Bei ELECTRIC OUTLET handelt es sich um eine vierköpfige deutsche Formation, die sich sehr vertrackten, jazzigen Art Rock auf den Leib geschrieben hat. Dabei wird auf Gesang völlig verzichtet, lediglich ein paar verzerrte "Spoken Words"-Samples werden eingespielt. Leicht zu konsumieren ist "On!" keineswegs, sondern erfordert konzentriertes Zuhören und das "Verstehen" der Musik, obwohl lediglich klassische Rockinstrumente, nämlich Gitarre, Bass, Drums und Keyboard, zum Einsatz kommen. Trotzdem richten sich die durchweg schrägen Melodien und Songaufbauten eindeutig an Fans von Jazz und verwandten Genres. Normale Rockfans dürften mit "On!" nicht viel anfangen können, obwohl die vier Musiker ihr Handwerk hervorragend beherrschen und schon mit illustren Größen wie SAGA, KINGDOM COME oder sogar XAVIER NAIDOO und den SÖHNEn MANNHEIMS (Pfuibäh!) aufgetreten sind. Zweifellos eine objektiv sehr gute Scheibe mit hohem musikalischem Anspruch, aber ebenso zweifellos nicht die Baustelle von Ottonormalrocker.
Gitarrist Kalle Wallner gibt normalerweise den deutschen Pink Floyd-Anhängern RPWL den richtigen Gitarredrive. Mit seinem ersten Solowerk, auf den Namen BLIND EGO getauft, legt Wallner laut eigener Aussage einen emotionalen "Seelenstriptease" aus Wut, Hass und Trauer vor (wofür EGO steht) und das ohne Blick nach Links und Rechts (wofür das vorangestellte BLIND steht). Ganz alleine hat er?s natürlich nicht gemacht. Unter anderem sind dabei John Jowitt (IQ, Jadis) am Bass, Schlagzeuger Tommy Eberhardt und RPWL-Kollege Yogi Lang (übernahm Keyboards und die Produktion in den eigenen Blackfarm-Studios). Auch für die Gesangparts der einzelnen Songs konnte Kalle Wallner hochkarätige Unterstützung gewinnen, welche BLIND EGO einen internationalen Anstrich verpassten, als da wären: John Mitchell (Kino, It Bites, Arena), Paul Wrightson (ex-Arena), Mischa Schleypen und Clive Nolan (Arena, Pendragon). Mit dem Rocksong "Obsession" und dem zugleich hymnisch und unaufgeregten "Moon And Sun" eröffnet "Mirror" mehr als nur solide. Mit dem nachfolgendem "Break You" ist BLIND EGO ein Ohrwurm gelungen, welcher rockt und echte Hitqualitäten offenbart - ein Song für die Repeat-Taste, ebenso wie die Ballade "Black Despair", welche Melancholie pur bietet und Gitarrist Wallner dabei von seiner besten und gefühlvollsten Seite zeigt. In "Open Sore" geht es dann mal etwas heftiger zur Sache - das Instrumentalteil erinnert allerdings schon an Soloausflüge amerikanischer Rockgitarristen. Das Titelstück "Mirror" kann eine gewisse Marillion-Affinität nicht verleugnen - auch des Gesangs und der Keyboards wegen und das über 8-minütige "Don´t Ask Me Why" kommt als RPWL meets Arena daher. Mit dem leicht alternativ angehauchtem melodischen "Moorland" und dem keyboardlastigeren Floydschen Longtrack "Forbidden To Remain" endet BLIND EGOs Debüt stark. Zum Abschluss gibt es mit Artist Manqué ein neu arrangiertes Stück der RPWL-Vorgänger Band VIOLET DISTRICT - interessant was Mr. Wallner & Co. schon damals auf dem Kasten hatte. Ein gelungenes Album zwischen Rock und Prog - gelungene Gitarrenarbeit, klasse Produktion, eingängige Songs. 2007 fängt nicht übel an für den geneigten Proggie.
ALIAS EYE haben mit ihren zwei bisher erschienen absolut hochwertigen Alben bereits hinlänglich bewiesen, dass man zur Speerspizte des Deutschen und vor allem auch des internationalen Progrocks zu zählen ist. Auch mit dem aktuellen Longplayer "In Focus" glückt den Mannen um Ausnahmesänger Phil Griffiths etwas, was nicht viele Bands geschafft haben, nämlich mit jedem Album ein etwas anderes Klangbild zu schaffen und sich trotzdem die ganz spezifischen, typischen Bandmerkmale zu erhalten.
