Laßt euch bitte in Punkto DOMINICI und deren aktuellen Werk "O3 A Trilogy - Part 2" keine solche Plagiatsmärchen erzählen, wie es so manche Schreiberlinge aus mir eher nicht nachvollziehbaren Gründen gerne glauben machen wollen. Sicher der Hauptprotagonist dieser Scheibe Charlie Dominici (1987 bis 1989 Sänger von DREAM THEATER auf deren legendären Debüt "When Dream And Day Unite") nutzt hier in Punkto Promotion seine Vergangenheit durchaus geschickt aber kopiert hier keinesfalls auf Teufel komm raus die stilistischen Feinheiten oder überhaupt seine Ex-Band. Auch wenn er sich musikalisch nicht all zu weit weg von DT bewegt ist doch der musikalische Ansatz schon betont stärker melodramatischer, mit einem hohen epischen Faktor der manchmal fast ins Musical geht geprägt. Er liebt es dabei u.a. in bombastisch-symphonischen Pomp zu schwelgen und da fallend dann Vergleiche wie QUEEN oder SAVATAGE zu seeligen "Streets" Zeiten. Auch seine Stimme, die manchem vielleicht erst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, da sie viel eher einen typischen True Metal Charakter aufweist und sich allein schon deshalb meilenweit u.a. von einem gewissen James LaBrie oder sonstigen Kollegen des Genres unterscheidet .
Nachdem Charlie sich von seinen Jungs aus New York getrennt hatte zog sich völlig aus dem Musikbusiness zurück und ergriff einen bürgerlichen Beruf nach. Erst im Jahr 2004 trat er wieder ins öffentliche Rampenlicht zurück passend zum 15-jährigen Jubiläum des Dream Theater-Debüts im Rahmen eines Gigs als Special Guest. Danach startete er eine Solokarriere mit nahezu unbekannten und in 2005 selbst vertriebenen "O3 A Trilogy - Part 1". Der zweite Teil dieser Trilogie wurde jetzt über die Spezialisten von InsideOut veröffentlicht und dieses Album bietet wirklich einiges an melodischen Prog Metal mit manchmal zwar recht aufwühlenden Pathos aber ohne dabei so peinlich und klischeehaft wie die meisten Kapellen der Schwertschwingerbrüderszene zu klingen. Die Band schafft es wuchtige, urchwüchsige Riffs sowie virtuose Soli mit klasse Hooklines und vor allem genügend Atmosphäre zu verbinden - das alles im Gesamtkontext mit sinnvollen Breaks und natürlich auch manchmal ausufernden Geschwindigkeitsorgien auf den Gitarrenbrettern oder virtuose Keyboardkaskaden. Seine beteiligten Mitmusiker sind dabei absolut klasse drauf, auch wenn DOMINICI natürlich das Progmetal Rad nicht neu erfinden - dieses Album hat seine Berechtigung, da es trotz natürlich vieler bekannter Stilelemente einfach zu gute Songs, ungewöhnliche Facetten und komplexen Arrangements jederzeit packende und nachvollziehbare Unterhaltung bietet. Der Opener "The Monster" als rein instrumentales acht Minuten Opus könnte noch am ehesten Querverweise an seine Vergangenheit provozieren hier wird moderner Progmetal mit all seine Facetten fliegende Tastenteppiche mit Streicherarrangements und wild zirkulierenden Gitarren geboten. Bereits der nächste Track 2Nowhere to hide", in dem der namenslose Hauptcharakter dieser Geschichte vorgestellt wird (ein cholerischer, gewalttätig veranlagter Alkoholiker, der sich als "Schläfer" in die USA eingeschleust hat, an einer Art biologischer Waffe arbeitet, einen Cop erschießt und zum Schluß sogar das gehasste Land zu verstehen scheint) zeigt die offensichtlichen Eigenheiten von DOMINICI. Hier will man nicht überbetont mit jeder Note oder Sequenz unbedingt beweisen, wie technisch versiert oder toll man an seinen Instrumenten ist sondern man bleibt am Boden, trotz hohen Niveaus, die Vocals sind bodenständig und eindringlich an der Melodie verhaftet mit teilweise ebenfalls schönen Backings. Danach wird der Sound irgendwie rauer, nicht so hochglanzpoliert wie bereits erwähnte New Yorker. Für mich einer der Höhepunkte der CD