Als es bei uns hieß: „Wer macht die neue Helloween?“, habe ich natürlich keine Mikrosekunde gezögert und „Hier!“ geschrien, denn es gibt kein Album, dem ich 2021 mehr entgegenfiebere. Mittlerweile ist mir allerdings klar geworden, dass das keine übermäßig dankbare Aufgabe ist. Was kann ich über das Album noch schwadronieren, das meine schreibenden Kollegen noch nicht schon hundertmal erwähnt haben? Vermutlich nicht viel, versuchen möchte ich es dennoch.
Da ich ein großer Fan nicht nur der Hansen/Kiske-Ära bin, sondern auch die meisten Alben seit „Master Of The Rings“ richtig klasse finde, war ich sehr gespannt, ob und wie HELLOWEEN den Spagat wagen würden, nicht nur allen Sängern Raum zu geben, sondern eben auch musikalisch sämtliche Phasen abzudecken. Und sie haben genau das gemacht, was ich mir erhoffte: „Helloween“ ist kein krampfiger Versuch, 1988 wiederzubeleben, sondern ein Parforceritt durch alle Zeiten und Inkarnationen hindurch. HELLOWEEN haben sich auch auf dem neuen Album eine ihrer stärksten Eigenschaften erhalten: Es ist trotz fünf verschiedener Songwriter eine geschlossene Teamleistung, die maximale Abwechslung mit absoluter Homogenität verbindet. Kein Song klingt wie der andere, und trotzdem tönt alles unverkennbar nach HELLOWEEN. Das ist ein weiteres Indiz für die tolle Stimmung in der Band, welche schon auf der „Pumpkins United“ -Tour genauso zu spüren war. Wenn Rückkehrer Michael Kiske erzählt, dass Weiki beim ersten Treffen nach Jahren auf ihn zukam und als Erstes fragte: „Was habe ich getan, dass du so einen Groll auf mich hast?“ und er ihm damit sämtlichen Wind aus den Segeln genommen habe, dann klingt das authentisch und erwachsen. Dass darüber hinaus Deris und Kiske mittlerweile richtig dicke sind, Gerstner als Jungspund die beiden alten Herren Hansen und Weikath zu mehr Sorgfalt mahnt und Grosskopf ständig ein dickes Grinsen im Gesicht trägt, macht es super, einfach diese Reunion noch mehr zu lieben als ohnehin schon.
Der Einstieg mit der melodischen und sehr traditionellen Weikath-Speed-Granate „Out For Glory“ ist clever gewählt und zeigt HELLOWEEN in absoluter Bestform. Das nun folgende „Fear Of The Fallen“ kommt ebenfalls meist recht flott aus den Boxen und präsentiert einen kraftvollen Deris, der im Duett mit Kiske einen Refrain schmettert, welcher sich sofort in den Gehörgängen festsetzt und zeigt, wie wichtig Deris auch als Songwriter für HELLOWEEN ist. „Best Time“ ist ein typischer „Feelgood“-Track, der „I Want Out”/„I Can”-Kategorie und zeigt Sascha Gerstner und Andi Deris als eingespieltes Songwriting-Team. Auch bei „Mass Pollution“ wird Andi Deris als Hauptverantwortlicher geführt und ist ein kraftvoller und recht moderner Midtempo-Track, der deutlich zeigt, dass HELLOWEEN keine Oldie-Veranstaltung sind, sondern mit beiden Beinen im Hier und Jetzt stehen. Bei „Angels“ aus der Feder von Sascha Gerstner darf Rückkehrer Michael Kiske so richtig glänzen. Ein perfekter Song, welcher zwischen heavy Stakkato-Riffs und epischem Chorus hin und her pendelt. Abwechslungsreich und doch eingängig. Bei „Rise Without Chains“ beweist Andi Deris, dass er nach 27 Jahren Bandzugehörigkeit die Wurzeln HELLOWEENs perfekt verinnerlicht hat. Die Uptempo-Nummer hätte auch auf den beiden alten „Keeper“-Scheiben eine mehr als