1991 veröffentlichte LOREENA McKENNITT ihr viertes Album "The Visit" und spätestens ab da war der Thron der Folk-Musikanten endgültig von der Kanadierin erklommen - mehr noch, mit 1,5 Millionen verkauften Kopien weltweit auch der Weg zur Weltkarriere geebnet. Heuer wird im Zuge ihrer Limited Edition-Vinylreihe dieses Album als 180-Gramm-Version neu veröffentlicht. Wie immer bei diesen Releases, steckt der Tonträger in einem gepolsterten Inner Sleeve und wird zusätzlich begleitet von einer bedruckten Doppelseite mit Texten und Bildern; hinzu kommt noch ein Download Code. Der Longplayer wurde von dem kanadischen Award-Gewinner Jeff Wolpert remastered, der dem Teil einen transparenten, differenzierten Sound verpasst hat, welcher gerade mit der klanglichen Wärme des Vinyls eine perfekte Harmonie bildet.
"The Visit" ist an mancher Stelle oppulenter inszeniert und aufwändiger instrumentalisiert als das auf den Vorgänger-Alben der Fall war. Gleichwohl hat die Platte keinen Deut an Eindringlichkeit oder folkischer Präsenz verloren. Bei dem Opener "All Souls Night" hören wir das erste Mal orientalische, anmutende Klänge, die auf späteren Werken vermehrt Einzug halten. Beeindruckend ist die songwriterische Güte. So stehen traditionelle Klassiker, wie "Greensleeves" oder "Bonny Portmore", gleichberechtigt neben selbst verfassten Nummern, wie dem zum Niederknien schönen "The Lady of Shalott" oder dem unterhaltsamen Instrumental "Between The Shadows". Ein Unterschied an Anmut und melodiöser Dramatik ist nicht auszumachen, das selbstkomponierte Material klingt ebenso, als ob es aus lange vergangenen Zeiten überliefert sein könnte. Es begeistert, wie abwesend vergeistigt die Songs aus dem Plattenspieler schweben und dennoch so intensiv berühren und wärmen. Das gegen Ende kommende "The Old Ways" muss ob seiner Qualität auch noch Erwähnung finden; es vereint auf unnachahmliche Weise sowohl folkische Lebensfreude als auch tiefe Melancholie.
Ich wiederhole mich gerne, hier gibt es kein Vertun: LOREENA McKENNITT ist die Ober-Elbin, die ungekrönte Königin der Folk-Musik.
CULT OF LUNA haben sich nie mit Stillstand zufrieden gegeben, sondern ihren Sound konstant verfeinert, überarbeitet und um neue Facetten erweitert. Da überrascht die Kollaboration mit der US-Sängerin Julie Christmas (ex-MADE OUT OF BABIES, ex-BATTLE OF MICE) auf ihrem achten Album "Mariner". Die Songs bekommen durch den weiblichen Gesang - logischerweise - eine ganz neue Ausrichtung, auch wenn das Fundament klassischer CULT OF LUNA-Sound ist. Die thematische Ausrichtung des Albums auf den Weltraum und Raumfahrt erweist sich als gut mit dem Breitwand-Sound der Schweden vereinbar, wie das mit leichtem 70ies Vibe aufwartende "Chevron" zeigt. Natürlich weiß das skandinavische Kollektiv, wie es in ihren Songs die Erwartungen der Hörer erfüllt - das sich langsam entfaltende "A Greater Call" ist hierfür ein gelungenes Beispiel.
