James LaBrie kann im Fragefall auch ohne DREAM THEATER – nur halt nicht ganz so gut… „Beautiful Shade Of Grey“ ist in keinem Fall ein schlechtes Album geworden, aber da das Album fast komplett akustisch umgesetzt wurde, fehlt den durchaus brauchbaren Kompositionen der letzte Kick, um vollständig überzeugen zu können. Natürlich ist technisch alles perfekt eingespielt, da sich LaBrie als sichere Bank Paul Logue und Christian Pulkkinen von der Band EDEN´S CURSE sichern konnte - die Drums wurden von LaBries´s Sohn eingespielt und bei den Lead-Gitarren ist Marco Sfogli, der seit 2015 alle Soloalben von LaBrie veredelte, ein perfekter Rückhalt.
Die Songs lassen durch die akustische Ausrichtung nicht viel Spielraum und somit sind eher ruhige Töne zu verzeichnen. Aus diesem Grund ist „Beautiful Shade Of Grey“ eher für besinnliche Momente geeignet und schreit nicht unbedingt nach einer Live-Umsetzung. Verwunderlich ist, dass LaBrie auf seinem eigenen Soloalbum nicht wirklich zur Geltung kommt – der Ausnahmesänger kann auf „Beautiful Shade Of Grey“ nicht sein ganzes Potenzial ausspielen und somit werden Fans des Sängers ein wenig enttäuscht sein. Bezeichnend ist, dass vielen Songs eine aggressivere Instrumentierung gutgetan hätte und somit die Frage aufkommt, ob LaBrie sich nicht doch eher auf seine Hauptband konzentrieren sollte. Balladen können DREAM THEATER schließlich auch und irgendwie wirken diese auf einem DREAM THEATER-Album nie aus dem Kontext gerissen. Auf „Beautiful Shade Of Grey“ bekommt man einen maximalen „Balladenoverkill“ und somit verpufft der Überraschungseffekt. Ich zähle mich durchaus zu den Fans von Labrie, aber „Beautiful Shade Of Grey“ wird mir wahrscheinlich nur wegen des wirklich hübschen Coverartworks in Erinnerung bleiben.
Richtig schnell waren sie dieses Mal, die Melodic Proggies von SEVENTH WONDER, mit ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum. Lagen zwischen “The Great Escape” und “Tiara” noch schlanke acht Jahre, kommt “The Testament” nun lediglich vier Jahre nach seinem Vorgänger auf den Markt. Stilistisch sind sich die Schweden absolut treu geblieben und kredenzen dem Hörer ihren typischen Prog Metal mit relativ wenig Gefrickel dafür aber Refrains im Breitwandformat. Gerade diesen hat es das Quintett sicher zu verdanken, bereits das zweite Album bei den AOR- und Melodic Rock-Spezialisten Frontiers Records veröffentlichen zu dürfen.
Im Vergleich zu “Tiara” von 2018 ist das neue Album wieder deutlich griffiger ausgefallen und kann in Sachen Songwriting nicht nur an das bisherige Opus Magnum “The Great Escape” heranreichen, sondern dieses auch locker überflügeln. “Warriors” eröffnet die Scheibe mit hartem Stakkato-Riffing bevor der hervorragende Gesang von Goldkehlchen Tommy Karevik einsetzt. Der Junge ist sicher DER große Pluspunkt von SEVENTH WONDER und besticht über Albumlänge mit einer grandiosen Gesangsleistung. Kein Wunder, dass er seit zehn Jahren auch KAMELOT sein Organ leihen darf. Es wäre aber nicht so, dass die instrumentale Leistung total ins Abseits gedrängt würde. Auch hier stimmt alles. Fette Riffs, brillante Soli, coole Bassläufe, präzises Drumming und geschmackvoll eingesetzte Keyboards bieten die virtuose Basis für die außerordentlichen Vocals. Der zweite Song “The Light” erinnert (zufällig oder nicht) recht stark an den bisherigen Band-Hit “Alley Cat” - also ein Ohrwurm ersten Ranges. “I Carry The Blame” startet als Hommage an FATES WARNING zu Zeiten von “Parallels”. Daran würden viele Bands scheitern, SEVENTH WONDER liefern aber auch hier grandios ab. Das folgende “Reflections” kommt ohne Gesang aus, ist aber keinen Deut schlechter und leitet in das ebenfalls sehr progressive “The Red River” ein. Ein Höhepunkt des Albums. “Invincible” schmeichelt dem Hörer mit einem Chorus für den viele Melodic Rock-Bands wohl töten würden und der hier wie selbstverständlich in anspruchsvolle Umgebung eingebettet wird.
