Im Jahre 2018 rockten TORCH das Sweden Rock, und dieses Heimspiel wurde dieser Tage als amtliches Live-Album veröffentlicht. Ich falle gleich mit der Tür und meinem Hauptkritikpunkt ins Haus: Ich verstehe, warum man sein Live-Album bei einem großen Festival mitschneidet (größeres Publikum, bestehende technische Infrastruktur, etc.). Wenn man aber nicht gerade METALLICA oder IRON MAIDEN ist, dann hat man in der Regel nicht die Möglichkeit, ein zweistündiges Set zu bieten, und so kredenzen uns auch TORCH für ein Live-Album recht magere 42 Minuten. Die wiederum haben es allerdings in sich. Der Sound ist fett, aber natürlich, das Publikum ist gut wahrnehmbar vorhanden, und Dan Dark ist vortrefflich bei Stimme und pusht seine Jungs zu einer starken Energieleistung voran. Und genau das macht den Reiz von „Live Fire“ aus. Die Songs kommen mit einer Wucht aus den Boxen, die die Studioalben deutlich übertrifft.
Der etwas ACCEPT-lastige Midtempo-Heavy Metal verfehlt seine Wirkung nicht, und die starken, eingängigen - aber nicht platten - Refrains animieren zum Mitgrölen. Da das Comeback-Werk „Reignited“ zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht veröffentlich war, befindet sich mit „Feed The Flame“ nur ein neuer Song auf „Live Fire“. Dieser passt aber nicht nur ins Gesamtbild, sondern stellt für mich sogar ein kleines Highlight dar. Der Rest ist schwedische Stahlhistorie par excellence. „Mercenary“, „Electrikiss“ oder „Warlock“ sollte man als Freund klassischer Metal-Klänge durchaus kennen. Und TORCH hatten schon 1984 einen Song namens „Thunderstruck“. „Live Fire“ eignet sich sowohl als sinnvolle Ergänzung der Sammlung eines jeden TORCH-Fans als auch als Pseudo-Best-Of für Neueinsteiger. Starkes Ding.
In Finnland, da scheppern die Becken, und kreischt es mächtig hektisch aus den Wangen - flotter Tanztee-Death Metal ist es nicht. Aber es geht schnell zur Sache und eben auch in Blut und Bauch. GALVANIZER tun wie dirty, rotten Bäbä-Deather, sorgen aber für erfrischende Songs in zumeist recht fixem Tempo. Was für ein Hit ist denn bitte das schnelle "Chthonic Profanation"? Junge, Junge. Oder "Dia De Muertos". Das fetzt, das bringt Spaß, das macht Laune, und die nächste Fahrt geht nicht rückwärts. Wir sind ja auch nicht auff´em Rummel, sondern bei ernsten Finnen, die richtig geilen Scheiß verzapfen. Der besteht aus ein bisschen Uffta-Uffta, CARCASS, ENTOMBED und richtig viel Drive mit geilen Gitarrenmelodien (immer wieder in vielen Songs), und manchmal übertreten GALVANIZER die Grenze zum Grind. Und das ist verdammt gut so. Das Trio besorgt es einem mächtig. Und dann liegst Du da in der Ecke, kannst Dich nicht mehr bewegen, Du bist total kaputt, aber Du weißt genau: Davon will ich noch mehr. Also noch mal von vorn: Es scheppern die Becken …
Der Opener „La Mort Bientôt Jouit“ („Der Tod Freut Sich Bald“) zeigt auf eindrückliche Weise, wie breit die Spannweite einer Black Metal-Scheibe sein kann. Von Sekunde zu Sekunde passiert hier Neues, kein Wunder, dass auch die neun Songs komplett verschieden scheinen. Nach dem galoppierend-hektischen ersten Stück folgt mit „Les Infectes Salives“ ein schleppender, grooviger Song, der den fauligen Speichel irgendwie schmackhaft erscheinen lässt. Könnte sowas wie der Hit des Duos aus Lyon sein. Das sich aber ansonsten in recht kalter Wut präsentiert und eher trübe Stimmung verbreitet, also Musik macht, die genau in diese Zeit passt. Die Franzosen sind vielschichtig, aber nagen auch zuweilen zu sehr am Nervenkostüm - zum Beispiel, wenn sich am Ende des flotten „Carbone“ die Instrumente in nahezu wahnsinniger Atmosphäre gegenseitig überholen und alles, aber auch alles aus dem Fokus verlieren. Hier geht es nur noch um pure Raserei, wenn nicht ums Malträtieren der Menschheit. Wie erholsam klingt das mitteltemperierte Schluss-Stück „Hantise“, das ohne Gesang auskommt und dafür nachvollziehbare Tempowechsel bietet und mit minimalistisch wiederholten Riffs die Nerven schont und so fast Spaß macht. Ich sagte „fast“! Spannendes Album für Leute, die Schmerz ertragen.