Leider passt Julie Christmas' Gesang nicht zu jedem Song. Es macht sich bemerkbar, dass sich Band und Sängerin nicht getroffen haben, im Proberaum wären einige Gesangsarrangements sicher anders, weniger dominant stellenweise, geworden. "The Wreck of S. S. Needle" wird immer wieder vom - hier ausschließlich weiblichem - Gesang dominiert und erdrückt. Eine Version ohne Gesang wäre als Vergleich sehr interessant, denn an sich ist das Stück ein richtig guter CULT OF LUNA-meets-MOGWAI-meets-Postrock-Brecher, was aber nur selten deutlich wird. In "Cygnus" zeigt sich, dass Julie Christmas durchaus zu CULT OF LUNA passen kann, gerade wenn sie im Wechsel mit männlichem Gesang agiert. Der Song mit seinen gut 15 Minuten baut viel Atmosphäre auf und entpuppt sich - auch wegen der Gesangsleistung beider Sänger - als ein Highlight des Albums. Es bleibt ein zwiespältiger Eindruck des Albums. Zu oft dominiert der Gesang die Songs, zu oft wirken hier zwei sich nicht harmonisch zusammenfügende könnende Komponenten. "Mariner" ist kein schlechtes Album; so manche Band würde ihren Bassisten verkaufen, um nur einen Song des Albums schreiben zu können. Aber im Vergleich mit "Vertikal" oder dem nicht minder grandiosen "Salvation" kann "Mariner" nicht mithalten. Als musikalisches Experiment ist das Ergebnis interessant, als reines CULT OF LUNA-Album etwas schwierig in das Gesamtwerk der Schweden einzuordnen.
Hinter BALSAMO DEIGHTON stehen die beiden Songwriter Rosalie Deighton und Steve Balsamo. Die gebürtige Holländerin veröffentlichte schon einige Soloalben und kam ursprünglich aus der Folkgruppe THE DEIGHTON FAMILY zur Balsamo-Band THE STORYS. Nach recht langer Anlaufzeit probieren es die zwei Stimmen nun gemeinsam – und ihr erstes Solowerk „Unfolding“ entpuppt sich dabei als wunderbar entspanntes Album zwischen Folk, Pop, Americana und 70er-Songwriter-Takes die an Duos wie Alison Krauss/Robert Plant, FLEETWOOD MAC oder auch TOM PETTY erinnern. Dabei machen die 12 Kompositionen durchweg in ihrer harmonisch-melancholischen Art Spaß und laden nicht nur wegen ihrer Eingängigkeit zum wiederholten hören und entschweben ein. Appetizer – die Single „Light In The Dark“ oder der Opener „Drive On“. Ach ja, bei „The Dream Song“ hatte man sogar Ian Paice an den Drums. Schönes Album!
STEVEN WILSON hat erst 2015 mit „Hand.Cannot.Erase“ wohl eines der spannendsten Prog-Rock Alben der jüngeren Vergangenheit veröffentlicht. Das Konzeptalbum, inspiriert durch die gruselig-düstere Geschichte einer Frau in London, welche (scheinbar ohne vermisst zu werden) bei laufendem Fernseher 2 Jahre tot in ihrem Apartment lag war bereits absolut das, was man einen würdigen Nachfolger zum ebenso großartigen „The Raven That Refused To Sing“ von 2013 nennen musste.
„4 ½“ ist stellt gewissermaßen nun eine Brücke zwischen „Hand.Cannot.Erase“ und einem kommenden 6. Studio-Album dar und beinhaltet Songs aus den vorherigen beiden Alben, welche es nicht auf erwähnte Vorgänger schafften. Dazu kommt eine neue Version eines PORCUPINE TREE Songs („Don’t hate me“).
Aber wer nun bereits mit dem Lesen aufhören will muss sich nun zur Ausbildung sofort PORCUPINE TREEs „Recordings“ (2001) anhören – quasi gleiches Prinzip, tolle Platte.
Jedenfalls: Inhaltlich bietet „4 ½“ wenig Überraschendes. Wilson weiß mit seinem mitunter bedrückenden, mitunter aber auch durchaus lebendigen Prog-Rock zu unterhalten. Opener „My Book Of Regrets“ gönnt sich knappe 10 Minuten in verschiedenen, meist recht lebendigen Stimmungen, mal mit einem proggigen-Bass-Part, mal mit etwas mehr Vocals, mal mit etwas mehr Geklimper am Tasteninstrument. „Years Of The Plague“ (instrumental), „Happiness III“ und „Sunday Rain Sets In“ (Instrumental) drehen etwas an der Serotonin-Schraube, treiben das Album aber etwas melancholischer voran als der Opener. „Vermillioncore“ schraubt sich dann wirklich quer durch einen proggigen Drogenkoffer und ist für mich das definitive Highlight der Platte.
