Nach der großen Garagen-Rock-Welle schwappen jetzt immer mehr Hard-, Glam- und Sleaze-Rock-Bands aus Schweden zu uns rüber. Ein Großteil dieser Bands kommt dabei nicht nur absolut authentisch daher, sondern steht den US-amerikanischen Vorbildern auch in Sachen Qualität in nichts nach oder übertrifft diese sogar. So auch im Falle von INNOCENT ROSIE, deren Debüt-Album wie eine Mischung aus alten Scheiben von GUNS ´N ROSES, MÖTLEY CRÜE, SKID ROW und POISON klingt. 12 Songs lang rocken sie dreckig und gleichermaßen oberlässig ihren Stiefel runter, mit rohem Sound und jeder Menge Energie und Spielfreude. Dazu haben sie ein Händchen für gute Refrains, und so lauern an jeder Ecke Ohrwürmer. Einen eigenen Stil sucht man bei INNOCENT ROSIE zwar vergeblich, aber wer auf den Sound steht, wird hier mit erstklassiger Ware bedient.
Im Jahre 2004 traten vier junge Italienerinnen an, um den Rock der 80er Jahre wieder aufleben zu lassen. Sie nannten sich CHERRY LIPS, verpassten sich authentische Outfits und schrieben Songs, die musikalisch zwischen Joan Jett und AEROSMITH liegen. Jetzt ist ihr selbst betiteltes Debüt-Album erschienen, und darauf verpassen sie dem Hörer 12 Songs lang Hard Rock der alten Schule, mal rock ´n rollig, mal glamig, mal auch poppig. Das positive ist, dass sie dabei so angenehm unangestrengt klingen, dass man ihnen ihre Masche absolut abnimmt und ihrem Sound kein Stück der Mief aus der Mode gekommener Musik anhaftet. Auf Dauer wird die Scheibe aber doch etwas anstrengend, oder böse gesagt: Irgendwann kann man’s dann echt nicht mehr hören. Hinzu kommt, dass es dem Gesamtsound etwas an Druck und Dreck fehlt und die Stimme von Sängerin/Gitarristin Stefania ein bisschen zu dünn rüberkommt, so dass es nie wirklich abgeht. Das programmatische Cindy Lauper-Cover „Girls Just Wanna Have Fun“ schließlich kommt nicht nur ziemlich uninspiriert rüber, sondern geht komplett nach hinten los. Unterm Strich ist das alles irgendwie ganz witzig, so richtig vom Hocker reiβt es einen aber nicht.
Ben Richter’s THANATEROS waren nach den beiden in der Metal-Folk-Szene recht positiv aufgenommen letzten Alben fast 4 Jahre untergetaucht, gar von Auflösung war die Rede. Mit teilweise neuer Mannschaft haben die deutschen Folk-Metaller mit dem Album „Liber Lux“ nun ein Lebenszeichen gesetzt, welches wieder von keltisch-irischen Instrumenten, Metal-Riffs und natürlich auch von Richter’s markant krächzend rauem und emotionalem Gesang dominiert wird. Dabei ist man weit davon entfernt fröhliche Folkkost zu liefern – THANTEROS Anno 2009 klingen düsterer, melancholischer, etwas härter und auch oft weniger eingängiger. Als Anspieltipp darf man mal in das kernigen „Cairn (A Dying Age)“, das locker heftige „Emain Ablach“ und in das keltische „Fear A Bhata“ reinschnuppern. Und so nisten sich THANATEROS zwischen Mittelalterbands mit Rock- und Metaleinschlag wie IN EXTREMO, den alten SUBWAY TO SALLY aber auch SCHANDMAUL einerseits und Folkgrößen wie SKYCLAD und FIDDLER’S GREEN andererseits ein, dürften allerdings auf Grund der zum Teil etwas unbeholfen wirkenden Metalparts in erster Linie für Fans des Folk-Genres von Interesse sein.
Tony Pettitt (FIELDS OF THE NEPHILIM) und seine alten Kollegen Peter Yates, Nod und Paul Wright sind zusammen mit vier (!) Sängerinnen - Julianne Regan (ALL ABOUT EVE), Evi Vine, Amandine Ferrari und Monica Richards (FAITH, THE MUSE) sowie Violinist Bob Loveday und weiteren Musikern mit einem neuen Projekt am Start: THE EDEN HOUSE. Alle harten Heulbojen-Combos zum Trotz wird auf dem Debüt „Smoke & Mirrors“ Musik geboten, die sich in der Ecke zwischen Gothic Rock und Dark Wave gut einsortiert. Das dabei mit Andy Jackson auch noch ein Mann aus dem PINK FLOYD Umfeld beteiligt war spricht ebenfalls für die atmosphärisch chillige Ausrichtung des gesamten Albums. Songs wie der sich für einschlägige Tanzfläche eignete Opener „To Believe In Something“, dem erhabenen „Gods Pride“ oder dem sehnsüchtig traurige „Reach Out“ laden zum versinken ein. Im zweiten Teil der Scheibe wird es dann etwas ruppiger und die Gitarre gewinnt an Zugkraft. Hier kommt einen gar mal U2 in Düster mit weiblichen Vocals in den Sinn („The Dark Half“). Das episch orchestrale vieler Parts und die Detailverliebtheit der Arrangements lassen sich bei THE EDEN HOUSE am Besten laut oder unter Kopfhörer erfassen. Wer also auf eher altmodischen Gothic abfährt, mit den FIELDS OF THE NEPHILIM was anfangen kann und gerne in sphärisch weiblichen Vocals schwelgt, der liegt mit „Smoke & Mirrors“ sicher nicht verkehrt.
