RAVEN gehören zu dieser Sorte von Bands, die man entweder gerne mag oder aber so gar nichts damit anfangen kann. Wer zu den Letzteren zählt, kann jetzt getrost aufhören, hier weiter zu lesen. Für alle anderen ist die neue Scheibe de facto ein Pflichtkauf.
Wo RAVEN drauf steht, ist schlicht und ergreifend RAVEN drin.
Da sind jede Menge schräge Melodien mit dem typischen Gesang von John Gallagher (Gesang, Bass), der sich häufig im Fallsettbereich tummelt, mitreißende Riffs von Mark Gallagher (Gitarre), Hocks en masse und ansonsten jede Menge Spaß und Chaos. Den unvergleichlichen Antriebsmotor für die Chose mimt erneut Mike Heller (Schlagzeug). Ich habe den Eindruck, dass er nun so richtig im Triumvirat angekommen ist, denn “All Hell's Breaking Loose“ ist die härteste und schnellste Scheibe in der nun schon 49 Jahre dauernden Geschichte der Truppe. Mit welcher Perfektion und Kraft er jeden einzelnen Track anschiebt, ist allein schon die Anschaffung der Platte wert. Es fällt mir sehr schwer, einzelne Nummern herauszuheben, da abermals nur Killer auf dem Album zu finden sind. Die NWoBHM Pioniere haben sich allerdings dieses Mal von besagter Stilrichtung deutlich in Richtung Speedmetal bewegt. Lediglich “Victory's Call“ trägt etwas mehr vom NWoBHM-Gen in sich und hat sich letztendlich zu meinem persönlichen Favoriten gemausert.
Produziert wurde das gute Stück Schwermetal in Hellers eigenem Studio "Heaven And Heller Studios" in Los Angeles.
Das Cover-Booklet-Konzept ist im Übrigen, ähnlich wie bei “Metal City,“ im Comicstil gehalten, was überdies den Spaßfaktor an der CD unterstreicht.
Bei “All Hell's Breaking Loose“ ist der Titel ganz und gar Programm. Das Ding geht voll auf die Zwölf ohne Punkt und Komma.
David DeFeis wird keine Alben mehr veröffentlichen wie "Noble Savage" oder "Invictus" - Punkt. Dass VIRGIN STEELE 2023 eine andere Band ist und der maßgebliche Künstler sich verändert hat, ebenso seine Art und Weise, ein Album zu produzieren, sollte mittlerweile auch bei den letzten Metalheads und Anhängern der Band angekommen sein. Somit fokusieren wir uns doch am besten auf den Inhalt des neuen Albums und lassen den melancholischen Blick in die glorreiche Vergangenheit ruhen.
"The Passion Of Dionysus" kommt 5 Jahre nach dem nennen wir es mal "quantitativen Kontrollverlust" des "Seven Devils Moonshine" Boxsets. Und ambitioniert, kreativ, inspiriert und auch den Hörer fordernd ist der New Yorker Multiinstrumentalist auch heuer geblieben. Die Geschichte von Dionysos, dem jüngsten der griechischen Götter und Sohn von Zeus, steht im Zentrum des Albums. Aber es geht nicht nur um griechische Mythologie, sondern auch um Kontrolle, Zurückhaltung, um nichts weniger als um die Freiheit des Individuums und die Frage, "ob es Platz in unserer Gesellschaft für das irrationale und Wilde gibt" (Zitat DeFeis). Und u.a. dieser wilden Frage geht David DeFeis in knapp 80 Minuten und 10 Songs nach. Unterstützung findet er wieder in seinem langjährigen musikalischen Partner und Gitarrist Edward Pursino, und den Rest, d.h. Songwriting, Produktion, Vocals, Keyboards, Bass, Drums übernimmt er himself.
