Wenn Rogga Johansson und Paul Speckmann mit einem neuen Album um die Ecke kommen, dann sollte allen Hörern bewusst sein, hier keinen Schmuserock vorfinden zu können. Auf dem fünften Album frönen die zwei Herren natürlich wieder dem Death Metal. Die Beiden können halt nichts Anderes, und besonders Rogga ist ja für seine Fließbandarbeit bekannt. Ob das noch Spaß machen kann, dies soll er selber beurteilen. Für mich sollte Death Metal kein Nine-to-five-Job sein. Das erinnert mich zu sehr an Schichtarbeit in einer Fabrikhalle, aber das soll Roggas Problem sein.
Der schnelle Death Metal der Kapelle wird definitiv keinen Preis für Innovation verliehen bekommen. Zu vorhersehbar sind die Riffs, zu austauschbar die Blastbeats, und Speckmanns Stimme war auch schon mal kraftvoller. Klar, die Mischung aus altbackenem Death, wenigen Schwedensounds und vorhersehbaren Melodien wird bei Fans der alten Schule bestimmt gut ankommen. Es wird ja im Endeffekt auch nichts falsch gemacht, aber man hat das alles definitiv schon zu oft gehört. Es gibt keine Überraschungen und leider auch keine echten Hinhörer, die mal im Ohr hängen bleiben. Hier wird der Death Metal nicht gelebt, nein, er wird abgearbeitet. Und das kann ich als Fan dieser Musikrichtung einfach nicht für gut befinden.
Freunde des Old Schools können gerne mal ein Ohr riskieren, aber mir ist diese Dröhnung einfach zu Fade und wird in den vielen Veröffentlichungen der beiden Herren bald untergehen. Schade, aber weniger ist manchmal dann doch mehr.
„Sind Menschen schlecht“ fragen HERBSTSCHATTEN auf ihrem neuen Album „Abschaum“. Die Antwort scheint „ja“ zu lauten – und sowieso ist Black Metal ja nicht gerade dafür bekannt, von der Gutmütigkeit des Homo Sapiens zu künden. Nach dem Abgang von Hendrik (der als Gast aber noch in einigen Parts dabei ist) reduzierten HERBSTSCHATTEN die skandinavischen Einflüsse, dafür wollen die Hamburger jetzt brachialer und progressiver zugleich sein – und selbst orchestrale Instrumente und Synthesizer bleiben nicht außen vor. Die besten Momente aber hat der „Abschaum“, wenn er dreckig und kantig bleibt, weil die Band dabei nicht hohl herum fuhrwerkt, sondern episch agiert: „Der Kutscher“ ist dafür ein sehr gutes und abwechslungsreiches Beispiel. Oder das folgende „Sonnenuntergang“: Wunderschön, wie der Song richtig schön hasenfickerig durch die norddeutsche Kälte galoppelt. Hmm, da gibt es fein auffe Fresse. Aber auch Ausflüge ins eher bombastischere, modernere Metier („Flammen Der Schuld“) überzeugen, weil sich HERBSTSCHATTEN rechtzeitig die Kante geben, also ihrer Musik. Die „Gletscherbestie“ kommt – und das ist entweder ein bisschen lustig oder vielleicht sogar kalkuliert – mit gehöriger IMMORTAL-Attitüde daher. Wem das zu kalt ist, der findet hier und da auch wirklich postige Black Metal-Versatzteile mit ruhigeren Klängen und sauberem Gesang sowie eben auch folkig angelehnten Abschnitten. Das ist nicht immer ganz so stimmig, wie es gut ist, wenn es rummst. Aber dennoch ist die zweite Full-Length nach „Liv Og Død“ (2013) und der 2018er-EP „Bergtempel“ ein sehr ordentlicher „Neubeginn“ mit vielversprechenden Ansätzen – und auch mit deutscher Zunge frei von Fremdschämfaktor. Kein Album für Grottenolme, aber offene Schwarzmetall-Forscher sollten hier mal das Mikroskop rausholen. Menschen mögen schlecht sein – HERBSTSCHATTEN sind es keinesfalls.
