InterviewIhr habt ja ein paar Sängerwechsel hinter euch. Wie geht’s denn den "Alten"?
Ooch, ich stehe noch in stetigem Kontakt mit unserem alten Sänger Thyme, der ja mit Kharon sein Unwesen treibt. I spielte sogar ein paar Sachen auf ihrem letzten Demo und half bei einem Gig aus. Über unseren ersten Sänger Lord Arcarmous kann ich nichts sagen, außer dass er wohl nur zu Hause sitzt mit Freundin und Kind. DieArbeit mit unserem neuen Sänger Hoest (auch Taake) kommt immer besser hin. Er ist tief im Black Metal verwurzelt und passt mit diesem Life-Style perfekt zu RAGNAROK. Er ist jetzt fest eingestiegen, so dass es nichts mehr zu meckern gibt. Und so planen wir auch eine tolle Tour für den Oktober. Mit dabei sein sollen Krisiun, Behemoth, Incantation und wir. Also, ihr seid gewarnt.
Ein Grund für euren Optimismus mag die immense Steigerung auf der neuen Scheibe sein.
Ich würde unsere Musik immer noch als sehr aggressiv, ziemlich technisch und gleichzeitig melodisch auf die kalte Art bezeichnen. Die Produktion ist sehr geil geworden, manchen vielleicht sogar schon zu poliert. Aber egal, seit wir die Riffs so spielen, haben wir irgendwie das richtige Feeling. Außerdem haben wir diesmal dem Mix der verschiedenen Geschwindigkeiten viel besser hinbekommen Ich bin voll zufrieden und stimme dir zu, wenn du sagst, es ist das beste RAGNAROK-Album ever. Und das liegt vor allem daran, dass wir uns in letzter Zeit an unserem Instrumenten enorm verbessert haben. So einfach ist das.
Die Arbeit im Studio wird ein wenig am tollen Sound "Schuld" sein…
Das stimmt. Wir haben im Abyss mit Tommy Tägtgren aufgenommen. Schon im März 2003. Wir mussten also ganz schön lange auf den Release warten. Das lag wohl an irgendwelchen Druck- und Layout-Problemen. Im Studio aber war es professionell, interessant und deswegen ist das Ergebnis wohl auch so, wie ist ist…
Hat sich denn in Bezug auf die textliche Seite auch etwas getan?
Es geht in erster Linie um dein Inneres, den Teufel in dir. Und wie du mit seinen Kräften haushaltest. Der Teufel ist großer Teil der Menschheit. Ich bin voller Hass gegenüber allen Religionen, die einem so genannten Gott oder einem Führer folgen und befürworte deren völlige Zerstörung. Das kommt auch in den neuen Texten zum Ausdruck und das war schon früher so. Vielleicht ist das jetzt ein wenig versteckter, hintergründiger gelungen.
Besonders freundlich ist ja euer Band-Name auch nicht. Gibt es dazu etwas zu sagen.
RAGNAROK bezeichnete das Ende der Welt in der norwegischen Mythologie. Gleichzeitig ist es der Start einer neuen Ära. Ich denke, der Name passt perfekt, weil wir Musik machen, die so aggressiv ist wie ein Krieg zwischen den Göttern sein dürfte. Totale Zerstörung in Musik und Text.
Und wie passt da euer Image rein?
Unser Image ist so, wie es sich für eine Black-Metal-Band gehört. Und es wichtig für uns, so zu bleiben, weil das den teuflischen Teil in uns symbolisiert. Wir sind nicht irgendwelche True-Black-Metal-Affen, wir zeigen einfach unsere Gefühle mit dieser Musik und mit unserem Auftreten. Mich nerven diese Bands, die sagen, sie spielen Black Metal und singen dann Liebeslieder. Wir sind einfach eine erinnernswerte Real-Black-Metal-Band. Und, na klar, ich habe auch meine politischen Ansichten. Aber ich bin da in keinster Weise organisiert. Ich ordne mich da eher in der Mitte ein, als links oder rechts. Ich folge ausschließlich der linken Hand des Teufels…. Ich bin genauso wenig gegen Bands, die Nazi-Zeug in ihrem Metal haben wie gegen welche, die es nicht haben. Es ist mir scheißegal, weil RAGNAROK eine satanische Band ist. Und Satanismus, das zählt für mich.