Nach der verhältnismäßig langen Schaffenspause von fünf Jahren seit dem letzten Studioalbum „Totenritual“, melden sich BELPHEGOR mit ihrem zwölften Studioalbum „The Devils“ zurück.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe bei den Österreichern immer das Gefühl, dass sie zu dick auftragen und ihr Auftreten, ihre Musik, ihre Texte und Cover-Designs etwas flach, eintönig und trivial rüberkommen. Brauchen wir Songtitel wie „Sexdictator Lucifer“ oder „Bondage Goat Zombie“, und besteht nicht die Gefahr, dass blasphemischer Death Metal zur Karikatur von sich selbst verkommt? Sicherlich kriegt der Hörer einiges an Qualität geboten, aber manchmal sollte Mastermind Helmuth Lehner „die Kirche im Dorf lassen“ (Zwinker-Smiley).
Vergleiche ich den neuen Silberling mit „Totenritual“, erscheint „The Devils“ im Durchschnitt langsamer, bietet mehr Abwechslung und kann mich mehr unterhalten als der Vorgänger. „The Devils“ heißt auch der eisige Eröffnungstrack, bevor mit „Totentanz - Dance Macabre“ eine Nummer folgt, welche Elemente nordischen Black Metals intus hat. Bei „Glorifizierung Des Teufels“ wird es schleppend, und die Lyrics variieren zwischen Englisch, Deutsch und Latein. Zu „Damnation - Höllensturz“ wechselt schön das Tempo, allerdings zündet die Atmosphäre nicht so recht, und die Chöre wirken altbacken. Besagte Chor-Parts werden immer wieder aufgegriffen, wie z. B. beim zähflüssig und zeremoniell anmutenden „Virtus Asinaria - Prayer“. Zu betonten ist insgesamt das hochwertige und erderschütternde Schlagzeugspiel auf der Platte. Zum Abschluss gibt es als Bonus „Blackest Sabbath 1997“ auf die Ohren: ein Medley aus „Blackest Ecstasy“ und „Blutsabbath“.
BELPHEGOR zog es wegen der Produktion zu Jens Bogren nach Örebro in die Fascination Street Studios (KREATOR, ROTTING CHRIST, AT THE GATES). Die Produktion ist druckvoll und etwas klinisch.
Fans sollten zugreifen, BELPHEGOR liefern zuverlässig ab, mehr aber auch nicht.
„Broken Wheel“ ist der dritte Song der DARKESTRAH-EP „Chong-Aryk“ und vereint die Stärken der Band in knackigen 217 Sekunden. Er ist typisch - und vereint viele Gemütszustände. Es beginnt melancholisch, der Folk Black Metal der deutsch-kirgisischen Formation wabert durch verzweifelte Momente mit kurzen Hoffnungsmomenten und ergießt sich in absoluter Wut. Es ist die DARKESTRAH-Interpretation des Songs „Khartai Sarlag“ der mongolischen Folkrockband DOMOG, mit eigenen Arrangement, Text und Gesang. Die Bandmitglieder sind langjährige Fans der Mongolen und freuen sich, endlich eine Cover-Version zu machen. „Broken Wheel“ ist eine Art Meditation über Sinnlosigkeit der Existenz aus der Perspektive einer Person, die sich in der absoluten Einöde verloren hat. Und der Song steht exemplarisch für die ganze EP, sie ist weniger bombastisch, legt Wert auf traditionelle Atmosphäre und lässt auf diese Weise Emotionen mit viele Tiefe raus. DARKESTRAH und ihr gebrochenes Rad sind mild und aggressiv zugleich. Die Jewel-Case-Edition ist limitiert auf 300 - und bietet mit „Gift Of Mud And Venom“ und dem überragenden „The Warrior Poet“ zwei weitere starke Songs. Das alles ist sehr natürlicher Black Metal mit Keyboard, cleanen Vocals und anderen Extras, bleibt aber immer ehrlich und nie auswimpelt. Interessant!
Im Jahr 2020 wurde für mich Musikgeschichte geschrieben, denn „Danse De Noir“ konnte mich restlos begeistern und findet noch immer regelmäßig Zugang zu meinen Gehörgängen. Aus diesem Grund war ich gespannt, ob die Jungs von LORD VIGO tatsächlich eine Möglichkeit gefunden haben, den Vorgänger noch zu toppen. Um gleich auf den Punkt zu kommen - „Danse De Noir“ konnte nicht übertroffen werden, aber „We Shall Overcome“ hält das gigantische Niveau und lenkt den Hörer in eine andere musikalische Richtung. Eigentlich perfekt, da wir es wieder mit einem Hammeralbum zu tun haben, welches aber neue Überraschungen bereithält.
LORD VIGO mögen es gerne opulent, und somit strotzt das Album nur so vor Sprach-Samples, Synthesizer-Klängen und natürlich dem unverwechselbaren Gesang von Vinz Clortho. Als Inspiration nennt die Band den Klassiker „Operation Mindcrime“ von QUEENSRYCHE, was besonders die allgegenwärtige Detailverliebtheit unterstreicht. Besonders die vielen Hammondorgel-Sounds prägen mittlerweile den Bandsound und machen LORD VIGO in ihrem Bereich unverwechselbar. Wie auch auf „Danse De Noir“, legt die Band einen großen Wert auf mitreißende Refrains, bei denen Vinz Clortho seine ganze Klasse beweisen kann. Natürlich sprechen wir noch immer von Doom Metal, aber ein Song wie „From Our Ashes We Will Rise“ zeigt, dass LORD VIGO auch die SISTERS OF MERCY und BILLY IDOL zu ihren Einflüssen zählen können. Der Hit der Scheibe packt rockige Klänge in ein düsteres Soundgewand und bastelt einen Song, der in den Gehörgängen festklebt. Großes Kino! „Natural Habitat“ überzeugt mit einem spannungsgeladenen Songaufbau, der sich in einem beeindruckenden Refrain manifestiert. „A New Age“ ist ein typischer Epic-Doomer, welcher auch gut auf den Vorgänger gepasst hätte. Man sieht, auf „We Shall Overcome“ wird Abwechslung geboten, und man verfällt zu keinem Zeitpunkt in doomige Lethargie.
Als Fazit kann man sagen, dass die Pfälzer genial abgeliefert haben, und nun tatsächlich zwei Alben von LORD VIGO zu meinen persönlichen Langzeit-Faves gehören. Wer sich mit der, leider noch unterbewerteten, Band noch nicht beschäftigt hat, sollte dies schleunigst nachholen. LORD VIGO sind auch im Jahr 2022 ein Garant für epischen Metal, der eigentlich auf eine große Bühne gehört und im Plattenschrank jedes Metallers ein Plätzchen finden sollte.
