Das Fazit, das mein werter Kollege Karsten vor zwei Jahren in Bezug auf das Debütalbum „Circle Of Darkness“ der vierköpfigen Truppe aus Detroit, Michigan gezogen hat, kann ich an dieser Stelle leider nur bestätigen: den vier Songs auf „All Will Suffer“ mangelt es nicht an kernigen (wenn auch nicht gerade originellen) Riffs, viel Wumms und einer standesgemäß fetten Produktion, aber die große Achillesferse von PLAGUE YEARS stellt eindeutig Sänger Tim Englehardt dar, der sich nervig-monoton und dabei erstaunlich ausdruckslos durch die über 17-minütige Scheibe quält und das an sich gute Gesamtniveau hörbar ein paar Etagen tieferlegt. Mit einem Fronter wie Leif Jensen (ex-DEW-SCENTED) oder auch nur ansatzweise Tom Araya (wer wohl?!) könnte diese EP, wie auch das 2020 vorausgegangene Album, einen deutlich größeren Achtungserfolg erzielen. So bleibt bei zwar nicht überragenden, aber durchaus gelungenen Songs wie dem Opener „Make You Mortal“ oder dem Midtempo-Stampfer „Reality Of Filth“ leider ein fader Beigeschmack hängen, der das an sich hörenswerte Gesamtwerk einmal mehr in hohem Maße trübt.
Als „Darkened Death Metal“ bezeichnet dieses seit Herbst 2018 existierende Berliner Quintett seinen Stil, und tatsächlich haben wir es hier mit sehr adäquatem Melodic Death Metal zu tun, der bisweilen schwarze Züge trägt. Illustre Namen wie NECROPHOBIC, SACRAMENTUM oder UNANIMATED kommen dem Hörer spontan in den Sinn, die für den Sound von HUMAN ABYSS Pate gestanden haben könnten. Auf diesem meisterlichen Niveau zelebrieren die Jungs auf ihrem Debütalbum „Anatomy Of Anxiety“ (nach der EP „Mors Cardo“ und der starken Single „Shallow Water“, das auch hier zu finden ist) zwar noch nicht, aber die Richtung stimmt in jedem Fall; melodisch-harte Brocken wie „Locked Gates“, das heftig nach vorne drückende „Disillusion“ oder die erwähnte, grandiose Abrissbirne „Mors Cado“ (ein ganzes Album auf diesem Level, und wir reden von einem „Tipp“!) geben sich keine Blöße und zeigen eine Band mit viel Potential, das hier zwar noch nicht ganz ausgeschöpft wird (die Produktion könnte zudem etwas fetter auftragen, ist aber für eine Eigenproduktion völlig in Ordnung), aber definitiv Bock auf mehr macht. Zudem hat die Band ein - im positiven Sinn - sehr nachdenklich stimmendes Textkonzept: im Mittelpunkt steht der sowohl medizinische als auch gesellschaftliche Kampf von Sänger Lynn, der bei seiner Geburt als intergeschlechtlich identifiziert wurde, und der seine Wut in den Songs ungezügelt heraus kotzt, was den Aggressionspegel zusätzlich erhöht. Das ansehnliche Digipak inklusive Booklet ist zwar farblich und inhaltlich relativ schlicht gehalten, beinhaltet aber alle Texte, kommt sogar auf 20 Seiten und kann für 15 Euro unter anderem über die Bandcamp-Seite der Band bestellt werden. Insgesamt also eine wirklich gute Angelegenheit in professioneller Aufmachung.
Die axtschwingenden Nordmänner ziehen mit ihrem zwölften Album "The Great Heathen Army" in die ruhmreiche Schlacht!
AMON AMARTH feiern Band-Jubiläum: 30 Jahre Melodic Death Metal im Wikingergewand; und sie beschenken sich selbst und ihre zahlreichen Fans mit der heutigen Veröffentlichung ihres neuen Albums. Die traditionellen Trademarks der Band sind wieder allgegenwärtig, und es bildet sich der bekannte Kontrast zwischen Härte, tiefem Gesang und eingängigen Riffs sowie melodischen Gitarren.
Die Schweden starten mit dem starken düsteren Opener "Get In The Ring": eine harte Midtempo-Nummer mit melodischen Leads. Der Track wurde für Erik Redbeard, den Wrestler mit dem schicken roten Rauschebart, als Einmarschmusik geschrieben. Der Titeltrack "The Great Heathen Army" wurde ebenfalls bereits veröffentlicht und zeigt die hymnenhafte Ausrichtung der Lehensmänner. Das Gitarrenspiel im Refrain erinnert ein klein bisschen an "For Whom The Bell Tolls". Weiter geht’s mit dem Trinklied "Heidrun", zu dem sich sicherlich prima mit einem Trinkhorn zuprosten lässt. Bei "Oden Owns You All" stampfen AMON AMARTH heftig los, sie können auch noch bluttriefende Blastbeats spielen! "Find A Way Or Make One" startet mit einem netten Riff ("The Pursuit Of Vikings" lässt grüßen) und wartet mit Gangshouts auf: Faust in Richtung Himmel! Den Gitarren von Mikkonen und Söderberg wird erfreulich viel Raum gewährt und schöne Hooks fabriziert. Zu "Dawn Of Norsemen" wird das Wikingerthema voll ausgekostet, und Mr. Hegg brüllt wirklich stark. In "Saxons And Vikings" geht’s rockig-metallisch zu, und passend zum Songtitel erhält Hegg Unterstützung von Biff Byford von SAXON. Das ist eine Überraschung, und die Kombination aus Heggs rau-tiefem Gesang und dem melodischeren Stil Byfords macht den Song überaus einprägsam. Der Rausschmeißer "The Serpent's Trail" entpuppt sich als beinahe doomiger Track mit Spoken-Word-Passagen. Die makellose Produktion der Platte stammt von Andy Sneap (JUDAS PRIEST, MEGADETH), der schon einige frühere Alben produzierte ("Deceiver Of The Gods" und "Jomsviking").
"Wenn Berserker unser Heavy Metal-Album war", so Gitarrist Olavi Mikkonen im Pressetext, "dann ist "The Great Heathen Army" unser Death Metal-Album." Ganz so weit würde ich nicht gehen, man beachte schließlich AMON AMARTHs Frühwerke "The Avenger", "Once Sent From The Golden Hall" oder "Sorrow Throughout The Nine Worlds". Aber die Jungs haben in Sachen Härte glücklicherweise eins draufgelegt, wenn man "The Great Heathen Army" mit den letzten Longplayern vergleicht.
AMON AMARTH schaffen es, sich auf ihre alten Werte zu besinnen und vermischen nun wieder vermehrt Epik mit grober Deftigkeit.
Die Band fand im Frühsommer 2020 zusammen und ist in der Natur unterwegs, in der kalten, harten, brutalen. Ganz ohne Romantik, Zaubersprüche oder Umhänge, in denen die Schweden tanzen könnten. Sagen sie. Wichtiger ist aber, was sie machen - und das ist auf dieser Kassette außerordentlich abwechslungsreicher, schwarzer Metal, der neben klarem Black auch DBM, Heavy, Rock und Doom einbindet. Es ist nicht die fiese klirrende, nordische Schwarzwurzel-Basis, sondern "Varþnaþer" klingt schon ein wenig polierter. Die Jungs aus Vänersborg fabrizieren eine außerordentlich groovige, schwere Mischung, die zudem nicht nur ehrlich, sondern auch viel erwachsener klingt als die Selbstbeschreibungen der Kapelle. Sie kommen überall klar, egal, ob sie einen warmen Groove in gemäßigter Geschwindigkeit anbieten oder kalten Krach mit viel Tempo. Und das mehr als sieben Minuten lange "Måne" schafft alles gleichsam in einem Lied. Kleiner Wermutstropfen: Die auf 100 Stück limitierte MC scheint bereits ausverkauft, aber die Jungs halten über Facebook (oder per Mail) sicher noch etwas bereit. Auf keinen Fall 999 Euro bei Bandcamp für Vinyl bezahlen! Aber das versteht sich wohl von selbst. Tolles Album einer frischen jungen Bande - aber auch böse und düster!
Dieses „Gebeinhaus“ kommt aus dem wundervollen Montreal im frankophilen Part Kanadas, also aus Québec. Diese Region ist nicht nur für seine „abweichende“ Landessprache und sachten Separationsbestrebungen bekannt, sondern vor allem durch eine kräftig florierende, sehr vitale und ein klein bisschen inzestuöse Black Metal-Szene. Wer einmal an dieser (Blut) geleckt hat, der kommt nicht wieder davon los. Denn angefangen mit MONARQUE und FORTERESSE oder auch DÉLÈTEREund CANTIQUE LÉPREUX gibt es zig richtig gute Bands. Gut, Kritiker sagen, die klängen alle gleich… Das ist aber wurscht, ohne Pommes keine Poutine. Also: OSSUAIRE sitzen erstaunlicherweise ein wenig neben dem sich schnell drehenden Bandkarussell. Charnier, Atrocité, Hérésiarque und Spectre haben bis dato nur bei unbekannteren Kapellen gezockt, landeten aber dennoch beim Haus- und Hof-Label und gewannen SPECTRAL WOUND-Mann Patrick McDowall für die Arbeit im Studio. Nach den prima „Chants“-Alben („Premier“ und „Dernier“) von 2019 folgt jetzt die EP. Und die enthält - man ist geneigt zu sagen „wie immer“ - rasend-schnelle und gedrosselte, aber immer eiskalte Riff- und Sound-Landschaften, fantastische Melodien und gekonnt-krächzende Vocals. Auch diese frankokanadische Band dokumentiert erneut, was für tolle Songs Black Metaller schreiben können, gleichzeitig so basisch und so episch. Oder andersherum: Wie wenig kommt es auf überproduzierten Bombast-Sound an, wenn es solche Lieder gibt? Na, Norwegen? Verstanden? Apropos, um nicht falsch interpretiert zu werden: Was DARKTHRONE und Co. heute versuchen, durch Pseudo-Rückkehr zum Garagen-Sound oder durch das Wildern im angeblichen Rock’n’Roll, das machen OSSUAIRE mit richtigem Black Metal: raue, wilde, böse und gleichzeitig epische, schöne und richtig gute Musik. Wer hören will, muss fühlen: „LaSaintePurge“ oder „Ignipotentis“ - aber eigentlich alle fünf Stücke (also vier plus Intro) über 30 Minuten in Gänze.
Die Schweden kommen aus Uppsala und vereinen laut eigener Auskunft auf ihrem Erstling Erfahrungen aus alten Bands und anderen Genres wie Thrash, Progressive, Doom, Glam und eben Hard Rock. Aber keine Angst vor krudem Genre-Mix: Hier gibt es ollen Hard Rock, allenfalls bewegen sich Jeanshosen und Cowboystiefel noch todesmutig Richtung Melodic Metal. Wobei Bewegung ein wenig übertrieben ist, denn der zweite Song zum Beispiel, das DEEP PURPLE-like, keyboardig eingeleitete "LML" stakst ungeheuer hölzern durch die Prärie der schwedischen Wälder. Und wenn einer so leierig "I love my life" singt, nimmt man ihm das nicht ab. Puuh. Zum Glück sind nicht alle Songs so öde, der Mann am Mikro kann es doch. Und so hört man hier mal ein rockiges Riff mit ein paar lässigen Licks und heimeligen Hooks. Die Lieder verweilen aber (zu) häufig im mittleren Tempo, haben zwar Groove im Gepäck, aber zu wenig Energie. Natürlich gibt es mit "Peanut" auch eine gute, wenn auch typische Ballade. Und prominente Gäste hat es auch: Nalle Påhlsson (TREAT, THERION) malträtiert den Bass, Pontus Norgren (HAMMERFALL) spielt ein Gitarrensolo im "Kiss Of Death". Was das Album aber eben nicht über einen höchstens gefälligen Status hebt. Es ist alles ganz okay, aber eben nicht so richtig, richtig, richtig geil. Und so müssen Melodic Metal-Alben heutzutage nun mal sein. Sonst liegt die Dauerwelle flach, und der geneigte Hörer wendet sich lieber den Altvorderen zu. Das trifft zwar auf jedes Genre zu, aber gerade Hard Rocker leben ja auch ein bisschen im Gestern. Das ist zwar gut so, das Album aber nicht. Immerhin: Es befriedigt kurz.
Im Jahre 2018 rockten TORCH das Sweden Rock, und dieses Heimspiel wurde dieser Tage als amtliches Live-Album veröffentlicht. Ich falle gleich mit der Tür und meinem Hauptkritikpunkt ins Haus: Ich verstehe, warum man sein Live-Album bei einem großen Festival mitschneidet (größeres Publikum, bestehende technische Infrastruktur, etc.). Wenn man aber nicht gerade METALLICA oder IRON MAIDEN ist, dann hat man in der Regel nicht die Möglichkeit, ein zweistündiges Set zu bieten, und so kredenzen uns auch TORCH für ein Live-Album recht magere 42 Minuten. Die wiederum haben es allerdings in sich. Der Sound ist fett, aber natürlich, das Publikum ist gut wahrnehmbar vorhanden, und Dan Dark ist vortrefflich bei Stimme und pusht seine Jungs zu einer starken Energieleistung voran. Und genau das macht den Reiz von „Live Fire“ aus. Die Songs kommen mit einer Wucht aus den Boxen, die die Studioalben deutlich übertrifft.
Der etwas ACCEPT-lastige Midtempo-Heavy Metal verfehlt seine Wirkung nicht, und die starken, eingängigen - aber nicht platten - Refrains animieren zum Mitgrölen. Da das Comeback-Werk „Reignited“ zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht veröffentlich war, befindet sich mit „Feed The Flame“ nur ein neuer Song auf „Live Fire“. Dieser passt aber nicht nur ins Gesamtbild, sondern stellt für mich sogar ein kleines Highlight dar. Der Rest ist schwedische Stahlhistorie par excellence. „Mercenary“, „Electrikiss“ oder „Warlock“ sollte man als Freund klassischer Metal-Klänge durchaus kennen. Und TORCH hatten schon 1984 einen Song namens „Thunderstruck“. „Live Fire“ eignet sich sowohl als sinnvolle Ergänzung der Sammlung eines jeden TORCH-Fans als auch als Pseudo-Best-Of für Neueinsteiger. Starkes Ding.
In Finnland, da scheppern die Becken, und kreischt es mächtig hektisch aus den Wangen - flotter Tanztee-Death Metal ist es nicht. Aber es geht schnell zur Sache und eben auch in Blut und Bauch. GALVANIZER tun wie dirty, rotten Bäbä-Deather, sorgen aber für erfrischende Songs in zumeist recht fixem Tempo. Was für ein Hit ist denn bitte das schnelle "Chthonic Profanation"? Junge, Junge. Oder "Dia De Muertos". Das fetzt, das bringt Spaß, das macht Laune, und die nächste Fahrt geht nicht rückwärts. Wir sind ja auch nicht auff´em Rummel, sondern bei ernsten Finnen, die richtig geilen Scheiß verzapfen. Der besteht aus ein bisschen Uffta-Uffta, CARCASS, ENTOMBED und richtig viel Drive mit geilen Gitarrenmelodien (immer wieder in vielen Songs), und manchmal übertreten GALVANIZER die Grenze zum Grind. Und das ist verdammt gut so. Das Trio besorgt es einem mächtig. Und dann liegst Du da in der Ecke, kannst Dich nicht mehr bewegen, Du bist total kaputt, aber Du weißt genau: Davon will ich noch mehr. Also noch mal von vorn: Es scheppern die Becken …
Der Opener „La Mort Bientôt Jouit“ („Der Tod Freut Sich Bald“) zeigt auf eindrückliche Weise, wie breit die Spannweite einer Black Metal-Scheibe sein kann. Von Sekunde zu Sekunde passiert hier Neues, kein Wunder, dass auch die neun Songs komplett verschieden scheinen. Nach dem galoppierend-hektischen ersten Stück folgt mit „Les Infectes Salives“ ein schleppender, grooviger Song, der den fauligen Speichel irgendwie schmackhaft erscheinen lässt. Könnte sowas wie der Hit des Duos aus Lyon sein. Das sich aber ansonsten in recht kalter Wut präsentiert und eher trübe Stimmung verbreitet, also Musik macht, die genau in diese Zeit passt. Die Franzosen sind vielschichtig, aber nagen auch zuweilen zu sehr am Nervenkostüm - zum Beispiel, wenn sich am Ende des flotten „Carbone“ die Instrumente in nahezu wahnsinniger Atmosphäre gegenseitig überholen und alles, aber auch alles aus dem Fokus verlieren. Hier geht es nur noch um pure Raserei, wenn nicht ums Malträtieren der Menschheit. Wie erholsam klingt das mitteltemperierte Schluss-Stück „Hantise“, das ohne Gesang auskommt und dafür nachvollziehbare Tempowechsel bietet und mit minimalistisch wiederholten Riffs die Nerven schont und so fast Spaß macht. Ich sagte „fast“! Spannendes Album für Leute, die Schmerz ertragen.