gute Figur gemacht. Wer auch immer wieder für eine Überraschung gut ist, ist Basser Markus Grosskopf. Er gehört nicht zu den fleißigsten Songwritern im Lager der Kürbisköpfe (einmal möchte ich das hier auch schreiben), aber wenn ein Beitrag von ihm kommt, so gehört er für mich eigentlich immer zu den Highlights auf den jeweiligen Alben und so auch hier. Tolle Teamarbeit von Kiske und Hansen im Chorus mit positiver Durchhalte-Message. Das nun folgende „Robot King“ von Weikath ist eine siebenminütige Speed Abfahrt, die zu keiner Sekunde langweilig wird und zeigt, wie abwechslungsreich man auch im hohen Tempo komponieren kann. Mit „Cyanide“ wird es dann nochmal richtig heavy. Die Deris-Nummer bewegt sich im dezenten Uptempo und steht für die HELLOWEEN nach 2005. Mit „Down In The Dumbs“ gibt es einen weiteren Song von Michael Weikath zu hören, der neben eines abwechslungsreichen rhythmischen Grundgerüsts auch allen drei Stimmen Platz bietet. „Orbit“ ist ein kurzes Instrumental, welches die zwölfminütige Hansen-Hymne „Skyfall“ einleitet. Hier werden dann nochmal alle Register gezogen, und es wird klar, warum HELLOWEEN ein ganzes Genre begründet haben. Es stimmt einfach alles: Power, Speed, Melodie. Die zwölf Minuten vergehen wie im Flug, keinem Part haftet der Nimbus des Überflüssigen an. Als ich zum ersten Mal Kiske im Refrain hörte, hatte ich wirklich Pipi in den Augen.
Fazit:
HELLOWEEN haben sich mit ihrer neuen Scheibe selbst ein Denkmal gesetzt, indem sie nicht nur versucht haben, vermeintliche Erwartungen zu erfüllen, sondern indem sie ein authentisches, allumfassendes Magnum Opus erschaffen haben, welches sämtliche Facetten aus fast 40 Jahren Bandgeschichte zusammenfasst, und daraus wurde dann das perfekte HELLOWEEN-Album destilliert.
PAUL GILBERT, seines Zeichens Gitarrist von Mr. Big, war mir bis dato nicht weiter als Solokünstler aufgefallen. Umso erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass “Werewolves Of Portland“ sein nunmehr 16. Solowerk ist. Gut, ich muss zugeben, dass Instrumentalplatten bei mir lediglich in homöopathischen Dosen Gehör finden. Ich liebe Gitarrenmusik, aber kann mir das Gefuddel des einen oder anderen Virtuosen, wie z.B. MALMSTEEN, VAI oder SATRIANI nur antun, wenn da ab und zu mal einer singt. Die Neue vom guten PAUL läuft bei mir seit Tagen im Auto und zuhause, ohne dass sie mir auf den Nerv geht, ganz im Gegenteil: irgendwas ist bei seinen Arrangements anders. Vielleicht liegt es daran, dass Mr. GILBERT beim Komponieren seiner CD mit den Texten angefangen hat. Hallo! Texte für eine Scheibe ohne Gesang?!? “Ich benutze die Texte, um mir eine Struktur zu geben, an die ich die Noten hängen kann.“, sagt der Künstler wörtlich.
Das ist dann wohl genau der Punkt, der den Unterschied ausmacht. Die Gitarre scheint nämlich geradezu die Stimme zu imitieren und sie hier und da überdies zu ersetzen.
Mal abgesehen vom Titeltrack, der ohne Gesangslinie angelegt ist, entstanden so Songs, die mit wunderbaren, geradezu heiteren Melodien überaus positive Stimmung verbreiten (die wir alle aktuell gut gebrauchen können) und einen regelrecht animieren, mit einzusteigen - tanzen, singen oder was auch immer. Dies wird dem Hörer insofern auch noch erleichtert, da nämlich sämtliche Texte im Booklet abgedruckt sind.
