Keine Ahnung, wie Vincent Petitjean alias Dehn Sora sowohl auf den Titel seiner neuen 7“-EP (nach den beiden Alben „Derrière-Nous, La Lumière“ – 2016 und „Plus Une Main À Mordre“ – 2017) als auch auf das Cover-Artwork kommt; vielleicht ist er mal in einen rostigen Nagel getreten und hat dieses schmerzvolle Erlebnis sogleich als epischen Über-Dreizehnminüter vertont?! Aber abgesehen vom kuriosen Titel und der (sehr hochwertigen - die Single kommt in einer aufwendigen Aufmachung nebst CD und Download-Card daher) Verpackung, bietet „Une Balle Dans Le Pied“ sehr ausladenden, progressiven Black Metal fast schon typisch französischer Prägung. Mit alten DARKTHRONE, MAYHEM und Co. hat THROANE nicht mehr viel am Hut, dafür geht es stilistisch eher in Richtung DEATHSPELL OMEGA, AOSOTH oder BLUT AUS NORD. „Une Balle Dans Le Pied“ ist garantiert nichts für Allessammler, bleibt auch nach zahlreichen Durchläufen eine sehr gute, jedoch eher sperrige Angelegenheit, dürfte aber für Fans von avantgardistischem Black Metal ein echter Ohrenschmeichler sein.
Wie so viele in der Corona-Krise waren auch MONO INC. dieses Jahr in vielerlei Hinsicht zur Untätigkeit verdammt: keine Konzerte, keine Festivals. Doch die Hamburger haben die dadurch frei gewordene Zeit produktiv genutzt und mit „Book Of Fire“ nicht nur ihr bisher erfolgreichstes Album veröffentlicht, sondern nun kurz vor Weihnachten auch noch mit einem weiteren Schmankerl nachgelegt: „Melodies In Black“ vereint auf zwei CDs eine Zusammenstellung von Balladen aus allen Schaffensphasen der Band. Herausgekommen ist eine Sammlung von 34 Songs, von denen zahlreiche auch eigens zu diesem Zweck neu eingespielt wurden, erweitert um einen zuvor unveröffentlichten Titel („Scared“). Das Werk kommt ruhig und melancholisch daher, was es zu einer durchaus passenden Untermalung für einen ruhigen Winterabend in Corona-Zeiten macht. Zwar ist Martin Engler nicht der größte Sänger, den das Genre zu bieten hat, doch wenn man ihnen Raum zum Wirken gibt, entfalten die Songs zum Teil einen verträumt-melancholischen Zauber, der besonders mit weiblicher Verstärkung am Mikrofon wie bei „In My Darkest Hours“, „Teach Me To Love“ und „Never Say Die“ zum Tragen kommt. „The Tide“ hat das Flair eines Traditionals, „Scared“, der neue Song auf „Melodies In Back“, ist primär von Klavier und einigen Streichern getragen. „The Best Of You“ und „Pain Machine“ wurden für die Compilation als reine Piano-Versionen aufgenommen. Selbstverständlich dürfen bei einer solchen Werkschau auch Gastmusiker nicht fehlen, und so gibt sich bei „Kein Weg Zu Weit“ JOACHIM WITT die Ehre, bei „Vagabond´s Life“ ERIC FISH. Da eine Balladensammlung zwangsläufig durchgängig ruhig gehalten ist, und dies auf „Melodies In Black“ in besonderem Maße zutrifft, droht bei längerem Hören irgendwann die Gefahr, dass sich mangels größerer musikalischer und gesanglicher Varianz eine gewisse Monotonie einstellt: immerhin kommen beide CDs zusammen auf eine Spielzeit von stolzen 144 Minuten. Hier gilt also wie so oft: die Dosis macht das Gift, und wer sicher gehen möchte, dosiert besser sparsam. Wer dies aber beachtet, kann mit „Melodies In Black“ durchaus einen entspannt-schwermütigen Kaminabend verbringen, dabei das eine oder andere Glas Rot- oder Glühwein verkosten und auf bessere Zeiten hoffen.
Seit über zehn Jahren schon ist NIGHTBRINGER- und BESTIA ARCANA-Multiinstrumentalist- und Sänger Naas Alcameth darüber hinaus schon mit seinem Projekt AKHLYS aktiv und hat es in dieser Zeit auf bisher zwei Langeisen gebracht („Supplication“ - 2009 und „The Dreaming I“ - 2015). Mit „Melinoë“ folgt jetzt das dritte abendfüllende Werk, das stilistisch eher an den 2015er Vorgänger anknüpft, aber das Soundtrack-artige, Ambient-lastige Debüt-Album von 2009 stellenweise noch tangiert (etwa im dritten Song, „Succubare“, oder am Anfang vom letzten Stück, „Incubatio“). Ansonsten dominiert ausladender, bombastischer Black Metal im Stil der eingangs genannten Kapellen, aber auch EMPEROR zu „Anthems To The Welkin At Dusk“-Zeiten, DEATHSPELL OMEGA oder THE RUINS OF BEVERAST sind, wenn auch weniger opulent, ungefähre Richtungsweiser zum Klangbild von „Melinoë“. Orchestralen Pomp oder pseudo-symphonischen Klumpatsch findet man zum Glück nicht; die Basis ist hymnischer Black Metal, der erwartungsgemäß nicht leicht zugänglich ist und über viele Hördurchläufe erarbeitet werden will. Darum macht es auch wenig Sinn, hier Anspieltipps zu nennen, denn die fünf überlangen Kompositionen werfen, wie so oft in diesem Genre, keinerlei eingängige „Hits“ ab und funktionieren idealerweise am Stück genossen. „Melinoë“ ist (noch) kein ultimatives Meisterwerk des Masterminds aus Colorado, aber ein weiteres starkes Stück Schwarzmetall der anspruchsvollen Sorte.