dann ganz klar das dramatische und sich langsam immer mehr hochsteigernde "School of Pain" bis zum hymnischen Finale. Die Pianoballade "The real Life" kann zwar einen gewissen Musical oder auch MEAT LOAF Touch nicht verleugnen aber warum denn auch großes Epic-Kino. Als krönender Abschluß folgt dann noch "A new Hope" auf dem Dominici nochmal seine ganze stimmliche Bandbreite von rauem Power Metal bis hin zu gefühlvollen Parts besten rüberbringt. Die Band klingt frisch, authentisch und versteht es dabei absolut die weiten Spannungsbögen mit viel Details und Leben zu versehen ohne dass man in Gefahr gerät zu viel instrumentelle Gähnphasen einzubauen. Insgesamt ist "O3 A Trilogy - Part 2" eine grundsolide Sache geworden, super produziert und ohne jede Einschränkung für alle Melodic und Progressive Freunde zu empfehlen. Der dritte Teil soll schon in Planung sein, darauf kann man sich jetzt schon freuen.
Die Schweiz zeichnete sich bislang fast vornehmlich durch herausragende Hardrockformationen wie KROKUS, GOTTHARD, oder SHAKRA aus, für die härteren oder gar progressiven Gefilde finden sich nur wenig bis gar keine Beispiele und schon gar keine die international den Durchbruch geschafft hätten. Ich wage jetzt mal die keineswegs vermessene Aussage, dass auch NEVERLAND mit ihrem Zweitwerk "Schizophrenia" an diesem Fact (leider) nichts ändern werden. Zu gesichtslos und vor allem absolut beliebig kommt dieser eidgenössische Sechser, dessen Ursprünge bereits auf dass Jahr 1999 zurückgehen, mit seinem Progressive Power Metal Gebräu daher. Die Jungs probieren auf der zwar soliden Produktion (einzig der Schlagzeugsound kommt stellenweise etwas flach daher) zwar alles, technisch versiert vor allem die Gitarrenarbeit aber die Songs kommen nur selten über nette Melodien und gefällige Arrangements (der Keyboarder setzt einige gelungene Akzente) hinaus. Der Versuch immer wieder ordentlich Gas zu geben mit vielen Doublebassattacken verliert ebenfalls mit der Zeit seinen Reiz, da diese zwar klassisch geprägten aber meist seelenlosen Läufe die Gitarrenhälse rauf und runter, einfach zu wenig eigenständige Substanz hergeben und einfach nur MALMSTEEN Dejavus in Serie hervorbringen, hatten wir alles schon mal und auch besser. Dann werden auch noch leicht symphonische Facetten mit bekanntem RHAPSODY Bombast hervorgekramt, ebenfalls ein alter Hut und dann der Sänger. Die recht kehlige Stimme besitzt zwar zum Glück keines dieser Standarteunuchen-Timbres reist mich aber trotzdem nicht vom Hocker, da er einfach viel zu angestrengt, betont gepreßt agiert klingt irgendwie nach einem heiseren Claus Lessmann (BONFIRE) nee da müsste einfach mehr Volumen und Ausdruck her. Wie gesagt aus dem Progressive Baukasten wurde hier allzu einfallslos nach bekannten Strickmustern allenfalls zum aufbauschen der ansonsten in typischen Melodic Metal gehaltenen Songstrukturen, wie man sie derzeit von vielen Kapellen dieser Welle findet, verwendet und kommt daher absolut ohne jeden eigenen Esprit daher. Sicher bei dem ein oder andere der 9 Tracks enttäuschen NEVERLAND dann doch nicht ausnahmslos u.a. ausgerechnet die kraftvolle Ballade "Anguish" oder dass gefällige "Mysteria" mit einem recht abwechslungsreichen Songaufbau (auch wenn mir die Hookline irgendwie bekannt vorkommt) kommen ganz solide Wenn da nicht die größtenteils zu sehr schablonenhaften Geschichten dabei wären "Buy your Dream" oder auch der platte Totalausfall wie das nervig-klischeehafte "Brave Warrior". Also nee Jungs, gegen die von "euch" selbst genannten Bands wie SYMPHONY X (paßt stilistisch noch einigermaßen) oder gar DREAM THEATER (hier sind keinerlei Berührungspunkte auszumachen) spielt "Schizophrenia" nur in der zweiten Liga, da reißt auch ein schönes Coverartwork nichts mehr raus.
Was bietet dass World Wide Net nicht alles für tolle Möglichkeiten - dies wird einem immer wieder bewußt, insbesonder, wenn man sich solche Beispiele wie die Entstehungsgeschichte zu diesem Album "Cycles" der Formation GHOST CIRCUS liest. Klar, dass sich weit voneinander entfernt lebende Musiker heutzutage ihre Alben per Mail zusammenbasteln ohne "örtlich" jemals zusammengespielt zu haben ist nichts so neues aber dass sich zwei Musiker wie die beiden Protagonisten dieser CD Chris Brown (Vocals, Gitarre, Bass, Keyboards) aus Tennessee und Ronald Whale (Drums, Keyboards, Gitarre) aus den Niederlanden zunächst 2004 per Internet kennengelernt, sich dann entschlossen eine CD aufzunehmen und dies jetzt auch verwirklichten ohne sich jemals vorher (persönlich) gesehen zu haben, dürfte schon etwas ganz besonderes sein. Nach dem sich beide Musiker zuvor über ihren Lieblingsbereich des Progressive Rock abgestimmt hatten legte man schließlich los und zimmerte sich mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten das hier vorliegende Debütwerk zusammen. Eines gleich vorweg, die Jungs haben da ein sehr gut gelungenes Stückchen Musik abgeliefert, sieht man mal von ganz leichten kompositorischen Schwächen in der Mitte des Albums ("The Distance" ist für mich der schwächste Song und dass recht aggressive "Accelerate" mit etwas seltsamen Sprechparts ist in sich nicht ganz stimmig), hätte es sogar fast für einen Tipp gereicht aber so wurden die Scheibe insgesamt nicht ganz so perfekt wie sie hätte sein können. Bereits nach dem gelungenen Opener "Broken Glass" fällt die exquisite Produktion auf sehr satt, mit warmen Sounds und unheimlicher Dynamik. Die Jungs haben was drauf, orientieren sich dabei schon eher in moderner geprägten Progrockgefilden und haben dabei so eine ganz eigene Art ihre Tracks sehr eingängig fast schon mit typischen Popvibes zu gestalten und auch bei den Melodiebögen gelingt es stets den roten Faden beizubehalten. Brown verfügt über eine recht passable Stimme, relativ sanft und tief aber vom Klangbild sehr angenehm. Die Arrangements sind zwar sehr griffig, trotzdem sind viele Details geboten der Hörer wird gerade vom mächtigen Sound überwältigt, fette Keyboardklänge sehr variabel im Sound und dann immer wieder die mal ordentlich riffig, dann auch mal knackig rockig in bester U2-Manier ("Cycles") und wieder diese weitläufigen Leadgitarrenparts - sehr fein gemacht. Für mich die besten Songs des Albums das melancholische mit tollen Harmonien versehene "Let It Flow" und 2Trick Of The Light" ebenfalls etwas düster gehalten, auch wenn der Anfang mit den Tasten doch recht stark an GENESIS ("No Son Of Mine") erinnert - die Musik hat immer eine gewisse Tiefe ohne natürlich im engsten Sinne progressiv zu sein. GHOST CIRCUS sprechen daher wohl eher die Neo bzw. noch besser die Art-Rock Fans mit ihrer starken Betonung auf Melodien, knackigen Gitarren sowie fülligen Keys an - Hardliner werden hier jetzt eine vermeintliche Oberflächlichkeit vermuten, sind aber trotzdem auf der falschen Fährte, denn dieses Duo bietet Gefühl, Harmonie und Details gleichermaßen. Schönes Album.
NEAL MORSE lebt seinen Glauben nicht nur privat, sondern auch musikalisch - das ist bekannt. Mit seinem neuen Album "Sola Scriptura" (was soviel bedeutet wie "nur nach der Schrift") nähert er sich jetzt thematisch der Geschichte Martin Luthers und seiner Thesen an. Demzufolge dürften die Texte wieder einmal nicht jedermanns Sache sein (davon abgesehen, kann ein so komplexes Thema auch kaum ansatzweise in 76 Minuten erfasst werden); aber auch musikalisch gibt es ein deutliches Pro und ein Contra festzustellen. Noch immer versteht Morse es progressive Rockmusik solchermaßen zu verpacken, dass Frickeleien wie selbstverständlich dazu gehören und viele Passagen fast schon airplaytaugliches Hitpotential entwickeln. Andererseits fehlen zusehends die Überraschungsmomente vergangener Tage; vieles wurde ähnlich schon von NEAL MORSE selbst präsentiert, anderes unter dem Spock´ s Beard Banner. Manches erinnert an Transatlantic. Aber seine Wurzeln sollte und darf man ja auch nicht verleugnen ? vor allem wenn es so gekonnt dargeboten wird. Trotzdem - so euphorisch "Sola Scriptura" wohl auf Neulinge in Neals Welt wirken dürfte; so kritisch werden manche alte Beard-Fans die Sache angehen. Qualitativ liegt Morse mit seinem neuen Album besser als auf dem Vorgänger - mit dem 2003er-Überwerk "Testimony", aber auch mit "One" lässt sich der Output 2007 allerdings nicht ganz messen. Dass er dabei mit seine kongenialen Partner Randy George (Bass), Paul Gilbert (Gitarre) und Dream Theater Drummer-Hero Mike Portnoy auf instrumentaler Seite hochkarätiges abliefert ist selbstverständlich. Keine Frage, NEAL MORSE bietet auf ?Sola Scriptura? genau das, was man erwartet: Drei Überlange progressive Epen und eine mainstreamlastige Ballade - Pop-Retro-Prog mit haufenweise Melodien (für die andere Sterben würden). Der halbstündige Opener "The Door" (mit einiges an Neal´s typischen magischen Momenten) und das folgende "The Conflict" (beginnt ungewöhnlich heftig, nur um später in gefühlvollen Flamenco zu fallen - "The Light" lässt grüßen) entführen auf eine bombastische Achterbahnfahrt, in deren Verlauf NEAL MORSE auf immerwährenden melodischen Spuren zwischen harten Riffs, betonten Breaks, Harmoniegesang, Ohrwurmmelodien und instrumentalen Soli schwelgt. Ungewohnte Kompositionen gibt es dabei nicht - Böses wer Arges dabei denkt - aber Spaß macht´s. Nach der 5-minütigen radiotauglichen und eigentlich doch zu eingängigen Ballade "Heaven In My Heart" kommt mit "The Conclusion" (16:34) ein exzellenter Schlusstrack, welcher die NEAL MORSE Bombast-Scala wohl anführen dürfte - ein Song für die Repeat-Taste. Will meinen: Morse wie man ihn kennt - allerdings einen Tick härter und bombastischer - gewohnt gut.
Diese CD von TEA FOR TWO mit den drei unscheinbaren Strichmännchen vorne auf dem Cover von "Twisted" beginnt mit einem recht soliden und viel spanischer Folklore versprühenden Song Namens "Spanish Nights" - hier sind bereits diese typischen, leicht perligen Flöteneinsätze (die auf der gesamten Spielzeit immer mal wieder eingestreut werden), gekonnte akustische Gitarrenparts sowie stilechtes Flamencogeklapper zu hören. Einzig der etwas hölzerne Gesang (mit etwas gestelztem English sowie den etwas platten Hey, hey Passagen na ja ..) von Stephan Weber vermag mich nicht ganz so zu überzeugen. Dies ist bei einigen anderen Tracks stellenweise auch so der Fall und vielleicht der einzige, wenn auch nicht unbedingt so nachhaltig störende Kritikpunkt, eines ansonsten sehr originellen und vor allem aufgrund seiner lohnenswerten Vielfältigkeit sehr zu lobenden Albums. Im weiteren Verlauf der 45 Minuten steigern sich die gesanglichen Darbietungen aber deutlich, vor allem in den höheren Regionen scheint er sich wesentlich freier und etwas gelöster zu bewegen. Diese Band gibt es schon seit über 20 Jahren (aber nur vier Alben) mit wechselnden Besetzungen und auch unterschiedlicher musikalischer Ausrichtungen, das letzte Werk "1012 liegt schon sechs Jahre zurück, man begann als Jazz-Blues-Folk Duo und auch im Neoprog versuchte man sich, davon ist auf dem aktuellen Output nur noch wenig zu vernehmen. Macht aber rein garnix aus, wenn sich das Ergebnis so klasse anhört wie die 10 Tracks von "Twisted". Egal ob rein Instrumental wie bei dem nach bombastischer Filmmusik a la Hans Zimmer klingenden "Soundscape", der obergeilen Pianoballade "Last Drink" (erinnert an SUPERTRAMP zu besseren Zeiten in Originalbesetzung) oder auch mal leicht bluesig geprägt wie bei "Hold on" dieses Trio weiß genau, was es will und setzt dies konsequent um. Alles wirkt sorgsam arrangiert, mit viel Bedacht und dann packen Tea For Two immer wieder die Folkfuchtel auf aber ohne zu nerven, die Flötensounds lockern dabei wunderbar auf, bestes Beispiel dafür ist dass schnelle "Scar Folk" eine Art Speed-Ska Nummer, klingt wie JETHRO TULL auf Acid. Auf "My Own Way", einer der für mich stärksten Songs des Album, mischen die Jungs dann so ein Art Neo-Folk-Rock im akustischen Gewande sowie dezent angedeutetem Bombast zusammen und einem megastarken Gesang, der starke Vergleiche zu IQ aufkommen läßt - ein wirkich sehr guter Song. Als krönender Abschluß kommt dann noch die Ballade "Come What May" zum Einsatz, zunächst langsam mit gefühlvollen Cellospiel veredelt, steigert sich der Song dann hinauf in einen heftigeren Mittelteil mit fetten Gitarrenriffs, wummernden Bass sowie spacigen Keyboards, um dann wieder reduziert akustisch ruhig auszuklingen. TEA FOR TWO sind daher schlichtweg weiterzuempfehlen.
Hauptberuflich sowohl Schlagzeuglehrer als auch in einer regionalen Coverband mit dem pfiffigen Namen "Assholes" unterwegs, lebt der Andernacher Hans Jörg Schmitz hier auf seinem ersten Soloalbum "Membranophonic Experience" unter dem sehr coolen Künstlernamen KING OF AGOGIK wohl seine ganze Passion des "Felle dreschens" aus. Man könnte jetzt meinen, dass dieses toll aufgemachte Digipack nur was für (Fusion) oder Experimentalen Prog-Rock Freaks sein könnte aber weit gefehlt, denn diese 75 Minuten reine Instrumentalmusik sind zwar tatsächlich dermaßen abgefahren aber trotzdem absolut unterhaltsam zugleich. Keine Sekunde ist davon langweilig, ständig passiert irgendetwas, der Hörer gerät hier fast nie, trotz der coolen Anmerkung "A Drummers little Egotrip" nie in die Gefahr, dass sich ein mehr oder weniger virtuoses Schlagzeugsolo nach dem anderen aneinander reiht - ganz im Gegenteil. Der Junge hat sich neben ein paar äußerst fähigen Gastmusikern natürlich selbst ganz gehörig mit eingebracht und sprudelt nur so von Ideen aber vor allem Sounds, Samples, Geräuschen oder was auch immer in diesem Sektor mit modernster Technik alles