„Fast Loud Death“ schlug 2013 ein wie eine Bombe. Seitdem sind LOST SOCIETY exzessiv am touren und schaffen 2016 mit „Braindead“ ein Album, an dem sich die Geister scheiden werden. Hier hat sich nämlich einiges getan. Glänzte das Debüt der Finnen noch durch ungestüm-aggressive –old-school-thrashige Schlagkraft (wie man es aus dem Norden längst nicht gewohnt war), werden auf „Braindead“ andere Geschütze aufgefahren. Vorbei ist die Zeit energiegeladener zwei-Minuten Songs. Auf ihrem dritten Album knacken LOST SOCIETY erstmals die Acht-Minuten-Marke, die durchschnittliche Songlänge liegt jenseits von fünf Minuten. Das überrascht.
Der schon vorab veröffentlichte Opener „I Am The Antidote“ hat jedenfalls verdammt neugierig auf „Braindead“ gemacht. Sattes, groovendes Gitarrenspiel, viel variablere Vocals als jemals zuvor und ein wahnsinnig guter Refrain. Gibt es auf „Braindead“ mehr davon?
Ja. - und Nein. „Braindead“ ist mit Sicherheit der Finnen experimentierfreudigstes Album, doch LOST SOCIETY sind auch ihrem bisherigen Stil treu geblieben. Das beweisen vor allem schnellere Thrash-Kanonen wie „Mad Torture“, das direkt aufs Ganze setzende „Rage Me Up“ oder „Hangover Activator“. Hier wird jeder Thrash Metal-Fan ordentlich bedient und MUNICIPAL WASTE oder frühere ANTHRAX sind sicherlich eine berechtigte Randnotiz. Das über sechs-Minütige „Hollow Eyes“ erinnert mit seinen ausladenden Instrumentalpassagen fast an METALLICA und wäre auf den früheren Alben sicher undenkbar gewesen. Ein Höhepunkt ist auf jeden Fall das über acht Minuten lange „Only (My) Death Is Certain“: Von der akustischen Einleitung, über die wahnsinnig gute Gitarrenarbeit bis hin zu einem sehr mitreißenden Refrain gibt es hier wirklich nichts zu meckern. LOST SOCIETY wagen sich hier mit eingängigen Melodien fast an die Grenzen des Melodic Death Metal vor, Vergleiche mit den Landeskollegen CHILDREN OF BODOM (ohne Keyboard)sind sicher gewagt, wenn auch nicht ganz unberechtigt. Mit dem PANTERA-Cover „P.S.T.“ wird es zu guter Letzt noch einmal ziemlich rockig.
So glänzt „Braindead“ tatsächlich durch eine große stilistische Bandbreite, ausgereiftes Songwriting, viele Überraschungen und ist weit mehr als ein „hirntotes“ Thrash Metal-Album. Größter Respekt! Da vor allem „I Am The Antidote“ und „Only (My) Death Is Certain” bei mir in Dauerschleife laufen, kann man das Album jedem offenen Metal-Fan nur empfehlen. Wer die letzten beiden Alben von LOST SOCIETY mag wird hier aber auch nicht enttäuscht werden, da einige Songs direkt an „Terror Hungry“ (2014) anknüpfen. Wer ein Album wie „Fast Loud Death“ erwartet wird allerdings ein Wenig enttäuscht.
Tod bedeutet meistens Verlust und Einsamkeit. Keine Frage, Trondr Nefas (URGEHAL, BEASTCRAFT, ANGST SKVADRON, ENDEZZMA) starb mit gerade einmal 35 Jahren viel zu jung. URGEHAL hatten zu diesem Zeitpunkt gerade sechs Alben veröffentlicht, wobei die erste Hälfte von Nummer Sieben auch schon fertig geschrieben war – von Trondr Nefas. Bei solch einem tragischen Einschnitt stehen Bands meistens vor einer großen Entscheidung: Auflösung oder Ersatz. Beides kam für Enzifer und Uruz nicht in Frage. So wurde weder ein Ersatz-Sänger arrangiert, noch die Band aufgelöst. Die verbleibenden URGEHAL-Mitglieder verabschieden sich mit „Aeons In Sodom“ von ihrem verstorbenen Vokalisten – und ihren Fans.
Die Vorgehensweise der beiden Norweger ist dabei mehr als spannend: Die Hälfte des Albums wurde von Trondr Nefas geschrieben, die zweite Hälfte von Enzifer vervollständigt. Einige Gitarren-Soli stammen ebenfalls von Trondr Nefas. Für den Rest (Gesang und Solos) engagierte das verbliebene Duo etliche Gastmusiker: Nocturno Culto (DARKTHRONE), M. Shax (ENDEZZMA), Mannevond (KOLDBRANN, Niklas Kvarforth (SHINING), Nattlefrost (CARPATHIAN FOREST) und Nag (TSJUNDER) haben URGEHAL ihre Stimme geliehen – um nur einige zu nennen. Musikalisch gesehen bietet „Aeons In Sodom“ einen guten Querschnitt durch die bisherige URGEHAL-Diskographie. Von leichten Thrash-Einflüssen („The Iron Children“), Death Metal-Einflüssen bis hin zu Heavy Metal- und groovigem Gitarrenspiel („The Sulphour Black Haze“) ist hier echt alles dabei.
Man könnte jetzt meinen, dass „Aeons In Sodom“ ein wenig gestückelt wird. Überraschender Weise ist das jedoch gar nicht der Fall, URGEHAL haben ihren alten Stil trotz der vielen Gastmusiker konsequent beibehalten. Das überrascht vor allem, da hier mit Hoest, Nattlefrost, Nag und Kvarforth ziemlich markante Stimmen auf der Liste stehen, was hier allerdings eher Gewinn als Chaos stiftet. „Aeons In Sodom“ ist alles in allem ein würdiger Abschluss der 22-Jährigen Bandgeschichte und ein würdiges Tribut an Trondr Nefas, der sich nicht im Grabe umdrehen braucht.
Anspieltipps sind vor allem „The Sulphour Black Haze“, „Norwegian Blood And Crystal Lakes“ und „Psychedelic Evil“. „Aeons In Sodom” ist ein Muss für jeden URGEHAL-Fan.
Mit "Machtwort" legt das TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN-Kollektiv ihr neues Album vor. In den Texten wird der Lebensweg des Protagonisten behandelt, musikalisch gibt es deutschsprachigen Hardcore. Der ist, wie schon die "Licht"-EP klarmachte, direkt, auf die Fresse und ehrlich. Auffällig ist die Zahl von gut 20 Gästen, die von LET IT BURN RECORDS über ABFUKK bis hin zu RYKER'S und GWLT reicht, ohne dass sich das negativ auf die Songs auswirkt. Kein Song würde ohne einen Gast nicht funktionieren, die Gäste werten das von sich aus gute Material nochmals auf. Genauso muss das sein. Songs wie das mit überzeugendem Text ausgestattete "Nebel" oder der kraftvolle Opener "Alpha" zeigen TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN in Bestform und verstehen es, den Hörer mitzureißen.
Das Rad wird hier nicht neu erfunden, aber die für oldschooligen Hardcore nötigen Zutaten wie Gangshouts und Moshparts sind charmant genutzt worden. "Machtwort" ist so eine stringente Scheibe, die zwar manches Mal etwas berechenbar daherkommt ("Glaspalast" oder "Macht"), als Einheit aber überzeugt. Mehr Songs wie das rotzige "Konstrukt" oder das coole "Nichts" würden die Platte noch etwas aufwerten. Insgesamt ist das Jammern auf hohem Niveau, denn was TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN hier abgeliefert haben, hat Hand und Fuß und wird dem geneigten Hardcore-Fan gefallen.
RAGE veröffentlichen nach der Ende 2015 erschienen EP „The Refuge Years“ (und dem gleichnamigen Boxed Set) mit „My Way“ eine weitere EP. Zu hören sind darauf der Namensgeber „My Way“, „Black In Mind“ und „Sent By the Devil“ in 2015-Version und „My Way“ auf spanisch: „A Puesto A Ganar“. Der Song geht klar ins Ohr und kann auf Englisch, wie auch auf Spanisch voll punkten: Fette Gitarren und kraftvoller Gesang, das klingt ordentlich nach RAGE. Auch die neuen Versionen von „Black In Mind“ und „Sent By the Devil“ und beweisen, dass Peavy Wagner mit Vassilios "Lucky" Maniatopoulos (TRI STATE CORNER) und Marcos Rodríguez (SOUNDCHASER) gute Unterstützung gefunden hat. Die Produktion ist klar zeitgemäß und knallt ordentlich aus den Boxen.
Da kann man auf das neue Album (vorraussichtlich im Mai) gespannt sein! "My Way" erscheint als Mini-Digi.
„Tentacles Of Horror“ ist das dritte Album des Death-Metal-Projektes PUTREVORE, der äußerst aktiven Musiker Rogga Johansson (unter anderem DOWN AMONG THE DEAD MEN, THE GROTESQUERY, REVOLTING, PAGANIZER) und Dave Rotten (AVULSED, CHRIST DENIED,HOLYCIDE). Der Stil von PUTREVOR ist geprägt durch krankes Gitarrenspiel, finstere Harmonien und natürlich Dave Rottens extrem tiefe, gurgelnde Vocals. Hohe Geschwindigkeit sind hier eher selten (aber auch: „Hypoborean Dreams“) anzutreffen, die meiste Zeit über agiert das Duo im Mid-Tempo, der auch gerne in fast doomiges Low-Tempo ausufert, wie es in „Gable Window Portal Pt.I“ und zu Beginn von „The Rotten Crawls“ der Fall ist. Krankes Gitarrenspiel bieten vor allem der Opener „These Caverns Breed Filth“ und „The Rotten Crawls“, während „Through The Vortex To Aeons Past“ mit schwedischer Schlagseite verzückt. So ist „Tentacles Of Horror“ ein ganz ordentliches Death Metal-Album geworden, das nicht viel vermissen lässt. Antesten kostet in diesem Fall nichts.
EKSTASIS kommen aus Olympia und spielen Folk-Metal. Ekstsischen Folk-Metal. „The Book Of Longing“ besticht von der ersten Minute an mit wunderschönen Melodien zu denen sich bald rhythmisches Gitarrenspiel und (Klar-)Gesang gesellen. So schaffen EKSTASIS bereits in dem Opener „Clouds“ etwas, was vielen ihrer Genre-Vertretern auf einem Album nicht gelingt: Eine herrlich düstere, natürliche und packende Atmosphäre mit treibendem Rhythmus, stetiger Fortentwicklung und rotem Faden. So packen EKSTASIS einen hier praktisch ab der ersten Minute (auch als Nicht-Folk-Fan) und halten einen mit prickelnder Spannung bis zum verträumten Outro gefangen. Und auch wenn die fabelhafte Energie des Openers leider nicht über die gesamte Spielzeit gehalten werden, lassen EKSTASIS doch immer wieder aufhorchen. Die Gitarren harmonieren wunderbar mit dem Gesang, Percussion, Violine und eine Querflöte setzten eigene Akzente und verleihen „dem Buch der Sehnsucht“ etwas magisches. So kann man EKSTASIS als Freund düsterer, atmosphärischer und akustischer Musik ruhig eine Chance geben, die richtige Stimmung vorausgesetzt. „The Book Of Longing“ ist etwas für einsame Stunden in der Natur oder alle Menschen die Sehnsucht danach haben. Für Fans von Bands wie EMPYRIUM, DÄMMERFARBEN, DARKHER und THE VISION BLEAK.
Wenn man an kalifornischen Doom-Metal denkt, denkt man an ORCHID, SLEEP oder natürlich KYUSS. Gänzlich ohne Staub und Steine präsentieren sich hingegen LYCUS, eine der finstersten Doom-Bands dieser Umgebung. Langsam und zäh fließt der Lavastrom, den die Band mit ihrem zweiten Album „Chasms“ loslässt – aber keinesfalls eintönig. Die Oakländer verstehen es ihre Songs durch schöne Gitarrenmelodien und dezentes Cello-Spiel aufzulockern, wie es nicht vielen Funeral-Vertretern gelingt. „Chasmus“ bietet eine sehr triste und düstere Atmosphäre, wobei die Gitarrenarbeit hier fast schon in die Richtung Post Black Metal gehen. Auch Geschwindigkeitsausbrüche (wie gegen Ende von „Mirage“) weisen klar in diese Richtung. Die Vocals sind einfach nur deathig-düster und haben einen majestätischen Nachhall. Zu empfehlen sind LYCUS also eher dem klassischen Düster-Doom-Fan der Marke WINTER oder SATURNUS, denn Liebhabern des kalifornischen Stoner-Doom. Auch Post Black Metal-Fans könnten an „Chasmus“ durchaus Gefallen finden.
Anspieltipps: Der mächtige Opener „Solar Chamber“ und „Mirage“ mit seinem unüberhörbaren Black Metal-Touch.