Und natürlich finde ich das Schlagzeugspiel nicht immer passend und überzeugend. Zum Teil "zerstückelt" David damit die Songs; vom synthetischen Klang der Drums reden wir hier noch nicht einmal. Und natürlich sind die Kompositionen zu oft überladen mit Effekten und symphonischem Bombast. Und auch die hohen Schreie, die mit Studiotechnik gepimpt sind, gehen dem Hörer doch hin und wieder auf die Nerven. Aber hier sind auch starke Melodien zu entdecken. Und wenn man sich intensiv mit dem Werk beschäftigt, gibt es einiges, was durchaus innovativ, anspruchsvoll und künstlerisch wertvoll ist. Kurzum, es gibt tolle Songs auf "The Passion Of Dionysus".
"The Gethsemane Effect" hat einen packenden Groove. Die Gesangslinie steckt voller Emotion, und die Gitarre, die Pursino spielt, ist empfindsam und beseelt. Der Song bietet Rock mit symphonischer Verzierung, aber auch metalisches Muskelspiel wird zuweilen geboten. Songs, die an oder auch über die 10 Minuten gehen, sind der Standard auf dem Album. Gradlinig, wie bei "Black Earth & Blood", werden diese selten erzählt, Wendungen gehören zum Konzept. "The Ritual Of Descent" hat vier Parts und geht nahezu 13 Minuten. Das ist spannend, aber auch herausfordernd.
Wer den letzten Veröffentlichungen von VIRGIN STEELE etwas abgewinnen konnte, wer sich nicht von dem zuweilen etwas unausgewogenen Klang hat abschrecken lassen, wird auch an diesem Werk Gefallen finden. Generell, wer auf progressiven, symphonischen, epischen, konzeptionellen Rock und Metal steht, sollte "The Passion Of Dionysus" antesten. Alle, die auf frühe VIRGIN STEELE - tief im Metal-Kosmos verwurzelt, zwar episch, aber schlüssig erzählt - hofften, die werden hier abermals nicht fündig.
Die Trüffelschweinchen von No Remorse Records haben mal wieder ein Kleinod ausgegraben, welches bis dato nur den absoluten US Metal Spezialisten bekannt gewesen sein dürfte: DRAGONNE aus LA. Selbige veröffentlichten 1988 eine EP mit sechs Stücken. Diese erinnern an MÖTLEY CRÜE zu „Shout At The Devil“ Zeiten, LEATHER NUNN, PANTHER (Die EP wurde von Jeff Scott Soto produziert) und PANTERA zu „I Am The Night“ Zeiten. Es „posert“ also hier und da, ist in seiner Gesamtheit aber deutlich härter und düsterer als die meisten anderen LA Bands Ende der 80er. Außerdem geht’s hier nicht um das Flachlegen möglichst vieler Mädels, sondern um Drachen, Schwerter und Ritter. Ernsthafte Lyrik also. Qualitativ bieten die sechs EP Songs gutklassigen Stoff, der zwar nicht essentiell ist, aber dennoch jede ernsthafte US Metal Sammlung sinnvoll ergänzt. Darüber hinaus gibt des noch 4 Bonusnummern, welche vom Songwriting her das Niveau des Albums halten, beim Sound allerdings muss Abstriche machen. Dennoch hat Bart Gabriel das Beste herausgeholt und alles ist gut hörbar.
Als No Remorse Sänger Jerry Colman um Bonustracks für die EP baten, holte dieser gleich noch einen ganzen Schwung weiterer Songs aus der Schublade, welche in den 2 Jahren nach „On Dragon’s Wings“ in unterschiedlichen Sessions aufgenommen wurden. Diese kommen jetzt unter dem Namen „On My Back“ zum ersten Mal überhaupt auf den Markt. The „Lost Album“ sozusagen.