Fazit: Kein Standalone-Album in dem Sinne, nicht en pair mit „Recordings“, aber definitiv lohnenswert.
„All You Can Eat“ ist die THUNDER-Vollbedienung für Fans und Neueinsteiger in Sachen erdigen britischen Hard Rock. Edel respektive earMusic verwöhnt den geneigten Kunden mit einem richtig gut gelungenen Package aus Audio und Visio. Kernstück der visuellen Seite (BluRay) ist dabei die 70-minütige Dokumentation „Wonder Days – Documentary Film“. Hier wird die Entstehung des Erfolgsalbums „Wonder Days“ filmisch nachvollzogen; Interviews mit allen Bandmitgliedern, Ausschnitte aus dem Studio, Live-Takes und einiges an Hintergrundinformationen. Dazu noch einen Konzertmitschnitt aus Japan „Live At Loud Park“ (6 Tracks) tolle Fans mal wieder), sowie jeweils den Besten Mitschnitten aus „Live At RAK Studio 1“ (7 Tracks) und „Live At The Brooklyn Bowl“ (6 Tracks) – wobei es hier keine Dopplungen gibt. Das THUNDER ja Live eh‘ eine Bank sind, dürfte sich herumgesprochen haben – schön das hier mal wieder zu sehen. Dazu gibt es in dem Package jeweils noch eine CD mit „Live At RAK Studio 1“ (laut Label „unbearbeitet“ und „Live At The Brooklyn Bowl“ (aufgezeichnet kurz vor der Veröffentlichung von „Wonder Days“) – auch mit auch recht wenig Überdeckung. Ton und Bild sind erste Sahne, Booklet in Ordnung. THUNDER liefern ein „All You Can Eat“ der gehobenen Art.
CD 1:
Wonder Days
The Thing I want
When the Music Played
Black Water
Resurrection Day
I Love The Weekend
Chasing Shadows
Serpentine
Be Good To Yourself
The Rocker
Superstition
Up Around The Band
I'm Down
The Stealer
CD 2:
Backstreet Symphony
The Thing I Want
Black Water
Low Life In High Places
Be Good To Yourself
Wonder Days
The Devil Made Me Do It
Resurrection Day
Stand up
The Rocker
Love Walked In
Dirty Love
Up Around The Bend
Just Another Suicide
DVD:
1. Wonder Days - Documentary Film (DVD)
2. Dirty Love (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
3. The Thing I Want (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
4. Higher Ground (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
5. Wonder Days (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
6. River Of Pain (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
7. Love You More Than Rock'n'Roll (Bonus - Live At Loud Park) (DVD)
8. When The Music Played (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
9. Resurrection Day (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
10. I Love The Weekend (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
11. Chasing Shadows (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
12. Serpentine (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
13. I'm Down (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
14. The Stealer (Bonus - Live At RAK Studio 1) (DVD)
15. Black Water (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
16. Low Life In High Places (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
17. Be Good To Yourself (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
18. The Rocker (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
19. Love Walked In (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
20. Up Around The Bend (Bonus - Live At The Brooklyn Bowl) (DVD)
Geht das nur mir so, oder geht die Anzahl der LYNYRD SKYNYRD-Veröffentlichungen langsam gen Legion? Da flatterten mir schon vor Wochen die nächsten beiden DVDs des Southern-Urgesteins rein, deren formidabler Backkatalog ja schon in X Versionen existiert (von den ganzen Sampler gar nicht zu reden) und dessen Livequalitäten ja auch schon bereits unzählige Male festgehalten wurden. Nun als neuer Live- Stoff – und wohl ausschließlich für die Die-Hard-Fans.
