DEW-SCENTED haben sich im letzten Jahr im neuen Line-Up zusammengefunden, das mit „Icarus“ ein starkes Album vorlegte. „Insurgent“ ist mitnichten dessen Nachfolger, sondern eine Sammlung von B-Seiten und Live-Songs, mit der die Band möglicherweise die Wartezeit auf ihr neues Album überbrücken will. Möglich. Drei neue Songs finden sich, von denen „Confronting Entropy“ und „Guided By The Dead Light“ den 19-Tracker einleiten und sich als fiese, im Mid-Tempo verwurzelte Nummern entpuppen, was DEW-SCENTED so selten spielen. Gleich zwei solcher Songs als Auftakt hintereinander weg ist zumindest überraschend. Mit dem INCUBUS-Cover geht es dann aber schön in die Vollen. Und nein, natürlich nicht die Pop-INCUBUS… Danach gibt es eine Handvoll Live-Songs, die quasi ein Best-Of sind und in gutem Live-Sound die Qualitäten der Band zeigen. Einige Coversongs, die die Vorlieben des Herrn Jensen aufzeigen (inklusive JUDGE und WASTED YOUTH) runden das Ganze ab, ergänzt um einige Songs, die bislang nur als Bonustracks zu kriegen waren. Für Fans ist die Chose eine nette Ergänzung der Sammlung. Wer DEW-SCENTED mal antesten möchte, ist hier dank der guten Live-Songs ebenfalls an der richtigen Adresse, zumal 19 Songs schon gut value for money bieten.
AGRYPNIE waren bislang beim Kollegen Meisenkaiser in guten Händen und konnten ihn begeistern. Das erhöht die Spannung ob der Güteklasse des neuen, im schicken roten Doppel-Vinyl eingetrudelten, Albums „Aetas Cineris“. Schon mit den ersten Tönen des Openers „Trümmer“ wird die Band um Rampensau Torsten (ex-und-jetzt-wieder NOCTE OBDUCTA) jeden Hörer für sich einnehmen können – der Song strotzt vor Kraft, ist dabei eingängig und erschafft eine zum Genre passende klirrend-kalte Atmosphäre. Bei mehr als acht Minuten Spielzeit kann sich die Band dabei Zeit für den Aufbau und die Stärkung eben jener Atmosphäre nehmen, was ihr spielerisch gelingt, ohne dass Längen entstehen. Das gilt noch viel mehr für die drei Songs, die die Zehn-Minuten-Marke knacken („Dezember“, „Sinnflut“, „Asche“): AGRYPNIE verstehen sich auf die Erschaffung und Aufrecherhaltung eines Spannungsbogen innerhalb eines Songs ebenso wie innerhalb eines Albums. „Aetas Cineris“ strotzt vor so vielen Ideen und eingängigen Passagen, dass trotz mehr als 70 Minuten Spielzeit keine Füllerparts oder gar –songs auszumachen sind. Im Gegenteil, für den Hörer gibt es immer etwas Neues zu entdecken, ohne dass er von zu vielen Ideen erschlagen wird. Dabei bewegen sich AGRYPNIE im Black Metal-Kontext, den sie geschickt um progressive Einflüsse und Ambient-Elemente erweitern. Wie erwartet und von ihren anderen Werken bekannt, erweitern sie die Grenzen des Black Metals, ohne sich zu weit von zu entfernen. Beim Songwriting verstehen sie es, Dynamik, Brutalität, Epik, Atmosphäre und Melodik zu großartigen Songs zu verschmelzen, die zusammen ein großartiges Album ergeben. „Aetas Cineris“ ist für die Schwarzkittel dieser Welt ebenso ein Pflichtkauf wie für aufgeschlossene Progressiv-Fans.
Nüchtern betrachtet haben INTRONAUT ihrem Sound auf „Habitual Levitations (Instilling Words With Tones)“ nur in einem Teilaspekt eine Änderung im Vergleich zum Vorgänger verpasst: der Gesang ist durchweg ruhig und klar gesungen, die aggressiven Einschübe finden sich nicht mehr. Aber natürlich ist das ein sehr wichtiges Detail und eine sehr wichtige Änderung, ändert sich doch so die vorherrschende Stimmung in den neun neuen Songs massiv: anno 2013 klingen INTRONAUT viel verträumter und betonen den Postrock-Aspekt viel stärker. „Sore Sight For Eyes“ soll hier stellvertretend für die neue Ausrichtung genannt werden, ebenso das mit schönen Texten ausgestattete „Blood From A Stone“. „Habitual Levitations (Instilling Words With Tones)“ wird durch den neuen Gesangsstil leichter zugänglich, ohne dabei die sehr starke progressive Note in der Instrumentalarbeit zu unterschlagen. Wer sich auf die Band neu einlässt, wird nach kurzer Zeit die vielen Facetten in den Saiteninstrumenten ebenso schätzen wie das erneut agile Drumming von Danny Walker (MURDER CONSTRUCT, ex-EXHUMED). So sollte deutlich werden, dass INTRONAUT nicht sanfte, leicht zugängliche Musik schreiben, sondern sich unter dem niederschwellig zugänglichen Songs viel Kreativität und Können verborgen hält, das nach und nach entdeckt werden kann und muss, um den US-Amerikaner die ihnen gebührende Anerkennung zu geben. „Habitual Levitations (Instilling Words With Tones)“ ist ein schönes Postcore-Album, mit dem sich INTRONAUT im wahrsten Sinne des Wortes progressiv zeigen. Ohne Ausfall gibt es hier fast eine Stunde lang hochklassiges Material. Chapeau!
