Bereits das wirklich klasse Artwork von PENDRAGON’s neuer Scheibe „Passion“ schürt optisch relativ starke Erwartungen an den musikalischen Inhalt. Und tatsächlich, dass Ergebnis nach einigen Durchläufen ist überzeugend. Beim letzten Werk der britischen (Neo)Proger „Pure“ (2009) attestierte Kollege Hardy den Herren um Mastermind Nick Barett den Aufbruch zu neuen Ufern. Die Band wollte damals einfach deutlich weg von eher traditionellen Wegen, agierte sehr sehr viel riffiger, war deutlich härter unterwegs, es gab weniger „niedlich-zuckrige“ Melodien und keine (wie früher häufig zu hören) eindimensional, klebrige Keyboardteppiche.
Auch auf diesem aktuellen Werk „Passion“ wird diese Ausrichtung weiter konsequent fortgesetzt, vielleicht einen Tick weniger drastisch. Egal, ob man jetzt die beim Vorgänger anschienend verprellten Alt-Fans wieder einsammlen will oder nicht, die Band hat sich ihre Identität mit einem geschickten Mix auch mit bekannten Trademarks bewahrt. Trotzdem ist die Musik deutlich moderner geprägt, mit starken stilistischen Breaks, die Stimmungen sind mitunter recht düster aber auch variantenreicher, die Riffs immer noch ungewohnt fett, mitunter klingen PENDRAGON sogar bewußt ein wenig schräg bzw. spröde. Die Hinführung mit dem etwas hektisch startenden dann sehr treibenden Titelsong gelingt bestens, der Song geht perfekt über in das recht dunkle „Empahty“ mit zunächst stampfenden Heavyriffs, ein Anflug von dumpfen Growls und sogar Rap-bzw. Sprechgesangparts aber mit wunderbar hymnischen Refrain, ein echt geiler betonter pumpender Bass sorgt für eine passende Hintergrundbeschallung. Hinten raus wird es etwas psychedelischer in Sachen Gitarren und dann werden die gewohnt, floydig-elegischen Lick-Teppiche von Mastermind Nick Barrett im bekannten Bombbastsound wieder ausgefahren, klasse gemacht. Solche monumentalen Longtracks gibt es gleich zwei, aus recht verschieden klingenden Parts zusammengesetzt, die aber mittels gelungener Brücken meist gelungenen zu einem stimmigen Ganzen verwoben sind. Hierbei setzen die Briten natürlich gerne ihre gewohnt breit angelegten instrumentalen Gitarrenlinien und die weitläufigen Keyboardpassagen von Clive Nolan ein.
Die Zeiten des wohlig-sonnigen Neo-Weichspühl-Progs scheinen trotzdem vorbei zu sein, geboten wird von diesen auch schon älteren Herren trot allem (auch wenn manche dies vielleicht anderst sehen) eine glaubwürdige Darstellung und „Verjüngung“ von PENDRAGON Anno 2011. Sachen wie das mitunter relativ einfache, aber gut nach vorne abgehende „Feeding Frenzy“ wären früher unvorstellbar gewesen. Die Band klingt trotzdem immer noch nach sich selbst. So wie auch bei „This Green And Pleasant Land", da starten die alten PENDRAGON in Verbindung mit einem sehr popig-weitläufigen Refrain durch, dass hat schon was von 30 SECONDS TO MARS. Nach acht Minuten Melodieseeligkeit bricht der Song ab und geht über in einen schnellen Inmstrumentalpart mit RUSH-artgien Gitarrenparts sowie tollen sehr coolen Drumparts. Zum Schluss zeigt uns Tastenmann Nolan was er noch für alles an skurillen Samples in seiner Kiste hat, da läßt er es neben viel Sumpfgeplupper tatsächlich Jodeln… sehr gewöhnungsbedürftig. Nach dem fünften Durchgang kann man es sogar hören. Auch "Skara Brae" beginnt wieder recht modern mit relativ „harten“ Klängen, stampfende Rhythmik, Doublebass-Parts, eine melancholische-düstere Stimmung mit total schrägem Keyboard wird erzeugt - trotzdem geht alles sehr gekonnt zusammen mit guten Melodiezügen und zum Ende klingt es fast fröhlich und man läßt es entspannt auslaufen. Da kommen dann wieder die „alten“ PENDRAGON durch, wie auch bei der relaxten Schlussnummer „Your Black Heart“, dass sehr ruhig fast nur mit Pianoklängen getragen wird und dann mit den typischen singenden Gitarren ein wirklich gutes Album beendet.