Vielen Alben gehen zu Ende hin die Höhepunkte aus, nicht so bei “The Testament”. SEVENTH WONDER hauen mit “Mindkiller”, dem Fast-Neunminüter “Under A Clear Blue Sky” und dem ruhigen, atmosphärischen Schlusstrack “Elegy” noch mal alles raus, was sie haben. Gänsehaut garantiert.
Da das Album mit einem wunderbaren Artwork und einer perfekten Produktion veredelt ist, bleibt als Fazit, es hier mit einem Anwärter auf das Album des Jahres zu tun zu haben. Nach dem etwas schwächelnden Vorgänger war das so nicht zu erwarten. Für alle Genre-Fans ist “The Testament” Pflichtprogramm.
IBARAKI ist das neu gegründete Black Metal-Nebenprojekt von TRIVIUM-Fronter Matthew Heafy, welcher erst kürzlich mit TRIVIUMs „In The Court Of The Dragon“ glänzte. Heafy greift seine japanischen Wurzeln auf und bringt sie in die Musik mit ein; das erscheint authentischer, als nordische Mythologie als thematische Grundlage zu wählen. Alleine die Tatsache, dass EMPEROR-Legende Ihshan an “Rashomon” beteiligt ist, eröffnet IBARAKI die Möglichkeit, dass Black Metal-Publikum zuhört. Immerhin ist TRIVIUM eine massenkompatible Band aus dem sogenannten Mainstream. Ihshan interessiert sich bekannterweise für experimentelle Genregrenzen, seine hörenswerten Soloalben sind ein guter Beweis dafür. “Rashomon” wurde von ihm produziert, einige Stücke hat er mitgeschrieben und er ist zwischendurch auch am Gesang und an der Gitarre zu hören. Der Name des Projektes stammt von einer japanischen Geschichte über einen Dämon.
Heafy verbindet in seinem neuen Projekt verschachtelte Prog-Elemente, symphonische Black Metal-Anteile und Folklore. Das Ergebnis ist durchaus interessant, innovativ und gekonnt und offenbart auch eine gutes Songwriting; nach Black Metal klingt es allerdings nur bedingt. Die Frage nach einer Genrezuordnung sollte man bei IBARAKI einfach nicht stellen.
Nach dem japanisch anmutenden Intro „Hakanaki Hitsuzen“ folgt der Opener „Kagutsuchi“: Melodic Black Metal mit Tremolo-Picking, cleanen und geschrienen Vocals. „Ibaraki-Doji“ zeigt Core-Affinitäten, welche auf Symphonic Black Metal und getragene Streicher-Sounds treffen. Die klaren Gesangsparts sind sehr gefühlvoll zerbrechlich vorgetragen und kontrastieren mit dem wütend-leidendem Gebrüll. „Jigoku Dayu“ startet langsam und bald poltert es sehr plötzlich los; der Track wird üppig, dramatisch und dynamisch mit progressiven Gitarrenläufen. Insgesamt ist hier viel gute Gitarrenarbeit zu finden: egal ob Leadgitarre, akustisches Picking oder Arpeggien. Es folgt die erste Singleauskopplung „Tamashii No Houkai“ mit TRIVIUM-Elementen, Keyboard und einem markanten Gameboy-Sound. „Akumu“ ist eine gute düstere Nummer mit Gastsänger Nergal von BEHEMOTH. Das Gesangsduo arbeitet gemeinsam mit harten Riffs an einer unverwechselbar bösen Atmosphäre: Ein bisschen Amerika, etwas Polen, eine Spur Japan. Ein interkontinentaler Ritt in die Hölle. „Komorebi“ ist ein abwechslungsreicher Song mit einigen Dynamikwechseln. In „Ronin“ ist erneut ein Gastsänger mit von der Partie. Die zehnminütige Nummer beginnt mit arg lieblichem Gesang, der glücklicher Weise schon bald von Gastsänger Gerard Way von MY CHEMICAL ROMANCE (Ups) zerstört wird. Manchmal beschert es mir Freude, wenn Balladenhaftigkeit mit dem Vorschlaghammer zerschmettert wird. Im Laufe des vielschichtigen Tracks kommen Akustik-Gitarre und Chorsounds zum Einsatz. Ihsahns Vocals mit EMPEROR-artigen Keys starten kraftvoll und traditionsbewusst in den Song „Susanoo No Mikoto“; es folgen Klargesang und viel Bombast, verschiedene Stimmen, Cello und schließlich ein sehr melodiöses Gitarrenspiel am Ende. Wow, das ist abgefahren! Versucht sich die Truppe hier an einem Musical mit mehreren Akten? An dem Song wurde auf jeden Fall viel herumgeschraubt und viel Energie, Hingabe und Liebe investiert. Das Abschlusslied „Kaizoku“ ist eine blasinstrumenthaltige Shanty-Nummer. Heafys Bandkollegen Alex Bent, Paolo Gregoletto und Corey Beaulieu arbeiten bei einigen Songs mit.