WARPATH sind gealtert, wie auch der Verfasser dieser paar Zeilen. Dies wird mir besonders bewusst, wenn ich in meinem Kleiderschrank meinen Kapuzenpulli von „Against Everyone“ auffinde. 27 Jahre ist das gute Stück alt und mit dem Schreiberling gealtert. Der Stoff ist hauchdünn geworden und würde einem ordentlichem Konzert wahrscheinlich nicht mehr standhalten. Dies hindert die Jungs von WARPATH aber nicht, nach 30 Jahren Bandgeschichte, nochmals eine wegweisende Duftmarke zu hinterlassen. Die Hamburger haben viel erlebt und altern mit Stil. Etliche Besetzungswechsel, eine Auszeit von über 17 (!) Jahren und natürlich eine Vielzahl von schweißtreiben Konzerten liegen hinter der Band. Es wird also Zeit für einen Rückblick, der die musikalische Geschichte der Hamburger exzellent zusammenfasst.
Elf Songs geben uns einen guten Einblick über das kreative Schaffen der Band, die keine Zeitperiode auslassen. Richtungsweisend ist natürlich der neue Song „Innocence Lost“, der keine Fragen offen lässt. Der Song bleibt als feiner Thrash Metal-Song gleich im Gedächtnis hängen und überzeugt mit fetten Riffs, die sofort die Nackenmuskulatur in Anspruch nehmen. Sänger Dirk „Dicker“ Weiß, der auch bei SACRIFIRE für die Vocals zuständig ist, ist stimmlich nicht gealtert und angepisst wie vor 30 Jahren. Der Song hat einen fetten Groove und wird somit gleich als echter WARPATH-Song abgesegnet. Einen gewissen „Prollfaktor“ hatten WARPATH schon immer, aber „Innocent Lost“ könnte fast als ein Song der Hardcore-Legende RYKER´S durchgehen, was besonders im Refrain zur Geltung kommt. So muss das! Eine wunderschöne Cover-Version von „Black Metal“, welche bereits auf dem Debüt-Album überzeugen konnte, bekommt durch die Gast-Vocals von Cronos und Sabina Classen den Ritterschlag und überzeugt im urtypischen WARPATH-Stil. Besonders durch das Remastern der Songs bekommen alle Songs nochmal den richtigen Punch und können somit nochmals eine Schippe drauf legen. Ein dünner Sound geht bei diesen Songs einfach nicht, da die Riffs nur so nach Druck schreien, aber zum Glück ist hier die Umsetzung ja stimmig und gelungen.
Für mich ist „Innocence Lost“ eine wirklich gute Möglichkeit um sich über das Schaffen der Hamburger zu informieren. Besonders für Einsteiger ist das Werk besonders geeignet, da die Songauswahl wirklich gelungen ist und einen perfekten Eindruck verschafft. Es hätten gerne noch mehr neue Songs sein dürfen, aber als Appetitanreger für ein neues Album langt der vorliegende Output allemal. Kann man sich definitiv zulegen.
Los Angeles. Da kommen BLOODFEAST RITUAL her und meinen, sie machen Death Metal. Und sie haben wohl Recht. Allerdings driften sie auch mal in Richtung Thrash ab, dafür nimmt einen der entsprechende Song „No More Room In Hell“ aber auch richtig mit. Nur das verquere Gegrunze dazu ist natürlich und ganz klar voll der Todesmetall. Also: Wenn es inhaltlich mal wieder um Horrorfilme und Lovecraft (war der eigentlich wirklich rechtsoffen?) geht, so fahren die Amis musikalisch insgesamt eine etwas überraschendere Linie. Denn sie legen sich einfach nicht fest, ob sie nun der alten Schule, der technischen Klasse oder gar der US-Brutal-Linie folgen. Im Gegenteil, sie machen das alles und fügen sogar noch ein wenig Modernes hinzu. Das klappt zumeist ganz gut, allerdings scheint mir manchmal zugunsten der Abwechslung der Song verloren zu gehen. So bricht das eigentlich starke „Chopped Up And Burned“ unter der Last von Soli und Gedöns irgendwie zusammen. Das mag am simplen Gemüt des Rezensenten liegen oder an dessen persönlichem Geschmack. „Fetid Offering“ macht es wieder besser, weil konsequenter. Letztlich wäre weniger vielleicht mehr gewesen, aber die Band ist ja noch neu und vermutlich auch jung, und mit dieser EP ist den Kaliforniern durchaus ein akzeptabler Start gelungen. Ob es allerdings reicht, sich noch eingehender mit diesem Ritual zu beschäftigen, das sei mal dahingestellt.