Selbiges hat zwar auch einen rauen Sound, lässt sich aber ebenso gut hören wie die EP. Da ist man teilweise echt schlimmeres gewöhnt. Was auffällt ist, dass DRAGONNE im Vergleich zur EP an Qualität gewonnen haben. Mit Songs wie „Runnning Wild“ oder „Dance Of Death“ legen DRAGONNE deutlich an Härte zu und lassen Erinnerungen an die frühen Alben von LÄÄZ ROCKIT oder MELIAH RAGE aufkommen. Während „Be With You Again“ und besonders das tolle „Dream Is Over” wunderbar fluffige Balladen sind, welche man dem Quartett im ersten Moment so gar nicht zugetraut hätte. Das sind die Momente wo man wieder weiß, warum man sich auch Bands aus den hinteren Reihen ins Regal stellt und auch nach Jahrzehnten immer noch nicht genug hat. Die Zielgruppe weiß glaube ich Bescheid.
Ach ja: beide Alben haben natürlich ein fettes Booklet mit allen Texten und diversen raren Fotos spendiert bekommen. Neben den auf 500 Stück limitierten CDs gibt es die Alben natürlich auch auf Vinyl (jeweils 2 verschiedene Farben) und als (wohl leider schon vergriffenes) auf 100 Einheiten limitiertes Boxset welches beide Alben als CD, LP (exklusive Farbe) und Tape beinhaltet.
Lang ist es her seit dem letzten regulären Studioalbum von SORTILÈGE. Genau genommen 38 Jahre her, seit "Larmes De Heros" erschien. Auch ist trotz einer kurzfristigen "echten" Reunion aktuell nur noch Sänger Christian "Zouille" Augustin von der 80er-Besetzung mit an Bord. Mit welcher Erwartungshaltung also soll man als Altfan an "Apocalypto" herangehen, um nicht zwangsläufig enttäuscht zu werden? Ich habe dezidiert im Vorfeld noch einmal "Phoenix" von 2021 angehört, welche Neueinspielungen alter Klassiker enthielt (und "Apocalypso" als Bonus beiliegen wird) und mich so dem aktuellen Klangbild angenähert, welches härter und aggressiver als in den seligen 80ern tönt. Das mag anfangs irritieren, jedoch habe ich mich mit jedem Durchlauf mehr und mehr damit anfreunden können und muss konstatieren, dass "Apocalypso" ein ambitioniertes und vor allem durch und durch ehrliches und authentisches Album ist. Was viel mehr Wert und Substanz besitzt als ein halbgarer Dienst am Fan. Denn es zeigt, dass es SORTILÈGE 2.0 noch einmal wissen wollen und sich nicht nur auf alten Lorbeeren ausruhen. Auch wenn dies Mut zum Risiko bedeutet.
Das heißt jetzt nicht, dass man sich vollends von seinen Wurzeln gelöst hat, sondern, dass man einen Spagat nicht nur wagt, sondern diesen auch hinbekommt. Zouille selbst hat seine Kehlkopf-OP offensichtlich gut überstanden und tönt zwar passend zur Musik rauer als früher, aber nicht weniger kraftvoll. Darüber hinaus ist er immer noch unter tausenden anderen Sängern sofort herauszuhören. Seine Begleitmusiker sind technisch natürlich oberste Liga, und so brennt da nichts an, sondern man wird mit tollen Soli und präzisem Riffing verwöhnt.
Der flotte Opener "Poseidon" steht ganz in der Tradition von "D’Ailleurs" und wird in Zukunft bestimmt das eine oder andere Konzert eröffnen. "Attila" ist dann das erste Stück, welches für die moderne Seite von SORTILÈGE steht: rhythmisch, stampfend und fies mahlend wird der Hunnenfürst besungen. Das nun folgende "Derrière Les Portes De Babylone" ist auch eher modern und versteht es geschickt, einen epischen/orchestralen Chorus mit arabischen Motiven zu verbinden. Das flotte "Le Sacre Su Sorcier" ist purer klassischer Heavy Metal, welcher jeden Fan der ersten Alben begeistern sollte. Selbst die "Ohohoh-Chöre" wirken nicht aufgesetzt. Bei "La Parade Des Centaures" wagen sich SORTILÈGE sehr weit auf fremdes Territorium: sehr moderne Gitarrenarbeit trifft auf vereinzelte Deathgrunts und einen kommerziellen Refrain. Das anschließende, galoppierende "Walkyrie" ist dann wieder deutlich oldschooliger und hätte auch von "Larmes De Heros" sein können - 2023 eben mit etwas mehr Pfeffer und Dampf auf den Gitarren. Mit "Encoure Un Jou" haben SORTILÈGE eine Halbballade geschaffen, bei der Zouille eine andere Seite zeigen kann und beweisen, dass auch seine gefühlvolle Stimme über die Jahre nicht abhandengekommen ist. Sehr emotional und absolut kitschfrei. "Trahison" ist wieder purer Stahl und wie gemacht für Liveshows. Das ebenso flotte "Vampire" schlägt in eine ähnliche Kerbe und führt das Erbe von Songs wie "Bourreau" oder "Cyclope De L'Étang" 2023 weiter. Das abschließende fast achtminütige Titelstück beschließt das Album würdig. Düster, episch und elegisch entfaltet sich die Apokalypse, bis sie in einem bombastischen Finale kulminiert.
"Apocalypso" ist ein mutiges, ehrliches und relevantes Album, welches sicherlich Kritik wird einstecken müssen. Ich persönlich halte es für ein sehr gutes Album einer Band, die immer noch etwas zu sagen hat und nicht nur Altes wiederkäuen möchte.
Leider wurde die für Mai angesetzte Tour ersatzlos gestrichen. Ich hoffe dennoch, dass man Frankreichs legendärste echte Heavy Metal-Band bald wieder auf der Bühne wird erleben dürfen.
Da ist uns etwas Interessantes in die Redaktion geweht worden. NOSFERATU heißt die Band, kommt aus Brasilien, und der Tonträger hat den Titel "Law Of The Streets". Eben dieser wird als EP angepriesen, es ist aber doch eher eine Single. Das besondere dabei - der Tonträger ist ausschließlich als 7 Inch große, schwarze Vinyl-Single zu erwerben, wertig mit Innersleeve und beidseitig bedrucktem Insert und zusätzlich auf 500 Stück limitiert.
"Law Of the Streets" wird erstmalig von dem Label Anger Of Metal veröffentlicht, die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009. Selbst für 2009 wirkt das Artwork eher altbacken und dem Heavy Metal Klischee der 80er Jahre entsprechend. Aber der dazu passende Inhalt - eine wilde, rohe Mischung aus NWoBHM und frühen US-Metal - machen daraus ein charmantes Relikt aus einer anderen Zeit. Der Gesang ist limitiert, aber authentisch, die Gitarrenarbeit leidenschaftlich und mitreißend. Frühe IRON MAIDEN scheinen hier einen großen Einfluss auf die Südamerikaner ausgeübt zu haben. Die Verarbeitung und der Sound sind ausgezeichnet.
Für Traditionalisten und Vinyl-Sammler eine ausgefallene und wie ich finde reizvolle Veröffentlichung.
Viele Kulturschaffende, im Besonderen Künstler, die vor Publikum spielen, litten unter Corona. Klar ist, dass diese Krise eine Band wie IRON MAIDEN weit weniger bedroht als eben eine Kapelle wie SCREAMER. So mussten die Musiker zum Teil ihren früheren Jobs wieder nachgehen und verloren in dieser Zeit auch einen Kollegen, den Gitarristen Anton Fingal. Aber Ersatz wurde gefunden und ein neues Album eingespielt. Jedoch ganz spurlos blieb diese Zeit nicht. So zeigt sich der Schweden-Fünfer textlich nachdenklicher und auch musikalisch zum Teil verändert.
SCREAMER servieren ihren Metal frisch und hart, aber mit genügend Griffigkeit, um beim ersten Durchlauf bereits Gefallen daran zu finden. Sänger Andreas Wikström performt solide, hat aber keine Stimme, an der ich mich berauschen könnte. "Rise Above" gelingt es, sich gekonnt zwischen Hard Rock und Metal zu platzieren, was in der Definition NWoBHM Vibes offenbart. DEMON, TOKYO BLADE und IRON MAIDEN kommen mir immer mal wieder in den Sinn. "The Traveler" markiert dann mit seinem "schillernden" Keybord einen Grenzgang hin zum Rock; ich möchte hier fast Vergleiche zu TEN ziehen. Ich mag die melancholische Nummer, kann aber verstehen, dass alteingesessene Fans hier die Nase rümpfen. "Chasing The Rainbow" punktet mit Dynamik und überraschendem Classic Rock-Anteil. "Ashes And Fire" ist dann Power Metal mit leicht epischem Anstrich.
"Kingmaker" zeigt SCREAMER etwas breiter und variabler aufgestellt; neben Spaß und Volldampf-Metal werden heuer auch neue und ungewohnte Töne angeschlagen. Ich, für meinen Teil, empfinde das als Bereicherung und Entwicklung im Bandsound.
“History's Hand“ ist sage und schreibe die 100. Veröffentlichung von Johnny Gioeli. Er ist seit 1998 bei AXEL RUDI PELL eine feste Größe, gründete 1991 zusammen mit seinem Bruder HARDLINE, deren Debüt “Double Eclipse“ getrost als Klassiker bezeichnet werden kann und vertont mit CRUSH 40 seit 1998 regelmäßig Videospiele. Nebenbei wirkte er bei unzähligen Projekten mit, ebenso wie sein Buddy Alessandro Del Vecchio (Bass, Keyboard), der Haus- und Hof-Produzent von Frontiers Records. "ENEMY EYES ist das Endprodukt einer Vision, die ich seit vielen Jahren habe, Old School Rock mit einem europäischen Metal-Feeling zu kombinieren“, sagt Johnny über das neue Projekt. Er selbst bezeichnet es allerdings als Lebenswerk.
Der Einstieg mit “Here We Are“ gibt schon recht deutlich die Marschrichtung vor. Der Song strotzt vor Kraft, lebt aber von der Melodie. Im Anschluss folgt sogleich das erste Highlight in Form des Titeltracks. Eine vielschichtige Nummer, die sich vor allem durch ihren progressiven Touch vom Rest signifikant abhebt. “Peace And Glory“ schickt einen dann unwillkürlich zurück in die NWoBHM-Zeit. Beim stampfende “The Chase“ wiederum kommt Mr. Gioeli's Königsdisziplin zum Tragen, der eingängige Refrain, hier gleichwohl mit einem mystischen Unterton. Beim “Hey, Hey, Hey“ sehe ich zudem förmlich die Hände mit den Pommesgabeln rhythmisch in die Luft gestreckt vor mir. Die Platte hat eigentlich alles, was das Metalherz begehrt. Einerseits sind da wunderbare Melodiebögen, die nicht überzuckert sind. Gitarren, die hier und da richtig zupacken, um im nächsten Moment mit den dramatischen Keys zu harmonieren, andererseits temporär treibende Doublebasspassagen, die sich songdienlich dann aber auch zurücknehmen. Und nicht zuletzt ist da die charismatische Stimme von Johnny, die in nahezu jeder Spielart eine gute Figur abgibt. Eine richtig ruhige Nummer hat die Scheibe zwar nicht, aber “What I Believe“ ist eine gelungene Powerballade mit leidenschaftlich schmachtendem Vortrag, eingebettet in das Pianospiel zu Beginn und zum Ende.
Ob es nun das Album ist, das sich Johnny Gioeli vorgestellt hat, ist schwer zu sagen. Es ist ein Werk mit viel Abwechslung, bei dem die Protagonisten nachrangig Wert darauf gelegt haben, nicht nur auf alt Bewährtes zurückzugreifen, sondern auch dezent moderne Elemente einfließen zu lassen. Bei einigen Songs ist das recht gut gelungen, wobei man an der ein oder anderen Stelle mit weniger womöglich noch mehr erreicht hätte. Insgesamt ist es eine solide CD die sich von den diversen Frontiers Projekten ein wenig nach oben abgrenzt. Ob es nun mehr ist, als eben nur ein Projekt wird sich zeigen.
Natürlich wünscht man sich zu Leather Leones (CHASTAIN) kerniger Reibeisen-Stimme das vertraute, beseelte und kraftvolle Gitarrenspiel von David T. Chastain. Aber ein Nachbilden verbietet sich, und das weiß auch die gute LEATHER. Somit bietet die Künstlerin eine selbstbewusste und ganz eigene Vorstellung auf ihrem dritten Solowerk "We Are The Chosen". Dem Genre - kraftvoller Power Metal amerikanischer Prägung - bleibt sie indes treu. Den Job an der Gitarre übernimmt, wie auf dem Solo-Vorgänger "II", der Brasilianer Vinnie Teixeira "Tex", mit dem sie auch alle Songs komponiert hat.
"We Take Back Control" ist inhaltlich der Corona-Zeit gewidmet, dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Machtlosigkeit, dem sie hier lautstark die Stirn bietet. Die Nummer wird Doppelbass-angetrieben mit Leather Leones unnachahmlicher, kraftstrotzender Stimme und ist US Metal in Reinkultur. "Always Been Evil" schlägt in eine ähnliche Kerbe, überrascht dabei aber mit einem gefühlvollen Mittelteil, der mit symphonisch anmutender Keybord-Arbeit punktet. Diese "symphonischen" Elemente ("Hallowed Ground") tauchen immer wieder, in unterschiedlicher Dosierung, auf und münden gar beim Titelsong in ein spannendes und packendes, nach Bläsern klingendes Intermezzo. Gitarrist "Tex" überzeugt mit coolem, mal dynamischem Riffing, aber auch mit filigranen und mitreißenden Soli. Beide Hauptprotagonisten scheinen sich wechselseitig inspiriert zu haben; man merkt dem Album die kreative Schaffenskraft und Freude am Gestalten an.
LEATHERs neues Solowerk ist auf der einen Seite knallhart und traditionell, auf der anderen überraschend graziös und zuweilen gar barockartig "verziert." Das ist neu und hebt sich von dem bis dato Gebotenen ab, ohne dabei zu weit zu gehen. Das "Vermissen" von David T. Chastain verschwindet von Hördurchgang zu Hördurchgang. Starkes Album!
Der Herbst rückt näher, Zeit für nordische Düsternis und ein wenig musikalische Verzweiflung. Da passt es sicher einigen Doom-Anhängern ins Konzept, dass die Norweger von SAHG ein neues Album veröffentlichen; wobei die heuer zum Trio verdichtete Band nie wirklich nur diesem Genre zuzuordnen war. Und eben diese These bestätigen die drei auch mit "Born Demon" aufs Neue.
Das hymnische "Fall Into the Fire" ist purer Metal, die Chöre im Refrain liefern gar ein wenig Hard Rock-Feeling. Mir gefällt der klare, unprätentiöse Gesang von Olav Iveresen, der zwar etwas im Hintergrund platziert ist, aber viel Emotion und Melodie transportiert. Gerade die Vocals leiten, wie Kupfer Strom, die instrumentale Heavyness zu milderen Gestaden hin. Der Titelsong bedient dann die Doom-Gefolgschaft mit entmutigenden Riffs und schwermütiger, erdrückender Langsamkeit. Aber in der Gänze betrachtet ist das sechste Album von SAHG eher ein Hard Rock- und Metal-Werk: düster im Grundton, aber an manchen Stellen überraschend verbindlich und griffig. Das geheimnisvolle "Black Cross On the Moon" ist vom Titel her apokalyptisch, die Gesangsmelodie aber fast träumerisch, versunken.
"Born Demon" ist ein unterhaltsames und ausgewogenes "Herbstwerk" mit Wärme, Dunkelheit, Schwere und überraschender Geschmeidigkeit.
Literatur über IRON MAIDEN findet man an jeder Ecke, und meistens ähneln sich die Storys und Geschichten fast im Detail. "Loopyworld - Die Frühen Tage von IRON MAIDEN" erzählt aber eine andere Geschichte, da das Buch von dem ehemaligen Roadie STEVE NEWHOUSE geschrieben wurde, der in der Szene nur als "LOOPY" bekannt war und natürlich noch ist.
In den Jahren zwischen 1978 und 1984 war LOOPY Mitglied der Roadcrew von IRON MAIDEN, bester Freund von Paul Di´Anno und gleichzeitig ein Hansdampf in allen Gassen. LOOPY war nicht nur ein wichtiger Teil der Roadcrew, sondern auch Drumroadie für Clive Burr. Mit dem ehemaligen Drummer von IRON MAIDEN wurde LOOPY niemals wirklich warm, und somit definiert sich das Buch auch als kleine Abrechnung mit dem ungeliebten Drummer. Ob dies, nach Bekanntwerden von Burrs MS-Erkrankung, wirklich notwendig war, lasse ich mal dahingestellt. Geht man davon aus, dass die beschriebenen Schikanen des MAIDEN-Drummers so stattgefunden haben, so hatte LOOPY ein hartes Päckchen zu tragen. Hier wäre es tatsächlich interessant, ein Statement der Gegenseite zu hören. Auch Manager Rob bekommt sein Fett weg, und somit wird in dem Buch viel schmutzige Wäsche gewaschen. Klingt reißerisch, aber ein Großteil des Werks widmet sich dann doch dem Leben als Roadie von IRON MAIDEN und den beschwerlichen Wegen mit dem Band-Bus "Green Goddess". Leider wird nicht jede Geschichte komplett erzählt, da sich LOOPY teilweise nur an Bruchstücke erinnern kann und sich auf sein altes Tagebuch verlässt. Der Autor sieht sich in dem Buch als vollständiges Bandmitglied an, und in den ersten Tagen beschreibt er eine Band und eine Crew, die zusammen etwas Großes erreichen möchten.
Im Verlauf des Buches bemerkt man, dass LOOPY sich immer mehr von der Band entfernt und man somit keine "pikanten" Einzelheiten über Harris & Co erfährt. Ist man auf der Suche nach Sensationsgeschichten und Skandalen, so hat man mit "Die Frühen Tage Von IRON MAIDEN" das falsche Buch ausgewählt und sollte lieber zum Buch "The Dirt" greifen, welches wohl jedem MÖTLEY CRÜE-Fan ein Begriff ist. "Loopyworld" erzählt in einer bodenständigen Form die Geschichte von LOOPY, der Teil einer unglaublichen Bandgeschichte war und dies in seinen eigenen Worten wiedergibt. Das Buch liest sich sehr flott durch, aber manchmal muss man aufpassen, über welche Personen LOOPY berichtet, da scheinbar vorausgesetzt wird, dass man jedes Crew-Mitglied der frühen IRON MAIDEN sofort beim Vornamen erkennen kann und diese Namen auch im Gedächtnis behält.
Besonders hervorzuheben sind die vielen Fotos, welche aus bisher ungeöffneten Privatarchiven stammen und somit neue Einblicke in die Welt von IRON MAIDEN zulassen. Über die Cover-Gestaltung müssen wir eigentlich nicht reden, da MAIDENs Hauszeichner Derek Riggs den Job übernommen hat, und natürlich beste Arbeit abgeliefert wurde. Zusammengefasst, ist "Loopyworld" wirklich unterhaltsam, und sucht man ein Buch, welches einen anderen Blickwinkel auf IRON MAIDEN anbietet, so sollte man "Loopyworld" auf den internen Wunschzettel setzten.