Zurück zur neuen Scheibe. Meinst du, mit eurer Steigerung geht auch eine Steigerung von Bekanntheitsgrad und Verkäufen einher?
Die Reaktionen gegenüber dem alten Album waren prima, allerdings haben die Scheibe viel zu wenig Menschen hören können, weil der Vertrieb alles andere als toll war. Die Verkäufe waren durchaus okay, aber es würde uns nicht umbringen, ein paar mehr Exemplare unters Volk zu bringen. Angesichts vieler toller Reaktionen aber glaube ich, dass die neue Platte noch viel besser ankommen wird. Überhaupt verstehen inzwischen viel mehr Leute, was Black Metal eigentlich sein soll. Wir wollen bald eine Tour headlinen und immer größer werden und ich glaube, dass schaffen wir schneller, als viele Leute denken. Aber wir werden uns nie aus-verkaufen, dafür machen wir viel zu extreme Musik.
Extrem waren auch die letzten Live-Auftritte eurer lustigen Combo. Extrem scheiße kam der Auftritt auf dem PartySan, extrem unglücklich die X-Mass-Tour.
Stimmt, ich hoffe, das läuft diesmal besser. Nach sechs Auftritten brach sich Hoest das Bein und spielte den Rest der Tour sitzend auf einem Campingstuhl oder was sich gerade ergab. Jedenfalls sitzend. Aber wir haben gezeigt, dass wir hart drauf sind und nicht aufgegeben und die Tour gespielt. Das hätten sicherlich nicht alle gemacht. Abgesehen davon aber verlief die Tour prima. Das war die zuvor mit Dark Funeral noch schlimmer. Da ist der Tour-Manager zwischendurch mit einem Teil der Kohle abgehauen und die Busse hatten andauernd Pannen. 30 Auftritte waren geplant, wir kamen mal gerade auf elf, weil Metalysee nicht alle Bands auf der Tour finanzieren konnte. Aber egal, was dich nicht tötet, härtet ab. Und auf dem PartySan spielten wir tatsächlich den wohl schlechtesten Auftritt unserer gesamten Karriere. Das würde ich am liebsten komplett aus meinem Gedächtnis streichen, obwohl das Festival sonst Klasse hatte. Geil ist auch das Inferno in Norwegen. Wer uns für ein Festival buchen will, der kann mich direkt unter jontho@sensewave.com kontaktieren.
InterviewEtwas über OLC SINNSIR heraus zu bekommen ist nichts ganz einfach. Die Homepage läuft nicht wirklich, und auch ansonsten gehört die französische Black-Metal-Band zu den unbekannteren Größen der Musikwelt.
Die Web-Site war Scheiße, deswegen haben wir sie vom Netz genommen. Wir suchen jemanden, der sie besser macht. Egal. Unsere Weltanschauung ist viel zu negativ und zu verächtlich als etwas anderes als Black Metal zu machen. Vielleicht machen unsere Band-Mitglieder unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol manchmal "schlimme Sachen" auf Friedhöfen oder zerstören ein bisschen was - wie man es in der Black-Metal-Community so kennt Andererseits fanden wir uns 1997 zusammen, um unser "Talent" und unsere Einflüsse zu nutzen und unseren Ekel, unsere Frustration zu schildern: Schamlose Perversion durch musikalische Gewalt. Der Name OLC SINNSIR hingegen bedeutet mir nichts, es ist nur das Banner unter dem wir unseren Hass auskotzen. Klar, es gibt eine Übersetzung, aber ich habe keine Lust, sie zu sagen.