Unter „One More For The Fans“ versteckt sich dann ein Konzert von Freunden der Band für die Band, welches im November 2014 im historischen Fox Theatre zu Atlanta/Georgia stattfand. Im Mittelpunkt stand hier klar LYNYRD SKYNYRD - welche aber nur zu Ende des Konzertes auf der Bühne zu sehen sind und dort mit eine Spezialversion von „Travelin‘ Man“ aufwarten (hier wird u.a. der verstorbene Johnny Van Zant über Videoleinwand eingespielt), dem unzerstörbar genialen „Free Bird“ sowie eine mit den Stars des Abends angereicherte Version des Klassikers „Sweet Home Alabama“. Zuvor gibt es einen Querschnitt von LYNYRD SKYNYRD Southern-Perlen, performt von einer namhaften Schar von Gästen, u.a. Gregg Allman, Alabama, Blackberry Smoke, Cheap Trick, Peter Frampton, Gov’t Mule, Warren Haynes, John Hiatt, und manch anderer – siehe Setlist unten). Mir hat es dabei vor allem „Workin’ For MCA“ (BLACKBERRY SMOKE), „Simple Man" (GOV'T MULE) und das beindruckende „Call Me The Breeze“ (PETER FRAMPTON) angetan. Dazu gibt es noch Material wie den Blick hinter die Kulissen, Soundcheck und einige Interviews - Bild und Ton sind super und Surround.
„Pronounced 'Leh-'nérd 'Skin-'nérd & Second Helping” präsentiert uns dann das LYNYRD SKYNYRD-Debüt von 1973 und das zweite Album von 1974 der Southern-Legende in voller Länge und LP-Reihenfolge live. Dabei liefert der in ihrer Heimatstadt Jacksonville im Frühjahr 2015 aufgenommene Auftritt neben den bekannten Klassikern wie „Free Bird“, „Sweet Home Alabama“, „Tuesday’s Gone”, „Call Me The Breeze” oder „Workin’ For MCA” auch eine ganze Reihe von Songs die es nie oder seit den Anfängen der Band Anfang der 70er selten in den Liveset von LYNYRD SKYNYRD geschafft haben. Tolles Teil für die Fans der Band - denn es war eine besondere Atmosphäre im Florida Theatre zu spüren und auch jene Tracks die für den „neuzeitlichen“ Southern-Hörer zum Teil recht ungewöhnlich sind kamen live (auch dank gelegentlichen Bläsereinsatz) fett rüber. Im Bonuspart gibt es etwas an Backgroundmaterial und der Sound ist mit 5.1 sowie Bild in HD natürlich Standesgemäß. Ergo – von den beiden DVDs würde ich die „Pronounced 'Leh-'nérd 'Skin-'nérd & Second Helping” vorziehen.
DVD “One More For The Fans”
Whiskey Rock-A-Roller (Randy Houser)
You Got That Right (Robert Randolph & Jimmy Hall)
Saturday Night Special (Aaron Lewis)
Workin’ For MCA (Blackberry Smoke)
Don’t Ask Me No Questions (O.A.R.)
Gimme Back My Bullets (Cheap Trick)
The Ballad Of Curtis Loew (moe & John Hiatt)
Simple Man (Gov’t Mule)
That Smell (Warren Haynes)
Four Walls Of Raiford (Jamey Johnson)
I Know A Little (Jason Isbell)
Call Me The Breeze (Peter Frampton)
What’s Your Name (Trace Adkins)
Down South Jukin’ (Charlie Daniels & Donnie Van Zant)
Gimme Three Steps (Alabama)
Tuesday’s Gone (Gregg Allman)
Travelin’ Man (Lynyrd Skynyrd)
Free Bird (Lynyrd Skynyrd)
Sweet Home Alabama (Lynyrd Skynyrd & All Star Ensemble)
DVD “Pronounced 'Leh-'nérd 'Skin-'nérd & Second Helping – Live from Jacksonville at the Florida Theatre”
“Pronounced Lêh-`Nérd `Skin-`Nérd”
I Ain`t The One
Tuesday`s Gone
Gimme Three Steps
Simple Man
Things Goin` On
Mississippi Kid
Poison Whiskey
Free Bird
“Second Helping”
Sweet Home Alabama
I Need You
Don`t Ask Me Questions
Workin` For MCA
