Dem ein oder anderen mögen die Kopenhagener SUPERCHARGER schon untergekommen sein. Dass sie mit ihrem Erstling „Handgrenade Blues“ bei den Danish Metal Awards 2010 den Preis für das beste Debüt-Album des Jahres gewonnen haben, hat hier wohl niemand mitbekommen, aber sie waren auch schon im Vorprogramm ihrer Landsmänner D-A-D wie auch von NASHVILLE PUSSY und MUSTASCH auf nordeuropäischen Bühnen unterwegs. Mit „That’s How We Roll“ steht jetzt der Nachfolger in den Läden, und entsprechend des doch ziemlich platten Albumtitels geben sich auch die Songs größte Mühe, alle Klischees breitbeinigen Männer-Rocks zu erfüllen. Aber immerhin machen die Jungs ihre Sache gut: Stücke wie der Opener „Heart On Overdrive“, „That’s How I Roll“ oder „Aim High“ kicken ordentlich und sind schon nach kurzer Zeit bestens mitgrölbar. Wird der Großteil des Materials durch Blues-inspirierten, rotzig gespielten Hardrock bestimmt, baut die Band aber auch immer wieder Country-Elemente wie Slide-Gitarren oder Mundharmonika ein. In „Are You Satisfied“ und „Redemption Song“ wird dann auch das Tempo etwas herausgenommen, und beinhae folkige Züge kommen zum Tragen. In den beiden akustischen Songs „Mrs. Ferguson“ und „Sunrise Over Reeperbahn“ ist der Country-Anteil schließlich sogar dominierend. Alles in allem bieten SUPERCHARGER auf „That’s How We Roll“ zwar nichts Weltbewegendes, und im Grunde hat man das alles schon mal irgendwo gehört. Dafür liefern sie aber ein solides und vielfältiges Schweinerock-Album ab, das jede Menge Energie und Spielfreude rüberbringt.
KRYPTERIA hatten zuletzt vor allem Schlagzeilen wegen Labelstreitereien gemacht. Lösung? Ein eigenes Label. Das hört auf den Namen Liberation Music und zeichnet nun auch für die Veröffentlichung des vierten Longplayers „All Beauty Must Die“ der 2003 in Aachen gegründeten Band verantwortlich. Anfangs, also 2003 noch als Musical Projekt aufgestellt, setzt man seit 2005 und der Hinzunahme der koreanisch-stämmigen Sängerin Ji-In Cho auf symphonischen Metal. Ein Prozess der noch nicht vollständig abgeschlossen zu sein scheint. Denn Anno 2011 geben sich KRYPTERIA ruppiger und härter als auf den Vorgängeralben. Der offensichtliche Schmuseton wird weitaus seltener als früher eingesetzt, man ist nicht mehr zwangläufig eingängig. Bereits der druckvolle und mit gehörig Tempo nach vorne gehende Opener „Messiah“ lässt KYPTERIA trotz bekannter Chöre ein ganzes Stück heavier als früher erscheinen. Auch die Abrechnung mit dem Musik-Biz „Thanks For Nothing“ schlägt mit seinem starken Double-Bass und noch mehr Tempo (samt Gitarrensolo) in die Heavy Power Kerbe. Das mit laut-leise Dynamik spielende „As I Slowly Bleed“ und das hymnische „Victoria“ (ein typischer KRYPTERIA-Song welcher durch ein Duett zwischen Ji-In und DORO Pesch aufgewertet wird) kommen als Ohrwürmer und erfüllen die Erwartungen. Das als Epos gepriesene elfminütige „The Eye Collector“ (nach dem Thriller „Der Augensammler“ von Sebastian Fitzek) glänzt zwar mit Vocals von allen Bandmitgliedern und reichlich Abwechslung, hat aber leichte Längen und kann trotz düsterer Atmosphäre und eingeflochtene Klassikparts nicht bis ins letzte Detail überzeugen – da wäre mehr drinnen gewesen. So muss man sagen das „All Beauty Must Die“ nach starkem Anfang im zweiten Teil doch noch etwas die Luft ausgeht. Trotzdem haben KRYPTERIA ein neues Album abgeliefert, dass all jenen Genrefreunden für welche das Wort Mainstream nicht ausschließlich negativ besetzt ist gut gefallen dürfte.