Streng genommen auch völlig wumpe, lesen kann euer Logo ja eh keiner.
Ich hatte die Idee und fragte Silmaeth von Epic und Vorkreist sie auszuführen. In der Tat war genau das die Absicht: Ein Pentagramm mit unleserlichen Buchstaben - ist doch ein schönes, esoterisches Symbol, oder? Wichtiger ist aber sowieso die Musik. Kalter, schneller, brutaler Black Metal. Atmosphärische Riffs addieren ein hypnotisches Feeling, Melancholie, Verfall und zerstörerischen Hass. Die Drums verstärken die aggressive und demente Atmosphäre. Aber wir benutzen auch Heavy-Parts, um Abwechslung hineinzubringen. Klar, wir haben viel Inspiration aus Norwegen und Schweden bezogen, uns aber darauf zu reduzieren wäre zu oberflächlich.
Wie man sich unschwer vorstellen kann, werden auch deine Texte nicht von Ringelpiez-mit-Anfassen handeln…
Abscheu, Verachtung, Hass, Verzweiflung, Übelkeit. Ich schreibe unter dem Einfluss des Negativen und der Wut. Todessehnsucht, perverse Kräfte - pure Feindschaft gegenüber der Menschheit. "Coronation Of Despair" oder "Under The Throne…:" sind gute Beispiele dafür. Heute bin ich wesentlich zynischer, aber damals war das Texten eine Art Therapie, um die Scheiße aus mir heraus zu bekommen.
Äh, ja.
Soweit es mich betrifft, mache ich mir keine Gedanken über ein Image oder über traurige Berühmtheit als Killer, Kirchenanzünder oder Verrückter. Ich folge keinem Dogma, keinen Regeln, nur die, die andere brechen. Ich mag keine Menschen, egal, ob sie Trendies sind oder Extremisten. Oder Leute, die alte Sachen immer besser finden. Metal, sei es nun Black oder Death, aber auch Doom oder Goth gehören in die Sukultur. Ich entschuldige mich bei den Romantikern, aber es ist alles nur eine Mode-Erscheinung wie der fucking Punk. Nix von Elite oder Wannabee… Ich sage das nicht, weil ich verbittert bin (obwohl ich es bin), sondern weil ich die Nase voll habe von dieser ganzen kindischen Maskerade. Ich habe mich nie bemüht, andere Menschen zu hassen. Es war die Umwelt, die mich dazu brachte. Extreme Metal ist nun mal meine Art und Weise, FUCK YOU zu sagen. Ach, und bevor die Frage kommt: Ich verachte Politik und kümmere mich auch nicht um Nazis im Black Metal. BM ist keine Flower-Power-Bewegung und so ist es logisch, dass extreme Individuen in den inneren Zirkel der extremen Künste - visuell und musikalisch - eintreten wollen.
Was ihr mit eurer CD geschafft habt. Hat’s die Arbeit denn Spaß gemacht?
Eine CD mit dieser Band aufzunehmen ist alles andere als spaßig, Alter. Ich weiß, dass ich ein paar Mal im Studio fürchterlich besoffen war. Und dass die Leute, die dort arbeiteten, extrem langweilig waren. Meiner Ansicht nach waren die Produzenten unter aller Sau für das Geld, das wir ihnen bezahlten. Hehe, sorry Andrew. Aber wir haben keine Rituale ausgeführt, wir haben keine Orgiengefeiert und Selbstmorde gab es nur beinahe.
Was für Probleme habt ihr noch so mit euren Geschäftspartnern?
Das Promo-Zeug haben sie echt ganz gut hinbekommen, wenn man die Anzahl von Interviews betrachtet. Aber wir warten noch auf ein paar andere Dinge. Ich verstehe jetzt, was das Wort Geschäft bedeutet. Metal bildet keine Ausnahme.