Der typische Black Metal - Konsument wird bei “Rashomon” einfach nicht glücklich. Wenn man aber offen für progressiv-kreative genresprengende Verrücktheiten ist, dann lohnt es sich, in das Album einzutauchen. „Eintauchen“ ist passend, weil IBARAKIs Stil einfach nichts für das Nebenbei-Hören ist; wir haben es mit einem ausgeklügelten intensiven Machwerk zu tun, an dem mehr als ein Jahrzehnt geschustert wurde. IBARAKI entführen die Hörerschaft in ein musikalisches Theaterstück mit Wendungen und Dramatik.
KISARAGI STATION. Was klingt, wie ein japanischer Bahnhof ist auch einer. Zumindest, wenn man einer modernen japanischen Urban Legend um eine verschwundene junge Frau und eben diesen geheimnisvollen Bahnhof, den es eigentlich nicht geben dürfte, Glauben schenkt. Die jungen Herren, die sich davon inspirieren ließen, kommen jedoch mitnichten aus den Megacities Tokyo oder Osaka, sondern aus dem eher beschaulichen Darmstadt.
Musikalisch entpuppt sich „First Flame“ als wahre Wundertüte, die sich einen feuchten Dreck um musikalische Konventionen, kommerzielle Songstrukturen oder Genregrenzen kümmert. Wenn eine junge Band versucht möglichst viele Ideen in meist überlange Songs zu stecken, dann hat man nicht selten ein Flickenteppich an besseren und schlechteren Ideen, die einen Fluss vermissen lassen, der trotz progressivem Anspruch einen guten Song ausmacht. Und genau hier überraschen KISARAGI STATION auf ganzer Linie. In den einzelnen Songs passiert unheimlich viel und trotzdem gibt es diesen „Flow“ auch bei wahnwitzigen Übergängen, halsbrecherischen Tempowechseln oder dem Mix aus hartem, mit Growls unterlegtem Metalriffing und gänzlich fragilen Passagen. Alleine wie sich ein Song wie „King’s Gambit“ langsam aber unheilschwanger aufbaut, ist großes Kino. Auch verkommt die technische Komplexität nicht zum selbstdarstellerischen Show-Off, sondern gibt den Songs Tiefe, Anspruch und dem Hörer die Möglichkeit bei verschiedenen Hörgängen neues zu Entdecken. So ist beim ersten Durchgang ein Gitarrensolo im Fokus der Aufmerksamkeit, nur um bei zweiten Mal den virtuosen Basslauf darunter zu entdecken. KISARAGI STATION schaffen die unterschiedlichsten Einflüsse von SPOCK’S BEARD, über QUEEN, MAGELLAN oder auch DREAM THEATER und HAKEN mit 70ies Rock, Death Metal und manchmal auch Alternative Rock oder einem Hauch Fahrstuhlmusik zu kombinieren und daraus was wirklich Eigenständiges zu formen. Was -und das ist die große Kunst- bei allem verkopftem Anspruch auch einfach als tolle Musik funktioniert, in der man sich verlieren und sich treiben lassen kann.