Wer jetzt aber nicht mitsingen, sondern einem Gitarrenvirtuosen lauschen möchte, der zeigt, was er drauf hat, wird bei diesem Album gleichwohl nicht enttäuscht.
Wie bereits erwähnt, ist das, was PAUL GILBERT speziell beim Titeltrack raus haut, aber nicht nur dort, großes Kino. Im übrigen war er durch die Pandemie bedingt gezwungen, seine übliche Vorgehensweise zu variieren. Er spielte das komplette Album alleine ein und legt überdies die Messlatte für alle, die es mit dem sechsseitigen Instrument halten, verdammt hoch.
"Fargo", der Film der Coen-Brüder, ist Kult und weit mehr als ein Geheimtipp, und auch die Serie hat ihre Qualität. Hier kann ich alle vier Staffeln empfehlen, wobei eins und drei dabei etwas herausstechen. Ups, falsche Baustelle! Natürlich geht es hier um die Band FARGO, 1973 gegründet. Und mit "Strangers D'Amour" machen die Herren, mittlerweile zum Trio geschrumpft, da weiter, wo sie mit ihrem Comeback-Album "Constellation" (2018) aufgehört haben, nämlich gediegenem, lässigem Classic Rock.
Die Stimme von Peter Ladwig (Gesang/Gitarre) punktet nicht mit Charisma, dafür ist sie identitätsstiftend und sorgt für die entspannte Grundstimmung des Albums. Selbst bei dem relativ forschen und dynamischen Beginn ("Rain Of Champagne") strahlt sie Coolness aus. "Gimme That Bone" mixt AC/DC mit den STONES, zusätzlich färbt hier eine Hammond-Orgel den Sound in Erdfarben. "Closer To The Sun" hat die Umweltverschmutzung als Thema, und das spiegelt sich im starken und düster-dramatischen Gitarrenspiel wider.
"Strangers D'Amour" zeigt sich athletischer, mehr dem Hard Rock zugewandt als sein direkter Vorgänger. Gerade die Gitarre ("Time") ist raffinierter und präsenter in den Songs eingebettet. Die Reduktion auf drei Musiker hat der Band definitiv nicht geschadet - ganz im Gegenteil, FARGO haben an Muskelmasse und Inspiration zugelegt.
Von Altersmüdigkeit kann bei FLOTSAM AND JETSAM nun wirklich keine Rede sein. Wer ein Album wie „Blood In The Water“ in den Ring schmeißt, der hat wahrlich noch nicht vor, in Rente zu gehen. Und das ist verdammt gut so!
FLOTSAM AND JETSAM, diesen Namen hat wahrscheinlich schon jeder von Euch gehört, aber wahrscheinlich nur wegen 80er-Perlen wie „Doomsday For The Deceiver“ oder „No Place For Disgrace“. Nach diesen Machwerken wurde es lange ruhig um die Jungs. Zwar wurden immer weiter Platten produziert, aber die musikalische Qualität hinkte dem großen Namen oft meilenweit hinterher. Erst bei den letzten zwei Alben konnte man eine Rückbesinnung auf alte Zeiten erahnen, die sich jetzt in „Blood In The Water“ eindrucksvoll bündelt. Wir haben es hier mit einem absoluten Meisterwerk zu tun, welches zwar immer eine grundsolide Geschwindigkeit aufweisen kann, aber niemals mit eindrucksvollen Melodien und Vocal-Lines geizt. Besonders Sänger Eric hat Hummeln im Hintern und klingt teilweise wie Bruce Dickinson auf Thrash. Einfach eine gelungene Mischung aus aggressiven Vocals und einer gesunden Portion Harmonie. Das Songwriting wirkt wie aus einem Guss, und jeder Song kann einen eigenen Höhepunkt vorweisen. Abrissbirnen wie „Burn The Sky“ oder Dragon“ sprechen hier eine deutliche Sprache. Sogar eine Halbballade hat den Weg auf „Blood In The Water“ geschafft – „Cry For The Dead“ überzeugt mit einem MAIDEN-Intro, welches nun wirklich zu 100% an IRON MAIDEN erinnert, um dann zwangläufig in härtere Gefilde abzudriften. Klasse Song, dessen Vocals hier besonders eindrucksvoll in der Profiliga anzusiedeln sind.