Was habt ihr eigentlich vor eurer ersten Scheibe gemacht.
Ein Demo, "Suffering the Work of Darkness”. Als wir das live vorgestellt haben in Paris, scheint es ganz gut angekommen zu sein. Großartig Erfolg werden wir sicherlich nicht haben, es ist halt rauer BM. Aber einige Zuschauer haben gesagt, sie waren beeindruckt und berührt. Das ist okay, weil wir genau das machen, was wir wollen. Und da wir keine echte Beziehung mehr zu unseren Promotern haben,weiß ich auch nichts über die Verkäufe der aktuellen CD, Ich habe gehört, die Scheibe läuft gut, aber letztlich ist das egal.
Tour auch egal?
Naja, es wird immer schwerer, einen Ort zum Spielen in der Nähe von Paris zu finden. Mit unserem Drummer zusammen habe ich eine andere Bandund er wiederum hat mit Askharon noch eine Death-Metal-Band am Start. Beide spielen häufig im Ausland,, da ist es schwer, etwas zu planen.
Wenigstens Festivals?
Eigentlich mag ich Festivals nicht so sehr. Menschen, überall Menschen. Aber auf so einer riesigen Bühne wie Wacken zu spielen wäre sicherlich eine interessante Erfahrung.
Und was macht ihr sonst für Erfahrungen?
Hobbies sind begrenzt auf schreiben, lesen, trinken, proben. Und ich arbeite in einer großen Firma, um genug Geld zu haben, um das zu machen, was ich will. Aber das ist Scheiße. Ich denke, das sehen die anderen ähnlich. Die einzig spannenden Sachen sind kreativ zu sein, ficken und Körper und Geist mit Drogen und Alkohol zu zerstören. Nichts besonders Originelles für Black-Metal-Legions.
Paris ist für viele Urlauber die Stadt der Liebe….
Hör bloß auf. Wir wohnen alle in den südlichen Vororten. Eine maßlos depressive Gegend. Und Metal-Leute gibt es nur ein ganz paar. Man kennt sich innerhalb der Bands, wir haben Kontakt zu Samothrace und Wargasm.
Ich nehme mal an, Frankreich insgesamt gefällt dir auch nicht besonders.
Doch schon. Es gab große Literaten, Philosophen und Artisten. Der Rest ist Scheiße.ungebildet, die Regierung wird von Losern besetzt. Das ist auch der Grund, warum Gesetze absurd und irrational sind.
InterviewStell er uns doch die Band mal vor.
Ich teile die Vergangenheit MANATARKs im Grunde gerne in drei Perioden. Erstens ist da die Zeit des Demos "Roosteitk” (1998). Eigentlich war die Band a mein Solo-Projekt. Aber nachdem das Demo dann erschienen war, standen mir ein paar Freunde bei und Periode zwei wurde eingeläutet. Wir tourten über ein paar Jahre, gaben Konzerte –mit einer beschissenen PC-Drum-Maschine. Schlimm, aber immerhin die erste Möglichkeit, uns live zu sehen. Und tatsächlich mochten das ein paar Leute, was uns wiederum die Möglichkeit gab, unsere erste CD "Viimanegi Veri" aufzunehmen. Sie erschien 2000 mehr oder weniger über einen Freund, erhielt aber nie die notwendige Promotion. Aber wenigstens war die Scheibe der Startschuss für Periode drei. Wir fanden einen lebendigen Drummer und gaben echte Konzerte. Wir supporteten viele Bands und spielten sogar beim Inferno Festival 2002 in Oslo. Und "Chaos Engine” ist das Hier und Jetzt. Wir sind "ready for the assault”!
Stell doch deine Mitsreiter auch eben noch vor - und was sie sonst noch machen.