möglich ist. Wer einmal ein RUSH-Konzert gesehen und dabei den genialen Neil Peart an seinem Rundum-Drumkitt, wild herumwirbeln sah, weiß was ich meine, so in etwa muß man sich wohl Schmitz ebenfalls vorstellen. Nach diesem Vergleich, da bin ich mir sicher, fallen sowieso ca. 98% aller bisher gekannten und kommenden Schlagzeugsolos komplett unter den Tisch, was besseres gibt es derzeit, außer vielleicht noch Mike TERANNA, wohl kaum in Sachen Drumming. Meister Schmitz darf sich also ohne Zweifel zu den 2% der lohnenswerten Schlagzeugsolofetischisten zählen, er hat sich außerdem noch stellenweise zu seinen eigenen Saitenkünsten noch fremde Gitarre sowie gleich zwei Bassisten dazugeholt. Aber alleine seine exzellente Technik sowie der ausgeprägter Hang zu extrovertierten Ideen fließen äußerst gekonnt in seine "Kompositionen" bzw. vielmehr üppigen Klangmalereien oder auch manchmal nur aus Geräuschansammlungen bestehenden Tracks mit ein. Insgesamt mit ganz leichten Abstrichen lassen sich die Songs wirklich gut anhören alleine schon das fast 15-minütige "Mc Wok (Voyage To Innocence)" mit diesen tollen asiatischen Klängen lohnen ein ausgiebiges Probehören. Er besitzt darüber hinaus eine wunderbare Selbstironie, die sich nicht nur in Worten "kingley composed and arranged" sondern auch bei seinen teilweise abstrusen Songtiteln ("Go where the pepper grow", "Me and the birch"), wenn er dann noch so stark betont "no sequences, no programming" diese Behauptungnehm´ nehm´ ich ihm natürlich nicht so ganz ab. Denn da sampelt es zwischen den meistens mit voluminös-sphärischen Keys umrahmten Tracks an allen Ecken und Enden, hier mal ein Sprachfetzen (die berühmte Rede von Martin Luther King - ist allerdings schon etwas abgedroschen) eingebaut oder da ein bekanntes Zitat verwendet (z.B. Die Stimme von Orson Welles). Musikalisch lassen sich bei näherem Hinhören ebenfalls bekannte Sachen von den BEATLES, ALAN PARSONS oder gar GENESIS als Soundanleihen finden - ja dies macht er alles sehr clever und mixt es frech, fröhlich frei zu dem ganz eigenen Klangkosmos des KING OF AGOGIK zusammen. Natürlich ist alles live eingespielt, vor allem die vielen Samples aber dies sollte man wohl mit einem leichten Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen. "Agogik" steht ansonsten wohl u.a. für "Lesson of the individual arranging of the speed in a composition" dass allein sagt schon viel aus und damit gehört Hans Jörg Schmitz zu den ganz hoffnungsvollen Drummern der Szene. Insbesondere was seine erfrischende Originalität sowie sein relativ zurückhaltendes Spiel in Punkto ausufernde Solos betrifft (gibt´s natürlich auch, steht aber nicht so im Vordergrund) rechtfertigt er diese leicht gewagte Feststellung mit "Membranophonic Experience" aus meiner Sicht mehr als souverän.
Newcomer-Label signt Newcomer-Band. So schön (und klischeehaft) kann das Leben manchmal sein. Dental Records haben sich mit MEMFIS einen hoffnunsvollen Newcomer gesichert, der besonders im heimischen Close-Up seine Fans hat. "The Wind-Up" haben MEMFIS ihr Debütalbum genannt, das mit einem sperrigen wie aggressiven Opener Parallelen zu alten MESHUGGAH weckt; ein Eindruck, der sich immer wieder bestätigen wird. Und natürlich müssen OPETH herhalten, wenn eine Band aus Elchland komplexe, anspruchsvolle Musik macht. Aber auch dieser Eindruck ist berechtigt, da MEMFIS ähnlich unerwartete Übergänge und Ideen verwursten wie die Mannen um Mr. Akerfeld. Zu guter Letzt gibt es immer wieder jazzig anmutende Passagen, die an die seligen VIRULENCE denken lassen. Man sieht, es wird hektisch, es wird komplex, es wird fordernd. MEMFIS verzetteln sich dabei aber nie in völlig wirren Passagen, sondern haben immer einen roten Faden, was "The Wind-Up" bei aller Komplexität zu einer angenehmen Hörerfahrung macht, die die Vorschusslorbeeren verdient hat. Das ist großer Metal von einer talentierten und im positiven Sinne verrückten Band. Mehr davon!