Für Fans sicher lohnend die 3 Bonustracks des Digi-Packs. Mit „Get The Hell Out Of My Way” vom noch Musical-beeinflussten Debüt wurde einer der Live-Klassiker neu und rockiger eingespielt, die Hitsingle „Liberatio” (war mal Platz 3 in den Charts) kommt als Pianoversion und „Come Hell Or High Water” (basierend auf dem Marsch „Pomp And Circumstance”, bekannt aus unzähligen Filmen) mixt Oper mit Rock und fetten Chören (an den Grenzen zum Kitsch).
AMORPHIS-Musiker und ihre Nebenprojekte. CHAOSBREED war das Kind von Esa Holopainen, verlief sich aber schon vor Jahren im Sande. Tomi Joutsen hat sich mit CORPSE MOLESTER CULT seine eigene Truppe zusammengesucht, um auf seine Weise dem guten alten Death Metal zu frönen. Mit Mikko Nevanlahti (CATAMENIA) ist ein weiterer Musiker mit Rang und Namen dabei, während der Rest bisher nicht groß in Erscheinung trat. Macht aber nix, das Ergebnis in Form der ersten EP weiß zu gefallen. Wichtig ist dabei noch die Information, dass Mr. Joutsen nicht am Mikro zu finden ist, sondern sich auf die Gitarre besonnen hat und sich da locker klassische ENTOMBED/ DISMEMBER-Riffs aus dem Ärmel schüttelt. Schön groovend geht es durch die gute Viertelstunde, die nicht nur an selige Stockholmer Zeiten erinnert, sondern mit Klavierintro und einigen Gitarrenspielereien kleine Feinheiten in den Sound einbringt, ohne dass die Hommage dadurch beeinträchtigt wird. Am Mikro findet sich ein stimmlich passender Kerl, der in den Growl-Parts immer wieder an Tomi Joutsen erinnert (ebenso an Mr. Petrov), der eben so fähig ist wie seine Bandkollegen. Die Produktin ist entsprechend old schoolig ausgefallen, alles andere wäre aber auch ein Verbrechen. Mit dieser EP weiß der AMORPHIS-Ableger zu überzeugen und wird Schwedenfreunde in Verzückung versetzen. Bleibt zu hoffen, dass die Bande länger aktiv ist als damals CHAOSBREED. Oder gar Esa zu einer Reunion animiert…
LENTO ist eine jener italienischen Bands, die klarstellen, dass jenseits des Brenners mehr als nur schlechter Power Metal gespielt wird. Auf „Icon“ zelebrieren die ohne Sänger agierenden Herren einen verstörenden Postcore-Stil, sich von OMEGA MASSIF wie MESHUGGHA beeinflusst zeigt. Langsame, schwere Parts wechseln sich ab mit Blast-Attacken, die gnadenlos alles aus dem Weg räumen. LENTO verstehen es dabei, beide Seiten ihres Sounds gleichberechtigt miteinander agieren zu lassen; zu keiner Zeit wirkt der Übergang von langsamen zu schnellem Part disharmonisch oder aufgesetzt, was für das Songwriting spricht, genau wie Tatsache, dass „Icon“ trotz aller stilistischen Limitierung und gewollter Monotonie nicht ermüdet. LENTO reißen quasi immer wieder gerade erst aufgebaute Soundwände ein, womit sie dich von anderen Postcore-Bands unterscheiden, das macht „Icon“ zu einer stimmungsvollen, verstörenden Platte. Also ein Muss für Denovali Records-Fans.
Nachdem die Herren in der finnischen Heimat bereits mächtig abgeräumt haben (neben unzähligen Auftritten auf großen Festivals kann die Band den finnischen Grammy Award als bestes Rock Album des Jahres 2006 ihr eigen nennen), machen sich die VON HERTZEN BROTHERS nun daran, auch im teutonischen Einflussgebiet Fuß zu fassen. Den musikalischen Output der drei Brüder und ihrer Mitstreiter auch nur ansatzweise zufriedenstellend in Worte zu fassen ist nicht einfach, werden hier doch die verschiedensten Einflüsse bunt gemischt. Da finden sich ziemlich abgefahrene Kompositionen en Masse, was daneben als wohl markantestes Markenzeichen hervortritt, ist der harmonische, mehrstimmige Gesang. Was ebenfalls positiv auffällt ist die Abwesenheit endlos in die Länge gezogener Instrumentalsoli. Zu Werke gegangen wird mal ganz ruhig und spherisch, wie bei „Down By The Sea“, mal orientalisch angehaucht wie bei „Angel´s Eyes“, dann wieder überwiegen unüberhörbar Folkeinflüsse , wie mein hübschen, flott und gutgelaunt daherkommenden „Always Been Right“. Der Anfang von „I Believe“ wiederum könnte auch ohne weiteres von QUEEN stammen, „Gloria“ dagegen ruft stellenweise Erinnerungen an MUSE wach. Was das Quintett da anstellt ist durchweg recht komplex und erschließt sich nicht unbedingt immer gleich aufs erste Hören, wer sich aber die Mühe macht, „Stars Aligned“ mit Ruhe und Muße anzuhören, wird feststellen, welch begnadete Musiker hier am Werk sind.
