Review: Affliction XXIX II MXMVI
So langsam mutiere ich hier bei MI zum netten Polen-Prog Onkel, denn erneut hat mit BLINDEAD eine Formation unserer östlichen Nachbarn den Weg in meinem Player gefunden. Und diese bereits dritte Studioscheibe "Affliction XXIX II MXMVI" ist auch die bisher ungewöhnlichste und schwerverdaulichste Musik, die ich überhaupt seit Monaten und aus Polen speziell gehört habe. Mit den Werken zuletzt von QUBE, ACUTE MIND oder auch der Progband schlechthin aus polnischen Gefilden RIVERSIDE, haben diese progressiven Sounds nur relativ wenig gemein.
Die 1999 vom ehemaligen BEHEMOTH-Saitenhexer Mateusz „Havoc" Smierzchalski gegründete Formation, macht einen ganz ungewöhnlichen düster fast schon depressiven Mix aus Post Rock, Doom und Prog Metal. Zum inhaltlichen Thema paßt dies zwar ganz gut aber trotz dieser mitunter sehr bedrückenden Emotionalität, überzeugt mich das Gesamtwerk musikalisch nicht ganz. Dies lieg zum einen am Sänger, der leider viel zu oft seine Growls sowie Grunzpassagen ins Mikro schmettert und dann nur wenig fesseln kann. Diese aggressiven Ausbrüche nerven und lassen mich die eher Skiptaste suchen. Und zum anderen in Punkto Melodien – hier hätten die Herren durchaus etwas mehr Feinfühligkeit und mehr Linie vertragen. Die Musik als solche ist selten brachial oder gar überhart. Geprägt von Bands wie NEUROSIS oder ISIS sind die düster und voller negativer Schwermut geprägten, die sieben ineinander übergehenden Tracks sind als Ganzes zwar nur schwer am Stück zu hören, andererseits funzen sie als Einzelpart überhaupt nicht .
Wenn man die Titel als kompletten Satz hintereinander liest steht da „Self-consciousness is desire and after 38 weeks my new playground became dark and gray, so it feels like misunterstanding when all my hopes and dreams turn into Affliction XXVI II MMIX“ - diese Worte sagen schon einiges über dass umgesetzte lyrische Konzeptthema aus. Nämlich die Geschichte eines unter Autismus leidenden Mädchens, aus Angst vor der Öffentlichkeit um sie herum zieht sie sich in ihre ganz eigene Welt zurück, und scheint so nicht mehr erreichbar zu sein. Ein ausführliches Booklet zur CD (das uns leider nicht vorlag) gibt weitere
Ausschlüsse darüber. Die Musik mit den zwar gelungenen manchmal fettbazendend-grummeligen dann wieder sphärischen Gitarrenriffs, kommt mir in ihrer Zusammensetzung („My Playground become“) vielfach ähnlich verstört und weltfremd wie der Geist des Mädchens vor.
Die Songs ähneln dann eher experimentellen Lautmalereien („Dark and Gray“) oder bieten soundtrackartigen Passagen (mit vielen elektronischen Samples), die Musik ist dabei meist im mittleren bis langsameren Tempobereich angesiedelt mit ganz wenigen Death-Einschüben Diese hat dann schon was von alten TYPE O NEGATIVE-Nummern. Oft kommen gegen Ende eines Stückes diese gräuslichen eher Metalcore-geprägten Growls. Die verhunzen viele gute Ansätze. Dabei kann der Junge auch richtig gute cleane Parts singen und es da aber nur fast mit einem Eddie Vedder (PEARL JAM) aufnehmen. Dann paßt auch die überall durchschimmernde Melancholie irgendwie aber dieses Stimmtimbre kommt erst gegen Ende so durch.
Da helfen auch ein echter Kontrabass, Trompeteneinsätze (das lockere “After 38 Weeks” gefällt dabei noch am besten) und viel Pianobegleitung insgesamt nur bedingt weiter, die hängen bleibenden Parts sind rar gesät, und von den vielen aufwühlenden Momente bleibt letztlich nur wenig übrig. Da mag zwar durchaus anspruchsvoll und auch abwechslungsreich klingen aber das Verbindende fehlt.
Für Progfreaks, die auf etwas abgefahrenere Klanggebilde mit starkem Hang zu Düsternis stehen, ist der Sound von BLINDEAD aber sicher ganz gut geeignet. Mir ist die Musik auf "Affliction XXIX II MXMVI", die wenn überhaupt nur am Stück „funktioniert“, trotz gutem technischen Niveaus oft zu verloren und in diesem dunklen Klangkosmos zu wenig an packenden Melodien orientiert.