Habitual Levitations (Instilling Words With Tones)
Okay, ernsthaft: WALLENBERG's WHISKEY HELL mit „Booze 'n' Boogie“? Warum nicht direkt „Let's Get Wasted!“ von „DRUNK“? Okay, lassen wir die Namensgebung mal außen vor: WALLENBERG's WHISKEY HELL stammen aus Hamburg, haben mit dieser Platte ihr Debut veröffentlicht und spielen selbsterklärt eine Mischung aus „Südstaaten Rock 'n' Roll, Blues & Boogie“ - treffen damit auch den Nagel auf den Kopf!
Der Titelsong „Whiskey Hell“ klingt wie THIN LIZZY mit etwas mehr Irland als das Original, „Back To The Swamps“ wie die gleiche Band in ruhigerer Marotte und mehr Louisiana als Irland, „Dickle Me Up“ ist eine rhythmische Ami-Rock 'n' Roll Nummer, „Braking Bad“ wildert bei ZZ TOP und „She's Ready“ macht dem Charme der BLUES BROTHERS Konkurrenz. Wer den bluesigen-Teil vermisst kriegt jeden dann mit „Darkest Hour Blues“ im Stile einer Blues-Bar Jamsession nachgeliefert.
Übrigens, nicht das ihr mich falsch versteht: WALLENBERG'S WHISKEY HELL haben genug Charakter und eigenen Sound für 2 Bands, allerdings sind die Vergleiche hier einfach angebracht – die Jungs schaffen es, eine nahezu perfekte Mischung aus Bekanntem und Neuem zu zocken und dabei trotzdem immer interessant zu klingen.
Wer aber wirklich bekannte Haltepunkte mag: Der wohl nicht gerade unbekannte Song „Black Betty“ wurde ungefähr eine halbe Trillion mal neu interpretiert und gecovert, das hier vorliegende Stück basiert aber auf dem Rock-Riff von RAM JAM – allerdings etwas moderner und Hardrock-mäßig verzerrt eingespielt.
Wenn ihr in Hamburg und Umgebung wohnt besucht die Jungs auf jeden Mal auf einem Konzert – wenn die da so viel Spaß machen wie auf Platte wird sich das lohnen. Die Band wirkt einfach sau-sympathisch und macht wirklich scharfe Musik, die mit einer stilistischen Abwechslung und handwerklichem Können daher kommt bei denen sich viele Debuts so einiges abschneiden können. Ich hoffe jedenfalls auf musikalischen Nachschub in absehbarer Zeit!
Achtung, Kult! „Horror Infernal“ ist nicht etwa ein neues Album der schwedischen Thrasher, sondern eine Compilation früher Aufnahmen des Quartetts, das von 1995 bis 2002 existierte. In dieser Zeit kamen die Jungs lediglich auf ein einziges Album aus dem Jahr 2000 („Extreme Hatred“); alle anderen Veröffentlichungen liegen nun hier in zusammengefasster Form vor. Das 1996er Demo „Crushed Existence“, das 1997er Demo „The Storms 1997“ sowie das Mini-Album „Violent Intensity“ wurden von I Hate Records ausgegraben und samt ein paar rarer Stücke (Cover von SODOMs „Outbreak Of Evil“, Cover von POSSESSEDs „My Belief“ sowie eine Liveaufnahme des „Violent Intensity“-Songs „Haunting Death“) auf dieser Zusammenstellung wiederveröffentlicht. Erstaunlich ist besonders das Qualitätsniveau, mit dem die Band seinerzeit bereits im Frühstadium zu Werke ging, stets irgendwo in einer Mischung aus frühen KREATOR und DARK ANGEL rührend. Zwar klingt hier alles undergroundig, songschreiberisch noch nicht ausgereift und roh, aber man darf mutmaßen, dass HYPNOSIA später eine echte Konstante des traditionellen Rüpel-Thrash hätten werden können. „Horror Infernal“ ist speziell für Leute gedacht, die diese Band viel zu spät entdeckt haben und natürlich für Genre-Nerds, die es gerne räudig-oldschoolig mögen, wobei der Sound aller Aufnahmen erstaunlich gut ist. Ein kleiner Geheimtipp!
Mit ihrem 2009er Album „Grand Feast For Vultures“ lieferten die Thrasher aus Oslo einen richtig geiles Brett ab, das die Stärken der üblichen Verdächtigen SLAYER, KREATOR oder DESTRUCTION gekonnt bündelte und dank treffsicherem Songwriting mühelos überzeugte. Ganze vier Jahre hat sich das Quartett um den umtriebigen Ex-Imperator Bard „Faust“ Eithun Zeit gelassen, den Nachfolger auf die Reihe zu bekommen, der, so viel vorab, nahtlos an den Vorgänger anknüpfen kann. Ein Grund für das Halten des hohen Qualitätsniveaus ist sicher auch die Tatsache, dass das Line-Up zu drei Vierteln unverändert geblieben ist; lediglich Peter „Bosse“ Boström wurde durch Carl „Calle“ Janfalk am Bass ersetzt. Und auch auf „For Faen“ gibt es von fast allen Beteiligten diverse Backing-Vocals zu hören, die teilweise schon punkige Songs wie den fetten Ohrwurm-Opener „The Butcher Of Rostov“, das flotte „Dogfed“, die kurze Gehörgang-Vergewaltigung „The Rape Of Nanking“, das mächtige „The Brazen Bull“ oder den abschließenden Stampfer „Krokodil“ noch weiter aufwerten und „For Faen“ zu einem todsicheren „Tipp“-Kandidaten machen. Zwar hat mir der Vorgänger einen klitzekleinen Tick besser gefallen, da das Songwriting minimal besser und weniger eintönig war, doch das sind persönliche geschmackliche Nuancen, die keinen Traditions-Thrasher davon abhalten sollten, sich diesen hochklassigen Knüppelbolzen zuzulegen. Hebe die Haare!