KISARAGI STATION haben in meinen Ohren ein echtes Highlight aufgenommen, was entsprechend scheuklappenfreie Hörer härterer Sounds unbedingt anchecken sollten
Zehn Jahre nach ihrem legendären Debüt-Album servieren uns die schwedischen Stolper-Rhythmiker von VILDHJARTA einen neuen Langspieler. Ein Jahrzehnt Abstand zwischen zwei Alben sind natürlich völlig absurd und die Band konnte in dieser Zeit praktisch dem Aufstieg des mitbegründeten Genres zusehen, genauso wie dem Hype und seinem kometengleichen Verglühen. Und so kehren VILDHJARTA im Jahr 2021 in eine Metal-Welt zurück, in der der Begriff "Djent" in weiten Kreisen doch einigermaßen despektierlich verwendet wird: man unterstellt gerne Frickeleien ohne Sinn und Ziel und eine gewisse Selbstverliebtheit in die eigenen technischen Fähigkeiten. Spieltechnsich llegen VILDHJARTA auf "Masstaden under vatten" selbstverständlich auch auf unfassbar hohem Niveau. Gefühlt wechselt alle zehn Sekunden die Taktart, aber - und jetzt kommt ein großes ABER - die Schweden schaffen es auf wundersame Weise in diesem tonalen Durcheinander Atmosphäre zu kreieren und zwar nachhaltig. "Masstaden under vatten" bringt es auf eine stolze Spielzeit von über 80 Minuten, was im ersten Reflex als Nachteil gewertet werden könnte, jedoch liegt auch gerade darin die Stärke des Albums. Wenn man es schafft, mit den ersten Songs in die düstere Atmosphäre einzutauchen, belohnen einen VILDHJARTA mit einem spannungsgeladenen, dichten, in sich geschlossenen Werk. Kopfhörer auf, Augen zu und der Trip beginnt.
Das unterscheidet VILDHJARTA enorm von den trotz aller spielerischer Brillanz irgendwie immer Pantera-prollig daherkommenden MESHUGGAH und dürfte auch den ein oder anderen Prog-Metaller abholen, der mit der Djent-Szene ansonsten keine Berührungspunkte hat. Anspieltipps sind bei einem solchen Werk schwierig zu benennen, denn dieses Album sollte als Album gehört werden. Wer sich jedoch vorsichtig an die Band heranpirschen möchte, dem seien "den helige anden (under vatten)" und "brännmärkt" empfohlen.
Die britischen Prog-Rocker mit Alternative-Schlagseite beehren uns mit einem neuen Live-Album bzw. dem, was in Zeiten der Pandemie einem Live-Album am nächsten kommt - ein physiches Publikum war bei den Aufnahmen nämlich nicht zugegen. Trotzdem schafft es die Band um Mastermind Bruce Soord eine dichte Atmosphäre zu erzeugen. Genau darin lag und liegt die Stärke der Band, die leider hin und wieder mit dem Stempel “wenn du PORCUPINE TREE bei Wish bestellst” leben muss. Aber damit tut man dem Quartett nun wirklich massiv unrecht, auch wenn es Paralellen - nicht nur beim gemeinsamen Drummer Gavin Harrison - gibt. THE PINEAPPLE THIEF gehen im Gegensatz zu Steven Wilsons Brainchild deutlich songorientierter vor und dürften auch Menschen ansprechen, die sich sonst mit proggigen Klängen schwertun.
So finden sich auf “Nothing But The Truth” straighte Perlen wie “Someone Pull Me Out Of Here”, die von der ausdrucksstarken Stimme Soords und hervorragenden Backingvocals getragen werden. Gavin Harrison setzt hierbei mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten am Schlagzeug Akzente ohne den Song aus den Augen zu verlieren. Das ist die ganz große Kunst des Musizierens. Auch anspruchsvolleres Material wie der Siebenminüter “Our Mire” werden souverän und mit bewundernswerter Leichtigkeit vorgetragen.