Bei ALIAS EYE hat sich seit der letzten, fast drei Jahre zurückliegenden, CD "A Different Point of View" einiges geändert, denn "In Focus" (übrigends erneut mit einem klasse Artwork ausgestattet) kommt nicht nur bei einem neuen Label (QuiXote Records ist da wirklich ein großer Wurf gelungen) heraus. Mit Matze Wurm wurde auch, wie ich finde, sehr überzeugend ein neuer Gitarrist integriert. Dieser Mann kommt ganz klar aus dem Heavybereich, trotzdem sind die Mannheimer natürlich nicht gleich zum Prog Metal konvertiert, aber man kann schon eine etwas stärkere Rifflastigkeit sowie eine deutlich straightere Rockattitüde in vielen der neuen Songs feststellen. Bestes Beispiel hierfür ist gleich der gelungene Start mit "I´m Your Lie" bei dem typische alte ALIAS Eye Versatzstücke wie der akzentuierte, leicht verschachtelte Gesang gekonnt mit fetten Gitarrenstakkatos verbunden wurden. Die frühere Artrockkomponente sowie die gewohnte leichte Neoprog Schlagseite sind fast völlig verschwunden, manch einer wird dies vielleicht vermissen, finde ich jetzt nicht ganz so schlimm, als kleine Entschädigung befindet sich aber das salsartige sowie mit klasse Akkordeonsounds versehene "Enligthen Them" ein Track dieses Machart auf der CD. Die Band kann jetzt sogar richtig locker und tight klingen wie bei "In Denial" und auch mal einfachere Musik überzeugend rüberbringen. Prägnant im Sound dieser Band ist nachwievor Sänger Phil, der nicht nur bei den ruhigeren Momenten "Books" (eine leider viel zu kurze Pianoballade) mit seinem einfühlsamen Timbre überzeugt, nein auch richtig aggressiv kann er sein, wie auf dem härtesten Track der Scheibe "The Call" (mit einem coolen "Ringe Dingdong" Anfang) - hier sind die Jungs tatsächlich fast Metal. Im zweiten Teil der 50 Minuten fehlen mir dann etwas die hängenbleibenden Melodien wie auf den Vorgängeralben, da gibt es zwar viele gute Ansätze aber manche Sachen wirken irgendwie nicht ausgefeilt, da hätte man mehr draus machen können (z.B. "Rhodesian Rhapsody" oder teilweise auch "Falling"). Und warum man bei dem letzten Track, dem gelungenen "How we perceive" die Gastsängerin Anna-Sabrina Lopp mit diesem wunderbaren KATE BUSH Gedächtnisorgan nur ein paar Zeilen hat singen lassen, bleibt ebenfalls ein absolutes Rätsel, da wurde großes Potential verschenkt. Der Gag (trotz witzigem Text) mit dem verzichtbaren Hiddentrack ist ebenfalls eher naja.
Trotzdem ist "In Focus" weit davon entfernt ein schwaches Album zu sein, nur wer so hohe Maßstäbe gesetzt hat, muss sich auch wieder daran messen lassen. Und verglichen mit den ersten beiden CDs, ist die neue Scheibe notenmäßig leider "nur" mit 2- zu bewerten. Mir gefällt die insgesamt etwas andere, deutlich gitarrenlastigere stilistische Ausrichtung trotzdem sehr gut. Die Produktion klingt ebenfalls viel erdiger und nicht so detailverleibt bzw. hochpoliert wie früher und an den Hooks müssen ALIAS EYE beim nächsten Output einfach noch ein wenig mehr arbeiten, dann gibt´s auch wieder einen Tipp.
Es gibt nicht wenige Kritiker, die halten die brasilianische Progmetalband THESSERA für die nächste kommende große Nummer des Genres. Und tatsächlich dieses insgesamt schon recht beeindruckende Debüt "Fooled Eyes" kann bis auf ein paar kleinere Schwachstellen tatsächlich vollauf überzeugen. Insbesondere die Überväter der Szene DREAM THEATER sind an vielen Ecken mit Querverweisen heraushören aber auch QUEENSNSRYCHE insbesondere was den Gesang des talentierten Marcelo Quina angeht und auch noch PAIN OF SALVATION in Bezug auf so manche verschroben, spröde Parts oder die aktuelle Scheibe von MINDFLOW (ähnlich vielschichtig) - diese Namen sind aber allesamt als rein orientierende Referenz zu betrachten. Denn dieser Sechser verbindet mit einer fast schon lässigen Arroganz technisch hochwertigen Progmetal mit symphonisch-klassischen Klängen (die Keyboards setzen hier Ausrufezeichen), kennt aber auch keine Berührungsängste mit leicht jazzig bzw. fusionartigen Arrangements und selbst die südamerikanische Heimat findet in manch ganz speziellen Rhythmen sowie Klangmustern ihre Berücksichtigung. Manchmal übertreibt man es schon etwas mit dem Frickel bzw. Hochgeschwindigkeitsfaktor nach dem gelungen Opener ist "The Gallery" doch eindeutig zu lang geraten, hier haben sich die Jungs doch etwas in uferlosen Passagen verfangen. Mit zunehmender Albumdauer steigern sich THESSERA dann aber dermaßen in Punkto Songwriting und verdienen sich absolut höchste Weihen. Mein Favorit ist der dynamische Kracher "Candelfire" mit Killerhooks sowie treibend, energetischen Gitarren. Mit der ebnfalls klasse gemachten akustischen Ballade "The Leading Roles" zeigt die Band, dass man auch gefühlvoll mit Tiefe einen Song ausfüllen kann, trotz hohem Anspruchsdenken ja nie zu einfach oder gar beliebig zu klingen. Während der knapp 65-Minuten äußerst abwechslungsreicher Musik auf "Fooled Eyes" wird, beinahe schon standardmäßig für Bands solcher komplexen Songstrukturen, natürlich eine Konzeptstory erzählt. Als da wäre Andrew als Hauptperson, der zu Ehren seiner neue Freundin eine Party gibt. Auf eben dieser fällt er in Ohnmacht und sein komplettes Leben zieht an ihm vorbei. Als er erwacht ist sie mit dem größten Feind (dem eignen Bruder) auf und davon. Und so weiter. Das Coverartwork sowie Booklet sind ebenfalls profimäßig darauf abgestimmt, eine der Erzählstimmen erinnert mich lustigerweise etwas an Butt-Head und die Geschichte ist jetzt zwar nicht so super originell aber man darf auch nicht zu kleinlich sein. Die Umsetzung kommt nämlich sehr gelungen rüber, diese Jungs haben es bereits voll drauf, sind Könner an ihren Instrumenten. Der Schlagzeugsound ist mir stellenweise etwas zu flach geraten, da müsste mehr Power rein und wie gesagt die ein oder andere Überlänge hat sich ebenfalls eingeschlichen. Trotzdem bleibe ich abschließend dabei, dass ist ein Ausnahme Newcomer und her entsteht etwas Großes! THESSERA gibt es erst seit 2003, mit großen Schritten geht es jetzt schnell voran in die vordersten Bereiche der Progmetalliga und noch sind bei weitem nicht alle Potentiale ausgereizt.
Der Name THE TANGENT wird Progfreaks ganz sicher ein Begriff sein, ihn diesem quasi Prog Allstar Projekt ist der Protagonist dieser aktuellen CD "Anser´s Tree" Guy MANNING ebenfalls rührig beteiligt. In der Hauptsache ist der gute Mann aber mit seinen Soloarbeiten beschäftigt und hat seit 1999 kontinuierlich nicht weniger als acht Scheiben herausgebracht. Bei "Anser´s Tree" wird fiktiv in einem chronologischen Ablauf innerhalb eines Konzeptalbums der Stammbaum einer Familie von Dr. Jonathan Anser vertont. Dabei hat sich Multiinstrumentalist die Ahnenreihe der Anser´s ausgedacht, die ausgehend von bestimmten Jahresabschnitten weit in der Vergangenheit bis hinein in die Zukunft mit einem gewissen Dr. Jonathan Anser als erzählendes Bindeglied, der rein von der Zeitschiene noch gar nicht geboren ist, deren Geschichte vertont. Dieser geheimnisvolle Doc versucht die Geheimnisse seiner eigenen Vergangenheit zu entdecken um