POWERWOLF sind längst im Metal-Olymp angekommen - und das völlig zu Recht! Es ist nicht nur das starke, originelle visuelle Konzept, nein, viel Fleiß, sprich intensives Touren, regelmäßige Veröffentlichungen und nicht zuletzt ein potentes und attraktives Songwriting sind der Grund dafür. Mit "Call Of The Wild" wird dieser Status wohl weiter zementiert. Wobei dieses, ihr achtes Werk, bei weitem nicht ihr stärkstes ist. Und trotzdem kann es durchaus ihr erfolgreichstes werden; so sind eben der Markt und seine Mechanismen. Kaum ein Magazin, ob Print oder online, kann sich einer Rezension des Werkes verschließen, und auch das Label wird kaum Kosten scheuen, um das Album zu bewerben, von den einschlägigen Rock-Radio-Sendern gar nicht zu reden.
"Call Of The Wild" bietet selbstredend die Formel, die POWERWOLF erfolgreich gemacht an. Nur finde ich, dass der Bogen doch etwas überspannt wird. Der Sound ist schon sehr symphonisch, orchestral "aufgeblasen", und die Chöre haben an Gewichtung und Intensität zugelegt. Auch das Schlagzeug klingt zuweilen mechanisch und synthetisch. Das alles nimmt, zumindest ist das mein Empfinden, dem Output ein Stück seiner Natürlichkeit und, ja überspitzt gesagt, seiner Echt- und Reinheit. Sicher kann das Gros darüber hinwegsehen, und weitere SABATON- und Power Metal-Fans, gerade jüngeren Alters, können dazu gewonnen werden. Aber das wäre vielleicht auch mit einem zweiten "Blood Of The Saints" möglich gewesen.
Die Songs sind nach wie vor gelungen, und auch atmosphärisch werden die Erwartungen erfüllt. "Faster Than The Flame" ist ein typischer Mitgröl-Opener, der live zum Hände-gen-Himmel-Recken einlädt. "Dancing With The Dead" hat einen hymnischen Refrain, dem man sich kaum verschließen kann, und auch die Soli von Hauptsongwriter Matthew Greywolf zünden. Interessant ist "Blood For Blood", nicht vom Titel her, aber sein folkischer Charakter fügt eine neue Facette in den teutonischen POWER(WOLF)-Metal hinzu.
Auch wenn es unnötig ist, ich wünsche der Saarländer Band viel Erfolg mit "Call Of The Wild" - verdient hat der Fünfer das absolut und unbenommen. Mir hat das Album wieder Lust auf POWERWOLF gemacht, und ich lege mit Freuden "Lupus Dei" und danach gleich "Blood Of The Saints" auf.
AXEL RUDI PELL nutzte die aufgezwungene Tour-Pause (Corona) zur Fortsetzung seiner "Diamonds Unlocked"-Alben. Sein zweites Werk ausschließlich mit Cover-Versionen erblickt heuer im Hochsommer das Licht der Welt. Es ist müßig, über Sinn und Nutzen solcher Alben zu diskutieren, da sie sich mittlerweile bei vielen Künstlern im Sortiment befinden.
Axels Songauswahl ist zumindest recht spannend ausgefallen. So reihen sich eher unbekannte Nummern, wie das groovende "Black Cat Woman" (GEORDIE) oder "Rock N' Roll Queen" (THE SUBWAYS), neben Welthits, wie das als kernige Halbballade vorgetragene, durch TOM JONES bekannte "She's A Lady" und ROLLING STONES´ "Paint It Black". Wobei letztgenanntes seiner dunklen Mystik beraubt wurde; Axels Kapelle will nicht recht zu dem Stück passen. RAINBOWs "Lady Of The Lake" harmoniert da schon wesentlich besser. Somit ist alles wie erwartet bei dieser Form eines Longplayers: mal passt es wunderbar, mal gehen Original und Neuinterpretation nicht zusammen. Axel Rudis Spiel, Sound und auch seine Mitmusiker funktionieren wie immer wunderbar miteinander, was gleichfalls vorhersehbar war.
Wie immer bei Steamhammer/SPV, ist die Gestaltung und Ausstattung der CD-Version vorbildlich, Digi-Pak zum Aufklappen (drei Seiten), inklusive Poster und Booklet.