Im Gegensatz zu den zwar stets sehr gut produzierten, aber doch sehr glatten Studiowerken erlebt man THE PINEAPPLE THIEF auf diesem Album eine ganze Ecke rauer und natürlicher. Selbstverständlich ist auch auf “Nothing But The Truth” der Sound perfekt ausbalanciert und wunderbar transparent, aber doch mit einer gewissen Kante, die der Band ganz hervorragend steht. Das wünsche ich mir auch für das kommende Studioalbum. Die Befürchtung "Nothing But The Truth" sei mit 17 Liedern und einer Spielzeit von mehr als 90 Minuten überladen, kontert das Hochbegabten-Kollektiv mit großer Spielfreude und greifbarer Lust am Zusammenspiel, so dass zu keiner Sekunde Langeweile aufkommt.
THE PINEAPPLE THIEF ist ein Live-Dokument ohne Schwächen gelungen, das auch als Einstieg in die Welt der Band exzellent taugt. Für Fans der Band ist das Album ohnehin ein Muss.
Ich kann trotz meines fortgeschrittenen Alters nicht behaupten ein RUSH-Fan von Anfang an gewesen zu sein. Beim erscheinen der ersten Alben Mitte der 70er liefen nämlich in meinen Kassettenrecorder noch Hörspielkassetten (Jüngere dürfen gerne mal googeln was das war). Aber mit den Alben „Signals“ (1982) und „Grace Under Pressure“ (1984) war es um mich geschehen. Was folgte war der sukzessive Erwerb des kompletten Backkataloges, inklusiver ihres siebten Albums – dem 1980 erschienenen „Permanent Waves“. Jenes Albums, welches den Übergang des kanadischen Dreigestirns von einer aufsteigenden 70er-Prog-Rock-Band und Kritiker-Lieblingen zu Superstars einleitete. Die Songs waren immer noch progressive Perlen – aber eingebettet in meist relativ kurze, knackige Songs (voller technischer Finessen und groovenden Rock), nachvollziehbar und eingängig. Alex Lifeson, Neil Peart und Geddy Lee experimentierten früh mit Synthies und Percussion-Spielereien. Es gibt immer was zu entdecken – und RUSH verstanden es meisterlich dies unaufdringlich einzubinden. Etwas, was viele Fans faszinierte - ein Markenzeichen des Trios, welches RUSH in den 80er perfektionieren sollten und sie vor allem in Nordamerika zu einer Stadien füllenden Band machte. Als Eckpunkte seien da mal der Hit des Albums „The Spirit Of Radio“ und die Prog-Perle „Natural Science“ genannt. Aber über RUSH noch viel zu schreiben ist an sich nicht nötig – es dürfte (sollte) kein Rockfan geben, der nicht das eine oder andere Album im Regal stehen hat.
„Permanent Waves – Fortieth Anniversary” wartete dabei nicht nur mit einem remasterten Sound der sechs Originalsongs auf (aus 2015), sondern auch mit einigen bisher unveröffentlichten Live-Tracks welche in 1980 auf der zum Album gehörenden Tour mitgeschnitten wurden. Die Aufnahmen kommen mit einer für ihr „Alter“ richtig guten Klangqualität daher – das Live-Feeling, die enthusiastischen Fans, das Können der Protagonisten war bereits damals herausragend. Das Teil gibt es noch in verschiedenen Special Editions – 2CDs+3LP Super Deluxe Edition, eine 3LP Deluxe Edition, die hier vorliegende 2CD Deluxe Edition und eine Deluxe Digital Edition. Auf der Webseite der Band finden sich noch weitere Optionen mit diversen Bekleidungsstücken. Alternative Cover und ausführliche Booklets verfeinern das Ganze dann noch.
