Litauen ist zwar der südlichste der baltischen Staaten, aber immer noch nördlich genug, um sich von schwedischem Death Metal nicht abhängen zu lassen. Haben sie sowieso nicht nötig, denn der Vergleich hinkt. Man höre einen Song wie „Disgust“ – hier erinnert einiges an Krawallmacher wie ANAAL NATHRAKH, ohne deren absolute Dissonanz zu erreichen. Aber CRYPTS OF DESPAIR beschränken sich eben nicht nur darauf, den Skandinaviern nachzueifern. Nein, sie füllen ihren eigenen Death Metal-Krug bis zum Bersten mit allem, was gut ist und schaffen es zudem, eine mehr als schmackhafte Brühe daraus zu kochen. Gut, es ist noch nicht Asterix und Oberlix´ Zaubertrank, aber tüchtig auf die Glocke kriegt dennoch jeder, der sich den Balten in den Weg stellt. Fein: „All Light Swallowed“ tut seinem Namen alle Ehre und verbreitet eine gelungene, dichte und sehr düstere Atmosphäre, vielleicht schafft hier die Nähe zu BEHEMOTH eine gewisse (Geistes)-Verwandtschaft? „Excruciating Weight“ jedenfalls ist vielschichtig und viel, viel mehr als „nur“ Death Metal. Eine echte Hymne, die rüden Death Metal mit sehr vielen und pechschwarzen Ingredienzen verbindet. Können CRYPTS OF DESPAIR vielleicht doch zaubern?
Asoziale Rock´n´Roll-Heavy-Primaten, das sind Herr Blakk und Mister Phang, also BLAKKPHANG. Stehen sie da in einem Wohngebiet in Indiana auff´m Rasen und posieren mit Pulle, Klinge und Mullbinde umm´en Kopp. Kann man machen, muss man nicht. Passt auch auf die Musik: Wie MIDNIGHT in schlecht rumpeln und pumpeln, rocken und rollen, thrashen und moshen die Amis durch die „Sims“-Vorstädte der industriellen Welt und kommen sich dabei sicher vor wie voll die Verrückten. Peter Perverso und Stefan Stecher singen da also vom „Knife Killer“, „Razor Sharper“ und „Til Death Slasher“ – heißen sie vielleicht doch beide Macky Messer? Herausgekommen ist jedenfalls eine rotzige Metal-Punk-Thrash-Scheibe flotten Tempos, die sich vor MOTÖRHEAD verbeugt, an WARFARE erinnert und nie so gut kommt wie eben MIDNIGHT, trotz der mächtigen 80er-Retro-Verpuffung. Als Soundtrack für eine Palette Billigbier reicht das auf jeden Fall, zumal mit „Behind The Flame“ auch noch die Songs des Demos als Bonus auf der CD sind. Und so ganz ist die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Kerrek (Screams, Noises, Thunder Assaults) und Lucian (Battery, Pukes, Shreds) das alles nicht so furchtbar ernst nehmen. Hat doch Max Stabalera ein Solo beigesteuert! Schlecht ist das irgendwie zwar alles, aber auch ein bisschen geil und es macht... Ja, es macht Spaß.
Die Band BALTHAZAR veröffentlicht mit „Sand“ bereits das fünfte Album – und warum das Cover ein „Barbapapa“-ähnliches Wesen ziert, weiß die Band nur selbst. Wo doch die Musik so fragil klingt, stets ein wenig melancholisch, zurückhaltend. Aber wer weiß, vielleicht lohnt sich der Blick hinter das Äußere, über den ersten Eindruck hinaus – musikalisch und Artwork-seitig. „Sand“ bezeichnen die Belgier als gefühlvolle Indie-Pop-Umarmung mit elektronischen Lo-Fi-Anleihen, um Nuancen von Liebe, Verlust und Leben hervorzuheben – sanfte Klang- und Sound-Experimente. Das gelingt vor allem beim im Mittelpunkt stehenden „Losers“ mit Disco-Beats und Falsett-Vocals. Das dazugehörige Video erinnert an eine 70er-Jahre-Krimiserie – und die Nummer nicht nur wegen der Stimme an THE SPARKS. Ganz so mutig sind die Benelux´ler dann aber doch nicht, sie scheinen verträglicher, weniger verrückt. Bei der Auflösung rund ums Artwork aber scheinen sie abgedreht genug. Denn es stammt von der niederländischen Bildhauerin Margriet Van Breevort, die sich auf hyperrealistische Skulpturen spezialisiert hat. Es heißt „Humunculus Loxodontus alias The One Who Waits“ und beschreibt laut Band die Gefühle beim Sitzen im Wartezimmer – „ein surreales und etwas entfremdendes Bild, schwer zu fassen“. Wie die Energie und die Melodien aus der Welt von BALTHAZAR.