Man kann zu jeder Sekunde erkennen, dass FLOTSAM AND JETSAM extrem hungrig sind und es jetzt nochmal wissen wollen. Für mich hat die Band fast das Niveau von HEATHEN erreicht, was nun wirklich einem Ritterschlag gleicht. Die Produktion ist gelungen und klingt modern und trotzdem zeitlos. Ok, der Trigger lief auf Hochtouren, aber dies ist Geschmackssache. Ich mag diesen modernen Sound, der bei hoher Lautstärke richtig in den Hintern tritt. Für mich hat hier Produzent Jacob Hansen (POWERWOLF, VOLBEAT) einen exzellenten Job hingelegt, der den Songs noch einen weiteren Schub nach vorne gibt.
Wer auf speedigen Thrash Metal steht, der kommt an „Blood In The Water“ nicht vorbei – wer nicht darauf steht, der muss sich das Album trotzdem kaufen!
Ich bin kein großer Anhänger von Tribute-Alben. Unzählige gibt es davon, und auch von THE SISTERS OF MERCY sind einige zu erwerben. Ob es da Sinn macht, ein weiteres Album zur Ehrerbietung der britischen Rockband zu veröffentlichen, lassen wir mal offen. Unumstritten ist indes, dass THE SISTERS Of MERCY mit zu den Wegbereitern des Gothic Rock gehören und sicherlich den meisten Rockhörern ein Begriff sind. Es war in frühen 90er-Jahren undenkbar, einen Rock-Disco-Abend ohne "Temple Of Love" oder "More" zu absolvieren.
Auf "Black Waves Of Adrenochrome" sind überwiegend SISTERS-Klassiker enthalten, die zum Teil bereits auf anderen Samplern vertreten sind. Performed werden die 15 Songs von einer Riege namhafter, aber auch weniger bekannter Bands aus der Metal- und Gothic Scene (u.a. IN EXTREMO, PARADISE LOST, KREATOR). Es gibt sowohl an den Versionen als auch an der handwerklichen Umsetzung nichts zu mäkeln. Mal unterscheiden sich die Nummern vom Original ("This Corrosion", "Marian"), mal klingen sie nahezu gleich ("More"). Ganze vier Songs sind doppel vertreten ; hier wären weitere, noch nicht enthaltener Cover-Songs abwechslungsreicher gewesen.
Die CD gibt es als Digipak in einem passenden Artwork. Fein ist das reich bebilderte Booklet mit der jeweiligen Info zu Song und Band (Erscheinungsjahr, Album etc.).
Tracklist:
FROWN - "Heartland"
ATROCITY - "More"
IN EXTREMO - "This Corrosion"
PARADISE LOST - "Walk Away"
CRADLE OF FILTH - "No Time To Cry"
DEADLOCK - "Temple Of Love"
NEVERGREEN - "More"
MARYSLIM feat. JYRKI69 - "This Corrosion"
DAEONIA - "Alice"
KREATOR - "Lucretia My Reflection"
CADAVEROUS CONDITION - "Floorshow"
DAN SWANÖ - "Lucretia My Reflection"
DREADFUL SHADOWS - "1959"
CREMATORY - "Temple Of Love"
CO BOX - "Marian"
Black Waves Of Adrenochrome - THE SISTERS OF MERCY Tribute
GORGONs „Traditio Satanae“ weiß durch schnelle Melodien, durch Hass und Gewalt, aber vor allem durch eingängige Riffs zu überzeugen, die Dir Deine Ohren ausweiden! Die ganze Platte besticht durch eine kraftvolle Intensität, breitbeinig mit stolzer Brust geht der Franzose Christophe Chatelet zu Werke. Kraftvoll ist auch die Produktion von „Traditio Satanae“: keine LoFi-Nummer, aber auch nicht glatt und seicht. Der Sound ist tief und emphatisch.