Das Album „Red Brick City“ ist nach eigenen Aussagen der Familie Byford ein waschechtes Lockdown-Projekt – die Band HEAVY WATER also ein direktes Resultat dieser „dunklen Zeit“. HEAVY WATER? Das sind Seb Byford (Gitarre und Gesang), sein Vater und SAXON-Fronter Biff Byford (Bass und Gesang), Tom Witts (Drums) und Dave Kemp (Keyboards und Saxophon). Die zehn Tracks sind dabei eine Mixtur aus Vintage-Rock, Blues und britischen Hard Rock und bilden so die Vielfalt der Einflüsse der beiden Byfords gut ab. Gestartet wird das Album mit dem zwischen Metal und Grunge liegenden Riffgewitter „Solution“; das folgende „Turn To Black“ hat dann eine weit stärkere Alternative-Schlagseite. Bei „Tree In The Wind“ machen HEAVY WATER mit die beste Figur – eine tolle Ballade, das Byford-Duett ist ganz großes Kino. Etwas ungewöhnlich in diesem Kontext kommt dann „Personal Issue No. 1“ rüber, welches an alte MANIC STREET PREACHERS erinnert, für mich aber das Highlight des Albums bietet. „Revolution“ greift die Tonlage des Openers wieder auf – hart; und auch etwas zäh. Gegen Ende wird es dann nochmals etwas ungewöhnlich mit dem eher fröhlichen „Follow This Moment“ (inklusive Saxophon-Part) und dem bluesig-funkigen „Faith“. „Red Brick City“ ist kein Hit-Album geworden, eher solide Mucke mit zwei richtig guten Sängern. Wobei man in die balladesken Parts und die experimentelleren Stücke bei HEAVY WATER ruhig mal reinhören darf.
Im Oktober letzten Jahres erschienen bereits alle drei Soloalben des BLACK SABBATH-Bassisten in überarbeiteter Form. Der geschätzte Kollege Karsten hat hierzu derzeit die Reviews verfasst ("Plastic Planet", "Black Science", "Ohmwork"). Zu Recht hat er dabei moniert, dass keinerlei Zugaben in Form von zusätzlichen Titeln enthalten waren. Diese werden jetzt nachgereicht. Ende das Monats kommt eine Collectors-Box mit dem Titel "Manipulations Of The Mind" heraus, die zu der Solo-Trilogie eine weitere CD mit 15 Songs enthält.
Da ich einigermaßen mit der Meinung des Kollegen übereinstimme, werde ich mich hier hauptsächlich der Bonus-CD widmen. Sie beinhaltet im Großen und Ganzen unveröffentlichte Demos, Studio-Outtakes, Single-Edits und drei Live-Tracks, die im Majestic Theatre, Detroit, MI, im Februar 1996 aufgenommen wurden, zusammen mit dem Stück "Beach Skeleton", das bisher nur auf der japanischen Ausgabe von "Black Science" zu hören war. Ein, zwei Zeilen lang muss ich jedoch in diesem Kontext auf die "Ohmwork" eingehen, die ich zwar ebenfalls auf Rang drei einsortieren würde, mir aber einen Tick besser gefällt als dem Karsten. Zum einen geht sie meines Eerachtens etwas weg vom Industrial Metal, was der Eingängigkeit zu Gute kommt. Riffing und Bass machen deutlich, wo GEEZER BUTLER herkommt, und die fette Produktion tut ihr Übriges. Von diesem Output bekommt man tatsächlich fünf Nummern in alternativen Varianten. "Misfit", "Pardon My Depression" und "I Believe“" zähle ich zu den wenigen Highlights der Scheibe, die in ihren ursprünglich veröffentlichten Fassungen allerdings nicht zu toppen sind. “"Prisoner 103" hingegen war schon schwach und ist als alternativer Take immer noch nicht besser. "The Invisible", im Original auf "Plastic Planet", ist des Weiteren als instrumentale Version vertreten – wer braucht das? Richtig gut gefallen mir lediglich die drei Live-Aufnahmen mit Burton C. Bell am Mikro: "Drive Boy Shooting", "Detective 27" und "House Of Clouds".
Die Ausstattung der Box hätte obendrein gerne etwas opulenter sein können. Außer den vier CDs im Pappschuber bekommt man ein Booklet, das ausschließlich ein paar Bildchen enthält - keine Linernotes, keine Texte oder Ähnliches. Wer sich im letzten Jahr die Neuauflagen zugelegt hat, kann auf diese Sammelbox getrost verzichten, es sei denn, man braucht von GEEZERs Werk jeden Schnipsel. Dem Die-Hard-Fan gegenüber wäre das Anhängen der Zusatztitel an die jeweiligen Alben fairer gewesen, als hier nochmals zur Kasse zu bitten.