The Ballad Of Curtis Lowe
Swamp Music
The Needle And The Spoon
Call Me Breeze
One More For The Fans / Pronounced 'Leh-'nérd 'Skin-'nérd & Second Helping
Michel Bormann ist ein umtriebiger Sangeskünstler und hat schon diversen deutschen Metal Acts seine Stimme geliehen (u.a. JADED HEART, SILENT FORCE oder THE SYGNET). Mit „Closer“ wandelt er nun auch schon zum 5ten Mal auf Solopfaden. Da ich Bormann schon Anfang der 90er auf der zweiten LETTER X Scheibe schätzen gelernt habe, fand ich es eigentlich ziemlich cool, dass er sich letztes Jahr auf das Wagnis „Casting-Show“ eingelassen hat und sich bei „The Voice Of Germany“ präsentierte. Auch wenn ich jetzt nicht an die Nachhaltigkeit solcher Formate glaube, hätte ich dem Endvierziger Bormann etwas mediale Aufmerksamkeit und damit kommerziellen Erfolg abseits des Melodic Metal-Zirkels durchaus gewünscht. Aber schon bei seinem ersten Auftritt kamen mir Zweifel, da manche Juroren nicht gerade mit Sachkenntnis glänzten. Im Gegenteil: Das Urteil von z.B. Stefanie Klos (SILBERMOND), die bei Bormanns Stimme immer an „Jon Bon Jovi mit offenem Hemd auf einer Klippe“ denken musste, machte klar, dass in einem Wettbewerb, in dem ein kommerziell möglichst gut vermarktbarer Charakter gesucht wird, kein Platz für eine charaktervolle Rockstimme ist. Bei seinem zweiten Auftritt musste er sich dann trotz klar besserer Stimme geschlagen geben und die Show verlassen.
Nichts desto trotz scheint sich Bormann die Kritik zu Herzen genommen zu haben. Zumindest drängt sich mir der Verdacht auf, denn Bormann verlässt auf „Closer“ ein ums andere Mal angestammte Pfade und möchte sich so vielseitig wie möglich präsentieren. Das funkige „Can’t Get A Touch Too Much“ überrascht mit Sprechgesang in den Strophen und einem sehr AEROSMITH-lastigen Refrain. In „Because We Are The World“ wird ein Kinderchor bemüht und etwas zu sehr auf poppige Eingängigkeit geschaut. Auch wenn nicht jedes der Experimente erfolgreich zündet, ändert das nichts an der Tatsache, dass Bormann ein toller Sänger der Soto / Gioeli-Liga ist. Man möchte Bormann zurufen, dass er es nicht nötig hat sich zu verbiegen, sondern dass alles gut so ist, wie es ist. Aber keine Angst, auch auf „Closer“ befinden sich immer noch genug klassische „Bormann-Songs“, womit dieses Album auch für Altfans gut hörbar bleibt. Und das aus „The Voice“ bekannte Demi Levato-Cover „Warrior“ bleibt auch in der Studiovariante eine Gänsehautnummer.
"No Means of Escape", die neue DVD von dem schottischen Urgestein NAZARETH, kombiniert einen Gig in den Londoner Metropolis Studios mit der Dokumentation "Made in Scotland". Das Konzert in London fand vor einem ausgesuchten Publikum statt. Warum gerade das filmisch festgehalten werden musste, erschließt sich mir nicht wirklich. Auf der kleinen Bühne sehen wir eine routiniert aufspielende Band, ohne große Leidenschaft. Auch das eher lahm wirkende Publikum in dem winzigen Auditorium verstärkt diesen Eindruck. Am Mikro steht Kurzzeit-Sänger Linton Osborn, der seine Sache gut macht, aber längst nicht mehr Teil der Band ist. Handwerklich gibt es nichts auszusetzen, die meisten Hits sind an Bord, nur fehlt mir eben das Adrenalin, die Leidenschaft und auch Stimmung. Bilder und Tonqualität des 13 Songs umfassenden Gigs sind klasse.