Bei ELECTRIC OUTLET handelt es sich um eine vierköpfige deutsche Formation, die sich sehr vertrackten, jazzigen Art Rock auf den Leib geschrieben hat. Dabei wird auf Gesang völlig verzichtet, lediglich ein paar verzerrte "Spoken Words"-Samples werden eingespielt. Leicht zu konsumieren ist "On!" keineswegs, sondern erfordert konzentriertes Zuhören und das "Verstehen" der Musik, obwohl lediglich klassische Rockinstrumente, nämlich Gitarre, Bass, Drums und Keyboard, zum Einsatz kommen. Trotzdem richten sich die durchweg schrägen Melodien und Songaufbauten eindeutig an Fans von Jazz und verwandten Genres. Normale Rockfans dürften mit "On!" nicht viel anfangen können, obwohl die vier Musiker ihr Handwerk hervorragend beherrschen und schon mit illustren Größen wie SAGA, KINGDOM COME oder sogar XAVIER NAIDOO und den SÖHNEn MANNHEIMS (Pfuibäh!) aufgetreten sind. Zweifellos eine objektiv sehr gute Scheibe mit hohem musikalischem Anspruch, aber ebenso zweifellos nicht die Baustelle von Ottonormalrocker.
Gitarrist Kalle Wallner gibt normalerweise den deutschen Pink Floyd-Anhängern RPWL den richtigen Gitarredrive. Mit seinem ersten Solowerk, auf den Namen BLIND EGO getauft, legt Wallner laut eigener Aussage einen emotionalen "Seelenstriptease" aus Wut, Hass und Trauer vor (wofür EGO steht) und das ohne Blick nach Links und Rechts (wofür das vorangestellte BLIND steht). Ganz alleine hat er?s natürlich nicht gemacht. Unter anderem sind dabei John Jowitt (IQ, Jadis) am Bass, Schlagzeuger Tommy Eberhardt und RPWL-Kollege Yogi Lang (übernahm Keyboards und die Produktion in den eigenen Blackfarm-Studios). Auch für die Gesangparts der einzelnen Songs konnte Kalle Wallner hochkarätige Unterstützung gewinnen, welche BLIND EGO einen internationalen Anstrich verpassten, als da wären: John Mitchell (Kino, It Bites, Arena), Paul Wrightson (ex-Arena), Mischa Schleypen und Clive Nolan (Arena, Pendragon). Mit dem Rocksong "Obsession" und dem zugleich hymnisch und unaufgeregten "Moon And Sun" eröffnet "Mirror" mehr als nur solide. Mit dem nachfolgendem "Break You" ist BLIND EGO ein Ohrwurm gelungen, welcher rockt und echte Hitqualitäten offenbart - ein Song für die Repeat-Taste, ebenso wie die Ballade "Black Despair", welche Melancholie pur bietet und Gitarrist Wallner dabei von seiner besten und gefühlvollsten Seite zeigt. In "Open Sore" geht es dann mal etwas heftiger zur Sache - das Instrumentalteil erinnert allerdings schon an Soloausflüge amerikanischer Rockgitarristen. Das Titelstück "Mirror" kann eine gewisse Marillion-Affinität nicht verleugnen - auch des Gesangs und der Keyboards wegen und das über 8-minütige "Don´t Ask Me Why" kommt als RPWL meets Arena daher. Mit dem leicht alternativ angehauchtem melodischen "Moorland" und dem keyboardlastigeren Floydschen Longtrack "Forbidden To Remain" endet BLIND EGOs Debüt stark. Zum Abschluss gibt es mit Artist Manqué ein neu arrangiertes Stück der RPWL-Vorgänger Band VIOLET DISTRICT - interessant was Mr. Wallner & Co. schon damals auf dem Kasten hatte. Ein gelungenes Album zwischen Rock und Prog - gelungene Gitarrenarbeit, klasse Produktion, eingängige Songs. 2007 fängt nicht übel an für den geneigten Proggie.