so irgendwelche Einsichten oder Erkenntnisse über die Funktionsweise des Universums herauszubekommen. Bevor es jetzt noch stärker metamorphotisch wird, kommen wir lieber zur Musik. Hier dominieren im Gegensatz zu THE TANGENT ganz klar sehr softe Folkmelodien und eine entsprechende Instrumentierung, der Rock muß meistens hinten an stehen. Guy Manning sieht sich selbst gerne als eine Art Liedermacher/Songwriter oder auch moderner Barde und erzählt mit äußerst lyrischen Texten die Begebenheiten seine verschiedenen Personen. Das Ganze erinnert mich doch recht stark an die ganz alten JETHRO TULL, BARCLAY JAMES HARVEST oder die Anfänge von PINK FLOYD aus allen Ecken strömen luftige Flötenklänge, vornehmlich akustisch geprägte leichte Gitarrenarrangements, zarte Violinen in hellen Klangfarben alles sehr romantisch manchmal nur haarscharf am Kitsch vorbei. Manche werden dies begeisternd romantisch nennen, mir ist dies oftmals zu ausufernd, lange ausgedehnt zu sehr nach Folklore klingend auch wenn er dies relativ gradlinig macht aber trotzdem mit vielen Details und fast schon barocken Schnörkeln daher kommt. Ganz klar dieser Mann hat hier ein hohes kompositorisches Können mit einem unheimlich breiten musikalischen Background an den Tag gelegt, egal ob Saxophon oder auch mal leicht jazzig, blusige Soundsprenkel mit Spacigen Keys ja manchmal hat dies sogar was von orchestraler (Kirchen) Musik es wird viel geboten. Einzig als Sänger überzeugt mich Manning eher nicht so wie er dies als Instrumentalist tut, er lispelt nämlich deutlich und sein Timbre klingt nach einen deutlich reduzierten IAN ANDERSON, da hätte er sich mal lieber einen guten Vocalisten gesucht. Die Produktion könnte ebenfalls etwas mehr Sattheit vertragen aber sei´s drum, für alle Freunde der leichten Progmuse mit extrem vielschichtigen Stimmungsbildern, weitläufigen und verträumten Harmonien dürfte "Anser´s Tree" durchaus eine passende Geschichte sein. Mir ist diese fast schon übertriebene Anmut sowie immer nur positiv geartete Mucke ohne den gewissen (bösen) Widerpart einfach etwas zu seicht und zu kantenfrei ausgeprägt. Aber trotz dieser Vorbehalte kann man sich auch als Rockfan wunderbar für eine Stunde in diese sieben virtuos vorgetragene Kapitel als (guter) Zuhörer hineinfallen lassen. Hat schon was, auch wenn man etwas etwas Geduld mitbrigen mußt.
Wenn es überhaupt eines Beweises bedurfte, dass Progmucke ohne Lead bzw. Rhythmusgitarre tatsächlich funktionieren kann und dann auch noch rein instrumental - dieser Dreier LUCAS, WHITE & EDSEY leifert diesen Nachweis auf dem Debüt, folgerichtig mit "LWE" betitelt, schon irgendwie überzeugend. Als besonderer Gast haben sich die Boys aus Chicago Violinist Edgar GABRIEL dazugeholt, der auf dem ein oder anderen der 8 Tracks zur Soundverfeinerung beiträgt. Insbesondere beim gelungenen Opener "Liberty" sorgt er für die nötigen Kontraste. Vordergründig dreht sich schon alles um Hauptsongwriter sowie Keyboarder Frank LUCAS, trotzdem gehört er nicht zur Gattung der eitlen "nur Tempomacher" oder "Retroaufwärmer", was aktuell bei den Tastenheroes wieder etwas in zu sein scheint. Nein, er bevorzugt erfreulicherweise ein sehr warmes, wohltemperiertes, geradezu perliges Keyboardspiel ohne viel Schnickschnack. Der Bassist kann noch am ehesten Ausrufezeichen setzen mit dem ein oder anderen coolen Lauf - und einen schönen Groove hat er ebenfalls zu bieten. Als Ganzes betrachtet ist der Sound eher einfach gehalten, geradezu betont unaufdringlich sind die trotzdem stets fliesenden Melodiebögen geraten. Die eher schlichten Rhythmen sind solide aber unspektakulär. Der Songaufbau kommt meistens ohne zahllose Breaks aus, trotzdem sind die stets markanten, etwas ausufernden Progstrukturen immer irgendwie präsent. So richtig heftig wird es hier (natürlich) nie, selbst wenn die Hammonds röhren, ist immer ein gewisses Understatement zu spüren. Die Platte läuft so mehr oder weniger in einem Fort gut durch. Jordan RUDESS (DREAM THEATER) ist ein Song gewidmet und wird unter anderem als Vergleich bezüglich der Technik genannt - kann ich eher nicht so nachvollziehen - da nicht heraushörbar) und diese Art der Musik doch eine völlig andere ist bzw. hier fast nur Pianoklänge zum Einsatz kommen. Aber auf "A Note to Jordan" gibt er sich alle Mühe auch viel jazziges mit einzustreuen. Beim wildesten Track des Albums "Hasta Manana" werden dann aber alle Register gezogen, es gibt einen richtigen Spannungsaufbau, verschiedenste Soli und ein packendes Hauptmotiv in den verschiedensten Variationen. Ich würde ansonsten viel eher deutlichere Assoziationen an einen Bruce HORNSBY oder auch Steve WINWOOD ("A Dog And His Boy") ausmachen, aber dies wird wohl jeder etwas verschieden sehen. Diese Musik eignet sich wunderbar zum entspannen ohne dabei gleich einschläfernd zu sein, wie bei so manchen tranigen New Age Bands der Szene. Etwas trendy könnte man auch sagen, zum chillen gut geeignet, stets freundlich hell gehaltene Klangbilder ohne schwertragende Mollkantonaten. Mir als "Rockfan" fehlt natürlich trotzdem das ein oder andere Gitarrenriff bei dieser Musik. Auch die nicht gerade abwechslungsreiche Mache der einzelnen Tracks könnte man etwas kritisieren. Nichtsdestotrotz sollte "LWE" für Instrumentalfreaks sowie EMERSON, LAKE & PALMER Fans vielleicht doch eine lohnenswerte Anhörscheibe sein.
Bereits das letzte PAIN OF SALVATION-Werk "Be" bedurfte einer gewissen Zeit der Beschäftigung, gewahr aber jenen, die sich intensiv den innovativen Schweden hingaben, einiges an Progressivem der Extraklasse. Das Meister Daniel Gildenlöw auch weiterhin am experimentieren sein würde, war keine Frage. Was aber dabei auf "Scarsick" herauskam, darf man getrost als zwiespältige Sache betrachten. Keine Frage, das Album wird polarisieren und von hohem Lob bis Verriss alles einfahren was der Markt so hergibt. Lassen die Riffs des eröffnenden Titeltracks "Scarsick" an RAGE AGAINST THE MACHINE und CLAWFINGER denken, und passt auch der Sprechgesang in den Kontext - sperrig und unerwartet schallt es da aus den Boxen. "Spitfall" wechselt dann zwischen fast schon EMINEM-artigen Passagen und einem ultra-melodischen Refrain, hat aber Charme und kommt echt gut - wird aber nicht jeder so sehen. Die nachfolgende Ballade "Cribcaged" überzeugt ebenso wie das ruhige "Kingdom Of Loss" durch eine intensive Atmosphäre - von diesen Momenten hätte es ruhig schon mehr sein dürfen. "America" aber ist dann fröhlicher Pop pur, einschließlich Werbepause und sarkastischem Text. Das mag musikalisch zwar zur Botschaft passen - passt aber in dieser Pop-Intensität nun so gar nicht zu PAIN OF SALVATION -zu oberflächlich, ob nun mit Bedacht oder einfach nur so, kommt der Song daher. Bei "Disco Queen" geht es nicht nur thematisch um die Disco Queen, auch musikalisch wird hier der Metaller schwer schlucken. So erinnert der Track doch in vielen Momenten an Achtziger-Disco-Sound, mit Daniel Gildenlöw´s Gesang als Kontrapunkt - doch wohl eher eine coole B-Seite als eine vollwertiger PAIN OF SALVATION Komposition. Nach hinten raus wird es mit dem entspannt vorgetragenen, fast schon Floyd´schem "Mrs. Modern Mother Mary", dem modern wirkenden, mit Verzerrungen versetzten, aber eher durchwachsenen "Idiocracy", dem härteren "Flame To The Moth" und dem über 10-minütigen, endlich puren PAIN OF SALVATION-Song "Enter Rain" zwar melancholisch typischer - Übersongs wie auf den letzten Veröffentlichungen gibt es aber nicht darunter. "Scarsick" wächst, wie alle bisherigen Alben der Schweden, mit der Zeit und langweilig wird es dank Unmengen in den Songs eingebauten Momenten auch nicht. Aber statt Atmosphäre stellt sich eine für PAIN OF SALVATION-Verhältnisse eher ungewöhnliche Nüchternheit ein. Hier kann man von Blinderwerb nur abraten - vorher reinhören ist Pflicht. Vielleicht mutig, vielleicht auch zuviel des Guten für viele Fans. Vom künstlerischen Anspruchdenken durchaus eine Weiterentwicklung und musikalisch wie eh und je topp bleibt trotzdem, wie bereits anfangs erwähnt zu sagen: Sehr zwiespältige Sache das!