Manipulations Of The Mind - The Complete Collection
Fast 30 Jahre ist es her, da besorgte ich mir den Erstling „The Red In The Sky Is Ours“ der Göteborger Melodic Death-Institution. Zwar irritiert von „schiefen“ Geigeneinsätzen, fand das Werk einen festen Platz in meinem CD-Player und wird auch heute noch gerne aufgelegt. Und nun kommt das siebte Studioalbum, und AT THE GATES präsentieren sich auf „The Nightmare Of Being“ alles andere als altersmüde. Wut haben sie noch, aber irgendwie klingt diese Wut kanalisierter und strukturierter als vor Jahrzehnten. Die diskussionswürdige Geige ist abgelöst und durch Einsätze von Streichern und einem Saxofon ersetzt worden, was AT THE GATES in progressive Welten befördert.
Nein, „The Nightmare Of Being“ ist definitiv keine Kehrtwende, und alle Trademarks sind vorhanden. „Spectre Of Extinction“ ebnet den Weg in ein rasendes Abenteuer, welches sich durch große Melodien, geschickt gesetzte Spannungsbögen und eine perfekte Produktion auszeichnet. Nur Sänger Thomas Lindberg wirkt alles andere als perfekt und klingt extrem räudig und schmutzig, was den Gesamtsound abrundet – also doch ein perfekter Vocalist! Der Titeltrack „The Nightmare Of Being“ beginnt äußerst düster. Sprechgesang und cleane Gitarren eröffnen einen äußerst progressiven Song, der ein wenig an MESHUGGHAH erinnert, ein tolles Soli bietet und insgesamt sehr modern wirkt. Steht der Band gut zu Gesicht und zeigt, dass AT THE GATES durchaus offen für neue Einflüsse sind. „The Fall Into Time“ beginnt wieder mit eher ruhigen Klängen, und Chöre und Streicher übernehmen das Zepter. Erinnert zu Beginn ein wenig an EX DEO, um dann ein schleichendes Monster herauszulassen. Zwar bleibt man im Midtempo, aber dies ist auch gut so, da der Hörer so die vertrackten Songstrukturen verfolgen kann. Es bleibt wenig hängen, aber man ist trotzdem gefesselt – ein sehr schwierig zu beschreibender Song.
Tja, was soll man sagen. AT THE GATES machen es dem Hörer nicht einfach. Die Stimmung ist durchgehend negativ und irgendwie beklemmend umgesetzt. Wer in „The Nightmare Of Being“ leichte Kost vermutet und erwartet, der ist bei dieser Scheibe an der komplett falschen Adresse. Man muss sich alle Songs erarbeiten, aber dann packt einen die innere Schönheit der zehn Songs, und man möchte noch tiefer in die emotionale Welt der Band eintauchen. Für alle, die sich wirklich auf eine intelligente, düstere und trotzdem moderne Platte einlassen wollen, ist „The Nightmare of Being“ ein klarer Tipp – für alle Gelegenheitshörer ist ein Reinhören zu empfehlen.
Ansage: wer das Teil unverantwortlicherweise noch nicht sein Eigen nennt, der sollte jetzt mal in die Gänge kommen. Denn auch nach 20 Jahren hat das Referenzwerk von OPETH – deren erste Kooperation mit PORCUPINE TREE-Mastermind Steven Wilson „Blackwater Park“ ja war – nichts, aber auch gar nichts von seiner Klasse und Relevanz eingebüßt. Ansonsten gilt wie gehabt:
Wer von anspruchsvoller, atmosphärischer, durchdachter harter Mucke spricht, kommt an OPETH nicht vorbei. Mit „Blackwater Park“ gelang OPETH in 2001 nämlich ein Album der Extraklasse, welches noch heute als eines der Referenzwerke des Genres gilt, und das selbst Akerfeldt & Co. in seiner Einmaligkeit danach nicht wieder erreicht haben. OPETH erklommen mit „Blackwater Park“ den Gipfel der Symbiose zwischen Death Metal und zerbrechlichen Tönen, zwischen anspruchsvollem Prog und unglaublichen Melodien. Dazu ein Mikael Akerfeldt mit seinem herausragenden Gesang – hinter seinen Growls verbirgt sich einer der besten „Clean“-Sänger des Genres – auf „Blackwater Park“ gibt es reichlich Raum für beides. Es war auch das erste OPETH-Album, das von Steven Wilson produziert wurde. Und die eine oder andere PORCUPINE TREE-Schlagseite, besonders was die intensive Atmosphäre und die Pianoparts angeht, aber auch die cleanen Gesangslinien, steht OPETH verdammt gut und ist der letzte Tick, um ein an sich schon unglaublich abwechslungsreiches Album zu veredeln. Vor allem die komplett in clean gehaltene und unter die Haut gehende akustische Ballade „Harvest“, das wunderbar dramatische und trotz seinen Wechseln aus atmosphärischen und deathigen Passagen immer melancholische „The Drapery Falls“ sowie der gegen Ende nahezu brutale und in seinem Ausmaß episch-distanzierte Titeltrack „Blackwater Park“ sind Hammer. Aber das gilt sowieso für alle Kompositionen, denn „Blackwater Park“ arbeitet sich als Ganzes in Hirn, Herz und Nacken – sofort und doch ewig zeitlos.
Man darf sich aber durchaus die Frage stellen, ob man aus diesem Jubiläum nicht mehr hätte machen können. Die Deluxe-CD hat eine durchaus wertige Aufmachung, aber als einzigen Bonus eine Live-Version des Albumtracks „The Leper Affinity“ zu bieten. Die ist klasse – das wars dann aber auch. Ansonsten ist das Teil an sich nur für jene (wenige) von Interesse, die den Höhepunkt des Schaffens von OPETH und Mikael Akerfeldt noch nicht in der Sammlung stehen haben.
Biste verrückt: MALFESTED beweisen mal wieder, dass es in Belgien mehr gibt als Schoko-Waffeln und Pommes-Saucen. Also, sie entkräften das Klischee, dass es im geteilten Land keine guten Bands gibt. Denn das Debüt bietet nur offensichtlich recht altmodischen Death Metal, der alten Helden zu huldigen scheint. In Wirklichkeit ist diese EP viel töfter. Denn, und das sollte man nicht verschweigen: Wo Bands wie CANNIBAL CORPSE sich kompetent, aber eben auch ständig wiederholen, klingt „Shallow Graves“ erstens sehr energetisch und sorgt zweitens für Abwechslung. Da sind wunderschöne Leads, krasse Tempowechsel („Fields Of Bloodshed“) und stets echter Groove. Außerdem verlieren sich MALFESTED auch nicht in eigenbrötlerischem Gefrickel, sondern dienen geschlossen dem Fortkommen der Songs. Zudem ist alles gut-gradlinig gezockt, auch Sound und Produktion sind auf hohem Niveau. Man sollte also gespannt sein, ob die Kapelle aus dem flämischen Kortrijk dieses Energie-Level für eine Full-Length konservieren kann. Und zwar hoffentlich bald! Solange können sich Deather ja mit der EP beschäftigen. Fragt mal hier oder hier.
Aus Moskau kommen NEOLIX, eine Industrial Metal-Band, die zackige Gitarren- und Metal-Rhythmen mit Elektronik verbindet und obendrauf epischere, oft klare, manchmal aggressivere Vocals setzt. Die Band selbst nennt das musikalische Konzept „Epic Industrial Metal“ oder auch „Darksynth Metal“. In den Texten verwursten die Russen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Zukunft der Menschheit und geben sich dem Cyberpunk hin. Dabei geht es ihnen eher ums Lernen als um direkte Kritik. 2013 gaben sie ihre erste EP heraus („Du Hörst?“), 2015 und 2016 folgten mit „Legacy“ und „Fatum“ zwei weitere Scheiben, und jetzt ist eben das „Ikarus-Syndrom“ da. Auf dem Digi-Pak sind alle Texte bis auf den Bandnamen in kyrillischer Schrift, auch die Texte bietet Alexander Levin gekonnt in klaren russischen Worten feil. Das sorgt natürlich in unseren Breiten für einen Exotenbonus und macht die Veröffentlichung wirklich interessant. Klingt ein bisschen wie weichgespülte RAMMSTEIN mit einem Fronter, der richtig singen kann. Scheinbar sind die Jungs zudem Games-Enthusiasten. Wo RAMMSTEIN also den Flammenwerfer einsetzen, kommt bei NEOLIX auch mal Pixelsound zu allen Ehren. Und so gelingt ihnen mit „Ток перемен“ („Current Of Alterations“ / „Strom Ändern“) eine richtige Hymne. Interessant, witzig, ganz geil! Kontakt gibt es hier oder hier.