PROTEST THE HERO sind verrückt, anders sind ihre bisherigen musikalischen Ergebnisse nicht zu erklären. Dabei aber eher megalomanisch als alles andere, immerhin haben die Jungs schon zugegeben, dass ihre ersten Songs ihre damaligen Fähigkeiten überstiegen, sie aber so lange übten und spielten, bis sie die Sachen drauf hatten. „Scurrilouos“ ist ihr neuer Streich, der sich im ersten Moment ähnlich verworren anhört wie der Vorgänger, aber nach und nach zeigt, dass Eingängigkeit eine wichtigere Rolle beim Schreiben der Song gespielt hat („Moonlight“). PROTEST THE HERO verstehen es natürlich immer noch, progressives Gefrickel mit SYSTEM OF A DOWN-mäßigen Verrücktheiten zu mischen und auch Mathcore und Poppigkeit nicht zu kurz kommen zu lassen. Klingt, wie bei so vielen ähnlich gelagerten Bands, wirr, funktioniert aber bestens (anders als bei vielen anderen). Das liegt bei „Scurrilous“ auch mit daran, dass Shouter Rody diesmal für die Texte verantwortlich war, die Gesangslinien also noch besser auf seinen Stil abstimmen konnte und auch öfter cleane, getragene Parts singt, die einen Kontrast zum Gefrickel seiner Bandkollegen setzen („Dunsel“). Das alles führt dazu, dass „Scurrilous“ ein verdammt cooles Album geworden ist, mit dem sich PROTEST THE HERO zwar näher an den Mainstream wagen, aber gleichzeitig noch viel zu verrückt klingen, um von dem akzeptiert zu werden. Wer auf komplexe Musik mit einem leicht genial-verrückten Touch abfährt, ist hier genau richtig, ebenso aufgeschlossene Fans von SYSTEM OF A DOWN. „Scurrilous“ fesselt jeden, der sich darauf einlassen kann, für sehr lange Zeit. Und genau das muss komplexe Musik schaffen, oder nicht?
Die polnische Sängerin Nera, ansonsten bei DARZAMAT in Diensten, kommt die Tage mit ihrem Solo-Debüt „Foresting Wounds“ um die Ecke. Pflegt ihre Hauptband eine Mixtur aus Dark und Black Metal, so scheint es unter dem Namen NERANATURE eher gen Gothic Rock mit Alternative und Indie Anleihen zu gehen. Der Bandname, an sich eine Verbindung zwischen dem Rufnamen der Sängerin (NERA) und ihrer Verbundenheit zur Natur (NATURE) darf man getrost wohl auch als Annäherung an die „wahre“ Natur von Nera sehen. Vorab zeigt die Single „Shattered“ dass Nera es in die ruhigen Gefilden des Rock zu ziehen scheint, wobei Nera’s klare, starke Stimme durchaus im Vordergrund steht. Musikalisch ist das schön, aber wenig aufregend. Auch für DARZAMT Mastermind Chris, hier für Melodie und Musik zuständig, scheint dies ein andersgeartete Spielwiese zu sein. Ob damit der durchaus reichlichen, oft langgedienten Konkurrenz (u.a. von LEAVES’ EYES über MIDNATTSOL bis XANDRIA) auch außerhalb der polnischen Heimat Paroli geboten werden kann, wird wohl erst das Album zeigen. Neben dem Song „Shattered“ gibt es als B-Side das GARBAGE-Cover „The World Is Not Enough“ was sich nicht allzu weit vom Original entfernt, stimmlich etwas gefühlbetonter daherkommt und ebenfalls auf dem späteren Longplayer vertreten sein wird. Netter Appetizer – mehr aber auch nicht. Warten wir mal auf’s Album.