Affliction XXIX II MXMVI
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
7
Länge:
46:14 ()
Label:
Vertrieb:
Wenn man versucht, in Sachen Musik an Vertreter aus Wales zu denken(vom gerade noch mittelmäßigen Fußball reden wie hier mal lieber nicht), fallen mir zunächst eher poppige Namen ein wie DUFFY oder „Tiger“ TOM JONES. Aber dann, ach ja stimmt, die grandiosen MANIC STREET PREACHERS und die (Pop) Metaller von BULLET FROM MY VALENTINE stammen auch aus diesem eher kargen Landstrich Großbritanniens. Jetzt schickt sich aber eine junge Nachwuchsband in Sachen Progressive Metal namens LOST IN THOUGHT (gegründet 2007) mit ihrem Debüt „Opus Arise“ ebenfalls an, die Heimat noch etwas bekannter zu machen.
Und das Ergebnis, mein lieber Scholly, das uns diese Herren hier um die Ohren hauen, hat aus dem Stand heraus absolut hochklassiges und internationales Niveau. „Opus Arise“ ist hervorragend produziert, sehr voluminös und transparent zugleich. Dies war aber eigentlich auch nicht verwunderlich, denn für das Mastering war Jacob Hansen (u.a. VOLBEAT, MERCENARY, DESTRUCTION, PRETTY MAIDS) zuständig.
LOST IN THOUGHT überzeugen von der ersten bis zur letzten Note mit ihrem an sich nicht gerade neuen Mix aus Power Metal, Melodic Metal(core) und vor allem ganz viel Progressive Rock/Metal mit üppigen symphonischen Elementen. Kompositorisch gibt es da nicht den kleinsten Ausfall, die Arrangements dieser acht, genretypisch natürlich etwas länger dauernden Tracks, sind absolut stimmig, verlieren sich nie in unnötigem Gefrickel oder sonstigen Füllern, es geht immer songdienlich zu und es gibt sehr viele hängenbleibende, tolle Melodien. Klar, stilistisch neu ist dies gerade nicht, aber die Musik kommt ungemein frisch und packend daher.
Insbesondere was da Sänger Nate Loosmore (erst seit 2010 dabei) abliefert, ist der Hammer. Der Junge hat ein Wahnsinnsorgan mit einer schönen Bandbreite, vom Timbre her irgendwo zwischen MICHAEL KISKE und ANDREW "Mac" McDERMOTT angesiedelt, singt und shoutet bei Bedarf so mal locker alles in Grund und Boden. Letztgenannter Dermott war bis 2007 bei THRESHOLD als Sänger aktiv und diese, leider noch immer etwas unterbewerteten, britischen Progmetaller sind eine gut zutreffende Hausnummer für einen Bandvergleich. LOST IN THOUGHT sind ähnlich episch unterwegs, haben auch immer mal wieder atmosphärische Parts eingebaut sind aber ansonsten doch stärker powermetallisch geprägt und lassen es gerne mal ordentlich krachen. Fans von SYMPHONY X dürften hier mit der Zunge schnalzen. Die Eröffnung mit dem krachenden “Beyond The Flames“ würde auch dem New Yorker Traumtheater sehr gut zu Gesicht stehen, es wird ordentlich Druck gemacht, die Rhythmusfraktion gibt stakkatomäßig Vollgas und wird nur beim hymnisch-breiten Refrain etwas an Power zurückgefahren. Die Gitarrenlicks, mitunter mit einem gewissen Orienttouch versehen, passen ebenfalls recht gut dazu. „Entity“ ist noch einen Tick härter ausgefallen, mehr Tempo mit einem ein wahnwitzig-abgefahren coolen Gitarrensolo, sehr rifforientiert. Der Saitenhexer David Grey hat echt was auf dem Kasten. Ein echte Hitsingle ist mit dem ungemein prägnante „Blood Red Diamond“ vorhanden - mit diesem prägnanten Hammergitarrenlauf und natürlich einer Killerhook, die einem nicht mehr aus dem Sinn geht. „Opus Arise“ ist songmäßig sehr abwechslungsreich, egal ob einfache Sachen wie das powermetallische „Seek To Find“ oder auch mal etwas balladesk wie das schön weitläufige „New Times Awaken“ das ist THRESHOLD-Referenz pur.
Für die Progmetaller bietet das komplex-üppige „Delusional Abyss“ mit seinen schönen doppelläufigen Leadgitarren dann bestes Hörfutter, perfekt inszeniert auf sieben kurzweiligen Minuten. Mit etwas leichtem Gothic sowie viel symphonischen Ausdruck kommt dann "Assimulate, Destroy" daher, auch hier gelingt die perfekte Symbiose aus harten Riffs, Komplexität, schönen Breaks und ein nachvollziehbarer Songverlauf, ansonsten liefern sich Keyboarder und die Gitarrenfraktion klasse Duelle – die Band hat technisch und in Sachen Songfeeling echt was drauf. Am Originalitätsfaktor sowie am eigenen Charakter ist sicherlich noch etwas Verbesserungspotential nötig für ein Debüt liefern LOST IN THOUGHT ein super starkes Album ab, die Pladde macht süchtig und hat sich den Tipp mehr als verdient.