GORGON wurde 1991 in Südfrankreich von Chris gegründet. Die Band war damals dafür bekannt, dass man sich für ihr Konzert lieber nicht den neuen weißen Anzug anzieht; hier wurde nämlich nach Herzenslaune der Blutspritzerei gefrönt. Nach dem im Jahr 2000 veröffentlichten Album „The Spectral Voices“ löste sich die Band auf, um 2019 das Comeback-Album „The Veil Of Darkness” und im Juni 2021 das sechte Album „Traditio Satanae“ zu veröffentlichen. Chris Chatelet hat für das neue Album alles außer dem Schlagzeug eingespielt; GORGON ist sowas wie eine One-Man-Show.
Wir hören mal mitreißend stampfendes Midtempo und mal hohe Geschwindigkeit. GORGON verfallen aber nie in blinde Blastbeat-Raserei, die Musik behält immer etwas Hymnisches. Direkt zu Beginn wird mit „Blood Of Sorcerer“ ein Opener rausgehauen, der es in sich hat: eingängig und hart. Der Track ist kompromisslos, und insbesondere der Refrain bleibt im Kopf. Es folgen das rifflastige „Death Was Here“ und „Entrancing Cemetery“ mit angenehm melodiöser Gitarrenarbeit. „Sacrilegious Confessions“ beginnt mit schnellem, bratzigem Stil, das Tempo wird aber dann zwischenzeitig runtergeschraubt, die Aggressivität bleibt dabei jedoch aufrechterhalten. „My Filth Is Worth Your Purity” ist rockig gespielt, und der Titeltrack „Traditio Satanae” ist eine bassbetonte Midtempo-Nummer, bei der man rhythmisch die Faust in die Luft schnellen lassen will. „The Long Quest“ ist ein guter, punkig-rotziger Song à la IMPALED NAZARENE, und bei „Scorched Earth Operation” wird es nochmal hymnisch mit griffigen Gitarren. Beim letzten Track „At The Beginning There Was Hate” geben GORGON nochmal Vollgas, und die Scheibe wird temporeich beendet. Ich bilde mir ein, auf dem feinen Silberling Einflüsse von CELTIC FROST, DISSECTION und SATYRICON herauszuhören.
Auf „Traditio Satanae” wurde gutes Songwriting betrieben. Das bereits erwähnte, kraftvolle, nackenwirbelzerbröselnde Riffing ist spitze und geht vom Gitarrensound eher in Richtung Death Metal. GORGON hat elf Songs am Start, die ohne Umwege direkt ins Schwarze treffen!
Jedes Jahr gibt es Events, die verlässlich stattfinden: Weihnachten, Ostern, Silvester oder der eigene Geburtstag. Darüber hinaus gibt es seit einigen Jahren aber noch einen weiteren Fixpunkt. Jedes Frühjahr hauen OSSIAN ein neues Album raus, und auch wenn große Experimente erwartungsgemäß außen vorbleiben, so ist doch nur oberflächlich alles wie immer, denn die Ungarn haben mit dem feinen Feilbesteck ihren ureigenen Sound nachgeschliffen und ihm ein dezentes Facelift verpasst, so dass man auch als langjähriger Fan ab und zu erstaunt eine Augenbraue nach oben zieht. Das Grundgerüst dabei bleibt natürlich extrem melodischer Metal, der sowohl von seinen melancholisch-hymnischen Melodien als auch den meist sehr relaxten, aber nicht langweiligen Grooves lebt.