Alter, nimm doch mal das Kissen von der Box, oder willst du sie erschießen???? Es wird kein perfekter Mord, vermutlich hat der Sound-Macher sein Hörgerät einfach nicht eingestellt. Low und müde kommt der Radau an – kein Wunder, dass ASSIMILATION ihre volle Wirkung nicht entfalten können. Dabei hätten sie einiges zu bieten. Räudigen Old School-Death mit rotziger Thrash-Schlagseite hauen sie raus, die Kanadier. Ja, auch in Vancouver gibt es derartige Drecksäcke. Sie gehen mit viel Energie zu werke, scheinen aber ihre Aggression nicht recht kanalisieren zu können, denn sie musizieren doch recht wild durcheinander und haben etwas Spliss in den Songs. Wer da organisiertes Chaos erwartet, der irrt, gerade der Titelsong nervt doch gewaltig mit seinen Irrungen und Wirrungen. Wenn ASSIMILATION das Tempo drosseln, dann entfaltet sich mehr Atmosphäre („Tattered Wings“), die allerdings übertriebenes Solo-Gegniedel wieder flach legt. Und so hämmern sich die Jungs wie die Bob-Baumeister durch eine reichlich zerfahrene halbe Stunde und vergeben ihrer Musik mit dem achten Song „Justified Mediocrity“ selber das passende Prädikat. Der Ausbruch aus der Mittelmäßigkeit erfolgt dann durch das abschließende KING DIAMOND-Cover „Welcome Home“. Die Version des Hammer-Songs ist sogar scheiße. Vielleicht macht das Album mit Sound mehr her. So enttäuscht es. Schade.
1782 tobte in Amerika der Unabhängigkeitskrieg, in Schottland wurden Kilts wieder erlaubt, und in der Schweiz wurde die letzte Hexe in der Schweiz, und damit in Europa, verfolgt, geopfert und hingerichtet – sagt Wiki. Das Gericht verurteilte Anna Göldi in Glarus wegen eines angeblichen Giftmords. Marco Nieddu und Gabriele Fancellu nannten ihre Doom-Band zu Ehren aller Hexen 1782. Nun haben die Sizilianer ihre zweite Full-Length draußen: acht Songs, 43 Minuten Doom. Die Band musiziert sehr traditionell, das bedeutet langsame, schwere Riffs und noch kräftigeres Schlagzeug, akzentuiert und auf den Punkt. Das haut richtig gut hin, animiert zum Mitwippen und atmet okkulte Vibes mit einführenden Glocken und zwischenzeitlichen Chören, wie beim abschließenden „In Requiem“. Das Album, aufgenommen, gemixt und gemastert von Alfredo Carboni in den sardischen RKS Studios in Ossi, verfügt zudem über einen so breiten Sound, dass er auch ohne Klischee dem Zustand der rauchenden Colts im Publikum entspricht und selbiges hocherfreut. Und so haben 1782 sieben ausgesprochen schwere Stücke zustande gebracht, die irgendwie zwischen BLACK SABBATH, BONGZILLA und CANDLEMASS rangieren und nur einen, aber dafür einen ohrenfälligen Makel haben: Der nasale Gesang klingt schlichtweg zu nölig und eben nicht creepy, unheimlich oder okkult. Dennoch ist „From The Graveyard“ gute Musik und „Inferno“ ein richtiger „Hit“.
Die „Austrian Speed Metal Punks“ EWIG FROST bringen im neuen Silberling „Ain’t No Saint“ mit Wiener Schmäh die Alpen zum Wanken.