Okay, die Bandmembers mit ihren Side-Projects - und das sind einige, deswegen kriegst du’s in Stichpunkten:
Draconic (Kantor Voy - progressive ambient metal / vocals, Tharaphita - pagan heavy metal / guitarsynth),
Gates (Loits - militant black metal / guitar, Hellroad Orange - highenergy rock / guitar + various projects)
Benton (Tharaphita / guitar, Hellroad Orange / guitar, Winter Night Overture - oldschool black metal / bass, Dawn of Gehenna - melodic doom metal / guitar),
Suss (Must Missa - raw black metal / drums + various tribute bands)
Wenn er uns jetzt noch sagen könnte, was MANATARK eigentlich bedeutet?
"Manatark” besteht aus zwei Teilen. "Tark” bedeutet soviel wie "weise” und war auch der traditionelle Begriff für unsere heidnischen Vorfahren, so was wie Schamanen. Davon gab es hier viele mit vielen verschiedenen Fähigkeiten. Die Herkunft des Wortes "Mana" ist nicht wirklich geklärt. "Manala" war ein Begriff der finnisch-ugrischen Mythologie, bedeutete "Tod" oder ist vergleichbar mit "Hel" im skandinavischen. Zusammengefasst beschreibt MANATARK also den weisen, von allen respektierten Mann, der sein Wissen und seine Kraft aus dem Reich der Toten bekommt.
Und was macht MANATARK aus?
"Blackened Extreme Metal!" Ich beschreibe es immer also gesunde Mischung zwischen Black- und Death-Metal mit psychedelischen Passagen. Manchmal erinnern mich diese experimentellen Phasen an krachigen Indie-Rock. Ich möchte es auf eine Art so verrückt und unvorhersehbar machen wie nur möglich. Die Synths sorgen für gespenstische Atmosphäre –letztlich soll es aber natürlich aggressiver Metal sein.
Ich hätte es - wesentlich unspektakulärer - als Old-School Black Metal in norwegischer Traditon plus Keyboard bezeichnet.
Ich bin mir nicht sicher. Klar, Enslaved haben immer was Elektronisches benutzt - und dabei guten Geschmack bewiesen. Damit könnte ich Leben. Aber an sich ist ein Keyboard ein sanftes Instrument und MANATARK sollen nichts Sanftes sein. Ich habe auch keine Ahnung, wer oder wo die alte norwegische Schule heute ist, aber wenn du damit die erste Releases von Enslaved oder Satyricon meinst, dann ist das natürlich mehr als okay. Das sind definitiv gehörige Einflüsse. Die allererste Phase oder die späten Neunziger hingegen sind nicht so mein Ding.
Wohl aber die MANATARK-Texte. Worum dreht es sich?
"Chaos Engine” ist schon so etwas wie ein Konzept-Album. Der vergammelte auf dem Cover stellt so was wie das Bindeglied dar. Eden., Hercules, Troja, alle hatten was mit Äpfeln am Hut. Es ist ein Symbolfür Jugend und Kraft, die verbotene Frucht von Gut und Böse. Auf "Chaos Engine" benutzen wir es als Symbol der Aufstiegs der Menschheit, der uns inzwischen zum "Gott spielen" verleitet. Ein Biss in den Apfel bedeutet den Schritt in die Hölle, das Vergehen im Nichts. Dann gibt es da noch so was wie die "Berserker-Attitude". Wir beobachten wie sich die Menschheit selber zerstört, wie sich gegenseitig die Kehlen durchschneiden.
MANATARK kommen aus Estland. Viele werden das Land nicht kennen, geschweige denn irgendwelche Bands kennen. Wie ist es denn um Metal im Baltikum bestellt?