Für mich haben sich PENDRAGON absolut gekonnt neu erfunden, haben musikalisch in der Progszene etwas zu sagen. „Passion“ überzeugt sprichwörtlich und ist kein lascher Aufguss von altem Wein in neuen Schläuchen (wie bei so vielen anderen Bands) sondern ist als musikalisches Gesamtwerk stimmig und gut gelungen.
Die Deluxeausgabe kommt per schickem Digibook mit einer beiliegenden DVD daher, die u.a. eine Dokumentation zur Entstehung des Albums bietet. Der Unterhaltungsfaktor ist relativ dürftig, zuviel Geplapper und zu wenig Musik mit einem 20-minütigen "Making Passion - A Handycam Progumentary". Es gibt noch andere kurze Sequenzen der Band auf Tour, unter anderem auch in deutschen Locations, von den Aufnahmearbeiten im Studio und vor allem (etwas zuviel) meist von Gitarrist Barrett in seinem Zuhause, so um die Weihnachtszeit aufgenommen, wobei er lang und breit erklärt wie er seine Songs schreibt – hätte man sich aber schenken können.
Passion
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
7
Länge:
54:58 ()
Label:
Vertrieb:
InterviewIhr habt gerade eine US-Tour hinter euch. Wie ist es gelaufen?
Es ist wirklich großartig gelaufen! Wir waren schon eine ganze Weile nicht mehr an der Westküste, deshalb haben viele Leute darauf gewartet, dass wir wieder mal dorthin kommen. Wir haben auf dieser Tour auch auf dem Ink-N-Iron-Festival gespielt, das war fantastisch. Wir haben mit den BUZZCOCKS bei der Queen Mary gespielt, und wir haben sogar auf dem Schiff übernachtet. Das Beste aber war, dass wir die Verbindung zu unseren Fans wieder hergestellt haben. Unsere Fans sind bei uns geblieben, und unsere Fanbase wächst immer noch weiter. Es ist großartig, auf den Shows neue TURBO A.C.’s-Tattoos zu sehen. Mit dem neuen Album hat sich hier für uns noch einmal einiges getan. Während wir auf Tour waren, wurden wir gefragt, ob wir mit dem DROPKICK MURPHYS auf Tour gehen würden, und wir freuen uns schon darauf.
Warum hat es fünf Jahre gedauert, bis euer neues Album erschienen ist?
Ich glaube, dass diese Pause nötig war. Wir sind schon so lange so heftig und stetig unterwegs, dass ich schon glaubte, ich würde anfangen, verrückt zu werden. Meine Jungs haben mir erzählt, dass ich eines Morgens auf der Tour fehlte, und sie mussten herumfahren und mich suchen. Sie haben mich ohne T-Shirt in einem Park gefunden… dabei war es November! Ich weiß nichts darüber, ich erinnere mich nicht, aber offensichtlich hat das alles angefangen, mich runterzuziehen. Dann habe ich auch noch die Möglichkeit erhalten, mit einem alten Freund, Jesse Malin, ein Geschäft aufzumachen. Ihm gehört eine Bar hier in New York City, und er fragte mich, ob ich sein Partner bei der Eröffnung einer Pizzeria neben der Bar sein wolle. Also haben wir einen coolen, kleinen Punk-Rock-Pizza-Laden aufgemacht, mit von Arturo Vega (der u. a. das berühmte RAMONES-Logo gestaltet hat – Anm. d. Red.) designten Pizza-Boxen. Wir haben coole Musik gespielt, und coole Kids haben dort gearbeitet. Es war toll, aber die Miete war sehr hoch, und es gab Probleme damit, die Lizenz zum Verkauf von hartem Alkohol von der Bar auf den Pizza-Laden zu übertragen, daher haben wir zu wenig Geld eingenommen. Nach zwei Jahren machte uns jemand mit Tonnen von Geld ein Angebot für den Laden, und ich entschied, dass es das Beste wäre, den Laden zu verkaufen und wieder mit der Band an die Arbeit zu gehen. Um ehrlich zu sein, hat mich diese Erfahrung ziemlich fertig gemacht, ausgelaugt und geschwächt. Ich habe eine Weile gebraucht, um meine Stärke wiederzuerlangen, aber in dieser Zeit habe ich den Großteil des Materials für „Kill Everyone“ geschrieben.
Hast du dich in dieser Zeit verändert, und hat das auch eure Musik beeinflusst?
Na ja, vielleicht war ich in dieser Zeit noch fertiger als normalerweise, vielleicht war ich wütend, feindselig und gewalttätig… ich bin mir nicht sicher. Ich meine… TURBO A.C.’s-Songs sind immer ein bisschen wütend, feindselig und gewalttätig… aber gleichzeitig wollen wir aufbauend und positiv sein. Also, ich weiß wirklich nicht.
Es gibt euch jetzt 15 Jahre. Ist es während dieser Zeit einfacher oder schwieriger geworden, neue Songs zu schreiben?
Einfacher… ich weiß nicht… aber auf jeden Fall spüre ich, dass die Songs besser werden.
Wie hast du die Songs für „Kill Everyone” geschrieben?
Die meisten Songs sind auf Akustikgitarre geschrieben worden, von mir alleine oder zusammen mit Tim. Und natürlich nehme ich laufend Riffs auf, die mir in den Sinn kommen. Das zusammengenommen ist die Basis des Albums. Tim trägt auch immer eine Menge bei, und wir haben stundenlang mit unseren Gitarren zusammengesessen und einen Song nach dem anderen gemacht. Während der ganzen Jahre hatte ich die Ehre, mit einigen großartigen Produzenten zusammenzuarbeiten, und eine Sache, die ich von ihnen gelernt habe, ist: Wenn dein Song nicht mit nur einer Akustikgitarre und deiner Stimme funktioniert, dann ist es kein Song.
Seit „Live To Win” habt ihr einen zweiten Gitarristen. Beeinflusst das euer Songwriting?
Ja, Jer hat nach und nach eine immer größere Präsenz bekommen. Jetzt füllt er nicht mehr nur auf den Aufnahmen den Sound aus, sondern seine Parts leben wirklich.
Auf „Kill Everyone“ gibt es – für eure Verhältnisse – ziemlich viele Songs in langsamem oder Mid-Tempo. Wie ist es dazu gekommen?
Als ich angefangen habe, für das Album zu schreiben, hatte ich eigentlich geplant, ein Doppelalbum zu machen. Ein Album sollte alle langsamen, leichten, surfigen Songs enthalten und das andere heftigen TURBO A.C.’s-Speedpunk. Die Idee wurde aber von den Labels, mit denen wir im Gespräch waren, abgelehnt, na ja, vielleicht nicht völlig abgelehnt, aber ich merkte, dass sie nicht glücklich darüber waren. Dann habe ich „Kill Everyone“ geschrieben und habe komplett meine Meinung geändert. Ich glaube, ich habe noch nie eine stärkere Vision verspürt, also war der Weg bereitet, und alles andere hat sich einfach so ergeben. Das ist der Grund, warum so viele langsamere Songs auf diesem Album sind. Das Coole dabei ist, dass wir jetzt ein komplettes Album mit zusätzlichen, nicht verwendeten Songideen im Regal stehen haben.
Wenn man „Take Me Home” akustisch spielen würde, könnte es auch ein Country-Song sein, und in „You’re So Stupid” habt ihr eine akustische Gitarre für die Strophe verwendet. Hat euch Country beeinflusst, als ihr die Songs geschrieben habt?
Ich liebe Country, oder ich sollte besser sagen: „richtigen“ Country. Und ja, wir sind von Country beeinflusst. Wenn wir mal ein Bier zusammen trinken sollten, werde ich eine Gitarre mitbringen, und ich werde dir jeden Song vorspielen, den Hank Williams jemals geschrieben hat.
Ich finde, der Sound on „Live To Win” war etwas undifferenziert und hat weniger gekickt als auf euren Alben davor, aber auf „Kill Everyone“ habt ihr wieder den alten energiegeladenen Sound. Was hast du bei der Produktion dieses Mal anders gemacht?
Hmmm, ich weiß auch nicht, aber ich bin froh, dass es funktioniert hat. Bei „Live To Win“ gab es ja einen großen Wechsel im Line-up, und vielleicht hatte sich das alles noch nicht gesetzt. Ich mag das Album aber immer noch, und ich frage mich immer noch, wie ich das gemacht habe. Ich finde, dass es von den Texten her mit zum Besten gehört, was ich je gemacht habe.
Trotz der zwei Gitarren hört man den Bass – erfreulicherweise – durchgehend sehr gut. War es schwierig, ihn in den Vordergrund zu bringen?
Ähm ja, Bass ist schwierig. Wir haben drei Tage damit verbracht, den Bass zu testen, um den richtigen Sound zu bekommen. Ich erinnere mich daran, dass ich eines Morgens aufwachte und hörte, wie Dampf aus der Heizung entweicht... aber das Ding ist: Ich habe keine Dampfheizung! Durch all den Bass hatte ich einen akuten Tinnitus. Glücklicherweise war er nur temporär. Eigentlich habe ich echt Glück, nach all den Jahren ist mein Gehör immer noch wirklich gut.
Für mich waren die TURBO A.C.'s immer eine Band, die – besonders live – Spaß und Positives transportiert. Was steckt hinter dem negativen Albumtitel?
Das ist es gerade... das ist gar kein negativer Titel! Gewalttätig und mörderisch, ja, aber negativ, nein... das Album ist dazu gedacht, all uns Außenseiter zu vereinen. Ein Teil dessen, warum ich Punk entdeckt habe, war, dass ich mich ausgegrenzt und durch den Mainstream abgedrängt fühlte. Das ist es also, worum es geht: Scheiß auf den Mainstream! Wir sind die ungewollten Kinder der Gesellschaft, aber das Gute dabei ist: Wir brauchen die alle nicht! Wir haben etwas Besseres, wir haben diese Musik, wir haben uns und den Mut, zu tun, was immer wir gerade verdammt noch mal wollen! Ich glaube, dass wir uns alle hin und wieder so fühlen, als würden wir alle umbringen wollen... oder vielleicht bin ich auch einfach nur verrückt.
Woher nimmst du die Ideen für deine Songtexte?
Ha ha... machst du Witze? Ich kann euch doch nicht alle meine Geheimnisse verraten.
Der Chorus von „Take Me Home” beginnt mit der Zeile „Oh Lord, take me home”. Bist du religiös?
Ich mag Religionen. Ich finde, der ganze Kram ist faszinierend. Ich bin nicht in dem Sinne religiös, dass ich einer Kirche folge, aber ich beschäftige mich mit Religion, und die Philosophien und die Messages dahinter überwältigen mich. „Take Me Home” ist mein Tribut an Gospel, und der Text gehört mit zu dem besten Kram, den ich je geschrieben habe.
Eure letzten Alben sind bei Bitzcore erschienen, wohingegen „Kill Everyone” auf Concrete Jungle veröffentlicht wurde. Warum habt ihr das Label gewechselt?
Tja, Bitzore hatte so seine Probleme, aber trotzdem stehen wir noch in einem guten Verhältnis zueinander, und wir brauchten einen Teil der Bitzcore-Familie, um das Album anderswo unterzubringen. Concrete Jungle ist der perfekte Ort für uns, und wir fühlen uns gut damit. Wir haben mit den Leuten bei Concrete Jungle gesprochen, und dabei haben wir erfahren, dass sie Fans von uns sind und seit unseren Anfängen zu unseren Konzerten gehen. Das war die Art von Label, mit dem ich arbeiten wollte.
Im Herbst werdet ihr in Europa auf Tour sein, und den Großteil eurer Konzerte werdet ihr in Deutschland spielen. Was ist eure Verbindung zu Deutschland?
In Deutschland hatten wir schon vom ersten Album an einen wirklich guten Start, und seitdem haben wir dort viel Zeit verbracht. Was mich immer wieder erstaunt, ist, dass die deutschen Zuhörer mehr auf den Inhalt der Texte achten als diejenigen in den USA. Es ist sehr beeindruckend, dass die Leute die Texte verstehen und sie ihnen gefallen. Bezüglich weiterer Verbindungen: Es scheint, dass das deutsche Publikum weiß, wie man richtig feiert und rockt... da passen wir natürlich perfekt dazu!
Danke für deine Zeit!
Hey, ich danke dir. Und ich hoffe, ich sehe euch alle auf der Tour!
STEVE HACKETT gehört seit Jahrzehnten ganz sicher zu den weltbesten Prog-Gitarristen der Szene. Diese Erkenntnis ist an sich nicht wirklich Neues, nur wenn man sich den aktuellen Output „Live Rails“ so anhört, muß man diese Schlussfolgerung zwangsläufig erneut ziehen. Dieser Musiker scheint ein schier unerschöpfliches kreatives Potential sowie Stilvariationen zu besitzen, davon zeugen auch wieder diese beiden üppigen Silberlinge.
Diesmal zeigt sich Meister Hackett wieder deutlich mehr Prog-Rock orientiert - will sagen nachdem er sich auf den beiden Scheiben „Wild Orchids“ (2006) und „Metamorpheus“ (2005) eher dem etwas ruhigeren, verspielten Art Rock beziehungsweise eher betont klassischen Elementen widmete, war das Vorgängerwerk „Out Of The Tunnel’s Mouth“ (2009) doch schon deutlich mehr an die alten Prog-Rock-Zeiten als GENESIS-Gitarrist angelehnt. Diese Entwicklung wird daher auch auf diesem Doppel-Livealbum „Live Rails“ deutlich Rechnung getragen. Im Vordergrund steht zunächst die erwähnte recht abwechslungsreiche Scheibe „Out Of The Tunnel’s Mouth“, hier sind sechs von acht Songs vertreten aber bei der Vergangenheit darf natürlich auch altes Material von den glorreichen GENESIS-Tagen nicht fehlen.
Überhaupt war der Gitarrist schon immer recht fleißig, was Alben anbetrifft neben den 14 GENESIS-Veröffentlichungen (sowohl mit PETER GABRIEL als auch mit PHIL COLLINS am Mikrophon) hat er seit 1970 sage und schreibe 22 Solowerke unter Volk gebracht die über Jazz, Weltmusik, Blues, Folk, Artrock und Klassikanleihen sehr viele unterschiedliche Facetten aufweisen.
Jetzt also Livealbum Nummero 12 des mittlerweile 61-jährigen Briten - genügend Stoff ist wieder zusammen gekommen, er und seine wirklich tolle fünfköpfige Begleitband machen dabei einen tollen Job. Die Produktion ist typisch klar gehalten, eine echte Liveatmosphäre kommt eher selten durch, die Fans sind nur ab und an schon deutlich zu hören wobei die Songs von verschiedenen Konzerten der letzten Tour zusammengeschnitten wurden. Ist jetzt aber nicht negativ zu werden, denn mit seiner Truppe um u.a. Drummer Gary O'Toole, Keyboarder Roger King, Bassist Nick Beggs oder dem Saxophon-und Percussionspezialisten Rob Townsend wird knapp zwei Stunden lang ein wahres Progfeuerwerk an Spielfreude sowie auch vielfach sehr atmosphärische Rockmusik geboten.
Die erste CD startet mit einem tollen orientalischen Intro dann folgt „Every Day“ das typisch neoprogig wie zu besten IQ-Zeiten daherkommt, der Song stammt aus dem
1979er Werk „Spectral Mornings“, dieser ebenfalls recht gelungene Titelsong befindet sich dann auf Seite zwei zum Start. Insgesamt sind mir aber auf dem ersten Teil einige zu langatmige Sachen drauf, da passiert etwas zu wenig, relativ ruhig wie u.a. „Fire On the Moon“ oder auch „Emrald and Ash“ hier wird erst nach 5 Minuten der richtige Proghammer ausgepackt. Bei „Ace Of Wands“ überteibt man es etwas mit den katzenmusik-schrägen Instrumentalparts. Dafür sind „Serpentine“ u.a. mit einem klasse Saxophonsolo sowie das gut abgehende „Tubehead“ als tolle Improvisationsnummer absolute Pluspunkte.
Die zweite Scheibe kommt für meine Empfinden natürlich deutlich stärker rüber (auch weil man die Songs halt schon ewig kennt), denn hier werden eine ganze Reihe reinrassiger GENESIS-Klassiker wie natürlich das genialen "Firth Of Fifth" (aus „Selling England By The Pound“) in teilweise etwas überarbeiteten Versionen gespielt. Völlig entstaubt, mit teilweise neuer Dynamik und auch moderner klingen Sachen wie "Fly On A Windshield" trotz des natürlich fehlenden Stimmcharismas von Originalsänger Peter Gabriel überzeugend rüber. Insbesondere bei "Blood On The Rooftops" („Wind & Wuthering"/GENESIS) sogen der kräftige Gesang sowie ein neues Arrangement für einen sehr positiven Eindruck. Ansonsten hat er sich auch noch eine weibliche Stimme für die Harmonieparts dazu geholt, ebenfalls sehr gelungen. Klar kann HACKETT gesanglich mit seinen ehemaligen Kollegen nicht so ganz mithalten aber mehr als ein Verlegenheitssänger ist er allemal. Das Publikum reagiert bei den alten Kracher dann entsprechend begeistert und als dann noch „Broadway Melody Of 1974“ (aus dem Klassiker „The Lamb Lies Down On Broadway“ sowie neben einen Drumsolo natürlich das grandiose „Los Endos“ die Scheibe beenden, kann man dem Altmeister insgesamt erneut ein sehr solides Livewerk attestieren.
Steve Hackett beweißt hier teilweise eindrucksvoll, dass alter Progrock im modernisierten Gewande zusammen mit seinen neuen Sachen bestens funktionieren können, er musikalisch immer noch was zu sagen und vor allem viel Leidenschaft zu geben hat.
Live Rails
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
20
Länge:
115:52 ()
Label:
Vertrieb:
Review: Affliction XXIX II MXMVI
So langsam mutiere ich hier bei MI zum netten Polen-Prog Onkel, denn erneut hat mit BLINDEAD eine Formation unserer östlichen Nachbarn den Weg in meinem Player gefunden. Und diese bereits dritte Studioscheibe "Affliction XXIX II MXMVI" ist auch die bisher ungewöhnlichste und schwerverdaulichste Musik, die ich überhaupt seit Monaten und aus Polen speziell gehört habe. Mit den Werken zuletzt von QUBE, ACUTE MIND oder auch der Progband schlechthin aus polnischen Gefilden RIVERSIDE, haben diese progressiven Sounds nur relativ wenig gemein.