Die Herren Ivan Höglund (vox), Krizzy Field ( guitarz), Kim Chevelle (bazz) und Johnny Benson (drumz) klingen nach Achtziger L.A., nach Venice Beach, Roxy Theater und Whiskey a Go Go. Bei den Schweden PRETTY WILD scheint Image alles zu sein: über Aufmachung und Style (ich sage nur Haarspray) der ganzen Chose bis hin zu den Künstlernamen. Aber weit gefehlt – auf ihrer 6-Track EP „All The Way“ (+ 2 Boni) lassen es PRETTY WILD nämlich richtig gut krachen. Der fetzige und mit klasse Refrain ausgestatte Opener „All The Way“, das im fetten Mid-Tempo gehaltene „Let The Good Times Roll” (gibt es als Bonus noch in 86-Mix als gelungen schmalzige Balladen-Version) und das hitverdächtige „Dangerous“ (als zweites Boni noch Live enthalten) lassen den Stimmungspegel schnell steigen, verbreiten allseits gute Laune und haben dank nach vorne gehender Rhythmusfraktion, klassischen Gitarresoli und angemessen hohem, leicht kratzigen Gesang alles was Sleaze und Glam mal so erfolgreich gemacht hat. Die Jungs haben eben ein Händchen für eingängige Melodien und Mitgrölrefrains („Dangerous“ und „Take It Off“), nur ein wenig zu glatt scheint es manchesmal. Das sollte aber das Hörvergnügen ebenso wenig mindern wie die doch noch ein wenig nach den Vorbildern klingende Produktion, denn PRETTY WILD hören sich mehr nach MÖTLEY CRÜE, RATT und POISON an wie diese selbst. Fazit: für Fans der alten Glam- und Sleaze-Schule also ein richtig guter Appetithappen den es anzutesten gilt. Das Teil wandert jetzt erst mal in meinen fahrbaren Untersatz. Und auf das für noch dieses Jahr angekündigte Album darf man sich mal freuen.
THE CASCADES kommen 3 Jahre nach dem hörenswerten „Dead Of Dawn“ im 20. Jahr ihres Bestehens mit ihrem nunmehr fünften regulärem Album um die Ecke. Die Berliner Gothic Rocker erinnern dabei neuerdings nur noch zum Teil an die unverzichtbaren SISTERS OF MERCY oder HIM, es kommt da auf Grund des Gesanges (neuer Mann, Ben Richter, THANATEROS, ex-EVER EVE) eine etwas räudigere Version der THE 69 EYES oder der Kollegen von LACRIMAS PROFUNDERE in den Sinn. THE CASCADES setzten jetzt also mehr auf schwermütigen Hard Rock den auf Gothic-Affinität; Keyboards kommen höchstens mal als schmuckes Beiwerk vor, die Betonung liegt auf Gitarre und Gesang. Und so sind es auch die flotteren Melo-Rockern wie „All The Best“ oder „Falling World“, der fast schon aggressive Rausschmeißer „Something To Happen“ und das mit einer gewissen Doom-Härte daherkommen „Another Dream“ welche THE CASCADES Anno 2009 prägen. Musikalisch ist das alles nichts Neues und gesanglich mit der Zeit etwas eintönig (was die Szene ja liebt), aber „Something To Happen“ ist recht fett produziert und THE CASCADES haben auf ihrem neuen Werk genügend Tanzflächenfutter an Bord um zu punkten.