Nach der extremen großen Popularität in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern ist es jetzt zwei Schritte zurückgegangen. Zuerst verschwanden die meisten Bands von der Bildfläche Mitte der 90er - oder sie orientierten sich neu. Dann erstand die Szene auf, die meisten Bands spielten Black Metal. Als sich dieser Trend totlief, nahm er fast die gesamte Szene mit. 2001 begannen wir mit einem lokalen Klub, Metal in Estland zu revitalisieren. Mehr und mehr Gruppen entstanden und heute kann man wirklich sagen, dass es einige wirklich gute gibt. Natürlich ist das Geld hier ein großes Problem, aber inzwischen gibt es im ganzen Land Proberäume mit gutem Equipment. Das größte Festival hierzulande zieht zwar nur gut 1000 Zuschauer, aber es ist immerhin ein Anfang. Das Schönste ist eigentlich, dass die Szene hier aus Leuten besteht, die auch wirklich hierher gehören, keine Arschlöcher oder Möchte-Gerns.
Und wie lebt es sich so in Estland? Nach der Abspaltung von Russland ist es doch sicherlich ziemlich spannend, so einen Neuaufbau mit all seinen Problemen und Chancen mitzuerleben.
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Entschuldige die lange Antwort, aber da hast du mich getroffen. Estland liegt an der baltischen See südlich von Finnland und östlich von Schweden. Östlich von Estland wiederum liegt Russland, südlich von Estland befinden sich die beiden anderen baltischen Staaten Lettland und Litauen. Dieser Blick auf die Karte lässt schnell klar werden, wie wichtig unser Land ist - wegen des See-Zugangs vor allem für die Russen. Und so ist es kein Wunder, dass unser Land beinahe 1000 Jahre Aggression ertragen muss. Vor dem, Zweiten Weltkrieg teilten Finnland und Estland ihr Schicksal, ständig unter fremder Herrschaft zu leben, sei es Deutschland, Schweden, Russland oder sonst wer. Nach dem Krieg war Estland von Russland besetzt, die Entwicklung stand für mindestens 40 Jahre still. Und das hat toefe Narben hinterlassen. Auch, wenn wir in den vergangenen zwölf Jahren viel geschafft haben, so bleibt noch viel zu tun, um den Rückstand in Ökonomie und Infrastruktur aufzuholen. Aber wir geben nicht auf, und der Unterschied wird von Jahr zu Jahr kleiner werden. Es mag lächerlich klingen, aber die meisten sozialen Probleme haben den Grund, dass wir in der letzten Dekade alles neu aufgebaut haben. Kannst du dir vorstellen, dass wir vor nicht einmal zehn Jahren Brot nur auf Lebensmittelscheine bekommen haben. Und dass Leute regelrecht verhungert sind? Und heutzutage sehen die estnischen Städte aus wie jede andere in Nordeuropa, sauberer und mit weniger Werbung. Der Fortschritt ist wirklich enorm. Ein Problem sind die so genannten "Nicht-Bürger". Ich erklär’s: Von 1939 bis 1953 deportierte die Sowjetunion 100.000 Esten, meistens kulturelle Führer oder zumindest Intellektuelle, nach Sibirien. Und brachte im Gegenzug doppelt so viele, kaum gebildete Industrie-Arbeiter ins Land. Sie erlernten kaum unsere Heimatsprache, wollen jetzt aber unbedingt Esten werden, obwohl sie die Sprache immer noch nicht können. Nun ist das sicherlich nicht gerade das klassische Schema eines Genozids, aber sollen wir das akzeptieren? Naja, es gibt aber hierzulande auch schöne Sachen. Estland gehört zu den Ländern mit wunderschönen Hansestädten, die jede Menge klassische oder mittelalterliche Architektur zu bieten haben. Dann haben die olympischen Spiele auch ihre Spuren hinterlassen. Es gibt haufenweise sportliche Einrichtungen und für Touristen außerdem jede Menge an Erinnerungen zu sehen. In Zukunft wird ein Schwerpunkt sicherlich auf der Forschung und im IT-Bereich liegen. Außerdem gibt es natürlich eindrucksvolle Landschaften, riesige Wälder, echte Edelsteine und natürlich geile Pubs, um Bier zu trinken. Ich habe lange in einem grauen Vorort Tallinns gewohnt, ziemlich bedrückend. Aber jetzt hab ich ein kleines Häuschen und kann vom Stress in der Großstadt entspannen. Das Tentrum Tallinns ist wirklich schön, wird immer besser und - es gibt sogar einige gute Metal-Bars, wo du einen Drink nehmen kannst und Slayer in voller Lautstärke hörst. Die kleinen Freuden des Lebens eben.