Das Konzept-Info von OLD GROWTH schwadroniert von Natur, glitzernden Mücken und Leuchtkäfern. Haiyei, denkste, das mag ja was werden – aber mit jedem Satz wird das Blättchen interessanter. Es geht um die Rolle des Menschen als Zerstörer der Natur (stark vereinfacht). Ähnlich verhält es sich mit dem Album. Es beginnt sehr ruhig mit dem Song, der so heißt wie die Band. Du denkst – ach – wieder so eine Post-Black-Shoegaze-Kapelle. Aber weit gefehlt: nach 132 Sekunden beginnt eine schwarzmetallische Eruption mit galoppierenden Drums und hysterischem Geschrei – Verve trifft Melodie. Jetzt auf einzelne Songs einzugehen, verbietet sich beinahe, aber vielleicht sei „Oakenheart“ genannt, das auf wundersame Weise zeigt, wozu Black Metal immer noch fähig ist: Das Wechselspiel aus harschen Parts mit wunderschönen Abschnitten dürfte sicherlich nicht den Nerv der Fans treffen, die es nur kaputt mögen. Aber der Song ist so breit aufgestellt und dabei gleichzeitig so geschlossen, dass Solo-Schamane Animist seinem Ziel sehr nahekommt: dichte Atmosphäre zu schaffen. Das gelingt ihm über mehr als 53 Minuten fantastisch. „Mossweaver“ und seine sieben Lieder kümmern sich um Natur, Wildnis, Schamanismus, Primitivismus und alte Riten, OLD GROWTH („Primärwald“) will eine „hörbare Erfahrung der wilden Natur“ schaffen. Wer sich darauf einlässt, der wird auch kleine Käfer mit anderen Augen sehen. Es mag Leute geben, die diese Art von Black Metal von vornherein ablehnen. Denen sei gesagt: Ihr seid doof. Zur tiefen Natur- und Tierliebe passt das Ansinnen des Labels: Es wird limitierte Boxen geben, erdig, mit Räucherkräutern und individueller Gravur, vom Label-Chef höchstpersönlich mit Erde aus dem Teutoburger Wald eingerieben. Die Dinger enthalten Doppel-LP, Tape, Digi, Shirt und eben Kräuter und wiegen dann mehr als drei Kilo. Und: Die Kisten werden in Behindertenwerkstätten gebaut, als soziales Projekt – 100 Prozent Leidenschaft! Ein Prädikat, das in Gänze auf das Album zutrifft. Wunderbar!
28 Jahre ist der Auftritt im Göttinger Outpost her, der von der ru(h)mreichen Zeit der Eschweger Halb-Punks zeugen soll. Die glorreiche Ära ist längst vergangen und auch die Bravo-Lovestories mit Beteiligung von Jugendstar BLÜMCHEN langsam in Vergessenheit geraten. Und nun kommt „Unfucked – Live“ remastert in die Regale, und man fragt sich, wer hier die Zielgruppe sein soll. Das Gymnasiasten-Publikum ist schon lange nicht mehr auf dem Dosenbier- und Anarchie-Trip, sondern läuft wahrscheinlich im Nadelstreifenanzug in irgendeiner Bank rum, und echte Punks haben sich schon damals nicht für die Bubblegum-Songs interessiert.
Das Album fängt genauso pubertär an, wie man es für ein Relikt aus den Neunzigern erwartet. Eine JuZe-Mitarbeiterin beschwert sich über das Rumgesaufe der Band und deren asoziales Verhalten. Was eine gefährliche Band. In diesem Kontext muss man erwähnen, dass Frontman Zimbl an eben diesem Konsum frühzeitig verstorben ist. Ob es hier sinnvoll war, das Intro so zu belassen, halte ich für extrem fragwürdig.
Es bleiben 20 Songs, die den Live-Charakter gut rüberbringen und die Publikumsreaktionen ordentlich zur Geltung bringen. Ein bisschen Punk, ein wenig Ska und eine Prise Rock, und fertig ist der massenkompatible Freitagabend. Eingestreute Cover-Versionen machen das Hörereignis von „Unfucked - Live“ noch besser verdaulich, und so rettet man sich auf knapp 50 Minuten Spieldauer. Das Ergebnis tut keinem Menschen weh, aber ob man mit diesem Release überhaupt noch eine Zielgruppe erreichen kann, bleibt für mich dann doch fraglich. Für ewig Gestrige bestimmt ein netter Ausflug in die eigene Jugend, aber meiner Meinung nach sollte man Legenden ruhen lassen. Für mich ein ärgerlicher und unnötiger Output.