BRUTAL TRUTH haben sich eine längere Auszeit genommen, vorsichtig gesagt. Warum sich die Amis wieder zusammengetan haben, wird aus dem dem Promo-Waschzettel nicht wirklich klar, ist aber im Grunde auch wumpe – Hauptsache, die 20 neuen Songs sind BRUTAL TRUTH wie eh und je. BRUTAL TRUTH haben mehr drauf als nur stumpfes Gehacke, das war ja schon immer so und hat die Band eine breit gefächerte Fanschar eingebracht. „Evolution Through Revolution“ erbringt den Beweis mit dem fiesen „Detached“ oder dem fast schon Mathcore-mäßigen „Global Good Guy“, genau wie mit dem noisig den Schädel spaltenden „Itch“. Handfeste Grindnummern haben die vier älteren Herren aber auch drauf, „Turmoil“ oder „Lifer“ seien hie genannt. Handwerklich haben die Herren immer noch ein sehr hohes Level, allen voran Kevin Sharp mit seinem Organ, das Heerscharen von Shoutern beeinflusst haben dürfte. Burke entlockt seiner Gitarre haufenweise abgefahrene Töne, die weit weg von eindimensionalen Grindriffs sind, während die Herren Lilker und Hoak für den nötigen Punch sorgen. Oder in kurz: BRUTAL TRUTH melden sich mit einem Paukenschlag zurück und zeigen den Jungspunden, wo der Grindhammer hängt! Saustarke Scheibe!
MUMAKIL haben auf der Split mit MISERY INDEX eine gute Figur gemacht, auch wenn sie damals nur vier Songs zum Besten gaben. Über Albumlänge sieht so was ganz anders aus, gerade wenn in knapp 35 Minuten 27 Songs anstehen. Das ist Genre-typisch, was auch für Produktion und Aufmachung gilt. MUMAKIL zeigen sich von alten NAPALM DEATH ebenso beeinflusst wie von Labelkollegen Marke NASUM oder BRUTAL TRUTH – schnörkellos und heftig wird zur Sache gegangen, wobei alle Instrumente gleich viel Platz im Gesamtsound eingeräumt bekommen. Das führt zu einer extrem dichten und druckvollen Scheibe, die den Hörer so manches Mal schier erschlägt, besonders im Mittelteil kann sich ein leichter Sättigungseffekt einstellen. Aber das ist das Problem vieler Grindscheiben, bei 27 Songs kann sich immer mal ein schwache Phase aus drei oder vier Songs finden. Im Großen und Ganzen bieten MUMAKIL aber ziemlich viele gute Songs, die die schwachen schnell vergessen lassen und für Grindologen bestens geeignet sind.
ANTIGAMA bleiben sich auf ihrem neuesten Werk treu und servieren dem Grindgourmet 16 Gänge, die allesamt nervenaufreibend brutal sind. Eingängigkeit wird da vergeblich gesucht, auch wenn „Jealously“ ein richtig geil-hypnotisches Riff aufbietet und fast schon tanzbar ist. Aber nur fast eben, im nächsten Moment gibt’s den obligatorischen Blastpart und der Song nimmt an Fahrt auf. Gnadenlos geht es dann auch weiter, auch wenn mehr Songs in Richtung von „Jealously“ ganz geil gewesen wären. Immerhin schaffen ANTIGAMA das Kunststück ihren Grindcore hörbar zu gestalten, unter weitgehendem Verzicht auf Eingängigkeit. Da ist klar, dass „Warning“ eine Scheibe für einen sehr begrenzten Hörerkreis ist, schon der durchschnittliche Porngrinder wird mit diesem rohen Siberling seine Schwierigkeiten haben, da bleibt für Normalmetaller nix zu holen. „Warning“ ist eine kompromisslos brutale Scheibe, die die Warnung ja auch schon im Titel trägt.
INEVITABLE END sind der Beweis, dass aus Schweden nicht nur zahnloser Melodic Death Metal kommt. Ok, wussten wir im Grunde schon länger, aber einen solchen brutalen Bastard gibt es auch der Heimat von NASUM, DISMEMBER und ABBA nicht alle Tage. Ganz im Stil der verblichenen DEFACED CREATION wird sich amerikanisch durch die Songs geprügelt, wobei INEVITABLE END eine stärkere Grind-Kante haben und etwas technischer zur Sache gehen. Der gerade Weg ist nicht unbedingt ihrer, lieber bauen die Schweden Kurven, Kanten und Irrwege ein, dass dem Frickelfan warm um’s Herz wird, auch wenn die dominierenden Blastparts eigentlich durchweg zu hören sind. Das mag für andere Bands wie ORIGN auch gelten, aber INEVITABLE END verstehen, ihre hohen technischen Ansprüche in jederzeit griffige Songs zu verpacken, was „The Severed Inception“ so gut macht. Dass Produktion und Fähigkeiten der Musik erstklassig sind, muss da nicht weiter erwähnt werden. Selbst an der Spielzeit von gerade mal 34 Minuten gibt es nichts auszusetzen, viel länger lässt sich dieses (geile) akustische Inferno nicht am Stück ertragen. Wer auf abgefahrenen brutalen Death Metal steht, muss hier einfach zuschlagen – und wird Relapse Records zum Gespür für außergewöhnliche Bands beglückwünschen.