Die Dokumentation "Made in Scotland" ist interessant und aufschlussreich - hier sehen und hören wir auch Original-Sänger und NAZARETH-Ikone Dan McCafferty - aber letztendlich auch nur eher für Fans geeignet. "No Means of Escape" kann vielleicht für Sammler und Hardcore-Anhänger der schottischen Band Sinn machen, bei mir wird das Teil wohl im DVD-Regal einstauben.
Eine neue Live-Scheibe von STYX. Warum nicht, sind die Herren doch recht fleißig am Touren, zumindest auf dem nordamerikanischen Kontinent.
Irgendwie macht "Live at The Orleans Arena Las Vegas" einen lieblosen, übereilt veröffentlichten Eindruck. Zumindest auf den ersten Blick. Da ist das gestellte Cover aus dem Photostudio, das mal so gar nicht nach live aussieht. Ein reich bebildertes Booklet mit Infos? Fehlanzeige, gibt es nicht. Aber zumindest ein Doppelalbum? Nein, auch hier muss sich der Fan mit einem Scheibchen zufrieden geben. Dadurch fehlen natürlich einige Songs, kein "Mr. Roboter", kein "The Best Of Times", kein "Babe", und das "Boat on the River" kommt auch nicht ins Wasser.
Aber es gibt auch einiges auf der Habenseite. Da ist einmal die Band: altgediente Vollblutmusiker, die ihr Handwerk verstehen, hier druckvoll aufspielen und hörbar mit viel Freude bei der Sache sind. Da ist die wunderbar eingefangene Liveatmosphäre, die stimmig und authentisch ist. Und natürlich sind da immer noch genug klasse Songs, wie "Too much Time On my Hands", "Come Sail Away" oder "Rockin' The Paradise", die alle unsterbliche Rockklassiker sind. Und zuguterletzt ist das mit fast 70 Minuten rockende Album auch noch glasklar und kantig produziert.
Man kann mit "Live at The Orleans Arena Las Vegas" trotz des Mangels an mancher Stelle eine durchaus unterhaltsame, mit vielen Klassikern gespickte und kurzweilige Zeit verleben. So komme ich zurück auf meinen Anfangssatz: STYX - ein neues Live-Album? Warum nicht?
Seit ihrem ersten Album haben sich die Briten TESSERACT immer weiter von ihren Ursprüngen entfernt. Bot das Debütalbum „One“ noch teilweise ziemlich wilden Prog-Metal, der jedoch auch immer wieder Platz für eingängige Hooks ließ, wurde ihre Musik über die Jahre immer melodischer und zugänglicher. Auf „Polaris“ wird diese Entwicklung fortgesetzt: „Metal“ wird hier klein geschrieben, wirklich heftige Parts sind kaum vorhanden, dafür gibt es vermehrten Einsatz von Keyboards, viele ruhige und poppige Passagen zu hören. Mit dieser Einebnung geht leider auch ein Qualitätsverlust im Songwriting einher. Obwohl immer wieder hoch melodisch, bleibt am Ende nicht viel von der Musik hängen, ganze Songs versinken in Belanglosigkeit.
Was dazu noch störend ist, ist die viel zu cleane Produktion. Der Gesang, durchgehend auch eine Spur zu dramatisch, steht stark im Vordergrund, auch die Drums sind weit vorne, klackern aber eher, als dass sie drücken, und den Gitarren wurde jeder Dreck abgeschnitten. Überhaupt spielen sich die Saiteninstrumente oft eher im Hintergrund ab, während die Keyboards immer wieder recht dominant sind. Bei einer Band wie ARCHIVE geht eine solche Soundästhetik in Ordnung, aber die schreiben bessere Songs und klingen trotz aller Perfektion weniger überproduziert.
Was man TESSERACT zu Gute halten muss, ist, dass es ihnen gelingt, über das gesamte Album eine intensive Atmosphäre aufzubauen. Einigen Passagen hätte es allerdings gut getan, wenn sie instrumental geblieben wären. Unterm Strich dürfte „Polaris“ wohl weniger Fans von MESHUGGAH, TOOL oder DREAM THEATER gefallen, könnte unter Umständen aber etwas für Anhänger von PORCUPINE TREE, KARNIVOOL oder ARCHIVE sein.