Den Anfang dabei macht das unglaublich schöne und mental aufbauende „Kell Egy Szikra“, welches den Hörer sofort in die träumerische Welt OSSIANs ein- und entführt. So geht Pathos, meine Damen und Herren. Das folgende „Ember A Holdon“ ist poppig im besten Wortsinne und wird zu 100% im nächsten Liveset auftauchen. Bei diesem Refrain höre ich die Publikumsgesänge schon automatisch mit. „A Türelem Hatalom“ zieht das Tempo leicht an und präsentiert sich als beschwingter Rocker, der einen leichten Bogen in die eigene Vergangenheit schlägt. Bei „Lassan Ébredő“ wird es dann richtig besinnlich, und die urtypische OSSIAN-Ballade lädt mit dezenten Folkverweisen zum Träumen ein. „Szabad Maradhat“ ist kraftvoller Stampfrocker, der einmal mehr das Zeug zur Live-Hymne hat. Das nun folgende Titelstück „A Teljesség“ überrascht mit leichten Vocaleffekten und mit cleanen Gitarrenlicks und ist ein Beispiel für die anfangs beschriebenen dezenten Neuerungen. Der ungewöhnliche „Wardrum“-Groove macht „Együtt Voltunk Minden“ interessant und ist prädestiniert, um mit hoch gereckter Faust Ungarns produktivster Metal-Legende zu huldigen. Die recht reduzierte und zu großen Teilen akustische Ballade „Azon A Napon“ weckt in mir Erinnerungen an Sommer und sich im Wind bewegende Weizenfelder. Da ich kein Wort verstehe, kann ich mich ganz auf die Bilder konzentrieren, die die Musik in mir auslöst. „Kelj Fel És Láss“ überrascht mit sehr dezentem Doublebass-Einsatz und weiteren cleanen Gitarrenparts. Der dritte balladeske Song hört auf den Namen „Nem Elég Az Ég“ und besteht nur aus Endres Gesang und einer akustischen Gitarre. Dieser Singer/Songwriter-Aspekt rückt auf dem neuen Album noch weiter in den Vordergrund als jemals zuvor, passt aber sehr gut zum Melodieverständnis OSSIANs. Bei „A Hiányzó Láncszem“ wird wieder mit einem eher ungewöhnlichen Uptempo-Beat experimentiert, was die Härteschraube wieder etwas anzieht. Das Instrumental „Engedd El“ zeigt zwar die Fingerfertigkeit der Saitenfraktion, ist mitnichten aber Shredding zum Selbstzweck, sondern auch gespickt mit Melodien und ein echter Song, welcher eben auch ohne Gesang funktioniert. Den Abschluss bildet der entspannte Rocker „Az, Aki Voltam“, welcher ein passendes Finale für „A Teljesség“ abgibt.
Natürlich kann man sich fragen, ob das alles wirklich noch Heavy Metal ist, oder ob OSSIAN für dieses Genre mittlerweile zu soft geworden sind, oder man kommt zu dem Schluss, dass das eigentlich vollkommen egal ist und erfreut sich an 13 neuen Songs dieser Hitfabrik. Der Autor tendiert zu Letzterem und hofft, dass bald wieder eine Liveshow OSSIANs möglich sein wird.
Seit 1984 stehen NECORONOMICON für unverfälschten Thrash Metal, welcher es aber bisher nie über das Kreisoberliganiveau geschafft hat. Lag es an der Musik? Nicht wirklich! Die Jungs haben immer eine solide Thrash-Keule geschwungen, aber konnten nie den Status von Bands wie DESTRUCTION oder SODOM erreichen. Fehlende Touren und ein mangelndes Marketing haben hier leider eine größere Reichweite unmöglich gemacht.
Und nun kommen die Jungs mit „The Final Chapter“ um die Ecke, und man bemerkt, dass hier noch mit Herzblut und einem gesunden Aggressionslevel gearbeitet wird. Die Riffs sitzen, und die Drums peitschen jeden Song nach vorne – hier werden keine Gefangenen gemacht! Parallelen zu DESTRUCTION dürfen zu jeder Zeit gezogen werden, obwohl NECRONOMICON ein wenig ungezügelter durch die Boxen kommen. Bei „Spilling In Blood“ kann man sogar Einflüsse von MEGADETH erahnen, welche den Song an die Spitze des Albums katapultieren. Kommen diese interessanten Einflüsse von den neuen Bandmitgliedern? Könnte schon sein, dass die Neuzugänge Rik Charron (ex-EXCITER) und Glen Shannon einfach frischen Wind und neue Einflüsse zugelassen haben.
Was bleibt, ist ein enorm starkes Thrash-Album, welches eine enorme Bandbreite vorweisen kann. Ein Song wie „Pain“ kommt sehr relaxt aus dem Quark, um dann in einer amtlichen DESTRUCTION-Verneigung zu enden. „Burning The Fury“ erinnert am Anfang an MAIDENs „Flash Of The Blade“ und überzeugt im Nachgang mit feinsten Gitarrenmelodien. Sagt man bei manchen Alben, dass man das Werk nur in Gänze anhören sollte, steht bei „The Final Chapter“ jeder Song für sich selber und sollte auch einzeln bewertet werden. Man könnte meinen, es würde der rote Faden fehlen, aber NECRONOMICON verlieren nie das eigentliche Ziel aus den Augen und überzeugen mit zwölf bockstarken Tracks, die dem geneigten Thrasher viele Freudentränen abverlangen werden.
Was soll ich sagen? Es gibt keinen Ausfall zu verzeichnen. Die Band agiert auf einem extrem hohen Level und verliert sich nie in technischen Extravaganzen. Auf „The Final Chapter“ steht straighter Thrash im Vordergrund, der mit interessanten Ideen angereichert wurde. So muss das sein, und so ergibt sich eine Kaufempfehlung. Und zum dem Albumtitel „The Final Chapter“ gibt es nur eine Sache zu sagen: Vergesst es mal ganz schnell! In der Form bitte am Ball bleiben!
THE MONOLITH DEATHCULT spielen pompösen Industrial Death Metal, und auf dem sechsten Album der Niederländer, "V3 - Vernedering", erwartet uns ein wüstes Auf und Ab, ein vertonter futuristischer Krieg. „Vernedering“ bedeutet Erniedrigung, und textlich dreht es sich um Verschwörungen wie die rechten Verschwörungsmythen zu George Soros, den Verschwörungstheoretiker und Trump-Unterstützer Alex Jones und die Initiative "Great Reset" ("Großer Neustart") des Weltwirtschaftsforums, die eine Steilvorlage für verschwörungsgläubige Corona-Skeptiker darstellte.
Der Nachfolger des 2018er "Vergelding" stellt den letzten Teil der V-Trilogie dar, dem dreiteiligen Albumzyklus. Bei „V2 – Vergelding“ ging es um historische Racheaktionen, und „Versus 1“ (2017) setzte sich mit der okkulten Seite des Nationalsozialismus auseinander. THE MONOLITH DEATHCULT behandeln schon immer Themen rund um Historie, Mythologie und menschliche Obszönitäten. Die Auswahl der Themen wie Nationalsozialismus und Krieg mag wie kalkulierte Provokation wirken. Die Band betitelt das Album im Promotext als „blutiges Super-Spektakel (…) mit einer Botschaft so stumpf und brutal wie ein Bleirohr“ und sich selbst als „unbesiegbare Götter“. Uiuiui, vielleicht doch ein bisschen viel Jenever gesoffen. Oder waren´s doch die guten Pilze aus Kampens Coffeeshop? Jedoch werden THE MONOLITH DEATHCULT auf der CD augenzwinkernd von einer Sprecherstimme à la Radiomoderator Alex Jones u.a. der chemischen Kriegsführung beschuldigt. Dieses Augenzwinkern spürt man bei der Musik, den Videos und bei den Bandfotos. Lyrisch und musikalisch haben wir es allemal mit hartem Tobak zu tun.
Die Holländer schauen über den Tellerrand hinaus!
2002 kredenzten sie noch schnellen Technical Death Metal, und Stück für Stück kamen weitere Fragmente anderer Genres zum Potpourri hinzu: Avantgarde, Grindcore und Industrial. Je größer der Anteil von Carsten Altenas Umgang mit Keyboards und elektronischen Effekten wurde, desto unverwechselbarer wurde der Klang ihrer Musik, und desto mehr werden auch die Grenzen des Death Metal ausgedehnt.
Zu Beginn der Scheibe hört man in „Infowars“, wie sich jemand vorm Fernseher ein Bierchen eingießt und den Hasstiraden des Sprechers lauscht, bevor „Connect The Goddamn Dots“ mit Stimmengewirr, Industrial-Beats und ordentlichem Riffing losbricht. „Gone Sour, Doomed“ strotzt vor Aggressivität, meterhoch schichten sich die Akkorde, und der Bass wummert lässig. Wenn Bassist Robin Kok die vokalen Übergrößen-Growls auspackt, bleibt kein Auge trocken! „Vernedering” beinhaltet nicht nur flott marschierende Rhythmen, anpeitschende Shouts, Growls und wilde Soli, sondern auch Gretas „How dare you“-Sample. Im Anschluss kann man sich während des atmosphärischen Instrumentals „Blood Libels“ etwas ausruhen. „The White Silence” und „They Drew First Blood” sind dramatisch und kraftvoll. Im Abschluss-Track „L’Ouverture De Morose“ wird es lang, ausladend, episch-doomig mit schweren Riffs und obendrein mit Piano und Fanfaren.
Auf "V3 - Vernedering" sind zahlreiche Samples, Spoken-Word-Passagen und elektronische Keyboard-Soundflächen zu hören. Die Zugabe von Chören und einem Bombast-Orchester aus der Konserve gibt einen chaotischen und aufwühlenden Anstrich und erinnert an DIMMU BORGIRs sinfonische Aufnahmen. NILE meets MINISTRY - Parallelen zu Bands wie SEPTIC FLESH, ANAAL NATHRAKH, FLESHGOD APOCALYPSE und Devin Townsends STRAPPING YOUNG LAD sind zu ziehen. Die Stimmung ist oft hektisch, bedrohlich und abenteuerlich. Gemischt wurde von Guido Aalbers (NEMESEA u.a.) und gemastert von Pier Durk Hogeterp. Die Produktion war bestimmt kein leichtes Unterfangen, ist aber durchaus geglückt. Die Komposition und die Arrangements sind detailreich und ausgefeilt.
Sie hassen Götter, die norwegischen Black Metaller von MISOTHEIST. Sagt ja schon der Band-Name. „For The Glory Of Your Redeemer“ ist das zweite Album der Trondheimer, dessen Erscheinen mehrmals verschoben wurde. Nidrosian Black Metal, betitelt nach dem alten Namen der Heimatstadt, der drittgrößten Kommune Norwegens, steht ja in dem Ruf, exklusive Musik zu verantworten. Dazu passt die Kooperation der Label-Vertreter Terratur Possessions und Ván Records. Vor allem aber rechtfertigen die „nur“ drei Stücke die Erwartungshaltung. Klar, es ist in Teilen konventioneller Black Metal mit Verweisen (zum Beispiel) an URFAUST und ähnliche Vertreter, aber mit spannenden Wendungen – grenzüberschreitend zwar, aber doch innerhalb „gültiger“ Regeln. Im Mittelpunkt steht natürlich der mehr als 16-minütige, mächtige Opener „Acts Of The Flesh“, ergänzt durch das fast heimelige „Benefactor Of Wounds“ und das bisweilen gar dissonante „Rope And Hammer“. Ein beeindruckendes Trio stellen MISOTHEIST mit ihrem Sänger B. Kråbøl (auch ENEVELDE) bereit. Das verwundete Mittelstück gibt Herrn Kråbøl Raum zu fiesen, halligen Rufen mit knüppeliger Unterstützung. Doch bevor das Höhlendogma langweilt, holen melodische Gitarrenlicks den geneigten Hörer aus der Tiefe. Geil. Dabei sind die Skandinavier meist in mittleren Tempobereichen unterwegs, beziehen ihre Kraft also nicht aus dem Motto „schneller, höher, weiter“. Aber sie sind stets ein wenig abgedreht und immer sehr dramatisch. Und auf jeden Fall aber beeindruckend. Teuflisch sowieso. Das wahre Kunststück aber vollbringen MISOTHEIST mit ihrem Spagat zwischen dunkler Irrnis und warmer Emotion. So schön kann Black Metal sein, so hintergründig ist die Gotteslästerung im Nidrosianischen.