MAN sind keinesfalls ein Fall von "leichter" Muse selbst für das Proggenre, denn hier wird durchaus freizügig improvisiert, teilweise gejazzt, ein Break jagt das nächste, eine starke Keyboardbetonung ergänzt sich mit komplexen Arrangements und natürlich viele "wilde" Soloeinlagen gibt’s quasi an jeder Ecke und vor allem Kante. HAPPY THE MAN sind dabei fast gänzlich instrumental unterwegs, der (leider) einzige Song mit Vocals, das treibende "Shadowlites" ist für mich aber einer der besseren Songs, denn hier geht es musikalisch deutlich nachvollziehbarer zu und nicht ganz so vertrackt. Stellenweise stellt sich bei allem Einfallsreichtum dann auch noch ein gewisses Überladungsgefühl ein wobei es die Band mit dem "Dudelseichtfaktor" schlicht und einfach etwas übertreibt. Die Jungs haben jetzt schon verlauten lassen, daß man bereits fünf neue Vocal-Nummern im Kasten habe, diese Entwicklung kann auf jeden Fall nur als positiv bewertet werden. Trotzt der Betonung in der üppigen CD-Info auf "zugänglichere" Songs, ist der Großteil des vorliegende Materials von "The Muse Awakens" schon relativ anstrengend zu hören, die Band legt größeren Wert auf diffizile Rhythmus-sowe Taktwechsel ein durchgängig nachvollziehbarer rote Faden bzw. eingängige Melodien sind eher rar gesät. Für Genreliebhaber, die auf 70er Jahre geprägten Prog mit hohem Retroanteil wahrscheinlich abfahren ein Schmankerl - alle anderen können sich das Teil getrost schenken.
Nach KINGS X und ARENA kommen jetzt auch noch ENCHANT mit einem Doppel Livealbum "Live At Last" auf den Markt - das Inside Out Label meint es derzeit gut mit allen Fans von hochwertiger Prog Livemucke. Mittlerweile schon sieben Studioalben haben die Jungs aus San Francisco in den letzten 15 Jahren auf die Menschheit losgelassen, da wurde es schon mal Zeit auch den livehaftigen Nachweis auf CD zu bannen, daß ENCHANT eigentlich zu den ganz großen (bisher leider etwas verkannten) des Melodic Prog Rock gehören. In diesen Jahren hat die Band um Gitarrist sowie Hauptsongwriter Doug Ott zwar auch ein etwas schwächeres Werk ("Break") abgeliefert, doch für welche Gruppe kann man dies schon komplett verneinen? Egal mit ihrem oft etwas spröd melancholischen Stil mit wunderbar sphärisch singenden Gitarren und warmen Keyboardsounds haben sich ENCHANT jedenfalls völlig zu Recht eine kleine aber treue Fangemeinde dies- und jenseits des Atlantiks erspielt. Das auf "Live At Last" präsentierte Material wurde im heimischen Oakland während eines zweieinhalbstündigen Gigs aufgenommen und zeigt einen interessanten Querschnitt aus allen Phasen vom brillianten Debüt "A Blueprint Of The World" bis zum jüngsten Studioalbum "Tug Of War". Weiterhin befinden sich noch zwei recht gelungene Akustikversionen von "Black Eyes & Broken Glass" sowie "Colors Fade" auf der zweiten CD. ENCHANT’s Sänger Ted Leonard, des öfteren dank etwas ähnlich gelagerter Tonlage mit Kansas Röhre Steve Walsh verglichen, liefert hier eine tolle Leistung, Doug Ott lässt seine Gitarre wunderbar singen, Bill Jenkins mit seinen wohltemparierten Keyboards, Bassist Ed Platt sowie Drummer Sean Flanegan zeigen sich atmosphärisch gehaltvoll zwar stets etwas im Hintergrund aber trotzdem mit unheimlich groovendem Rock. Für Liebhaber ausgefeilten Songwritings, mitreißender Spielfreude sowie zündender Melodien dürfte "Live At Last" eine absolut lohnenswerte Geschichte sein. ENCHANT bringen ihr Werk auch als Doppel-DVD heraus wobei beide Versionen das Oakland-Konzert in kompletter Länge beinhalten - das DVD-Set bietet zudem noch Interviews mit Band & Fans, Aufnahmen von Proben/Soundchecks sowie eine Fotogalerie mit Impressionen des Konzerts in Kalifornien und von der Enchant-Europatournee im Jahr 2003.