„Ain’t No Saint“ ist nach „Dirty Tales“ (2014) und „No Dice“ (2016) der letzte Teil einer Trilogie. EWIG FROST existiert bereits seit 2003, doch die einstigen Black Metal-Töne (wie auf „Blue Septime Winters“) wichen Stück für Stück, und heutzutage wird bei EWIG FROST Rock´n´Roll gezockt. Nur hier und da blitzen kleine Funken schwarzmetallischer Klänge auf. Die Österreicher um den vielseitigen Bandleader, Sänger und Gitarristen Niitro, alias Nino Del Carlo, verbraten auch Elemente von Punk, Boogie, Thrash Metal und Blues. Wir haben es bei „Ain’t No Saint“ mit sehr vielen stilistischen Ingredienzien zu tun: viel MOTÖRHEAD, etwas DISCHARGE, Ähnlichkeiten zu NITRO GODS, zu VOIVOD und ROSE TATTOO. Unterstützung bekam Niitro von einigen Kollegen der Bands MIDNIGHT, FRANZ FUEXE, BOOGIE HAMMER, ROADWOLF, MOTHERS OF THE LAND, DUSK, REVEREND BACKFLASH, THROES, YOUNG NAILS und SKATAPULT. Zwei Songs auf der Scheibe sind sogar im Wiener Dialekt vorgetragen.
Der Opener „Intro The Night“ geht druckvoll nach vorne und besitzt dreckige eingängige Gitarrenriffs. „In Da Not (Frisst Da Teife De Fliagn)“ besticht durch lässig bluesiges Bass-Spiel. „Satan III“ hat gewisse Ähnlichkeiten zum ersten Song, „New Cold War“ kommt punkig daher, und mit „1918“ folgt eine Instrumental-Bluesnummer, die düster in Störgeräuschen endet. Bei „De Gier (Is A Luada)“ wird bluesiger Groove mit Bläsern garniert, bevor in „Bad Beat Boogie“ Rock´n´Roll mit Klavier-Parts geboten wird. „Back On Wheels“ verleiht das Gefühl einer flotten Fahrt über den Highway. „Desert Sunset“ ist ein jazziges Instrumental, und das Album endet mit einem Arschtritt von „Mary Jane“.
Ein kurzes Unterfangen, denn das Album weist nur 28 Minuten Spieldauer auf. Für meinen Geschmack hätten EWIG FROST das Gaspedal etwas tiefer durchdrücken und etwas aggressiver agieren können. „Ain’t No Saint“ ist sicherlich eine gute Platte, jedoch springt der Funke nicht so recht über. Die Mucke ist aber bestimmt goldrichtig, um auf dem Bike in Richtung Wüste zu heizen oder einfach zum Takt kopfnickend im Sonnenuntergang einen kühlen Gerstensaft zu verköstigen.
Die Wiederveröffentlichung von MPs Zweitwerk „Get It Now“ geht schon klar. Nicht mehr ganz so unbekümmert wie bei dem Debüt „Bursting Out“ gibt es teutonisch auf die Mütze. Der Sound ist klar und sauber produziert und bringt mit Songs wie „Cruel To The Heart“ oder „Hawk Of May“ jeden Nackenmuskel in Wallung. Fans von alten ACCEPT oder TYRANT machen hier keinen Fehler und bekommen die gewünschte Mischung unbeschwerten Metals, der damals noch mit der Muttermilch aufgesogen wurde. Die Qualität der Songs stimmt, und es hätte bestimmt noch zu mehr gereicht, wenn sich die Musiker nicht für Ihre Nine-to-five-Jobs entschieden und sich nur noch auf spontane Wochenend-Gigs eingelassen hätten. MP haben nie Metal-Geschichte geschrieben, da ihnen der letzte Biss gefehlt hat. An der Musik hat es nicht gelegen, wie der Re-Release von Dying Victims beweist. Ich kann die Scheibe empfehlen, wenn man eine klaffende Lücke in der Deutschen Metal-History schließen möchte. Aber auch sonst ist das Teil wirklich nicht von schlechten Eltern!