Beinahe balladesk beginnt der zehnte LONEWOLF-Output – in „The Last Goodbye“ verarbeitet Bandchef Jens Börner den Abschied von seiner Mutter. Nach knapp zwei Minuten kommen die Franzosen dort an, wo sie hingehören, im guten, alten True- und Speed Metal. Und wenn der Gesang beginnt, fühlt sich der geneigte Veteran wohlig an die guten, alten GRAVE DIGGER-Zeiten zurückerinnert, als der Heavy Metal noch down breakte. Dabei hat Monsieur Börner ein verträglicheres, wärmeres Organ als Herr Boltendahl. Weitere Reminiszenzen sind nicht zu leugnen, hier RUNNING WILD, da ACCEPT, und das coole Titelstück erinnert gar an die genialen ADX und ihr „Division Blindée“ – wenngleich eher durch Betonung als musikalisch. „Underground Warriors“ ist ein echter Speedy mit coolen Twin-Melodien. Eine weitere Ehrerbietung: „Manilla Shark“ – R.I.P., Mark! Toller Song mit Mega-Refrain – ruuuuuuling. Insgesamt bleiben LONEWOLF sehr traditionell, fast wohlig warm wird das Herz und pocht ein bisschen wie damals auf der Loreley, als RUNNING WILD noch viel Respekt einflößten. Das Jubiläumswerk mit seinem von Péter Sallai kreierten, duften Klischee-Artwork (Monster, Feuer, Soldatenhorden, Schilde) hat zudem eine Mega-Überraschung parat, besser gesagt zehn. Denn das Album erscheint als 2-CD-Digipak mit dem Besten von gestern. Von „The Dark Throne“ von 1992 bis „Unholy Paradise“ schlagen die Rhone-Alpler den Bogen mit zehn neu-aufgenommenen Klassikern wie „Into The Battle We Ride“ bis „Erik The Red“. Mächtige Versionen toller Songs, aber nicht überproduziert. Und so bekommen Fans zwei CDs zum Preis von einer – ein Feuerwerk teutonischen Heavy Metals aus Frankreich. 20 Songs mit viel Energie, schneidigen Riffs und emotionalen Soli – und vor Allem jeder Menge stimmiger Lines – merci mon capitaine „Hook“. Aber Achtung – nur für Allemagne-Anachronisten!
Dem erstmaligen Hören eines Songs/Albums, am besten bei seiner Premiere und dem anschließenden Sog, sofern er/es gefiel, haftet ein unwiederholbarer Zauber an. Das kann man meiner Ansicht nach nicht durch erneutes Veröffentlichen und vermeintliche Optimierung der Originalbänder toppen. Gleichwohl können ein neuer Mix und eine Aufbereitung sinnvoll sein. Es gibt Hörer, die nicht alles von einem Künstler haben oder eben eine schöne Verdichtung seiner Kunst in zeitgemäßerem und neuem Soundgewand zu würdigen wissen.
JOHN LENNONs "Gimme Some Truth. The Ultimate Mixes." setzt hier an. Das Doppelalbum ist eine stimmige Zusammenfassung und Bearbeitung seines Werkes durch den mit seiner Kunst vertrauten oder schon zu Lebzeiten mit ihm musizierenden Partnern. Es sind alle Highlights, die chronologisch, nach dem Erscheinungsjahr der dazugehörigen Alben geordneten sind, enthalten. Es wurde darauf Wert gelegt, Lennons Vocals direkter ins Zentrum der Songs zu platzieren, die Stimme, die untrennbar seine Anliegen und politisches Ansinnen mit seinen feinen Melodien verband. Der enthaltene Mix wirkt überdies etwas klarer; daneben sind die Bässe zumindest parziell präsenter als gewohnt, was den Nummern mehr Körper gibt und gefällt.
Die ganze Aufmachung des vorliegenden Albums ist umfänglich und eingehend. So gibt es neben den über 2 Stunden Musik mit 36 Titeln auch einen aufklappbaren Digipak, der zusätzlich in einem externen Schuber steckt. Hinzu kommt ein reichhaltig bebildertes Booklett und, ungewöhnlich für eine CD, zusätzlich ein beidseitig bedrucktes Poster. Das hebt die Veröffentlichung inklusive dem neuen Mix der Songs zu vergleichbaren "Best Of"-Werken von JOHN LENNON ab.
Veröffentlicht wird das Album am 09.10.2020, seinem eigentlich 80. Geburtstag, in mehreren Variationen (CD/CD2/LP2/LP4/Boxset) mit weiteren Gimmicks und bei dem Deluxe Edition Boxset gar mit einem 124 Seiten starken Buch.
Auch wenn ich ungewohnter Weise hier mal den Promo-Zettel zitiere – die Aussagen von ALICE COOPER („I love Slade..They wrote the catchiest songs around.”) und dem guten alten OZZY („Noddy Holder’s got one of the greatest voices in rock ever.”) kann man durchaus nur zustimmen. SLADE waren in den 70ern eine Hitmaschine, zwischen 1971 und 1976 veröffentlichte man 17 aufeinanderfolgende Singles, die alle die Top 20 der UK-Charts erreichten – und dies trotz hart rockender Songs und rau-aggressiver Stimme. Denn SLADE waren für damalige Verhältnisse ungewohnt roh und wild – nicht nur was ihr „unmögliches“ Outfit betraf, sondern insbesondere ihre flotten Songs hatten die ersten Anzeichen jener aggressiven Stimmung die später in den Punkrock münden sollte. Zuvor waren sie die Vorbilder des 70er-Glam – von KISS bis SWEET. Die unter Rockern bekannten Übernummern „Mama Weer All Crazee Now“ und „Cum On Feel The Noize“ seien nur mal als Beispiele genannt. Viele ihrer Songs wurden erfolgreich gecovert und zeigen das, was gute Songs ausmacht – auch in anderem Soundgewandte funktionieren sie. Evergreens wie die Balladen „Far Far Away“ und „My Oh My” oder den Weihnachtsklassiker „Merry Xmas Everybody“ dürfen da auch nicht fehlen. Nach ihrem Comeback Anfang der 80er erlebten SLADE ihren zweiten Frühling. Meinereiner reagiert bei Songs wie „Run Runaway“, „Myzsterious Mizster Jones“ oder auch „That's What Friends Are For“ mit leichtem Wehmut und einem Lächeln „was denn damals in den 80ern auch so angesagt war“.
„Cum On Feel The Hitz“ ist aber natürlich nicht die „erste“ Best-Of-Compilation, die es von SLADE gibt – sondern „nur“ eine „weitere“ unter vielen. Wer dem 70er-Sound der Rock- und Glam-Urgesteine also was abgewinnen kann und davon noch nichts Essentielles im Schrank hat, der ist mit diesem Doppeldecker gut bedient.
Dieses Live-Album haben der Gitarrist und Sänger der STRAY CATS, Brian Setzer, Bassist Lee Rocker und Schlagzeuger Slim Jim Phantom und damit die Gründungsmitglieder produziert und Vance Powell (auch Jack White, ARCTIC MONKEYS) gemischt. Auf die verschieden editierten Medien gefriemelt sind die größten Hits sowie mehrere Songs von „40“ ("Cat Fight (Over A Dog Like Me)"), "Rock It Off", "When Nothing's Going Right"), dem ersten neuen Album der Bande seit 26 Jahren. Soweit die Fakten. Natürlich ist auch sonst alles drauf, alles dran – 22 Songs in der vorliegenden CD-Digi-Version, auf der Doppel-LP-Edition scheinen es mit „My One Desire“ sogar 23 zu sein. Ferner die bekannten Hits wie "Stray Cat Strut", „Rumble In Brighton", "Runaway Boys", "Rock This Town" und das alles überragende Dick-Dale-Pulp-Fiction-Superwerk „Misirlou". Klingt alles prima, hat Power, bringt studioabweichende Jams und Soli und ein paar Ansagen sowie eingespielten Jubel. Das Album bildet aber keinen einzelnen Gig ab, sondern ist ein Zusammenschnitt. Und so klingt es auch: Wie eine Best-Of. Eine gute zweifelsohne. Aber es ist kein Live-Album wie aus einem Guss, es gibt keine richtigen Fehler, keinen Schweiss, keine Tränen, kein Blut. Zu wenig Gefühl eben. Und zu klinische Atmosphäre. Was eben so gar nicht zu einer Band der Marke STRAY CATS passt. Das ändert natürlich nichts an der Klasse der Songs, an der Fertigkeit der Band und der Qualität der Konzerte. Die Songs:
1. Cat Fight (Over A Dog Like Me)
2. Runaway Boys
3. Too Hip Gotta Go
4. Double Talkin' Baby
5. Three Time's A Charm
6. Stray Cat Strut
7. Mean Pickin' Mama
8. Gene & Eddie
9. Cry Baby
10. I Won't Stand In Your Way
11. Cannonball Rag
12. Misirlou
13. When Nothing's Going Right
14. (She's) Sexy + 17
15. Bring It Back Again
16. Blast Off
17. Lust 'n' Love
18. Fishnet Stockings
19. Rock This Town
20. Rock It Off
21. Built For Speed
22. Rumble In Brighton
Rocked This Town: From LA To London
Band:
Genre:Nicht angegeben Tracks:22 oder 23 Länge:77:49 () Label: Vertrieb:
Wer nach 32 Jahren noch nicht müde ist und bei jedem Album frischen Wind in die deutsche Musikszene bringt und dabei seinen Bekanntheitsgrad immer weiter steigern konnte, der hat irgendwie alles richtig gemacht. Die Rostocker sind nach all den Jahren da angekommen, wo sie hingehören. An der Spitze der deutschsprachigen Punkrock-Bewegung! Und mit dem Album „3D“ werden sie diese Stellung mit Leichtigkeit halten und weiter ausbauen. Ich prognostiziere hiermit einen hohen Chart-Einstieg. Trotz allem Erfolg sind sich die Jungs immer treu geblieben. Intelligente Texte und musikalische Größe geben sich hier ein Stelldichein und vereinigen sich zu einem Gesamtkunstwerk.
Die Texte sind eine gesunde Mischung aus Humor, Politik, gesellschaftlicher Kritik und vertonter Wut. Besonders Letzteres kommt bei „Brennt Alles Nieder“ sehr deutlich zur Aussprache und zeigt, dass die vier Musiker auch in 2020 keine Lust haben, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Einen gelungenen Beginn beschert der Opener „Ikarus“, der durch tolle Gitarrenarbeit, eine eindringliche Gitarrenmelodie und einen genialen Refrain überzeugen kann. Dass die Stimme von Gunnar Schröder bei allen Liedern ein beständiger Genuss ist, das sollte mittlerweile eigentlich jeder mitbekommen haben. Ein musikalischer Hinhörer findet sich mit dem ungewöhnlichen „Fabelhafte Vorraussetzungen“, welches ziemlich eindeutig in die Metal-Richtung abdriftet. Geht gut ins Ohr, aber ist auch keine große Überraschung, da DRITTE WAHL niemals einen Hehl aus der Tatsache gemacht haben, auch den metallischen Tönen nicht abgeneigt zu sein.
Natürlich gibt es auch die obligatorischen, kurzen Punkrocksongs, die auch auf „3D“ nicht fehlen dürften. Songs wie „Ohne Mich“ oder „Zusammen“ werden jeden Pogo-Pit in Wallung bringen und können nur durch ruhige Intermezzi wie „Elektro Merten“ unterbrochen werden. Besonders bei diesem Lied sollte man ganz nachdenklich dem Gesang und dem Text lauschen. Schön, dass dieses Thema mal angesprochen wird, aber ich will nicht spoilern… Hört es Euch selber an und macht Euch Eure Gedanken.
Und anhören solltet Ihr „3D“ in jedem Fall. Eine richtig gute, intelligente und einfach tolle Punkrock-Scheibe, die man gehört haben sollte. Sind Euch die ONKELZ zu grenzwertig? Die HOSEN zu brav? FREI.WILD sowieso indiskutabel? Tja, dann geht einfach kein Weg an DRITTE WAHL vorbei. Tolles Album einer tollen Band!