ALIAS EYE haben mit ihren zwei bisher erschienen absolut hochwertigen Alben bereits hinlänglich bewiesen, dass man zur Speerspizte des Deutschen und vor allem auch des internationalen Progrocks zu zählen ist. Auch mit dem aktuellen Longplayer "In Focus" glückt den Mannen um Ausnahmesänger Phil Griffiths etwas, was nicht viele Bands geschafft haben, nämlich mit jedem Album ein etwas anderes Klangbild zu schaffen und sich trotzdem die ganz spezifischen, typischen Bandmerkmale zu erhalten.
Bei ALIAS EYE hat sich seit der letzten, fast drei Jahre zurückliegenden, CD "A Different Point of View" einiges geändert, denn "In Focus" (übrigends erneut mit einem klasse Artwork ausgestattet) kommt nicht nur bei einem neuen Label (QuiXote Records ist da wirklich ein großer Wurf gelungen) heraus. Mit Matze Wurm wurde auch, wie ich finde, sehr überzeugend ein neuer Gitarrist integriert. Dieser Mann kommt ganz klar aus dem Heavybereich, trotzdem sind die Mannheimer natürlich nicht gleich zum Prog Metal konvertiert, aber man kann schon eine etwas stärkere Rifflastigkeit sowie eine deutlich straightere Rockattitüde in vielen der neuen Songs feststellen. Bestes Beispiel hierfür ist gleich der gelungene Start mit "I´m Your Lie" bei dem typische alte ALIAS Eye Versatzstücke wie der akzentuierte, leicht verschachtelte Gesang gekonnt mit fetten Gitarrenstakkatos verbunden wurden. Die frühere Artrockkomponente sowie die gewohnte leichte Neoprog Schlagseite sind fast völlig verschwunden, manch einer wird dies vielleicht vermissen, finde ich jetzt nicht ganz so schlimm, als kleine Entschädigung befindet sich aber das salsartige sowie mit klasse Akkordeonsounds versehene "Enligthen Them" ein Track dieses Machart auf der CD. Die Band kann jetzt sogar richtig locker und tight klingen wie bei "In Denial" und auch mal einfachere Musik überzeugend rüberbringen. Prägnant im Sound dieser Band ist nachwievor Sänger Phil, der nicht nur bei den ruhigeren Momenten "Books" (eine leider viel zu kurze Pianoballade) mit seinem einfühlsamen Timbre überzeugt, nein auch richtig aggressiv kann er sein, wie auf dem härtesten Track der Scheibe "The Call" (mit einem coolen "Ringe Dingdong" Anfang) - hier sind die Jungs tatsächlich fast Metal. Im zweiten Teil der 50 Minuten fehlen mir dann etwas die hängenbleibenden Melodien wie auf den Vorgängeralben, da gibt es zwar viele gute Ansätze aber manche Sachen wirken irgendwie nicht ausgefeilt, da hätte man mehr draus machen können (z.B. "Rhodesian Rhapsody" oder teilweise auch "Falling"). Und warum man bei dem letzten Track, dem gelungenen "How we perceive" die Gastsängerin Anna-Sabrina Lopp mit diesem wunderbaren KATE BUSH Gedächtnisorgan nur ein paar Zeilen hat singen lassen, bleibt ebenfalls ein absolutes Rätsel, da wurde großes Potential verschenkt. Der Gag (trotz witzigem Text) mit dem verzichtbaren Hiddentrack ist ebenfalls eher naja.
Trotzdem ist "In Focus" weit davon entfernt ein schwaches Album zu sein, nur wer so hohe Maßstäbe gesetzt hat, muss sich auch wieder daran messen lassen. Und verglichen mit den ersten beiden CDs, ist die neue Scheibe notenmäßig leider "nur" mit 2- zu bewerten. Mir gefällt die insgesamt etwas andere, deutlich gitarrenlastigere stilistische Ausrichtung trotzdem sehr gut. Die Produktion klingt ebenfalls viel erdiger und nicht so detailverleibt bzw. hochpoliert wie früher und an den Hooks müssen ALIAS EYE beim nächsten Output einfach noch ein wenig mehr arbeiten, dann gibt´s auch wieder einen Tipp.