Nach dem formidablen Live-Vinyl zu „Solar Movie“ kommt jetzt der komplette GROBSCHNITT Back-Katalog als Vinyl erneut auf den Markt. Den Start dabei machen die ersten drei Alben „Grobschnitt“, „Ballermann“ und „Jumbo – mit deutschen Texten“. Allesamt in hochwertiger Aufmachung – will meinen im Gatefold-Format (unter Verwendung des originalen Artworks). Zu den jeweils zwei 180g Vinyl (1 schwarz, 1 x weiß – deswegen der Name BLACK & WHITE“-Serie) kommen noch immer zwei 4-seitige Booklets im Format 30x30cm mit Songtexten, Bildern, Textbeiträgen, usw., sowie ein Downloadvoucher für alle Songs. Dabei wurden die Aufnahmen von den drei GROBSCHNITT-Gründern Eroc, Lupo und Willi Wildschwein neu remastert, und bis auf das Album „Ballermann“ (das damals schon als Doppelalbum erschien) um eine zweite Scheibe mit Livematerial ergänzt.
Das Debüt „Grobschnitt“ erschien bereits 1972 und legte den Grundstein für den eigenen Signatur-Stil aus innovativen Melodien und hervorragende Gitarren zwischen Art-, Kraut- und Riffrock - sowie durchaus kauzigen Texten / Gesangspassagen und ihre „theatralischen Späße“. Auf dem Debüt war es dann vor allem das mehrteilige „Sun Trip“ das faszinierte und als eine Art Testlauf für das kultige Referenzwerk „Solar Music“ gelten darf. Ansonsten ist das hier eine Band bei der Findung, deren zukünftige Substanz und bereits geniale Ideen allenthalben für erstauntes Hinhören sorgt. Der Opener „Symphony“ zeigt gut auf, was noch kommen wird. Damals eines DER Debüts der deutschen Rockszene. Die Liveversionen der zweiten CD bieten dann auch GROBSCHNITT wie sie wohl damals vor allem von den Fans wahr genommen wurden – gute Musiker mit Sinn für viel Bühnentheatralik und -komik – der damaligen Zeit angemessen (68-Generation und 70er-Lebensgefühl).
Das GROBSCHNITT Referenzwerk – eben „Solar Music“ - folge dann in 1974 auf dem Album „Ballermann“. Die einzige Studioversion des in x-Varianten Live gespielten und aufgezeichneten überlangen Stückes (nur unterbrochen von der Laufzeit einer LP-Seite) wurde zum Markenzeichen der Band. Oft als Krautrock bezeichnet ist das Ganze aber doch eher symphonischer Prog-Rock und keinen Deut schlechter als das, was die anglo-sächsischen Kollegen damals darboten. Kopfhörer Mucke vor dem Herrn – von atmosphärisch davonschwebend bis druckvolle Power – muss man gehört haben (auch wenn die späteren Liveversionen da oft noch einen drauf setzten). Aber auch Songs wie das zwischen Kraut- und Spacerock liegenden „Nickel-Odeon“ überzeugen; tolle ruhigere Passagen und Gitarren inklusive. Das 13-minütige „Magic Train“ mit seinem GENESIS-Touch darf man auch noch als Highlight einen richtig guten Albums nennen.
Mit ihrem Album „Jumbo“ schafften GROBSCHNITT 1976 dann das Novum als erste Band ein Album nach der englischen Version (erschien ein Jahr vorher) auch mit deutschen Texten zu veröffentlichen. Hier war es vor allem das Stück „Vater Schmidt's Wandertag“ das es zum Klassiker brachte und im Nachgang zu einem der Live-Tracks mit der größten Publikumsbeteiligung wurde. Wobei man im Ganzen erwähnen muss, dass die deutschen Textzeilen der Songs von „Jumbo“ - dem damaligen Anspruch der intellektuellen 70er entsprechend – zum Nachdenken geradezu herausfordern („Traum und Wirklichkeit“ und das melancholische 11-minütige „Sonntag's Sonnabend“ seien da mal zum intensiven Genuss anempfohlen). Das spaßige „Auf Wiedersehen“ ist dann mal wieder typisch für GROBSCHNITT.
Wer sich dem Thema GROBSCHNITT also mal nähern möchte – und hier das Vinyl als den richtigen Weg ansieht, dürfte mit dem Album „Ballermann“ sicher am besten fahren; wobei aber auch „Jumbo“ durch die Überarbeitung sehr gut vom damaligen pathetischen Zeitgeist in das Heute transportiert wurde. Und als älteres Semester kann ich allen sowieso nur das Vinyl-Zitat von Lupo ans Herz legen: „Wer erinnert sich nicht gerne daran, als Plattenhüllen noch wie farbige Bilderbücher mit schönen großen Fotos und Texten ausgestattet waren? In aller Ruhe entspannt die Musik zu hören und sich dabei das Cover anzuschauen, war doch wie eine Entdeckungsreise durch das Gesamtkunstwerk einer Langspielplatte.“ Und so kann ich nur zuletzt nochmals den musikalischen wie optischen Genuss der drei Doppelalben „Grobschnitt“, „Ballermann“ und „Jumbo“ hervorheben. Wenn schon Vinly-Re-Releases – dann bitte in der Form wie hier von GROBSCHNITT und ihrem Label Brain.
„Grobschnitt“
LP 1
1. Symphony (Remastered 2015)
2. Travelling (Remastered 2015)
3. Wonderful Music (Remastered 2015)
4. Sun Trip (Am Ölberg / Remastered 2015)
5. Sun Trip (On The Way / Remastered 2015)
6. Sun Trip (Battlefield / Remastered 2015)
7. Sun Trip (New Era / Remastered 2015)
LP 2
1. About My Town (Live At THG Aula, Hagen / 1971 / Remastered 2015)
2. The Machine (Live At THG Aula, Hagen / 1971 / Remastered 2017)
3. Another Symphony (Live At Städt. Gymnasium, Gütersloh / 1977 / Remastered 2015)
„Ballermann“
LP 1
1. Sahara (Remastered 2015)
2. Nickel-Odeon (Remastered 2015)
3. Drummer's Dream (Remastered 2015)
4. Morning Song (Remastered 2015)
5. Magic Train (Remastered 2015)
LP 2
1. Solar Music, Pt. 1 (Remastered 2015)
2. Solar Music, Pt. 2 (Remastered 2015)
„Jumbo“
LP 1
1. Jupp (German / Remastered 2015)
2. Vater Schmidt's Wandertag (Remastered 2015)
3. Der Clown (Remastered 2015)
4. Traum und Wirklichkeit (Remastered 2015)
5. Sonntag's Sonnabend (Remastered 2015)
6. Auf Wiedersehen (German / Remastered 2015)
LP 2
1. Vater Schmidt / Father Smith (Live At Jugendheim NiederLPLPmühlenkamp, Bielefeld / 1977 / Remastered 2015)
2. The Clown (Live At Haus der Jugend, Lünen / 1977 / Remastered 2015)
3. Sunny Sunday's Sunset (Live At Haus der Jugend, Lünen / 1977 / Remastered 2015)
4. Sonnenflug (Remastered 2015)
Grobschnitt“, „Ballermann“, „Jumbo – mit deutschen Texten“
Man darf sich wundern, welche Qualität heuer möglich ist, ohne Unmengen an Geld in die Produktion einer Band bzw. deren Platte zu stecken. Das gleicht das Kräfteverhältnis zwischen wirklichem, echtem Talent und industriegemachtem Hype ein wenig aus.
Die junge Band PANTALEON aus Köln ist ein prächtiges Beispiel hierfür. Ihr erster vollwertiger Langspieler muss sich nicht hinter internationalen Größen wie DREAM THEATER oder SYMPHONY X verstecken. Weder von der Produktion, noch vom Songwriting her und auch handwerklich ist die Performance der vier Rheinländer makellos. "Wake up", "Slaves To Ourselves", der Titelsong und nicht zuletzt der Neunminüter "Recovery" überzeugen und sind hervorragende Kompositionen mit viel Liebe zum Detail. Also Freunde, wer auf anspruchsvollen Progressive Metal steht, darf hier gerne mal ein Ohr riskieren und sich überraschen lassen von dieser tollen Band.
12 Jahre ist das letzte STYX-Werk „Big Bang Theory“ her; und nicht nur ich dürfte die Herren aus Chicago etwas aus den Augen verloren haben. STYX waren zwar in den 70er und 80ern einer der bekanntesten Vertreter des AOR – vor allem in den USA und Japan; aber nach ihrer Auflösung in 1984 und späterer Re-Union verschwanden sie weitestgehend aus dem Fokus der breiten Masse (das 1990-Album „Edge Of The Century“ bildete da eine Ausnahme).
Umso verwunderlicher wie STYX nun mit ihrem neuem Konzeptalbum „The Mission“ nach langer Pause zu überzeugen wissen. Die Story um die erste Marsmission der Menschheit im Jahr 2033 (von Euphorie, über Schwierigkeiten und Ängste bis zum letztendlichen Erfolg spannt sich die Geschichte) wird dabei in 14 mehr oder minder langen Kompositionen (und instrumentale Parts) erzählt. Wer jetzt allerdings an Songs wie „Babe“, „Too Much Time On My Hands”, “Mr. Roboto” oder ähnliche Singlehits denkt liegt hier falsch. Denn die auf „The Mission“ reichlich zu findenden Art-Rock-Elemente und der tolle Keyboardsound machen STYX 2017 zu einer etwas weniger verdaulichen Kost als sie es in ihrer Hochzeit waren – aber zu einer weiterhin lohnenswerten. Denn nicht nur das überragende, ruhige Art-Rock-Highlight „Locomotive“ und das melodisch-rockig-proggige „Red Storm“ wissen zu gefallen – mannigfaltig setzten STYX gekonnt auf ihre Signaturharmonien, verspielte Momente sowie tollem Chor- und Sologesang (besonders auch Keyboarder und Songwriter Lawrence Gowan kann hier überzeugen). Klar, nicht alle Songs und Zwischenspiele erreichen dabei Höchstform, aber „The Mission“ als Ganzes ist schlüssig, toll durchzuhören und läßt einen immer wieder neue Details erleben. STYX erfinden sich mit ihrem 16. Album sicherlich nicht neu; auch werden sie damit weder im Mainstream noch in den Charts landen. Aber die Besinnung auf ihren eigenen Sound der Anfangstage bietet für die langjährigen Freunde der Truppe um James "JY" Young und Tommy Shaw sowie für neugierige Prog-Fans ein formidables Hörerlebnis mit Langzeitwirkung.
Mensch, gute vier Jahre sind es jetzt schon wieder her, dass uns Arjen Lucassen mit "The Theory Of Everything" im Rahmen seines Projektes AYREON mit neuer Musik beehrt hatte. Damals, 2013 wollte er eigentlich die für sich selbst stehende Story abgeschlossen haben – jetzt kam es aber doch anders. Das neue Doppelalbum "The Source" des rührigen Niederländers begibt sich wieder auf alte Pfade, es wird nun eine Art Prolog zur den bisherigen Alben erzählt, so ganz grob unter der Thematik „Wie die Menschheit ihr Ende fand und die Maschinen die Macht übernahmen“.
Die Story spielt dabei in der Andromeda Galaxie, wo Computer die menschliche Rasse verdrängt und die Kontrolle gewonnen und alles im Chaos endet. Die neue Scheibe ist musikalisch eine ganze Kante härter und auch wuchtiger als „The Theory of Everything“. Dort klang alles etwas mehr keyboardorientierter auch mit den entsprechenden Protagonisten, auf „The Source“ hingegen holt er erfreulicherweise wieder etwas mehr die Riffkeule raus, die Gitarren braten ordentich und erinnert mich mitunter etwas an das letzte STAR ONE Album „Victims of the Modern Age“.
Trotz der heftigeren Ausrichtung ist das Material songorientierter und ohrwurmtauglicher geworden. Es gibt diesmal sogar verstärkt normale Songs mit einfachem Aufbau und deutlich erhöhtem Wiedererkennungsfaktor. Tracks mit relativ simpel gehaltenem Vers-Refrain-Vers- Refrain-Mittelteil-Refrain Schema wie u.a. bei „Sea Of Machines“ sind genauso zu finden wie schon schwer verdaulichere Sachen wie das brachiale „The Day That The World Breaks Down“, da wird keine Struktur als solches verfolgt, hat aber trotzdem was. Dieses Album mit seinen aufwendig gestalteten Songs lernt man aber sowieso erst so richtig ab dem 10 Durchgang aufwärts kennen und lieben. Da gibt es zunächst immer solche typischen AYREON-Songs, die einem nicht sofort rein laufen. Die viele Elemente von Prog über Metal bis hin zu Folk und Electronic fügen sich trotz aller Komplexität dann so nach und nach stimmig zusammen.
Was das Line-up betrifft, bedient sich Arjen Lucassen bei alten Bekannten und ein paar neuen Gesichtern. Neben den Leuten ,die schon mal bei Ayreon am Mikro zu hören waren wie Russell Allen, James Labrie, Hansi Kürsch, Tommy Karevik sind auch Talente wie Michael Mills, denn hatte Arjen schon für den Vorgänger auf YouTube entdeckt, erneut mit dabei. Auch Tobias Sammet ist diesmal mit einer Rolle vertreten und liefert einen wirklich klasse Job als „The Captain“ ab. Er hatte ja schon 2008 zusammen mit Lucassen 2008 ein gelungenes Cover von ALICE COOPER'S "Elected" aufgenommen. Manche Kritiker belächeln ihn ja immer noch (völlig zu unrecht) ob seines Stimmumfangs hier beweist er z.B. bei "Run! Apocalypse! Run" zusammen mit einem energetischen Duell mit Nils K. Rue (PAGAN'S MIND), dass er eine echte Powerstimme hat.
"Everybody Dies!" ist auch so ne Nummer, zunächst etwas Programming im Industrial Sound dann folgen fette Gitarrenriffs, in der Bridge gibt es dann ein wunderbar episches Duell zwischen den beiden Tommy's (Karevik & Rogers). Eine der Highlights der Scheibe wurde das folkig-rockige Sea Of Machines", hier zeigt Michael Eriksen (CIRCUS MAXIMUS) mit seinem wunderbar emotionalem Timbre sein großes Können. Auch das kraftvolle „Into The Ocean“ mit etwas STAR ONE-mäßigen Parts ist eine klasse Nummer geworden, genauso wie die uptempo Granate „Planet Y is alive“ Die vielfältige Musik bietet neben vielen unterschiedlichen Gefühlswelten und Stimmungen auch eine tolle Bandbreite an Instrumenten. Neben wummernden Tastensounds verwendet Arjen immer mal wieder Streicher und Flöten in bester JETHRO TULL-Manier („Deathory of a Race“).
"The Source" startet auf dem zweiten Teil mit hymnisch geprägten Songs wie "Aquatic Race" oder auch dass fluffige „Journey to Forver" mit klasse mehrstimmigen Chorarrangements. Innerhalb der einzelnen Songs werden quasi als Verbindung immer mal wieder Themen und Riffs wiederholt u.a. "Everybody Dies!", das in "Star Of Sirrah" nochmals auftaucht oder der Mittelteil von "Sea of Machines", gegen Ende ist bei "The Human Compulsion" fast die gesamte Truppe nochmals vereint. Auch die beiden beteiligten Mädels Floor Jansen (NIGHTWISH) und Simone Simons (EPICA) müssen besonders erwähnt werden, ihre gesanglichen Parts sind ebenfalls eindrucksvoll und nicht nur schmückendes Backingbeiwerk.
FAZIT: „The Source“ ist erneut ein typisches AYREON-Werk geworden, dass trotz vieler musikalischer & textlicher Inhalte nie zu überladen wirkt. Mitunter relativ komplex aber auch catchy zugleich, Prog mit Pomp & Power sowie tollen Sängern - wer sich darauf einläßt hat viel zu entdecken.
Das Album gibt es in verschiedensten Versionen u.a. als Doppel-CD mit zusätzlicher DVD im Digibook (auf der DVD befinden sich Musikvidoes, Interviews, eine Making-of-Dokumentation und das Album im 5.1-Surround Sound), als „Earbook“ mit aus vier CD's sowie einer DVD und natürlich auch als Doppelalbum auf Vinyl.
Die großartigen VANDEN PLAS kommen mit einem neuen Live-Album ums Pfälzer Eck geproggt. Pfälzer Eck stimmt nur zum Teil, denn das Ding ist in Amerika mitgeschnitten worden. Genauer gesagt, 2011 auf dem Prog Power Festival in Atlanta. Im Zentrum steht, wie der Titel schon vermuten lässt, das zur damaligen Zeit aktuelle Werk "The Seraphic Clockwork" (fünf von neun Songs).
Der überragende Sound sowie die musikalische Darbietung und Abstimmung der Band begeistern. Das Quintett musiziert nahezu fehlerfrei und ohne Holprigkeiten. Die Songs wirken live noch eine Spur eindringlicher und mächtiger. Die DVD relativiert den phantastischen Höreindruck ein wenig. Die Bildqualität und Kameraführung sind zwar makellos, nur die zu Beginn etwas hölzern und distanziert wirkende Band auf der unscheinbaren, nüchtern gehaltenen Bühne kann da rein optisch nicht ganz mithalten. Gleichwohl ist "The Seraphic Liveworks" als CD + DVD eine wertige Anschaffung - allen voran die CD überzeugt von Anfang bis Ende.
Die Entwicklung der schwedischen Progmetalller PAIN OF SALVATION nach dem grandiosen Album „The Perfect Element, Pt. I“ (2000) habe ich aus unerfindlichen Gründen leider nicht mehr intensiver weiterverfolgt. Und dies trotz der klasse Leistung von Mastermind, Sänger, Multiinstriumentalist Daniel Gildenlöw mit seinen Gastvoclas auf dem ebenfalls hammermäßigen "01011001" Album von AYREON aus dem Jahr 2008 - die eigenen Werke dieses Ausnahmemusikers gingen danach an mir vorbei.
Jetzt gibt es aber wieder etwas neues und klar, wie immer, ist es ein Konzeptalbum geworden. Über fünf Jahre sind seit dem letzten Release der Band vergangen, wobei auf „Road Salt Two – Ebony“ stilistisch eher bluesrockige Töne dominierten. Die Aufnahmen zu dieser Scheibe stammten dabei sogar noch von 2010, damals zusammen mit dem ersten Teil aufgenommen. Sei's drum, jetzt tönt als endlich wieder neues Material aus den Boxen und es geht musikalisch wieder deutlich „back to the Roots“. Sowohl die für POS typische Komplexität, teilweise auch etwas Verschroben-und Vertracktheit verbunden mit einer gewissen düsteren Note – dies alles findet der aufmerksame Zuhörer auf 72 Minuten ausladenden Progmetals vor. Exemplarisch hierfür steht der 10-minütige Opener „On a Tuesday“: der Song startet mit heftigen Metalriffs, variiert dabei immer mal wieder das Tempo, garniert mit melancholischen Streicherparts und sogar Beats sind zu hören. Eine wirklich klasse Melodie sowie zart klingenden Frauengesangparts sorgen für die nötige Eingängigkeit, da wird sofort klar – hier gibt es keinen Progmetal von der Stange sondern etwas ganz Eigenes.
In den letzten Jahren ist viel passiert rund um Pain Of Salvation insbesondere auch bei der Besetzung, fast die Hälfte der Musiker ist nicht mehr dabei, nur noch Drummer Léo Margarit und der Mastermind himself bilden die Konstante seit 2011. Daniel Gildenlöw hatte außerdem eine schwere Krankheit zu überstehen und fiel in 2014 fast ein ganzes Jahr lang aus, dies hat das Songwriting unüberhörbar beeinflusst. Und so beschäftigt er sich inhaltlich mit den Fragen über Leben und Tod sowie den Gefühlen und Erlebnissen in dieser Zeit. In der Musik kommen diese Erfahrungen voll zum Tragen, es gibt viele Ecken & Kanten und schroffe rhythmische Wechsel. Darüber hinaus findet sich oftmals ein gewisser Industrial Einschlag mit wuchtigen Gitarreneinschüben wie u.a. bei dem starken „Meaningless“.
Es dominieren zwar vermeintlich härtere Klänge, die aber stets mit feinen Melodien versehen sind wie etwa bei „Tongue of God“ - erst ruhig mit Piano startend kommt der Song dann mit einem verschleppten sowie bulligem Gesangsrefrain sowie Gitarrenlicks in bester FAITH NO MORE-Tradition daher. Ja, es geht hier mitunter auch mal sperrig und rau zu, der Sound ist eher ungeschliffen aber dann kommt wie aus dem Nichts so mal zwischendurch eine berührende Klavierballade “Stilen Gold“ hervor, die ist einfach klasse gemacht. Zwei weitere Longtracks sind auf dem Album enthalten u.a. „Full Throttle Tribe“ das mit vielen Sounds und elektronischen Keyboardsamples aufwartet und zusammen mit fetten Prog-Metal-Vibes ein fettes aber auch atmosphärisches Stück Musik geworden ist. Immer wieder spielt er mit gekonnten Wechseln zwischen gefühlvollen und brachialen Parts sowohl stimmlich als auch instrumentell, dies klingt manchmal recht verstörend und aggressiv aber er findet meist wieder in die hoffnungsvolle Spur zurück „The taming of the Beast“. Der 15-minütige finale Albumtrack beginnt zunächst recht langsam aufbauend (fast ein wenig zu lange) mit rein rein akustischen Slidegitarrens und entspannten Vocals, danach entwickelt sich der Mittelteil erst ab Minute acht mit leicht schrägen Sprengseln zu einem echten Pathosrocker. Dieser endet, irgendwie auch typisch für diese Scheibe, mit einem getragene Part und einem positiven Ausblick - Daniel Gildenlöw hat somit seine Krankheit auch musikalisch besiegt bzw. zum Guten verarbeitet.
Letztlich wurde hier ein ganz starkes Album abgeliefert, dass trotz alles Düsterniss und teilweiser Schwermut, nicht im musikalischen Selbstmitleid untergeht sondern mit schönen Stimmungsbögen den Hörer fordert aber auch mit nimmt und in tolle soundliche Welten eintauchen läßt. So schaffen PAIN OF SALVATION insgesamt ein überzeugendes Comeback und setzen ein erstes Prog-Highlight des Jahres 2017.
Die Progikonen von MARILLION haben zuletzt mit ihrem aktuellen 2016er Studioalbum „F*** Everyone And Run (F E A R)“ ein sehr eindrucksvolles Album an den Start gebracht. Das sahen viele Fans wohl genauso und sorgten mit ihren Käufen dafür, dass die Scheibe eines der erfolgreichsten Alben in der 38-jährigen Bandgeschichte wurde. In ihrer Heimat Großbritannien stieg das Album auf Platz 4 ein und in Deutschland erreichte man mit dieser tollen Scheibe erstmals seit 1988 wieder Plätze in den TOP 10.
Darauf ausruhen wollte man sich scheinbar nicht lange und so bringen die ohnehin allgemein recht veröffentlichungsfreudigen Briten um Sänger Hogarth mit "Marbles In The Park" eine knapp 136 minütige Live CD/DVD eines Konzerts aus dem Jahr 2015 auf den Markt. Hierbei wurde das Konzeptalbum „Marbels“ (2004) noch einmal komplett aufgeführt. Im Rahmen der seit 2002 veranstalteten im 2-Jahres Rhythmus veranstalteten „Marillion-Weekend“ in den Niederlanden sind diese Aufnahmen entstanden.
Das „Marbles“-Werk wurde in einem großen Festzelt mit einer wirklich beeindruckenden Liveshow mit tollen Projektionen, Einspielern und Lasereffekten sowie einem hervorragenden High-Definition-Sound (in 96KHZ DTS-HD Master Audio 5.1 und 96KHZ PCM Stereo) als Doppel-CD, DVD und Blu-Ray aufgenommen.
Dass es die „Murmel“-Scheibe tatsächlich Wert war, noch einmal zur Gänze mit allen technischen Finessen aufgeführt zu werden, unterstreichen diese Aufnahmen mehr als nachhaltig. Dieses Album war nach vielen mittelmäßigen Alben ab Ende der 90er Jahre ein echtes Highlight in der Nach-Fishära. Zunächst hatte man sich die eigene Messlatte mit dem Überwerk „Brave“ (2004) auch ziemlich hoch gelegt. Dieses Niveau konnte dann leider musikalisch insbesondere durch solche energie- und orientierungslosen sowie zu verkopften Alben wie „Radiation“ (1998) und „Marillion.com“ (1999) nicht annähernd gehalten werden – eher im Gegenteil, für mich sind dies die bis heute beiden schwächsten Werke dieser Band.
Doch dann kam "Marbles" und wurde über die Jahre zu einem echter Klassiker. Bei Marillion löste sich damit eine gewisse künstlerische Verkrampfung, endlich paßten die weiten musikalischen Bögen mit Stimmungen, Gefühlen und vor allem auch wieder packenden Melodien wieder perfekt zusammen, Hogarth sang sich wieder frei, weniger Gejammer & Gewimmer sondern deutlich songorientierter. Prompt gelang mit „You're gone“ der erste UK-Top Ten Hit seit 1991. Auch bei den Liveaufnahmen kommen die stilistisch vielfältigen Songs sehr gut rüber, egal ob das eher etwas Sixties-angelegte The Damage“, poprockige Songs wie „Genie“ oder „Don't hurt yourself“ aber auch opulent, dramatisch ausgeschmückte Longtrack Epen wie „The Invisible Man“ überzeugen - die Band kann einfach beides: kompliziert und eingängig zugleich. Insbesondere der wiedererstarkte Rothery mit seiner singenden Gitarre und tollen Licks trägt einen Hauptanteil an den stimmigen Sortencharakter, so dass den aufmerksamen Zuhörer jede Menge Abwechslung ohne jegliche inhaltliche Längen erwartet.
Ganz besonders visuell wird auf der DVD so einiges geboten, dafür sorgt „Chefbeleuchter“ Simon Ward, der stets für die passende Untermalungen mit riesigen Videoscreens rund um die Bühne sorgt und so der emotionalen Musik optisch noch einmal mehr tiefe und Betonung verleiht. Insbesondere Fronter Steve Hogarth zeigt sich hier als charismatischer Sänger u.a. beim Opener 'The Invisible Man“, bei dem er zunächst per LED-Screeneinspieler intoniert und erst später zusammen mit der Band auf der Bühne steht – spitzenmäßig umgesetzt. Die Fans sind ebenfalls begeistert, gehen für Progverhältnisse voll mit und sind sogar stellenweise richtig aus dem Häuschen, ob dieses perfekt umgesetzten Kopfkinos voller dichter Emotionen und Glücksgefühle.
Ergänzt wird "Marbles" noch durch die ebenfalls passablen Zugaben "Out of this World", "King" und "Sounds that can't be made". Letztlich überzeugen MARILLION mit einem wahrlich tollen Album (inkl. gelungenem Booklet) im Rücken auf ganzer Ebene und sorgen für viele beeindruckende visuelle als audiophile Momente, so dass dieses Album allen Fans der Band sowie auch Anhängern von anspruchsvollem aber nicht zu abgehobenem Progrock absolut zu empfehlen ist.
Für die EP „Errai“ haben sich TESSERACT vier Stücke ihres letzten Albums „Polaris“ noch einmal vorgenommen und diese komplett überarbeitet und neu aufgenommen. Was an den neuen Versionen als erstes auffällt, ist, dass es die Band dabei deutlich ruhiger angehen lässt. Allesamt klingen sie deutlich zurückgelehnter, stimmungsvoller und enthalten balladeske Elemente. Dem Gesang wurde mehr Platz eingeräumt, die Instrumente wurden teilweise sehr sparsam eingesetzt und die Melodien und Harmonien sind in den Vordergrund gerückt.
Das ursprünglich treibende „Survival“ erhält hier einen schwelgerischen Charakter, und das vormals rhythmusorientierte „Cages“ mit seinen unregelmäßigen Takten baut sich behutsam bis zu seinem groovenden zweiten Part auf. Das eh schon getragene „Tourniquet“ wird hier noch ruhiger und klingt in der ersten Hälfte geradezu meditativ, und auch die Steigerung in der zweiten Hälfte geht fließend vor sich. Dem Schluss-Track „Seven Name“ schließlich wurde der Bombast genommen.
Man hört den Songs von „Errai“ an, dass sie tatsächlich völlig neu erarbeitet wurden, denn sie sind kaum wiederzuerkennen. Diese EP hat also mehr zu bieten als lediglich einige bereits bekannte, neu aufgewärmte Tracks und hat damit absolut ihre Berechtigung. Mehr noch – alle vier Stücke haben durch die Neubearbeitung deutlich gewonnen. Es wurde – im Gegensatz zum Album – eher auf weniger als auf mehr gesetzt, und diese Reduktion hat den Songs gutgetan. Sie klingen weniger kühl, strahlen mehr Ruhe als die Originale und oft eine ganz spezielle schwebende Atmosphäre aus. Wer mit „Polaris“ nicht viel anfangen konnte, könnte daher trotzdem an dieser EP Gefallen finden, und wer das Album mochte, kann sich über tolle Neuinterpretationen freuen.
Zu haben ist „Errai“ zusammen mit „Polaris“ als Doppel-CD sowie als Stand-Alone-Release auf Vinyl oder als Download.
GROBSCHNITT - eine der innovativsten und einflussreichsten Band der deutschen Rockmusik - auch wenn sie heutzutage (außer bei den Genre-Freaks) selten im Bewusstsein des Musik-Biz zu finden ist. Und wenn auch der kommerziell wohl erfolgreichste Longplayer „Rockpommel’s Land“ war, so dürfte mit das Beste was GROBSCHNITT zu bieten hatte die auf dem 1974-Album „Ballermann“ enthaltene Komposition „Solar Music“ sein (die dort auf zwei LP-Seiten aufgeteilt 33 Minuten lang war). Da GROBSCHNITT aber vor allem auch für ihre furiosen Liveauftritte und ihren dortigen Improvisationen ihrer Stücke bekannt waren, wurde „Solar Music“ auf jedem (!) Konzert in einer anderer Version vorgestellt, verlängert, verändert, verwandelt. Und es wurde auf wirklich jedem GROBSCHNITT Konzert gespielt.
Die Zeitzeugen zufolge beste Version von „Solar Music“ bot man beim 1978er Rockpalast Konzert in Dortmund – dieser Auftritt steht auch im Zentrum von „Solar Movie“. Die Live dargebotene war eine innovative Mischung aus Progressivem Rock, Krautrock, Space Rock, Psychedelic – dazu Showelemente aus Rauch, Funken und Feuer und ungewöhnliche Texte und Ansagen – von Eroc (Joachim Ehrig): Schlagzeug, Perkussion, elektronische Effekte, Lupo (Gerd-Otto Kühn): Sologitarre, Mist (Volker Kahrs): Keyboards, Pepe / Popo / Hunter (Wolfgang Jäger): Bass du Wildschwein (Stefan Danielak): Gesang, Gitarre musikalisch und künstlerisch überragend improvisiert (lange Gitarren- und Keyboardsoli) ohne den Kern der Komposition zu verlieren. Ob man alle Versionen und Gimmicks der Box wirklich braucht muss ein jedweder für sich selbst entscheiden – so zum Beispiel der dann doch etwas langatmige „Solar Movie“ – aber das Herz der Veröffentlichung, der vollständige GROBSCHNITT-Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle vom 08. Dezember 1978 ist in Ton und Bild ein überzeugendes, tolles Zeitzeugnis deutscher Rockmusik und progressiver Kunst – sollte man als Proggie kennen.
Und das siebenteilige „Solar Movie“ - Box-Set bietet hier die Vollbedienung auf dem ausstattungsmäßigem höchstem Level -als da wären:
- remasterte PAL-SD DVD vom Rockpalast (85 Min.) und Solar Movie (56 Min.)
- remasterte Audio-CD (79:10 Min.) vom Rockpalast-Konzert
- Audio-CD mit Solar Music aus Berlin - musikalisch auch vom Feinsten ist zweite Version von „Solar Music“ aus dem Berliner Latin Quarter, 26. März 1978, inklusive zweier Bonustracks (79:10 Min.)
- farbige 180-Gramm-Vinyl, 33 RPM (54:36 Min.) mit Solar Music vom Rockpalast
- farbige 180-Gramm-Vinyl, 33 RPM (52:08 Min.) mit Solar Music aus Berlin
- 48 seitiges Booklet im LP-Format mit Fotos, Infos zu den Auftritten und Memorabilien – wertig gedruckt
- Solar Movie Kunstdruck als Farbmotiv
- verpackt ist das Ganze in einem stabilem Pappschuber in LP-Format und dort in einem mehrteiligen Gatefold
- und zu guter Letzt gibt es zum Kernstück der ganzen Veröffentlichung noch einen Code zum kostenlosen Download
„Solar Music“ gibt es in zahlreichen (über 20 Veröffentlichungen) und wurde später von GROBSCHNITT auch unter dem Titel „Powerplay“ und „Sonnentanz“ dargeboten (zum Teil aus kommerziellen Gründen auf mehrere Parts verteilt). Die ersten Ideen und Grundstrukturen spielte die Band bereits seit 1968.
Das Ganze wird dabei sicher nicht als Schnäppchen über den mehr oder minder virtuellen Ladentisch gehen. Aber Sammler werden das Teil lieben. Und die eigentliche Zielgruppe, die Fans, werden auf Grund der gelungenen Überarbeitung von Ton und Bild gut bedient. Ob das alles den hohen Anfangspreis rechtfertigt darf man aber durchaus diskutieren.
POVERTY’S NO CRIME haben in den letzten knapp 25 Jahren nunmehr 7 Alben vorzuweisen, welche allesamt im Prog Metal zu verordnen sind und den einmal gefundenen Stil zwar nicht revolutionieren, aber dennoch immer weiterentwickeln. „Spiral Of Fear“ ist das erste Album nach der 2007er Veröffentlichung „Save My Soul“. In diesem Business sind 9 Jahre eine verflucht lange Zeit. Man kann nur hoffen, dass POVERTY’S NO CRIME nun nicht ganz von vorne anfangen müssen, denn das hätten die Nordlichter nicht verdient. Etwas melodischer als ihre Gesinnungsgenossen von IVANHOE lassen es POVERTY'S NO CRIME angehen. Eigentlich wollte ich mir den DREAM THEATER Vergleich sparen, da er an vielen Stellen doch etwas hinkt und POVERTY’S NO CRIME mit Sicherheit keine Copycats sind. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass viele Leute, die den „Images & Words“ -Tagen des Traumtheaters hinterher trauern, durchaus ihre Freude mit „Spiral Of Fear“ haben könnten. Denn der mit einer gesunden Härte ausgestattete melodische Prog Metal vereint in ähnlicher Weise musikalischen Anspruch mit Eingängigkeit. Das wäre dann auch schon die Kritik, denn POVERTY’S NO CRIME lassen es missen, den einen oder anderen nicht so glatten Widerhaken einzubauen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Die Liebe zu einschmeichelnden Sounds wird einem besonders bei „A Serious Dream“ bewusst, wo das Stakkato-Piano FOREIGNER’s „Cold As Ice“ zitiert. Diese AOR Momente sind es auch, die POVERTY’S NO CRIME von vielen anderen ähnlich gelagerten Bands abheben. Wie weiter oben bereits angesprochen ist dieses Alleinstellungsmerkmal Fluch und Segen zugleich. Den einen ist es womöglich zu glatt und die anderen erfreuen sich gerade daran. Bleibt eine gute Progressive Metal Scheibe, die man als Genre Fan mal antesten sollte.