Opus Arise
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
8
Länge:
49:45 ()
Label:
Vertrieb:
Die verrückten Progies von BEARDFISH sind wieder zurück und hauen den schon ungeduldig nach neuem Material lechtzenden Genrefreaks mit „Mammoth“ bereits ihr sechstes Studiowerk seit Bandgründung 2001 um die Ohren. Ich wage schon mal die Prophezeiung, dass mancher Fan eventuell leicht enttäuscht sein wird. Die Schweden sind nämlich auf ihrem neusten Output für ihre Verhältnisse etwas weniger abgefahren und trippiger unterwegs, als auf den teilweise doch mitunter etwas sperrig-fricklenden sowie auch spröden Werken zuvor. Mir persönlich gefällt dieses, in so manchem Track doch deutlich songdienlichere Vorgehen, und vor allem für die bisherigen Sachen dieser Band auch demonstrierte „Einfachheit", sehr viel besser. Das teilweise recht abgefahrene „Gedudel“ mit wahnwitzigen Achtbahnfahrten die ganze Progklaviatur rauf und runter, bei aller Virtuosität und musikalischem Können, war ehrlich gesagt so geballt eher nicht meine Baustelle. Aber dieses Mammut macht da schon deutlich mehr Spaß als die vielfach uneingeschränkt hochgelobten Vorgänger.
Die neue Scheibe kommt daher deutlich entspannter, weniger verschroben daher und trotzdem gibt es natürlich auch recht komplexe Songstrukturen. Dennoch, BEARDFISH haben ihrem Sound trotz aller Ideen und angedeuteter Abgefahrenheit aktuell einen Hauch von Proglight verpaßt und dies macht die Musik nicht weniger intensiv und unspannender.
Bereits der ungewöhnlich kraftvolle Start mit „The Platform“ so eine Art mix aus alten YES mit viel Drive aber auch eine ordentlichen Schuß Hardrock, die Riffs mal betont groovig dann wieder straight, der insgesamt absolut gelungene Gesang ist hier eher aufwühlend, klasse Melodie und cooler Songverlauf. Das zentrale Stück bildet das fünfzehnminütige Epos „And The Stone Said: If I Could Speak“, hier wird die echte Progkeule ausgepackt, ausgiebige Soloparts mit vielen unterschiedlichen Stimmungsbildern, Richtungsverläufen vielen instrumentellen Parts. Selbst das mitunter schräg dudelnden Saxophon kann den Song mit echt guten Refrainzeilen nicht kaputt machen, die klasse Hammondparts und der Schluß reißen alles wieder raus. Dann „Tightrope“ ein locker mit einen schönen Folktouch versehener Track, ein wenig YES schimmert auch hier bei den Gitarren durch, als hätte Steve Howe mitgespielt. Der Song funzt auch ohne echten Refrain. „Green Waves“ kommt relativ aggressiv, gezogen mit düsteren Riffs wie sie im Hardrock der 70er Jahre aufkamen mit coolen Soli und leicht psychedelischen Flair – so kannte man BEARDFISH bisher nicht. Das sehr schöne wohltemperierte „Outside/Inside“ als eine Art Klavierintro für das Instrumental „Akakabotu“. Der für mich leider am schwersten zu ertragend Song. Alle Progfreaks, die auf die ganz verschrobene, sehr improvisierte Schiene, mit übergroßem jazzig-doodelnden Parts abfahren, werden hier glücklich werden - ich leider nicht, dieses crude Saxophonspiele nervt brutal.
Der Schluß mit dem klasse vorgetragenen „Without Saying Anything“ wartet mit einem derart prägnanten instrumental Melodielauf, den man einfach nicht mehr aus dem Gedächtnis kriegt, ein toller Song mit vielen Ideen hat was von alten KANSAS meets KING CRIMSON.
Wäre das mit dem einen Instrumentalstück nicht gewesen, es hätte fast zu einem Tipp gereicht, na vielleicht das nächste Mal. Und ganz klar BEARDFISH sind zweifelsfrei die beste moderne Retro-Band, da können die FLOWER KINGS nicht ansatzweise mithalten.
„Mammoth“ erscheint als einfache CD im Digipak, als Special-Edition mit Making of-DVD, als Vinyl-LP und natürlich auch als Download.
Mammoth
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
7
Länge:
52:18 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten