Nachdem die russischen Epic Metal-Heroen SCALD mit ihrem neuen Sänger Felipe Plaza Kutzbach (bekannt durch PROCESSION, CAPILLA ARDIENTE, DESTRÖYER 666, NIFELHEIM sowie als Live-Aushilfe bei SOLSTICE) am Hammer Of Doom 2019 für Gänsehaut gesorgt hatten, gibt es nun das, was wie auch den Gig am Hammer Of Doom, vermutlich nur unverbesserliche Optimisten erwartet hatten. Nämlich neues Songmaterial. Gut, hier erstmal nur einen neuen Song sowie eine großartige Neuaufnahme des Klassikers „Eternal Stone“. Manch ein Fan mag in einem solchen Fall wie hier natürlich anzweifeln, ob das noch SCALD sind oder nicht, was ja auch absolut verständlich ist. Auch für mich waren SLAYER ohne Hanneman nicht mehr wirklich SLAYER. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich Felipe, der ja auch mit PROCESSION schon den SCALD-Klassiker „Night Sky“ gecovert hatte, die Frage selbst gestellt hat, ob das dann noch SCALD sind. Für mich hat sich die Frage ja bereits am Hammer Of Doom ganz fix erledigt. Wenn es mit dieser Band weitergehen kann und soll, dann mit Felipe, das hat die Band absolut eindrucksvoll bewiesen. Agyls Erbe wird mit Respekt und Spirit weitergeführt. Die Produktion dieser Single ist klarer und zugänglicher als die von „Will Of The Gods Is Great Power“, und auch Felipes Gesang klingt weniger eigentümlich als der des Originalsängers, aber das Feeling stimmt ohne Zweifel. Und was ebenfalls stimmt, ist die Qualität des neuen Songs „There Flies Our Wail!“, welcher sich vor den Klassikern keineswegs verstecken muss. Die Leadgitarren singen, die Stimme klagt, das Gesamtbild wirkt erhaben, und spielerisch ist sowieso alles super. Epic Doom-Fans sollten hier ohne zu zögern zuschlagen!
Euer Debüt „Freedom Of Speech“ wurde Ende August 2020 veröffentlicht. Wie würdest Du nach über einem halben Jahr Euren Einstand bewerten wollen?
Hallo Karsten, vielen Dank für das Interview. Bei Debütalben sollte man keine hohen Erwartungen haben. Wir haben bei Null angefangen und sind deshalb sehr zufrieden. Es gab mehrere hunderttausend Streams, und auf unseren Social-Media-Kanälen folgen inzwischen mehrere tausend treue Fans.
Natürlich ist es bei einem Newcomer wie MENTALIST auffällig, wenn der Posten des Drummers von keinem Geringeren als Thomen Stauch (ex-BLIND GUARDIAN) besetzt wird. Wie kam es zu dieser prominenten Zusammenarbeit?
Ich habe Thomen vor fünf Jahren kennengelernt. Ich wollte die für mich beste Geburtstags-Party aller Zeiten feiern und habe alle Musiker in meinem Freundeskreis gefragt, ob sie mit mir gemeinsam meine Lieblings-Power Metal-Songs live spielen wollen. Über meinen Freund Alex Landenburg (KAMELOT) kam der Kontakt zu Thomen zustande, den ich ebenfalls zu dieser Geburstags-Party einlud. Alex spielte einen KAMELOT-Song, Thomen gleich zwei BLIND GUARDIAN-Songs. Es war eine legendäre Geburtstagsfeier. Mit dem sehr lieben Thomen hat sich seitdem eine enge Freundschaft entwickelt. Deshalb schickte ich ihm ein Jahr später ein paar Songs, die ich im Laufe meines Lebens komponiert habe. Diese haben ihm direkt gefallen, und so stieß er zu mir und meinem Freund, dem sehr guten Gitarristen Kai Stringer, zu MENTALIST.
Werdet Ihr oft als Band des ex-GUARDIAN-Drummers abgestempelt und wenn ja – wie hoch ist da der Nervfaktor?
Die Reaktionen, die mit Thomen als ehemaliger BLIND GUARDIAN-Schlagzeuger auf uns zukommen, sind ausschließlich positiv. Er hat viele Fans und Kontakte aus der vormaligen Zeit. Unsere Musikrichtung ist aus meiner Sicht stärker von IRON MAIDEN als von BLIND GUARDIAN inspiriert, auch wenn wir durch Thomens prägnantes Schlagzeugspiel echte BLIND GUARDIAN-Gene in unserer Band-DNA haben.
Euer Sänger Rob Lundgren wird von Eurer Plattenfirma als Youtube-Star vermarktet. Mit knapp 200.000 Abonnenten ist er ganz gut im Rennen, aber ein Großverdiener auch nicht. Wie kam es hier zu der Zusammenarbeit, und wie funktioniert diese, da Rob ja nicht in Deutschland weilt?
„YouTube-Star“ ist eher so zu verstehen, dass Rob vielen Metallern in Zusammenhang mit dem Namen der Plattform YouTube ein Begriff ist. Auch wir haben ihn und seine Stimme über YouTube kennen und lieben gelernt. Wie in der heutigen Zeit üblich, erfolgt ein Großteil der Zusammenarbeit digital. Es vergeht kein Tag, an dem nicht 100 Nachrichten die MENTALIST-WhatsApp Gruppe fluten. Für wichtige Themen oder Proben treffen wir uns persönlich. In der Regel fliegt er dann nach Deutschland. Es ist sehr lustig, wenn er versucht, Deutsch zu sprechen.
Sieht Rob in der Zusammenarbeit mit MENTALIST eher die Projektarbeit, oder ist er vollwertiges Bandmitglied? In seiner Vita kann man sehen, dass er oft auch für Bands projektbezogen einspringt.
Rob ist ein vollwertiges MENTALIST-Mitglied und liebt die Band. Er bringt viel Zeit und Leidenschaft in die Band ein. Er ist ein sehr herzlicher, talentierter und humorvoller Mensch, der neben dem Gesang übrigens auch gut Gitarre und Schlagzeug spielt. Er hat eine brilliante Stimme, und wir freuen uns, dass wir ihm mit MENTALIST das Zuhause bieten, bei dem er sich entfalten und verwirklich kann. Das zweite Album ist bereits fertig komponiert und wird gerade aufgenommen. Es erscheint im Sommer 2021.
Ihr seid mit „Freedom Of Speech“ bei Pride&Joy gelandet, einem eher kleinen Label mit keinen riesengroßen Bands. Mir kommt der Verdacht, dass dies exakt so gewollt war, da man annehmen kann, dass der Name Thomen Stauch auch bei größeren Labels eine gewisse Zugkraft hat. Aber Ihr habt Euch für die kleinere Variante entschieden. Bitte liefere hier mal die Hintergründe.
Wir haben das Debüt-Album ohne Label selbständig veröffentlich. Wegen der großartigen Persönlickeit von Birgitt Schwanke haben wir Pride&Joy als „Promo-Agentur“ gebucht. Wir glauben, dass wir auf dem Debüt mit guter Arbeit und ehrlicher Musik auch so unsere Fans finden. Wir sind in ständigem Austausch mit den Labels. Es kann sein, dass wir uns für das zweite oder dritte Album die Unterstützung eines Labels holen.
Bei dem Cover-Artwork von Andreas Marschall habt Ihr nichts dem Zufall überlassen. Liege ich richtig, wenn ich annehme, dass hier Thomen seine Beziehungen hat spielen lassen?
Richtig. Der Kontakt kam über Thomen zustande. Wir in der Band sind alle sehr große Fans von den Werken von Andreas. Es ist fantastisch, wie er das Cover-Artwork von „Freedom Of Speech“, nach einer schlichten Bleistift-Vorlage von uns, so großartig umgesetzt hat. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Andreas und besprechen gerade mit ihm das Cover-Artwork des zweiten Albums.
Bei einem sehr großen Power Metal-Channel auf Facebook ist „Freedom Of Speech“ zum Album des Jahres gewählt worden. Was bedeuten Euch solche Auszeichnungen?
Es ist eine große Ehre, dass unser Debütalbum gleich als Album des Jahres auf diesem Channel gewählt wurde, und wir haben uns sehr drüber gefreut. Als Band folgt man einer Vision, und die Songs fließen aus einem raus. Man geht davon aus, dass die eigene Musik auch anderen gefallen könnte. Es ist jedoch nicht sicher, dass sie auch anderen Menschen gefällt, egal, wie viel Leidenschaft und Liebe man in die Songs steckt. Deshalb war die Abstimmung ein großes Lob und Bestätigung. Aber es ist erst das Debüt. Wir versuchen auch ein sehr gutes zweites Album zu erstellen. Das neue Album wird etwas schneller als das erste sein. Wir haben unseren Stil etwas weiterentwickelt. Ich bin gespannt, wie es unseren Fans gefällt.
Ihr konntet COVID-technisch das Album noch nicht live promoten. Wie ist Euer geplantes Vorgehen? Werdet Ihr die Eindämmung des Virus abwarten und dann Euer Debüt promoten, oder werdet Ihr eine neue Scheibe einspielen, um dann quasi ein Doppel-Bühnen-Debüt geben?
Wir wollten eigentlich im letzten Herbst schon eine Tour spielen, die jetzt ca. ein Jahr verschoben werden muss. Bis dahin ist das zweite Album schon verfügbar, weshalb das Live-Debüt ein Doppel-Debüt der ersten beiden Alben ist. Ist auch interessant. Dann können wir schon aus einer größeren Anzahl Songs auswählen.
Wenn die Konzertsäle wieder geöffnet haben - werdet Ihr Einzelgigs spielen, oder kommt für Euch nur eine Tour in Frage? Wahrscheinlich ist wegen der räumlichen Distanz für Rob letzteres wohl das Beste, aber ich kann mich ja auch täuschen?
Wie Du schon richtig sagst, macht eine Tour wegen der räumlichen Entfernung für MENTALIST mehr Sinn. Einzelgigs wird es wohl nur in Ausnahmefällen geben.
Mit welchen Bands würdet Ihr in Zukunft gerne die Konzertbühnen teilen? Gibt es hier Wunschkandidaten?
Da einer unserer besten Freunde, Alex Landenburg, bei KAMELOT spielt, wäre es eine wunderbare Erfahrung, gemeinsam mit KAMELOT zu touren. Für mich persönlich wäre es ein Traum, eine der Bands, die mich beeinflusst haben (IRON MAIDEN, HELLOWEEN, BLIND GUARDIAN) zu supporten.
Eine kritische Frage muss erlaubt sein. Im Info wird beschrieben, dass Euer Maskottchen bei Live-Auftritten kleine Showeinlagen bekommen soll. Macht das bei einer kleineren Band Sinn? Bei IRON MAIDEN verstehe ich das ja, und die Fans erwarten es auch, aber bei einer Band wie MENTALIST ist die Gefahr ziemlich groß, dass es ins Lächerliche abdriftet. Wie seht Ihr das?
Mit kritischen Fragen kann man sich am besten weiterentwickeln, deshalb immer nur zu. Du hast damit vollkommen Recht. Unser MENTALIST braucht für seine „Showeinlagen“ eine große Bühne, gerade wenn das Augenmerk im Rahmen eines Konzerts auf Visualisierung gelegt wird. Bei den kleineren Konzerten, wie wir sie als Support spielen, werden es ein paar wenige Effekte sein, z.B. mit Feuer oder Nebel, die die Show unterstreichen, aber nicht ins Lächerliche abdriften.
Vielen Dank für das Interview. Peter, wir wünschen Dir und MENTALIST viel Erfolg mit dem kommenden Album. Wir sind in jedem Fall gespannt!
Ich möchte mich an dieser Stelle nochmal herzlich für das Interview bedanken, lieber Karsten. Wir wünschen MetalInside weiter viel Erfolg. Ebenso möchte ich unseren Fans und Unterstützern ein großes Dankeschön sagen. Ohne Euch wäre der bisherige Weg von MENTALIST nicht möglich gewesen.
Das Quartett bereichert die Szene bereits seit 2013 und konnte bislang durch diverse Demos, Singles und Splits auf sich aufmerksam machen. Nun steht das erste Album der Wiener in den Läden und bestätigt den sehr guten Eindruck, den die bisherigen Veröffentlichungen und vor allem Live-Auftritte der Jungs hatten: „Unchain The Wolf“ überzeugt auf angenehm unspektakuläre Weise mit kraftvollen Heavy Metal/Hard Rock-Kompositionen alter Schule, die einerseits völlig frei von jeglichen Experimenten daherkommen, andererseits aber so frisch aus den Boxen donnern, dass sich diverse altehrwürdige, satte Rock-Opas davon in Sachen Spielfreude und Leichtigkeit locker eine dicke Scheibe abschneiden können. Mit dem dezent an SAXON erinnernden Opener „All Hell Is Breaking Loose“ (jene hatten einen nahezu gleich betitelten Song auf ihrem 1997er Album „Unleah The Beast“ – Zufall?!), dem großartigen Titelsong (mit coolen Gang-Shouts), dem flotten „Missing In Action“, der Bandhymne „Roadwolf“, dem Stampfer „Straight Out Of Hell“ (mit starken Soli im Mittelteil), dem knackigen, aggressiven „Wheels Of Fire“ und dem an die fast schon völlig vergessenen THE POOR (und damit natürlich an AC/DC) erinnernden Abschluss „Condemned To Rock“ hat das Album zahlreiche Erstliga-Songs am Start, gegen die der Rest des Materials wenig bis überhaupt nicht abfällt. „Unchain The Wolf“ katapultiert die Band aus dem Stand heraus in eine Reihe mit anderen noch jüngeren Hoffnungsträgern wie NIGHT DEMON, SKULL FIST, STALLION, AMBUSH oder EVIL INVADERS und dürfte bei jedem Traditionalisten ein Dauer-Abo auf dem Plattenteller haben!
HOLY MOTHER veröffentlichten 1995 ihr Debüt, welches vor allem durch den formidablen Gesang von Mike Tirelli und dem virtuosen Bassspiel Randy Covens in Erinnerung blieb. Die Plattenfirma drängte damals auf ein zeitgenössischeres Klangbild, und so zeigte dich die Band auf dem Zweitwerk „Tabloid Crush“ mit deutlich verändertem Sound. Allerdings war man selbst davon nicht sonderlich überzeugt und änderte den Bandnamen in N.O.W., was bezeichnenderweise für „Not Our World“ stand. Ab 1998 war man wieder als HOLY MOTHER am Start und gab nun einen feuchten Kehricht auf Trends und haute dem geneigten Fan-Volk mit „Toxic Rain“ einen US Power Metal-Hammer um die Ohren, dass es nur so krachte. Bis 2003 folgten drei weitere Alben, und der Sound wurde wieder etwas moderner und grooviger, aber nicht weniger heavy. Trotzdem verschwanden HOLY MOTHER in der Versenkung. Mike Tirelli blieb uns über die Jahre als Live-Sänger von RIOT oder Frontmann von MESSIAH’S KISS erhalten. Als 2014 Wunderbasser Randy Coven ein viel zu frühen Tod starb, sah es erstmal nicht so aus, als würde man aus dem Hause HOLY MOTHER nochmal was vernehmen.
Vor zwei Jahren war Mike mit seiner neuen Formation RISING FIVE als Support für seine alten Kumpels von RIOT V unterwegs. Und irgendwie scheint das der Startschuss für die HOLY MOTHER-Reunion gewesen zu sein, denn auf „Face This Burn“ befinden sich mit der schleppenden Hymne „No Death Reborn“, dem Live-Smasher „Today“ und dem Hit „Superstar“ drei Songs, die auch schon auf dem RISING FIVE-Demo zu hören waren. Darüber hinaus hat man mit der Speedgranate „The River“ auch ein Song vom genialen „Toxic Rain“-Album entstaubt und mit einem Facelift versehen. Bleiben sieben komplett neue Songs, die sehr eigenständig den Spagat zwischen Tradition und Moderne hinbekommen. Mit einem ultrafetten Sound versehen, brutzeln Songs wie das Titelstück oder das fast schon tanzbare „Wake Up America“ mit ordentlich Schmackes aus den Boxen.
Der Neue im Bunde, Greg Giordano, zeichnet für Bass und Gitarre verantwortlich und macht einen formidablen Job. Original-Drummer Jim Harris hat immer noch einen amtlichen Punch, und Superröhre Tirelli hat auch in seinen 50ern nichts an Power eingebüßt. Von aggressivem Fauchen, über die klassische Röhre à la Coverdale bis hin zu souligem Wohlklang, hat der gute Mann einfach alles drauf.
„Face This Burn“ ist ein starkes Comeback, welches einigen Traditionalisten eventuell zu modern tönen wird, jedem Freund zeitlosen und eigenständigen Heavy Metals aber wunderbar reinlaufen müsste. Und die Old School-Fraktion kann sich auch entspannen: Eine neue MESSIAH’S KISS-Platte ist auch fast fertig.
Darf man das, oder ist das schon Blasphemie? Das Hannoveraner Trio VOLTER, sagen wir mal, "orientiert" sich so unverkennbar an MOTÖRHEAD, dass es schon irgendwie unanständig wirkt. Handwerklich und musikalisch zocken die Jungs aber durchaus leidenschaftlich und gekonnt. Gregor Musiol, seines Zeichens Bassist und Sänger, klingt stilistisch und, sofern man das so nennen kann, in seiner Klangfarbe doch sehr nach der verstorbenen Legende Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister.
"High Gain Overkill", das zweite Album der Band, macht gleichwohl Spaß, sofern es einem gelingt, die Kopie, die VOLTER ohne Frage sind, ernst zu nehmen. Man braucht ein Augenzwinkern dazu, um hier Freude an der hingebungsvollen Darbietung zu finden. Zu nahe sind Titel wie "Kiss My Ass", "Boogie Ride" oder das düster groovende, an "Orgasmatron" mahnende "Messiah`s Call" am über allem schwebenden Original. Die Band hat so, als reine Cover-Version, nur begrenzte Zukunftsaussichten. Um Aufmerksamkeit zu generieren, um sich dann langsam, aber stetig freizuschwimmen, kann der Longplayer aber durchaus fungieren. Wichtig wird sein, wie schnell VOLTER eigenes Profil beimengen und dieses auch Potenzial für mehr zeigt.
Was für eine Zeitreise! Danke, Dying Victims!! Zum einen steht das Earthshaker-Vinyl hier sowieso (leider lange Zeit ungehört) im Keller, zum anderen erinnern MAD BUTCHER und Dying Victims damit an selige Zeiten. Kennt noch jemand die großartigen FACT um Patricia Huth? Die spielten 1984 nämlich im großen Hamburg mit MAD BUTCHER, genauer gesagt im kleinen Logo, und der Rezensent machte sich aus dem beschaulichen Niedersachsen auf in die Weltstadt. Was für Einflüsse! Und dann kam Harry Elbracht, nicht gerade der Name für einen Vollmetaller und Ruhrpott-Lemmy. Aber in seiner roten Lederhose mit Japan-Shirt (und Schnauzer) machte er damals richtig was her. Hach, watt war das ´ne Wucht. MAD BUTCHER begannen vor den ganzen Koryphäen der deutschen Metal-Szene, waren drauf und dran, als Support für SLAYER in ganz Europa zu spielen – und das Management verkackte es. Schwamm drüber, Zeitsprung: Jetzt kommt das Debüt-Album “Metal Lightning Attack” als Vinyl-LP neu heraus. MAD BUTCHER klingen wie ein Mix aus LIVING DEATH und MOTÖRHEAD, Speed Metal Rock´n´Roll! Und wie geil sind Songs wie „Burn It Down“ – was für eine Gitarre! Auf zehn Songs und 38 Minuten kommt die Metall-Attacke. Aber es ist nicht nur eine nostalgische Zeitreise, es ist richtig coole Musik. Wenn auch ein wenig antiquiert. Herrlich. 1990 löste sich die Band nach zwei Scheiben und einer dritten, posthum veröffentlichten (2020) auf. Nun kommt also die von Patrick Engel (Temple Of Disharmony) remasterte Version auf Vinyl wieder – als „Regular Edition“ in Schwarz mit Insert, Poster, Sticker und Download-Code. Oder als „Special Edition“ in farbigem Vinyl mit gleicher Ausstattung plus Patch. Ordern Sie hier oder hier. Außerdem gibt es hier lecker drei CDs („Eat The Rat“, „Metal Meat +5“ und „For Adults Only“). Kaufen und sich wieder wie in den Achtzigern fühlen: wild, roh und heiß.... „Night Of The Wuuuuuhhhhhhhuuuulf“!
Geschlagene zehn Jahre waren ANTHENORA von der Bildfläche verschwunden. Jetzt wollen es die fünf Italiener wissen und hauen uns mit „Mirrors And Screens“ ihre Version des Euro Metals um die Ohren. Nach einem instrumentalen Intro wird man mit „Tiresias“ gleich hellhörig. Der Bass pumpt ordentlich, die Drums klingen druckvoll (aber leider ein wenig steril), und Sänger Luigi lässt Erinnerungen an glorreiche RUNNING WILD-Zeiten aufkommen. Sehr gefälliges Stück, welches einem den Einstieg in die Scheibe sehr leicht macht. Nicht alle Stücke auf „Mirrors And Screens“ können dieses Energielevel halten, und man verirrt sich teilweise in eher rockige Gefilde, welche einfach nicht in den Bandkontext passen wollen. Trotzdem hat die Scheibe durchaus ihre Highlights. „War & Peace“ kann durch geschickte Stimmungswechsel einige Spannungsbögen erzeugen und überzeugt durch seinen einprägsamen Refrain. „Alive“ bietet hervorragende Gitarrenmelodien, die durch spannende Basslines gekonnt unterstützt werden. Gesanglich lässt man nichts anbrennen und kommt so sicher durch den Song. Ergüsse wie „No Easy Way Out“ können mich hingegen nicht überzeugen. Der Track klingt in sich zerrissen und bedient sich aller Spielarten des Metals, die aber leider kein überzeugendes Gesamtgefüge ergeben. Schade. Mit „Bully Lover“ hat sich sogar eine Ballade auf „Mirrors And Screens“ eingeschlichen, die aber höchstens Landesliga-Niveau erreicht. Teilweise möchte man beim Anhören der Scheibe der Band in den Hintern treten um sie auf ihre eigentlichen Stärken hinzuweisen, die eindeutig im kraftvollen Heavy Metal liegen. Eigentlich müssten die Jungs es ja besser wissen, da sie ursprünglich aus einer IRON MAIDEN-Tribute-Band entstanden sind und somit kompositorisch einen hervorragenden Lehrmeister hatten. Was bleibt, ist viel Licht, aber leider auch viel Schatten. Besonders mit „Tiresias“ zeigt die Band, dass sie eigentlich in der Lage ist, völlig eigenständige und gehaltvolle Metal-Songs zu schreiben. Warum geht der Band so oft die Puste aus und baut sie sich selber Hindernisse in die Eigenkompositionen? Wirklich schade, hier hätte eine wirklich gute Platte entstehen können, aber leider bleibt im Endeffekt nur gehobene Durchschnittsware, und „Mirrors And Screens“ wird in der Veröffentlichungsflut leider untergehen.
Fünf Jahre sind nun ins Land gezogen, seit LORD FIST ihr Debütalbum „Green Eyleen“ veröffentlichten. Manch ein Freund der Käuze aus dem Norden fragte sich, ob da denn überhaupt noch was kommt, aber jetzt haben wir „Wilderness Of Hearts“ hier. Untätig waren die Mitglieder der Band in der Zwischenzeit jedoch tatsächlich nicht, gab es doch Releases von unter anderem SCUMRIPPER und ORPHAN DEVIL. Der Kauzfaktor der Band ist zwar nicht mehr ganz so hoch wie zu Zeiten von EP und Debütalbum, aber immer noch vorhanden, was verhindert, dass sich die Band trotz erhöhtem MAIDEN-Faktor noch lange nicht im Retro-Copycat-Universum wiederfindet, sehr zur Freude derer, denen jene Übersättigung im klassischen Heavy Metal mittlerweile ziemlich gegen den Strich geht. Sehr hervorzuheben ist das Instrumentalstück „Moonhalo“, welches an Folk beeinflussten 70er Jahre-Hard Rock erinnert, was sowohl die Musikalität als auch die verhältnismäßig breite Einflusspalette der Musiker unterstreicht.
Liebe Kinder, gebt fein acht, ich habe Euch eine Geschichte mitgebracht.
Es trug sich zu, dass im Jahre 1986 eine junge Frau in der Metal-Welt debütierte und sogleich polarisierte wie kaum eine zweite. Für die einen war ihr absolutes Highspeed-Shredding in Verbindung mit ihrem exaltierten Geschrei und den recht luftigen Outfits schnell Kult und für die anderen (seien wir an dieser Stelle ehrlich…das war die Mehrzahl) einfach nur Krach.
Der Lady, welche sich selbst THE GREAT KAT nannte, war dies selbstverständlich völlig schnuppe, denn sie war mit einem größeren Ego als Gene Simmons und Joey DeMaio gesegnet. Neben der Weltherrschaft wollte sie vor Allem eines: Ihren Katslaves ordentlich den Hintern versohlen. Gerade in den 80ern verstörte sie mit ihrem aggressiven sexuellen Image große Teile der patriarchalen Szene gewaltig. Einerseits in knappen Dessous über die Bühne hüpfend und sich andererseits aber textlich in Kastrationsfantasien suhlend…damit konnten die meisten wenig anfangen und empfanden so schlicht eines: Angst.
Klar kann man Frau Thomas als komplett irre abstempeln, aber das wird ihr nur zum Teil gerecht. Neben all dem Krach, den sie so fabriziert, hat sie einen Abschluss des renommierten New Yorker Konservatoriums „Juilliard“ als Violinistin und wird vom Guitar One Magazin in der Liste der 10 schnellsten Shredder geführt.
Nachdem sie auf ihren frühen Veröffentlichungen noch meist Eigenkompositionen hatte, verlegte sie sich später auf die mitunter recht freie Interpretation klassischer Werke und erfreute das Feuilleton mit Werken wie „Bloody Vivaldi“ oder „Rossini’s Rape“. Da sie sich selbst als die Reinkarnation Beethovens feiert (ich sagte ja: an Ego mangelt es ihr nicht) musste zu dessen 250igstem Geburtstag was Besonderes her. Und so veröffentlichte THE GREAT KAT eine Vielzahl CD-Singles, von denen mir hier eine vorliegt. Über Facebook gab es nämlich den Aufruf, dass sich Pressevertreter melden sollen. Nachdem ich Kontakt mit dem Management ihrer Ladyschaft aufgenommen hatte (in Persona ihre vollkommen normale Schwester), bekam ich schon eine Woche später ein handsigniertes Foto mit persönlicher Widmung (sobald der Lockdown rum ist, wird sofort ein passender Rahmen gekauft) sowie eine CD mit dem schönen Titel „Beethoven's Pastoral Symphony”. Auf epischen 1.33 Minuten fiedelt sich die Herrin wieder einen Wolf und schert sich einen Scheiß um Dinge wie Songstrukturen, macht das alles überhaupt Sinn, oder wer soll das eigentlich mit Genuss hören? Aber ein Verriss verbietet sich vor Allem schon deshalb, weil die THE GREAT KAT sich sämtlichen normalen Kriterien entzieht. Und so verneige ich mich in Demut vor 35 Jahren absolutem Wahnsinn, dem sich Weigern, sich irgendwie auch nur einen Millimeter anzupassen oder zu verbiegen und davor, dass sie es immer noch schafft, auf alles, was gesamtgesellschaftlich und auch Szene-intern als en vogue gilt, einen riesen Haufen zu scheißen. Man verzeihe mir diese rustikale Wortwahl.
Mehr als meine Worte werden die nun folgenden Videos verdeutlichen, was ich eigentlich meine… warum ich jetzt Appetit auf Makkaroni habe, müsst Ihr schon selbst rausfinden.
2006 unternahm man einen weiteren Anlauf mit Artur Berkut und taufte das Album „Armageddon“. Im direkten Vergleich zu „Baptisim By Fire“ schlichen sich auch das eine oder andere etwas modernere Riff in den Sound ARIAs, was auch die damalige Produktion unterstrich. 2020 wirken die Kurskorrekturen jedoch marginal. Es ist eher die Melodiedichte, die in ihrer Gesamtheit nicht ganz an den Vorgänger heranreicht. Allerdings ist das Meckern auf verdammt hohem Niveau, denn auch „Armageddon“ ist nach wie vor ein exzellentes Heavy Metal-Werk, welches durch die einmal mehr starken Vocals von Mikhail Zhitnyakov noch einmal eine Aufwertung erfährt.
Beginnend mit dem flotten „Last Sunset“, über das treibende „The New Crusade“ und dem mit einem heavy Crunch versehenen „Viking“, gibt es auch hier eine ganze Latte Highlights zu entdecken. Auch der Rest fällt hier kaum ab und strotzt vor filigranen Soli, memorablem Riffing und einer pumpenden Rhythmus-Sektion.
Warum der lockere Rocker „Твой день“, der am Ende des Originalalbums stand, dem Instrumental „Your Day“ weichen musste, verstehe ich zwar nicht so ganz, ist aber bei der gesamten Klasse des Albums auch nicht weiter tragisch.
Alles in Allem gelingt ARIA mit den Neuaufnahmen von „Baptism By Fire“ und „Armageddon“ das Kunststück, die Originale zu übertreffen und sie auch jüngeren Fans in einer angemessenen Version zugänglich zu machen. Altfans wissen in etwa, was sie erwartet und werden keinesfalls enttäuscht werden. Man kann an dieser Stelle nur hoffen, dass uns ein gewisses Virus bald aus seinen Krallen entlässt, so dass wir ARIA auch in unseren Breiten wieder auf einer Bühne begrüßen dürfen, denn viel besser geht Heavy Metal schlicht nicht.