Schon eine Weile ist das dritte Album von MALEVOLENCE auf dem Markt. Die Metalcore´ler aus Sheffield (UK) lassen ihre Werke gut reifen. Zwischen den ersten beiden Alben lagen vier Jahre, von "Self Supremacy" zum aktuellen "Malicious Intent" vergingen sogar fünf Jahre. Dafür kommt das Quintett nun mit einem ausgereiften und für das Genre sehr abwechslungsreichen Werk um die Ecke. Generell greift der Stempel "Metalcore" in Sachen MALEVOLENCE viel zu kurz. Neben typischen Stakkato-Attacken im Midtempo verarbeiten die Jungs gerne Einflüsse von Bands der Marke PANTERA, DOWN, LAMB OF GOD oder in den schleppenden Passagen auch CROWBAR. Eine (Fast-) Ballade wie "Higher Place" habe ich jedenfalls von einer Band aus dieser musikalischen Ecke so noch nicht gehört. Das Stück gehört für mich zu den Highlights des Jahres. Nicht nur ist der cleane Gesang richtig gut - die doppeläufigen Leads und das gefühlvolle (!) Gitarrensolo lassen den Hörer doch einigermaßen geplättet zurück. Nach den ersten dreieinhalb Stücken (das brettharte Intro zählen wir mal nicht als vollwertigen Song) war damit nicht zu rechnen, da MALEVOLENCE bis dahin die volle härtetechnische Breitseite gefahren sind. Das aber mit Stil.
Auch in den eher typischen Groove-Granaten blitzen immer wieder reinrassige Metal-Riffs auf, und auch melodische Refrains werden gerne eingearbeitet. Den Gesang teilen sich Alex Taylor und Gitarrist Konan Hall, die beide ihre Sache sehr gut machen. Ein weiterer Höhepunkt ist der Track "Above All Else", der psychedelisch-akustisch startet und über einen brutal groovenden Teil bis zu Blastbeats führt, um dann in einen üblen Breakdown zu münden. Unterstützung erhalten MALEVOLENCE hierbei von Matt Honeycutt (KUBLAI KHAN). Und wenn wir schon bei Fremdpersonal sind: Bei "Salvation" erhebt kein geringerer als TRIVIUMs Matt Heafy sein Organ. Der Song ist ein weiterer Anspieltipp und glänzt auch mit abartig gutem Riffing.
Dass das Ding knallhart produziert ist, versteht sich im Hause Nuclear Blast fast von selbst. Dieses Album ist ganz sicher ein Genre-Highlight des laufenden Jahres, könnte aber auch Metaller einfangen, die sonst beim Begriff "Core" in allen seinen Facetten das Weite suchen. Reinhören kann nicht schaden.
H.E.A.T waren ohne Zweifel, nach dem großartigen Album "II", gerade dabei, auf die Überholspur zu wechseln, als Erik Grönwalls Abgang den Bremsvorgang einleitete. Der blonde Barde, längst mehr als der neue Sänger, mauserte sich sowohl im Studio als auch live zum geheimen Star der Gruppe - und das völlig zu recht. Nun heißt es, zurück zum Anfang; Kenny Leckremo (Sänger Nummer eins) übernimmt wieder seine angestammte Position, und H.E.A.T legen mit "Force Majeure" ihr erstes Album der Nach-Eric-Grönwall-Ära vor.
"Back To The Rhythm" ist dann auch die Ansage für das Album. Kenny Leckremon ist doch stimmlich etwas kantiger und unverbindlicher als sein Vorgänger, und dies scheint er auch gerade beim Opener mit zusätzlichen Screams deutlich herauszuarbeiten. Die flankierende Gitarrenmelodie ist großartig und der Song ein starker Beginn des Longplayers. Und kernig geht es weiter: "Tainted Blood" ist wuchtig und für H.E.A.T-Verhältnisse heavy wie lange nicht. Aber natürlich bleibt bei aller neuen Härte eine gewisse Geschmeidigkeit erhalten, schön nachzuhören beim tänzelnden "Harder To Breathe" oder bei der überraschend düster gehaltenen Halbballade "One Of Us".
H.E.A.T 2022 spielen ihr neu erhaltenes Kartendeck strategisch und durchdacht aus. Die verlorene Elastizität und Konsensfähigkeit wurden mit einem Mehr an Dynamik und einem größeren Muskelspiel kompensiert. "Force Majeure" ist nicht so anschmiegsam wie "II", rückt aber von Hörgang zu Hörgang näher und punktet dafür mit Power und Entschlossenheit.