Die Tatsache, dass sich Gitarrengott Victor Smolski letztes Jahr von RAGE trennte hat mich nicht gerade glücklich gestimmt – so war (oder bin?) ich immer großer Fan von dem Trio gewesen und halte gerade Victor Smolski für einen der stärksten Metal-Gitarristen der Gegenwart. Allerdings ist es nun wie es ist – und umso mehr freue ich mich, dass er mit ALMANAC ein ausgesprochen spannendes Nachfolge-Projekt hat.
Das Ganze lässt sich vermutlich wie folgt zusammenfassen: Man nehme die Idee, dass was andere mit einem Musiker machen mit dreien - nur anstatt mit drei Gitarren wie bei IRON MAIDEN mit den Sänger*innen - und bedient sich musikalisch fröhlich bei irgendwas zwischen RAGE und LMO. Voila.
Das daraus resultierende Musikstück ist eine gut 50-minütige Progressive-/Symphonic-Oper, welche durch ihre verschiedenen Vocals eine bemerkenswerte Facette an Sounds zaubert. Gerade die Mitwirkung von Jeanette Marchewka (ex-LMO; Vocals) und dem Orquestra Barcelona Filharmonia sorgen dafür, dass das Album die epochale Seite die wir schon von LMO kennen stark in den Mittelpunkt rückt und wir bereits im Opener „Tsar“ Jeanette über die kranke Solo-Spur von Smolski singen hören.
Im Gegensatz zu LMO sind aber die Heavy-Elemente wesentlich präsenter. „Hands Are Tied“s galoppierendes Intro oder einige Riffs aus „Nevermore“ erinnerte mich ein wenig an John Schaffers (ICED EARTH) Sechszentel-Schleudern, werden dabei aber gleichzeitig wieder von symphonisch-epochalen Elementen oder einfach einigen ruhigen Passagen unterbrochen („Reign Of Madness“) – wirklich zur Ruhe kommt aber eigentlich keiner der 9 Songs. Diese instrumentale Facettenreichheit wird durch die doch sehr unterschiedlichen Stimmen an den Vocals noch komplexer, sodass das Album beim ersten oder zweiten Durchgang fast etwas anstrengend sein kann.
Allerdings muss euch dabei bewusst sein, dass trotz dem großen Pulk an Musikern Smolski weiterhin eine extreme Dominanz im Sound der Band hat. Das gefällt mir persönlich unterm Strich dann doch ziemlich gut, da ich seinen mächtigen ENGL-Sound in Kombination mit dem klassisch-komplexen Spiel hier hervorragend aufgehoben finde – das ändert jedoch nichts daran, dass man definitiv Smolskis Stil mögen muss im gefallen an ALMANAC zu finden.
Fazit: Eine gelungene Fortführung für Victor Smolski in einem spannenden, progressiven Projekt welches wohl noch viel Potential für weitere Alben bietet – allerdings eine Gratwanderung zwischen zu viel Soloeskapaden an der Gitarre und zu viel Rock-Oper halten muss.
CONVULSE gehörten mit NECROPSY, DISGRACE und natürlich AMORPHIS zu den ersten Death Metal-Bands aus Finnland. Die ersten beiden Alben „World Without God“ (1991) und „Reflections“ (1994) schredderten damals grob, heftig und immens tief aus den Boxen. Nach einer sehr langen Pause nahmen die Finnen 2013 ihren Weg wieder auf und veröffentlichten mit „Evil Prevails“ ein Old School-Death Metal-Album.
„Cycle Of Revenge“ klingt allerdings anders. Verträumte Gitarren-Melodien entführen den geneigten Hörer schon beim Opener in ganz andere Sphären. Die extrem tiefen Grunts sind geblieben, ansonsten fällt es schwer die Band wiederzuerkennen. Immer wieder bringen CONVULSE interessante Melodien, satte Grooves, Trommeln („Fractured Pieces“) oder auch Clean-Vocals in ihre Musik ein.
Man mag von dieser doch recht unerwarteten Entwicklung halten was man will und CONVULSE mit OPETH oder AMORPHIS vergleichen. Doch tatsächlich drehen die Finnen hier ihr eigenes Ding und das überraschend gut. „Cycle Of Revenge“ punktet durch viel frischen Wind, eine progressive und abwechslungsreiche Herangehensweise und Rami Jämsäs gewohnt tiefe Vocals.
Anspieltipps: „Cycle Of Revenge“, „God Is You“ und „Ever Flowing Stream”.
SABATON sind Live in aller Regel ein absoluter Brecher – Ende der Diskussion (falls es da jemals eine geben sollte). Egal ob als Headliner auf ihrem eigenen Festival in Schweden, als Vorband zu IRON MAIDEN, als Festivalgast oder auf Tour, wo auch immer die Truppe um Joakim Brodén aufschlägt herrscht sofort explosive Stimmung.
Nun war es allerdings so, dass das erste Live Album der Jungs („World War Live“, 2011) irgendwie ein paar Krankheiten hatte: Ewige Jubel-Einspieler die ohne Bild wenig Spaß machten, alle Ansagen waren auf Schwedisch und die Soundqualität war auch eher tauglich für mitgelieferte Handy-Kopfhörer. Der Nachfolger „Swedish Empire Live“ vom 2012er Woodstock (in Polen) besserte nach, ist aber nun auch wieder 4 Jahre alt. Umso besser, dass „Heroes On Tour“ uns nun 2016 kurzerhand die Show vom Wacken Open Air 2015 (passend zum Album „Heroes“) präsentiert.
Dementsprechend zeigt sich die Tracklist auch durchaus spielfreudig mit Songs von „Heroes“, ohne dass dabei die Klassiker zu kurz kämen – und ob nun „Ghost Divison“ oder „Night Witches“ die Menge anheizen tut eigentlich gar nicht so schrecklich viel zu Sache, in jedem Fall sind sowohl Band als auch Fans ausgesprochen lebendig bei der Sache. Ob es nun einfach der brachial-militärische Sound der Jungs, die „Noch ein Bier!“ brüllende Menge oder die sympathisch-blödelnden Kommentare von Joakim („Kein mehr Bier!“) auf dem Festival sind, an Stimmung mangelte es auf dem Wacken letztes Jahr scheinbar nicht.
Allerdings: Uns lag nur die Musik ohne Bild vor – denn „Heroes On Tour“ kommt eigentlich als zwei DVD/Blu-Ray Monstrum raus, wobei Scheibe 1 die besprochene Wacken-Show, Scheibe 2 die vom hauseigenen Festival beinhaltet. Nun ist es auch so, dass SABATONs Shows in den Jahren immer bemerkenswerter wurden – größer, feuerfester, bombastischer. Zwar wird diese Stimmung wirklich gut über die Audiospur rüber gebracht, eine Live-Blu-Ray ersetzt mir das bei SABATON aber nicht.
Fazit: Ob man drei Live-Alben in 5 Jahren braucht? Ansichtssache – aber SABATON ist definitiv eine Band die sich so eine Aktion leisten kann. Ob man allerdings SABATON ohne Bild braucht? So gut die Audio-Spur ist, so viel würde sie doch (erfahrungsgemäß) durch Live-Bilder gewinnen. Dementsprechend: Habt ihr einen DVD oder Blu-Ray Player, greift zur Bild-Scheibe - aber auch mit der CD/Vinyl macht man im Zweifelsfalle nicht falsch, verpasst vermutlich nur etwas was sich anderweitig lohnen würde.
Was wurde im Vorfeld nicht schon alles gemutmaßt? Dass METAL CHURCH so eine riesige Erwartungshaltung produzieren ist jedoch ein hausgemachtes Problem. Schließlich wurden schon monatelang kryptische Infos lanciert, dass was „ganz Tolles“ im MC-Camp passieren wird. Und als die Spannung kaum noch auszuhalten war, wurde mit Mike Howe endlich der neue / alte Sänger präsentiert. Howe, der Ende der 80er und Anfang der 90er mit „Blessing In Disguise“, „The Human Factor“ und „Hanging In The Balance“ drei absolute METAL CHURCH Klassiker eingesungen hat. Fun Fact am Rande: Von seinen damaligen Mitmusikern ist heute KEINER mehr dabei. Selbst Bandgründer Kurdt Vanderhoof war zu Howe-Zeiten nur als Songwriter, nicht als aktiver Musiker tätig.
Die Fangemeinde erwartet nun eben nicht mehr und nicht weniger, als ein Album auf Augenhöhe mit den drei alten Werken. Was natürlich etwas unfair ist, denn ein neues Werk kann niemals mit den Alben konkurrieren, die seit fast 25 Jahren in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Blendet man zu Beginn die alten Klassiker mal aus, so ist man angenehm vom starken Eröffnungsquartett überrascht. Dreimal starker Up-Tempo Metal -zeitweise sogar leicht thrashig- und einmal episch und erhaben. Und wenn man dann doch vergleicht, so kommt einem in erster Linie das `89er Album „Blessing In Disguise“ in den Sinn. In der Mitte wird es mit „The Sky Falls In“ oder „Blow Your Mind“ nicht schlecht, aber leider etwas beliebig. Im letzten Drittel bekommen METAL CHURCH mit den beiden flotten „Soul Eating Machine“ und „Suffer Fools“ sowie dem bedrohlichen und sich fulminant steigernden „It Waits“ wieder die Kurve. Der Sound hingegen ist recht rockig und erinnert etwas an das „Masterpeace“-Album. Ein etwas fetterer Klang hätte meiner Meinung nach der CD auch gut zu Gesicht gestanden. Macht unterm Strich ein sehr starkes Album, was losgelöst von der eigenen Geschichte fast einen „Tipp“ verdient gehabt hätte. Da das aber nicht geht, bleibt eben die Empfehlung, dass man als traditioneller Metalhead auf jeden Fall mal reinhören sollte.
Ach ja: Das Wichtigste zum Schluss: Mike Howe ist gesanglich nicht eine Minute gealtert und klingt auch auf „XI“ stark wie eh und je. Wäre echt eine Schande gewesen, wenn diese Stimme für immer in der Versenkung verschwunden wäre.
DIVINE WEEP aus Polen haben sich mittlerweile komplett von ihren Black Metal-Wurzeln gelöst und bieten kraftvollen Euro Power Metal, welcher an die frühen 2000er erinnert und herrlich untrendy daherkommt. Die besten Werke von CRYONIC TEMPLE, BURNING POINT oder NOSTRADAMEUS aber auch neuere SCANNER kommen einem da in den Sinn. Ab und zu gibt es von der Gitarrenfront auch einen kleinen IRON MAIDEN Schlenker zu hören. Das ist jetzt zwar nicht neu (ja, ja, ein Fünfer ins Phrasenschwein…is‘ Recht), macht aber Laune. Vor allem da die Jungs einiges auf dem Kasten haben. Sound stimmt und der kraftvolle Gesang von Igor Tarasewicz braucht sich vor internationaler Konkurrenz nicht zu verstecken. Auch wenn wir von Euro Power Metal sprechen, sind DIVINE WEEP weit weg von irgendwelchen Tralala-Nümmerchen und vernachlässigen bei aller Eingängigkeit den Metal nicht. Sogar Chöre wie im Titelstück verwässern die Angelegenheit nie. Schützenhilfe in besagtem Titelstück bekamen DIVINE WEEP von Wojciech Hoffmann, dem Gitarristen der polnischen Metalurväter TURBO, welcher mit seinem Gitarrensolo wieder einmal glänzen kann. Was „Tears Of Ages“ aber wirklich empfehlenswert macht, ist die Tatsache, dass hier alles schlüssig auf den Punkt komponiert wurde und so für Freunde des zackigen Euro Metals ein kompromissloses Hörvergnügen bietet.
FORKS sind eine relativ unbekannte Rock-Band aus der Schweiz, keine Gabeln. Viele Informationen gibt das Internet über das Quartett nicht her, nur das die Gründung Ende 2012 stattfand und Anfang 2013 das erste Mal im „Les Caves du Manoir“ live gespielt wurde und 2014 mit „Forks“ ein erstes Album veröffentlicht wurde. Nun lassen FORKS mit „Forks II“ ein zweites Album folgen, welches (nicht nur) optisch um einiges verstörender und düsterer daherkommt. FORKS kombinieren verschieden Genres wie Psychedelic Rock, Kraut Rock, Garage Rock und Noise. Ausufernde Jamming-Parts, ein hypnotisieree Psychedelic-Parts und der ziemlich geile, teilweise verstörende Gesang sind wohl seit jeher ein Markenzeichen der Band. Die Songs knacken nicht selten die zehn Minuten-Marke. Wer Struktur sucht ist hier definitiv falsch, dafür bleiben FORKS auf ganzer Linie spannend und weitestgehend unvorhersehbar. Besonders cool ist es dabei, wenn die Band wie im letzten Drittel von „Profundo Rosso“ vollkommen eskaliert. Das ist krank, aber genial. Gemäßigter geht es da in Songs wie „Sunday Sunshine“ zu, den es hier auch noch einmal in der Extended-Version gibt.
Tatsächlich ist das zweite Album der Band düster als das Erste. Gefühlt werden hier noch mehr Grenzen und Extreme ausgelotet, die Atmosphäre ist allumfassender und nicht mehr so unbeschwert wie auf dem Debüt. Wer auf psychedelischen, krautigen Rock mit dem gewissen Etwas steht sollte hier unbedingt reinhören!
Anspieltipps: "Profundo Rosso", "Silencio" und "Sunday Sunshine".