2CD DELUXE EDITION – DISC 1
Original Album – Produced by Rush & Terry Brown / 2015 remaster (erstmals auf CD)
The Spirit Of Radio
Freewill
Jacob’s Ladder
Entre Nous
Different Strings
Natural Science
2CD DELUXE EDITION – DISC 2
Permanent Waves World Tour 1980 / unveröffentlicht
Da hatte ich schon gedacht bei den FLYING COLORS sei nach zwei tollen Alben („Flying Colors“ 2012 und „Second Nature“ 2014) und deren Live-Präsentation bis ins Jahr 2015 hinein Schluss – und darf mich jetzt (hoch erfreut) eines Besseren belehren lassen. Die immer noch schlagkräftige Starbesetzung - Casey McPherson (Gesang, Rhythmusgitarre), Neal Morse (Keyboards, Gesang), Steve Morse (Leadgitarre), Mike Portnoy (Schlagzeug, Percussion) und Dave LaRue (Bass) – liefern mit „Third Degree“ ein reifes, richtig gutes Drittwerk ab. Bereits der Opener „The Loss Inside“ präsentiert die Stärken der einzelnen Protagonisten in einem harten, melodischen Song der ungemein viel Raum für songdienliche Soloparts auf hohem Niveau lässt. Die folgende Singleauskopplung „More“ bedient dann mehr die Classic-Rock-Gemeinde, trotz dezenten Psychedelic-Einschlag. Mit dem gitarrenorientierten „Cadence“ und dem rythmischen „Guardian“ geht das grade so abwechslungsreich und voller Spielfreude analog zu den ersten Alben weiter, ehe es im weiteren Verlauf etwas gediegener, aber nicht weniger gelungen, weitergeht. Das ruhige, emotionale „You Are Not Alone“ zeigt was möglich ist, wenn zwei gute Sänger miteinander agieren. Das 11-minütige „Crawl“ birgt das Prog-Rock vom Feinsten. Ich mache es kurz – wer den FLYING COLORS bisher gewogen war darf sich voller Vorfreude auf Album Nummer 3 stürzen. Wer einfach gute Rockmusik mit Anspruch sucht; sowie perfekt gespielte und arrangierte Instrumentalpassagen ohne ausufernde Spielereien zu genießen weis liegt hier ebenfalls goldrichtig.
Man hat sich ja durchaus daran gewöhnt mit sogenannten „Supergroups“ und der dazugehörigen Label-Euphorie zugeschmissen zu werden. Die FLYING COLORS (noch mehr wie BLACK COUNTRY COMMUNION) bilden da eine Ausnahme. Zu organisch, zu gut passt das zusammen. Mit „Third Degree“ senden die FLYING COLORS nicht nur ein Lebenszeichen an die Community, sie präsentieren ein echtes Album zum reinliegen. Und eines das (auch dank der starken Vorgänger) Bock auf Live macht.
1. The Loss Inside
2. More
3. Cadence
4. Guardian
5. Last Train Home
6. Geronimo
7. You Are Not Alone
8. Love Letter
9. Crawl
Deluxe CD Bonus disc:
1. Waiting For The Sun (Unreleased Bonus Studio Track)
Vor 50 Jahren fasste sich der 24-jährige Frank Bornemann aus Hannover ein Herz und gründete unter dem Namen ELOY eine Band. Schon knapp 4 Jahre später, nämlich 1973 ergatterte er einen Plattenvertrag beim Major Label EMI. Danach ging es erfolgsmäßig immer weiter bergauf – und das trotz Gegenwind der heimischen Presse die ELOY auf Grund ihre Texte und ihrer englischen Performance belächelte und den Alben zum Teil gar Langeweile vorwarf. Anfangs noch immer in den Krautrock-Topf geworfen spielten ELOY Artrock, oft mit symphonischen Elemente und natürlich reichlich Synthesizer.
Die drei wohl besten Alben der Band, „Dawn“ (1976), „Ocean“ (1977) und „Silent Cries And Mighty Echoes“ (1979) gibt es nun zum 50-jährigen Bandjubiläum unter dem Titel „The Classic Years Trilogy“ als hochwertiges Box-Set. Die auf 2.000 Stück limitierte, durchnummerierte Box enthält neben den drei genannten Alben als 180 Gramm-Vinyl noch die Platten jeweils als eine CD. Die drei Platten gibt es jeweils in einem Klappcover, wobei die Texte der bisherigen Innenhüllen jetzt im Innencover mit zum Teil neuem Fotomaterial abgebildet wurden. Die CDs gibt es in einem daran angelehnten, speziellen Gatefold-Cover mit Statements der Musiker im Innencover. Die an sich schon guten Aufnahmen der Original-Alben wurden von Eroc frisch remastered und sorgen für ein authentisch-hochwertiges Klangerlebniss.