Die 1999 vom ehemaligen BEHEMOTH-Saitenhexer Mateusz „Havoc" Smierzchalski gegründete Formation, macht einen ganz ungewöhnlichen düster fast schon depressiven Mix aus Post Rock, Doom und Prog Metal. Zum inhaltlichen Thema paßt dies zwar ganz gut aber trotz dieser mitunter sehr bedrückenden Emotionalität, überzeugt mich das Gesamtwerk musikalisch nicht ganz. Dies lieg zum einen am Sänger, der leider viel zu oft seine Growls sowie Grunzpassagen ins Mikro schmettert und dann nur wenig fesseln kann. Diese aggressiven Ausbrüche nerven und lassen mich die eher Skiptaste suchen. Und zum anderen in Punkto Melodien – hier hätten die Herren durchaus etwas mehr Feinfühligkeit und mehr Linie vertragen. Die Musik als solche ist selten brachial oder gar überhart. Geprägt von Bands wie NEUROSIS oder ISIS sind die düster und voller negativer Schwermut geprägten, die sieben ineinander übergehenden Tracks sind als Ganzes zwar nur schwer am Stück zu hören, andererseits funzen sie als Einzelpart überhaupt nicht .
Wenn man die Titel als kompletten Satz hintereinander liest steht da „Self-consciousness is desire and after 38 weeks my new playground became dark and gray, so it feels like misunterstanding when all my hopes and dreams turn into Affliction XXVI II MMIX“ - diese Worte sagen schon einiges über dass umgesetzte lyrische Konzeptthema aus. Nämlich die Geschichte eines unter Autismus leidenden Mädchens, aus Angst vor der Öffentlichkeit um sie herum zieht sie sich in ihre ganz eigene Welt zurück, und scheint so nicht mehr erreichbar zu sein. Ein ausführliches Booklet zur CD (das uns leider nicht vorlag) gibt weitere
Ausschlüsse darüber. Die Musik mit den zwar gelungenen manchmal fettbazendend-grummeligen dann wieder sphärischen Gitarrenriffs, kommt mir in ihrer Zusammensetzung („My Playground become“) vielfach ähnlich verstört und weltfremd wie der Geist des Mädchens vor.
Die Songs ähneln dann eher experimentellen Lautmalereien („Dark and Gray“) oder bieten soundtrackartigen Passagen (mit vielen elektronischen Samples), die Musik ist dabei meist im mittleren bis langsameren Tempobereich angesiedelt mit ganz wenigen Death-Einschüben Diese hat dann schon was von alten TYPE O NEGATIVE-Nummern. Oft kommen gegen Ende eines Stückes diese gräuslichen eher Metalcore-geprägten Growls. Die verhunzen viele gute Ansätze. Dabei kann der Junge auch richtig gute cleane Parts singen und es da aber nur fast mit einem Eddie Vedder (PEARL JAM) aufnehmen. Dann paßt auch die überall durchschimmernde Melancholie irgendwie aber dieses Stimmtimbre kommt erst gegen Ende so durch.
Da helfen auch ein echter Kontrabass, Trompeteneinsätze (das lockere “After 38 Weeks” gefällt dabei noch am besten) und viel Pianobegleitung insgesamt nur bedingt weiter, die hängen bleibenden Parts sind rar gesät, und von den vielen aufwühlenden Momente bleibt letztlich nur wenig übrig. Da mag zwar durchaus anspruchsvoll und auch abwechslungsreich klingen aber das Verbindende fehlt.
Für Progfreaks, die auf etwas abgefahrenere Klanggebilde mit starkem Hang zu Düsternis stehen, ist der Sound von BLINDEAD aber sicher ganz gut geeignet. Mir ist die Musik auf "Affliction XXIX II MXMVI", die wenn überhaupt nur am Stück „funktioniert“, trotz gutem technischen Niveaus oft zu verloren und in diesem dunklen Klangkosmos zu wenig an packenden Melodien orientiert.
Affliction XXIX II MXMVI
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
7
Länge:
46:14 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten