Wer bei melodischem Metal mit weiblichem Gesang ausschließlich an Symphonic Metal à la NIGHTWISH denkt, bekommt mit THE MYSTERY eine Alternative aufgezeigt. Die eher raue Stimmt von Sängerin Korry Schadwell hat nämlich so gar nichts Klassisch-Opernhaftes, sondern tendiert eher Richtung härterer Gangarten, ohne dabei auf das melodiöse Element zu verzichten, wie schon der erste Song "Take Me To The Light", der mit einem schon fast punkig vorwärtstreibendem Schlagzeug unterlegt , auf voller Länge aber leider recht eintönig geworden ist, klar macht. Korry Schadwells Stimme ist ausgesprochen angenehm zu hören, was allerdings über weite Teile des Albums schön wäre, wäre ein zumindest verhaltener Einsatz von Keyboards als Bindeglied zwischen Stimme und Instrumental-Background, denn in der vorliegenden Form wirkt der Zwischenbereich mitunter irgendwie etwas leer. Dem eingängigen Titeltrack "Soulcatcher" gelingt es, dies teilweise mit dem Einsatz eines Backgroundchores zu überbrücken, "Turn Into Stone" schlägt deutlich härtere Töne an mit erneut fröhlich drauflosdreschendem Schlagzeug. "My Heart Lies Bleeding" ist melodiöser und wirkt etwas düsterer, "Suicidal Toughts" kommt gleichzeitig melancholisch und rockig sowie mit dezent skandinavischem Flair daher und stellt vermutlich den stärksten und gleichzeitig auch eingängisten Song der Platte da. Bei "Heaven at War" wird, gemäß dem Titel wieder mehr gehämmert und gedröhnt, "Coming Home" ist ein druckvoller Heavy-Rocksong und auch "Angel" treibt ordentlich vorwärts, hat aber trotzdem eine vergleichsweise eingängige Melodie. Und mit auf "Unready To Die" präsentiert man sich zum Abschluss noch mal ganz ruhig (zumindest den größten Teil der Zeit über). Alles in allem solides Werk zwischen Melodic Metal und Heavy Rock, mit den oben genannten Abstrichen.
COALESCE waren Ende der 90er eine ganz große Nummer für die werten Krachmaten und haben einen großen Einfluss auf die heutigen verfrickelten Corebands genommen. Relapse haben sich das „012:2“-Album vorgenommen und zum zehnjährigen Release-Jubiläum neu aufgenommen. Passt auch, da COALESCE mittlerweile wieder aktiv sind. Leider kommt die Scheibe ohne Boni daher, andererseits hätten Bonustracks den Flow der Songs gestört. Der Neuner bildet ein einziges, zusammenhängendes Kunstwerk, bei dem Grenzen keine Rolle spielen und die Musik ineinander fließt. Was heute THE DILLINGER ESCAPE PLAN oder NORMA JEAN machen, haben COALESCE schon vor der Jahrtausendwende fabriziert: sperrige, noisige Songs, die auf Kleinigkeiten wie Songstrukturen pfeifen und in ihrer ganz eigenen Welt existieren. Das Psycho-Gesang ist dabei genau obligatorisch wie Kopfschmerzen-Riffing. Wer sich davon nicht abschrecken lässt oder einmal die Wurzeln des heutigen Noisecores erforschen will, sollte hier zuschlagen.
Mit "Sex, Drugs, Anarchy" präsentieren die schwedischen Glam/Sleaze- Rocker von GEMINI FIVE nun ihr mittlerweile drittes Baby der Welt. Unterstützt wurden sie dabei beim Songwriting bei drei Songs von Landsmann und Kollegen Martin Sweet von CRASHDIET, dessen Bandkollegen auch zum Teil den Background-Gesang beisteuerten. Sweets (Mit-)Urheberschaft ist deutlich hörbar, entstammt doch die Mehrzahl der eingängigsten Songs entweder teilweise oder sogar vollständig seiner Feder: "Scream 4 Me" ist ein Glam-Rock-Partysong erster Güte, dessen Melodie sich sofort im Ohr festsetzt, auch "Sex, Drugs, Anarchy" macht Laune und "Stay With Me", der melodiöseste und ruhigste Track des Albums, ist wahrscheinlich das, was hier einer sehnsüchtigen Ballade am nächsten kommt. Mit "I Am Hollow" legen GEMINI FIVE auch ohne fremde Unterstützung gleich zu Anfang einen gelungenen, geradlinigen Sleaze-Rocker vor, aber davon abgesehen bleibt der Rest der Songs in Punkto Eingängigkeit im Großen und Ganzen ein wenig hinter den bereits erwähnten zurück.
Unzählige Bands hat Sänger und Gitarrist John Reis aka Speedo schon hinter sich, die erfolgreichste davon war ROCKET FROM THE CRYPT. Für sein neuestes Projekt hat er sich mit Gitarrist Gar Wood und Drummer Jason Kourkounis zwei Ex-Bandkollegen von den HOT SNAKES mit an Bord geholt sowie Bassist Tommy Kitsos von den CPC GANGBANGS. Dementsprechend erinnern die NIGHT MARCHERS auch etwas an RFTC wie auch an die HOT SNAKES. Allerdings lassen es die Jungs hier etwas ruhiger angehen. Der Punk-Einfluss ist geringer, vielmehr setzen sie auf 60s/70s Garagen-Rock. Und den bringen sie auch mehr als ordentlich rüber: Selten wirklich heftig, aber immer schön dreckig und immer wieder mit tollen Melodien versetzt, mal straight nach vorne gespielt, mal auch etwas getragener und hymnisch. Dazu ist die Scheibe auch noch äußerst vielfältig geraten. Erinnert der Opener „Closed For Inventory“ mit seiner stampfenden Strophe an QUOTSA, wird bei „Branded“ Country-/Cowboy-Sound aufgefahren, überrascht das energiegeladene „Whose Lady R U“ durch jazzig-bluesige Harmonien und groovt das ruhige „You’ve Got Nerve“ bluesig vor sich hin. RFTC-Fans könnte der Sound insgesamt zu wenig abgehen. Das Album für sich genommen ist aber über jeden Zweifel erhaben und überzeugt durch seine Energie, die raue Produktion und nicht zuletzt jede Menge toller Songs.
Die WONDERFOOLS aus Norwegen haben es nicht eilig. Ihr letztes Album namens „Future Classics“ erschien Ende 2004, und mit diesem haben sie ihren Ruf als bester HELLACOPTERS-Klon überhaupt gefestigt. Mit dem neuen und vierten Album hat man sich von den großen Vorbildern verabschiedet – sich dafür aber neue gesucht. Hier hört man jetzt z. B. die FOO FIGHTERS heraus („Thinking Of Something Mean To Say“, „Too Late To Die Young“), GREEN DAY („Out Of My Mind”) sowie diverse Glam-Bands („She’s So Easy”, „The Song About The Song“, “Never Gonna Make It”). Insgesamt haben die Jungs das Tempo deutlich rausgenommen und orientieren sich eher an klassischem als an Schweinerock. Weltbewegend ist das nicht, aber immer noch werden hier gut gemachte Songs und tolle Hooks geboten. Was fehlt, ist allerdings eine ordentlich Portion Dreck. Besonders deutlich wird das beim poppigen „Apples“, das einfach zu schön geraten und nahezu rock-befreit ist. Und viel zu selten geht es richtig ab, wie etwa beim nach vorne gepeitschten „Nothing Left To Burn“. Unterm Strich haben die WONDERFOOLS hier wieder ein ordentliches Album abgeliefert, aber vom Hocker reißen wird es wohl niemanden.
THRICE schließen mit „Air“ und „Earth“ ihren „Alchemy Index“-Zyklus ab, was insgesamt 24 Songs bedeutet. 24 Songs, mit denen sich die Band endgültig von Konventionen losgesagt und die eigenen Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Das war schon bei „Vols. I+II“ im Grunde klar, „Vols. III+IV“ verdeutlichen das in letzter Konsequenz. Sphärische Klänge stehen im Vordergrund, die oftmals verträumt klingen und nur selten auch nur Anflüge von Aggressivität zeigen, was bei THRICE in der Vergangenheit anders war. Die Instrumentierung ist gerade auf der „Earth“-EP sparsam, dort kommen Akustik-Gitarren und ruhige Percussions zum Einsatz, was den Fokus auf den Gesang legt. Der ist träumerisch, zerbrechlich, düster, Vergleiche mit RADIOHEAD kommen zwangsläufig auf, vermischt mit Moll-Country. THRICE zeigen sich offen für Experimente und gleichzeitig willens, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Das sie es bei aller Neugier auf Neues geschafft haben, fesselnde Songs zu schreiben, verdeutlicht die Qualitäten der Amis. Auf keiner der vier EPs des Zyklus findet sich ein belangloser Song, im Gegenteil. Viele haben Chartpotential (im RADIOHEAD-Sinne), ohne dabei an den Massengeschmack anbiedernd oder berechnend zu wirken. THRICE haben ihr Gespür für emotionale, fesselnde Musik erneut unter Beweis gestellt und ihrem „Alchemy Index“ perfekt vollendet. Die Zukunft verspricht interessant zu werden, THRICE ist nach diesem Doppelschlag musikalisch alles zuzutrauen – der Hörer muss sich von Erwartungen und Assoziationen frei machen und „The Alchemy Index“ unvoreingenommen auf sich wirken lassen.
NASUM-Nachlassverwalter Anders hat mit COLDWORKER ein neues Kind gefunden, dessen Debüt „The Contaminated Void“ schon erste Sahne war. „Rotting Paradise“ zeigt, dass die Qualität des Vorgängers kein Zufall war, sondern kann im Gegenteil nochmal eine Schippe drauflegen. Neu-Shouter Daniel (RUIN) liefert eine sehr guten Einstand ab und passt sich dem COLDWORKER-Niveau locker an. Das ist generell sehr hoch, wie die zwölf gnadenlos brutalen und sehr intensiven Songs beweisen – kein Ausfall ist darunter, auch wenn das Niveau nach hinten raus einen Tick niedriger wird. Aber allein die ersten vier Songs sind den Kauf des Albums wert, so gut war Death Metal schon lange nicht mehr! COLDWORKER haben ihre Einflüsse aus der Ami-Schiene, Schwedentod und (natürlich) Grindcore in packende Songs gebracht, die voller Groove und Brutalität gleichermaßen sind. Über die Güteklasse der Produktion muss eh’ kein Wort mehr verloren werden, u.a. Dan Swanö und das Soundlab bürgen da für Qualität. „Rotting Paradise“ ist eine rundum gelungene Death Metal-Platte, die sich in die Spitze der diesjährigen Releases katapultiert!
MURDER BY DEATH legen mit "Red Of Tooth & Claw" ein herrlich knorriges Rock ´n Roll-Album vor, das eine Vielzahl von Geschichten erzählt und vom Sound her mitunter an einigen Stellen schon ein wenig an Johnny Cash erinnert. Schon der Opener "Comin´Home" gibt einen guten Eindruck vom Sound des Albums- ein wenig betrunken, unterschwellig ein wenig bedrohlich, mit leichten Western- Einflüssen versehen und groovig. "My Ball & Chain" schließt sich in ähnlichem Stil an, das Instrumentalstück "Theme (For Ennio Morricone)" ist sehr ruhig gehalten und leitet sehr gut zum ebenfalls ruhigen und irgendwie rauchgeschwängert klingenden "A Second Opinion" über. Auf "Steal Away" und "Ash" wird dann wieder mehr Gas gegeben. "52 Ford" groovt sich auf ruhige Art ins Ohr und zu guter letzt gibt´s mit "Spring Break 1899" noch etwas nachdenklicheres (auch wenn die Herren dann gegen Ende noch einmal zulegen). Fazit: anders und gut.
CANCER BATS haben sch mit ihrem neuen Werk nicht weit vom Sound ihres Debüts enfernt, aber warum sollten sie auch? Die rotzige Mischung aus Hardcore, Punk (beides natürlich schön old-schoolig) und Metal funktionierte bei „Birthing The Giant“ bereits bestens, was sich auf „Hail Destroyer“ nicht ändern - da kann selbst BILLY TALENT-Sänger Benjamin Kowalewicz nichts ausrichten. Außer ihm sind noch Tim McIlrath (RISE AGAINST) und Wade MacNeil (ALEXISONFIRE) im Studio gewesen und haben sich dem Charme der Combo ergeben. „Hail Destroyer“ rockt von Anfang bis Ende, ohne dem Hörer eine Sekunde Verschnaufpause zu gönnen. Zwar fehlt der absolute Kracher Marke „Golden Tanks“, dafür ist „Hail Destroyer“ kompakter, facettenreicher und ohne Hänger. Wer’s ordentlich krachig-rotzig mag, ist hiermit bestens bedient. Mosh on!
Nur wenige Monate nach dem letzten Release „Alpha“ gibt es schon wieder Futter für die Fans der US-Alternative-Nu-Metal Band SEVENDUST - was aber daran liegt, dass „Alpha“ in Good Old Europe“ erst mit gehörig Verspätung an den Start ging. Und auch auf „Chapter VII – Hope And Sorrow” agieren SEVENDUST zumeist im bekannte Fahrwasser der letzen Alben, will meinen: wechselnde Passagen zwischen atmosphärisch, melodisch und härteren, rhythmischen Riffattacken, wobei auch wieder mal die überaus abwechslungsreiche (und meines Erachtens sträflichst unterbewertete) Stimme von Lajon Witherspoon weiterhin eine der ganz Großen Stärken der Band darstellt. In 2008 ist beim Songwriting wohl auch wieder mehr Wert auf Eingängigkeit und gefühlvolle Parts gelegt worden – zu Lasten der gelungenen Experimente des Vorgängers „Alpha“. Viele der 11 Songs sind Standard und irgendwie auf Nummer sicher gemacht und trotzdem wird die Hitdicht der ersten Alben auf dem neuen Album nicht erreicht. Zwar lässt der fette Opener „Inside“ (nach einem irritierenden langen Intro) erst mal an die kraftstrotzenden Anfangstage der Band denken, aber der Nachfolger „Enough“ fällt dann schon ab und kann nicht vom Hocker reißen. Richtig gelungen noch der halbe Titeltrack „Hope“, welcher als Mix gefühlvoller Parts und heftigeren, aber immer noch melodischen Attacken in LINKIN PARK Manier um die Ecke kommt (einschließlich einem bemerkenswerten Solos von ALTER BRIDGE Gitarrist Mark Tremonti) und die andere Hälfte „Sorrow“ (kraftstrotzende Ballade mit ALTER BRIDGE Sänger Myles Kennedy am Mikro). Mit „Walk Away“ gibt es dann noch eine echte, kühl und hart wirkende Perle als Rausschmeißer. Dazwischen hat sich aber etwas zuviel gewöhnliche, aber durchaus nicht schlechte Kost geschoben – nur wie bereits erwähnt, das Songwriting mancher Tracks wirkt einfach zu gewollt.
Und dazu passt eventuell auch folgendes: SEVENDUST haben noch vor Veröffentlichung der neuen Scheiben ihren Gitarristen ausgetauscht. Und der neue Gitarrist ist der alte. Für den noch auf „Hope And Sorrow“ und den beiden Vorgängeralben zu hörenden Sonny Mayo ist mit Clint Lowery der Mann zurück, der maßgeblich an den Erfolgen der ersten SEVENDUST-Veröffentlichungen (u.a. das selbstbetitelte Debüt, „Home“„Animosity“ und „Seasons“) beteiligt war.
SEVENDUST werden wohl auch mit „Chapter VII – Hope And Sorrow” ihren Fans meist zu gefallen wissen, in den Staaten gut verkaufen und in Europa eher ein Schattendasein fristen. Ob es mit Clint Lowery nochmals zu den Erfolgen der Anfangstage reicht – die Zukunft wird’s zeigen.