WASTEFALL wurden 2003 in Griechenland gegründet, obwohl Bandgründer Alex Katsiyannis bereits seit 1997 aktiv ist. So kann das Quintett schon auf zwei Longplayer zurückblicken, denen sich nun mit ?Self Exile? der dritte Streich anschließt. Die Jungs spielen sehr modern angehauchten Progressive Metal mit vielen technischen Spielereien, so dass man das Album nur schwerlich kategorisieren kann. Obwohl die Band über weite Strecken an jüngere FATES WARNING mit Ray Alder erinnert, wertet sie ihren Sound mit vielen zeitgemäßen Spielereien auf, die zwar auf einen großen Ideenreichtum, aber genauso auch auf eine gewisse Orientierungslosigkeit schließen lassen. In einigen Songs ist etwa weiblicher Hintergrundgesang zu hören, der Song ?Sleepwalk? kommt vollständig elektronisch daher, während das anschließende ?E.Y.E.? sofort krachende Power ? Gitarren auffährt. Es fällt insgesamt schwer, den Stücken über die gesamte Spieldauer des Albums zu folgen, und mit ?Dance Of Descent? (cooles, Sirtaki ? artiges Intro!) befindet sich lediglich ein Song auf ?Self Exile?, der lediglich aufgrund seines zwingenden Refrains einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. WASTEFALL besitzen ohne Frage großes Talent, schaffen es aber irgendwie nicht, ?Self Exile? zum Zünden zu bringen, was aufgrund der musikalischen Qualitäten wirklich schade ist!
Mit ZENOBIA hat das kleine Quixote Music eine wirklich recht interessante "Nachwuchs"-Formation an Land gezogen. Die Berliner bieten mit ihrem vielschichtigen Progrock der Marke SPOCK´S BEARD oder auch auf "Delayed2 nämlich durchaus ein solides Niveau. Da lassen sich die ein oder andere Schwächen auch leicht verzeihen, hier wird viel auf Melodie geachtet, gut abgerockt trotz Progvibes an allen Ecken und Enden - insgesamt kann man sich dieses Album trotz der manchmal etwas (zu) vielen musikalischen Schwenker recht gut anhören. Insbesodnere der etwas holprige Start der CD kommt eher etwas verquert und läuft zunächst noch nicht so gut rein. Ob es sich hier überhaupt tatsächlich um "Anfänger" im eigentlichen Sinne handelt, muß nicht nur aufgrund der weit fortgeschrittenen technischen Fähigkeiten ("Steps ahead") sondern auch aufgrund der Tatsache bezweifelt werden, dass die Band bereits 1994 gegründet wurde und dann vor rund sieben Jahren ein Werk Namens ?October? herausgebracht hat. Egal, von dem damals gespielten Neogrogrock ist sowieso heute (fast) nichts mehr übrig geblieben. Fangen wir mit denn nicht ganz so dollen Sachen an, klar die Jungs wollen es allen zeigen und sind ohne Frage mit eine der beste deutsche Band seit dem Debütwerk von ALIAS EYE, die Ausrichtung ist zwar eine ganz andere weniger Artrock viel mehr Prog mit einer starken Betonung auf Rock aber die deutlich hörbaren ehrgeizigen Ambitionen sind ähnlich gelagert wie bei den Süddeutschen. Wie gesagt, stellenweise wollen die Musiker etwas zuviel auf einmal oder noch länger, packen ihre Mamuttracks voll mit Ideen, Wendungen, Breaks. stimmt dies ist zwar typisch beim Prog aber wenn (mehrfach) musikalisch der rote Faden fehlt so wie beim Opener "The Ballade of Billy Brain" dann gerät die Sache in 15 Minuten doch etwas zu ermüdend. Der Schlagzeugsound ist mir manchmal ebenfalls etwas zu schepprig, da hätte etwas mehr Kompaktheit und Volumen nicht geschadet, die Produktion ist aber zufriedenstellend, der Sänger wirkt manchmal noch etwas arg eckig bzw. steif dies kann aber auch an dem etwas zu gestelzten Englisch liegen aber hier geht sicherlich noch mehr, denn singen kann er schon. Gegen Mitte des Albums bei den sieben Parts von ?Meet Your Maker? (ganz klar die stärksten Momente des Albums) geht er endlich etwas mehr aus sich heraus (2Where it all .. starts") insbesondere diese Songs leben auch von der sehr guten Gitarrenarbeit superb das geile "Challenge Your Fate" aber wenn satte 19 (!) verschiedene Typen von Gitarren eingesetzt werden, dann muß sich dies ja auch hörbar rentieren. Der Bass grooved ansonsten sehr ordentlich und auch die Keyboards mit starkem 70´s sowie mitunter leichtem Spacetouch sorgen für viele positive Momente. Der Remix von "Moonstone Sky" zum Abschluß mit einem leicht lässigen psychedelischen chill-out Feeling kommt deutlich besser als die Normalversion. Das (Prog) Ei des Columbus haben ZENOBIA zwar nicht abgeliefert, da mir die Sache dann vielfach etwas zu Kopflastig daher kommt, trotzdem muß der Band für ihre mutige und einfallsreiche Scheibe eine mehr als solide Leistung bescheinigt werden. Beim nächsten Mal sollten ZENOBIA bei aller Perfektion es vielleicht nur etwas lockerer angehen lassen (den Humor dazu besitzen sie jedenfalls wie die Texte im Booklet deutlich beweisen) und etwas weniger Wert auf noch mehr Spuren und tausend Details legen und stattdessen einfach auf mehr Atmosphäre sowie Tiefen achten. So wie bei "Meet your Maker", da wirkt Band nicht so verkrampft perfekt (oder schräg wie bei "Try to wake up" witzig hin oder her) wie beim Rest der Tracks. Absolut positiv zum Schluß sei noch erwähnt , dass die Berliner tatsächlich in keine Schublade zu stecken sind und sich auf "Delayed" einen schon eigenen Sound gekonnt auf den Leib geschneidert haben, dies können nicht so viel Bands von sich behaupten. Die nächste Babypause dauert hoffentlich nicht wieder solange.
PRYMARY passen mit ihrem epischen Prog-Metal der komplexeren Sorte so gar nicht zu ihrer fröhlichen südkalifornischen Heimat und wären wohl eher im regnerischen Norden oder Osten der USA gut aufgehoben. Irgendwo zwischen den instrumentalen Parts von Dream Theater und der europäischen Atmosphäre von Pain Of Salvation angesiedelt, durfte das Quintett dabei schon für Größen wie Fates Warning, King´s X, Spock´s Beard und Enchant eröffnen und sollte mit ihrem Zweitwerk "The Tragedy Of Innocence" einen guten Schritt nach vorne machen. Thematisch geht es auf dem Konzeptalbum um eine traumatisierte Frau, welche als Kind von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde. Das der Wirklichkeit entnommene Thema (es geht um die Frau eines der Bandmitglieder) wird dabei von PRYMARY weder oberflächlich noch vordergründig verarbeitet. Auf "The Tragedy Of Innocence" wird die Geschichte in 12 Songs und zeitlicher Abfolge (Song Eins "Dirty Room - Part 1 ... 25 Years Ago" bis Song zwölf "Choices - Right Now!") nachvollzogen und, dem Thema entsprechend anspruchsvoll und nicht immer einfach musikalisch dargeboten. Eingängigen Tracks wie der Ohrwurm "In My Shell" stehen schwerer nachvollziehbare Stücke wie "Soul Deceiver" gegenüber. Sänger "Mike Di Sarro" macht an sich einen guten Job, kann dem druckvollen Instrumentalparts aber nicht immer folgen. Aber ebenso wie die hin und wieder über die Songdienlichkeit hinausgehenden Frickeleien stört dies bei dem gut produzierten Album kaum und damit dürften PRYMARY bei der Zielgruppe mit diesem Album durchaus Punkten. Anspieltipps sind hier allerdings nicht zu geben - "The Tragedy Of Innocence" wirkt definitiv nur als Ganzes.