Zu den Alben braucht man der Zielgruppe – der Prog- und Artrock-Gemeinde – eher weniger zu sagen. Auf „Dawn“ von 1976 präsentierte Bornemann eine neue Besetzung (Bassist Klaus-Peter Matziol, Keyboarder Detlev Schmidtchen und Jürgen Rosenthal am Schlagzeug), welche dann auch die nächsten Alben einspielte. Ebenso wie das nachfolgende „Ocean“ (1977) sind beides Konzeptalben mit überlangen Tracks (auf „Dawn“ aber aufgeteilt), welche in verstärktem Maße sphärische Synthesizer einsetzen und immer wieder versuchen, was man dann besonders deutlich auch auf „Silent Cries And Mighty Echoes“ (1979) spürt, PINK FLOYD an atmosphärischen Bombast zu übertreffen. Das Frank Bornemann kein guter Sänger ist weis man; dass sein Akzent und seine Stimmlage ELOY mitprägte und dies nun mal einfach dazugehört sollte man auch akzeptieren. Der verbreitete Sprechgesang und der Einsatz von zusätzlichen Vokalistinnen sei dem wohl auch geschuldet. ELOY sind ein Stück deutsche Musikgeschichte - die „The Classic Years Trilogy“ ein würdiges Vermächtnis.
Dawn (1976)
1. Awakening
2. Between The Times
3. The Sun-Song
4. The Dance In Doubt And Fear
5. Lost!? (Introduction)
6. Lost?? (The Decision)
7. The Midnight-Fight / The Victory Of Mental Force
8. Gliding Into Light And Knowledge
9. Le Réveil Du Soleil / The Dawn
Ocean (1977)
1. Poseidon's Creation
2. Incarnation Of Logos
3. Decay Of Logos
4. Atlantis' Agony At June 5th, 8498, 13 p.m. Gregorian Earthtime
RPWL darf man schon als feste Größe des deutschen, ja europäischen Prog-Rock-bezeichnen. Die Mannen um Yogi Lang und Kalle Wallner haben aus den anfänglich nicht immer gut gemeinten PINK FLOYD-Vergleichen das Beste gemacht – und dürfen sich heute gerne als Verwahrer des FLOYDschen Erbes sehen. Mit „Tales From Outer Space” gehen RPWL mal wieder neue Wege und nehmen sich dem Science Fiction an.
In den Sieben wiedermal wunderschön komponierten, zum Teil überlangen Stücken bleiben sich RPWL aber durchaus treu. Zwar dürfen die Keyboards und die eine oder andere Passage spacig klingen und das Gefühl des weiten Raumes a la Star Treck und Raumschiff Orion vermitteln. Aber ansonsten setzt man auf Melodie, Atmosphäre, gefühlvolle Soli – auf die bekannte Melange aus 70er-Prog und Artrock. Die Fans der Band werden sich hier nach über 5 Jahren Abstinenz (das letzte Studioalbum „Wanted“ stammt aus 2014) aber absolut wiederfinden. Als Highlight (subjektiv gesehen) hat es mir dabei das 10-minütige „Light Of The World“ angetan – obwohl hier beim ganzen Song das Tempo kaum variiert wird, gestalten RPWL den Song abwechslungsreich - atmosphärische Keyboard und vor allem das wiederkehrende Gitarrenspiel lassen „Light Of The World“ als Neo-Prog-Perle erscheinen. Das direkt folgende „Not Our Place To Be“ mit seiner nicht mehr aus den Hirnwindungen gehenden Streicher-Affinität hat dann einen leichten 60er-Touch und dazu noch Ohrwurm-Lyrics …. toller Song. Wobei man ja bei RPWL an sich nicht von Qualitätsunterschieden bei den einzelnen Songs sprechen kann. Mit dem mainstream-lastigen, für Band-Verhältnisse fast schon popigen „What I Really Need“ hat man sogar einen Song fürs Radio mit an Bord. Alles in allem glänzt das Album durch gleichbleibend hohes Niveau auf kompletter Spiellänge. Ach ja - und mit dem schrägen Cover im 50er-Perry Rhodan-Stil beweisen RPWL das man „Tales From Outer Space“ trotz zum Teil ernsthaften, sozialkritischen Untertönen in einigen Texten mit einem Augenzwinkern betrachten darf.