Wie lautet denn jetzt dein Fazit zur Öffnung des eisernen Vorhangs.
Auf jeden Fall bedeutete die Öffnung Unabhängigkeit für Estland und das Ende der Okkupation. Allerdings ging die zerbrechliche Wirtschaft vollends vor die Hunde und alles (Regierungs-Strukturen, Militär, Legislative, Privates) musste neu organisiert werden. Und wir mussten Vieles von der Pieke auf lernen. Aber: Keine Angst, kein Nutzen. Es sind wirklich harte Zeiten, aber die Mehrheit ist glücklich, dass diese Entwicklung ohne jegliches Blutvergießen passiert ist. Jetzt haben wir funktionierendes kleines Land. Klar, auch meine Familie musste leiden, mein Mutter verlor ihren Job als Artistin, mein Vater ist Elektriker und muss seine Firma von ganz unten wieder aufbauen, alles, was ihm geblieben war, war ein Schraubenzieher.
Meine Großväter waren beide in russischer Gefangenschaft. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Und wie siehst du inzwischen die Beziehungen zwischen Ost und West?
Meine Familie hatte in dieser Beziehung extremes Glück. Einer meiner Opas, der eigentlich deportiert werden sollte, hat seine Identität verschleiern können und kam nicht unter Arrest. Aber mehr als Hälfte aller Familien in Estland verloren ein oder mehrere Familienmitglieder. Heutzutage versuscht Estland meiner Meinung nach viel, um eine gute Beziehung zu Russland aufzubauen. Nur der "große Bruder" scheint etwas dagegen zu haben. Allein die diplomatische Höflichkeit lässt mehr als zu wünschen übrig. So rücken die Russen die Präsidenten-Halskette, unser Symbol für Freiheit nicht heraus, sondern halten sie in "Geiselhaft". Auch bei den Doppelsteuern tut sich nach Estlands EU-Beitritt nichts. Außerdem klagen die Russen Estland ständig bei internationalen Organisationen zum Schutz der Menschenrechte an. Nur finden die zumindest in Estland nichts. Eins ist jedenfalls kalt, nach 1000 Jahren voller schlechter Erfahrungen: Das ist eine Lektion, die wir nie vergessen werden.
Kommen wir zurück zur Musik. Gibt es Probleme mit Nazi-Black-Metallern?
Ich glaube nicht, dass wir bands haben, die das dritte Reich glorifizieren oder von den tollen Seiten des Nationalsozialismus schwärmen. Es gibt allerdings eine Band, die sich offen anti-semitisch gibt und eine, die Esten feiert, die gegen die Russen gekämpft haben. Und die waren nun mal auf Seiten der Waffen-SS. Die Dinge liegen hier halt ein wenig anders. Der zweite Weltkrieg hatte einige heroische Momente für die Esten. Zum Beispiel die Schlacht von Narva, wo sich eine Handvoll Esten gegen eine russische Übermacht behauptete und so tausenden Leute die Flucht ermöglichte. Was ich damit sagen will: Hier gibt es keine Entwicklung vom normalen zum NSBM. Und das finde ich sehr gut.
Und wann sieht man MANATARK mal auf hiesigen Bühnen?
Wir haben überhaupt noch keine überregionalen Tourneen absolviert. Aber Lust hätten wir natürlich schon. An uns soll es nicht liegen.
Liegt’s auch nicht, denn wie seit 19. März feststeht, begleiten die Esten Mayhem auf ihrer Tour.
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