Dass aus Seattle nicht nur kulturelle Furunkel stammen, bewiesen schon vor Längerem Bands wie QUEENSRYCHE oder NEVERMORE. Mit LYRANTHE gesellt sich nun ein hoffnungsvoller Newcomer in die Riege der anspruchsvollen Power - Bands. Der Fünfer spielt schwer durchschaubaren, sehr technischen Progressive Metal, der sich kaum einordnen und noch schwieriger nachvollziehen lässt. Die durchgehend überlangen Stücke verlangen die größte Aufmerksamkeit des Hörers und garantieren echten Gehörknobelspaß. Nur leider gelingt es der Band dabei kaum, an der Magie solcher Bands wie WATCHTOWER, INTO ETERNITY oder meinetwegen auch DEAD SOUL TRIBE zu kratzen. Zu konstruiert und kühl klingen die Kompositionen, was in diesem Fall zusätzlich durch die äußerst dumpfe und trockene Produktion verstärkt wird. Außerdem zerren Walter G. Ballard Jr.’s hoher, kreischender Gesang und die zahlreichen Quietsch - Frickel - Parts sehr an den Nerven. Wer sich gerne aufmacht, jedes Detail eines Albums zu erkunden sich ein Album fast ohne Abnutzungserscheinungen wünscht, liegt hier vielleicht richtig. "Keine Abnutzungserscheinungen" kann aber auch bedeuten: "nichts, das hängen bleibt". Und LYRANTHE bewegen sich mit "Oculus Inferno" leider auf der ungünstigeren Seite dieses schmalen Grats.
Mit wie vielen Prog - Projekten wurden wir in den letzten Jahren zugeschüttet und wie viele davon sind uns wirklich in Erinnerung geblieben??? Mal ehrlich: zu viele Künstler dieses Genres beschränken sich auf ein paar frickelige Songs, zu denen dann Gastsänger antreten und ein paar Zeilen singen dürfen, wobei der Werbeeffekt zumeist größer ist als die Ausgereiftheit der Umsetzung. Zu den wenigen Leuten, die es schaffen, genau dieses zu vermeiden, gehören unter Anderem etwa Arjen Lucassen oder Henning Pauly. Letzterer ist nicht nur studierter Musiker, sondern auch Hauptsongwriter, Gitarrist, Keyboarder, etc. von CHAIN und bereits durch Projekte wie FRAMESHIFT (feat. James LaBrie) oder sein Solo - Werk "13 Days" bekannt. Auf dem zweiten CHAIN - Album "Chain.Exe" sind nicht nur die eigentlichen Bandmitglieder zu hören, sondern auch diverse Gastmusiker wie Michael Sadler (SAGA), Mike Keneally (u.A. STEVE VAI, FRANK ZAPPA) oder TSO - Star Jody Ashworth. Soviel zu den Fakten, aber was hebt "Chain.exe" nun von den oben genannten, anderen Prog - Platten ab? Ganz einfach: das Teil ist einfach nur fantastisch! In knapp 80 Minuten baut die Band ein hochverdichtetes, musikalisch brillantes Spannungsfeld auf, das sogar die letzten DREAM THEATER - Alben blass aussehen lässt. Dabei reicht die Spannweite von relaxtem Artrock über moderne Parts bis hin zu recht harten Passagen mit symphonischen Elementen. Den Auftakt dabei markiert das überragende, 38 - minütige(!) und in sieben Abschnitte aufgeteilte "Cities", das über sämtliche Progressive - Facetten inklusive Gänsehautmelodien, Satzgesang und abgefahrene instrumentale Achterbahnfahrten verfügt. Allein dieser Song steckt voller so vieler Details, das deren Beschreibung hier den Rahmen sprengen würde (achtet mal auf die immer wiederkehrenden Melodien… geil!!!). "She Looks Like You" entspannt den Hörer nach diesem Gewitter mit einer kurzen, smoothen Ballade, bevor "Eama Hut" Gehörknobeleien vom Allerfeinsten serviert (Bombast und recht harter Gesang treffen auf einen vertrackten Songaufbau plus superben Refrain - klasse!). Der von einem Choral begleitete Stampfer "Never Leave The Past Behind" fährt partiell verzerrten Gesang auf und haut jeden Proggie mit seinen unglaublichen Spannungsaufbauten komplett aus den Latschen, einfach nur genial! Das SAGA - Cover "Hot To Cold" entpuppt sich als verspielt umgesetzte Hymne, für die sich Michael Sadler nicht umsonst gerne zur Verfügung gestellt hat. "Last Chance To See" markiert dann den ruhigen, würdigen Abschluss eines absoluten Superalbums, dessen Vielseitigkeit selbst für den Progressive - Bereich nicht alltäglich ist. Für Genre - Fans ist "Chain.exe" demnach ein Pflichtkauf und gehört für mich zu den herausragendsten Werken der letzten Jahre. Ein Album voller musikalischer Oberklasse und tiefgreifender Emotionen und darum auch so wertvoll. Der totale Hammer!!!