Wer in den 90ern Heavy Metal oder Hard Rock machte, hatte einen schweren Stand. Grunge war das dominierende Genre in der gesamten westlichen Welt. Große etablierte Bands kamen ins Straucheln oder biederten sich diesem neuen Stil an, und die neuen, jungen Combos taten sich schwer, erst einmal einen Fuß in die Tür zu bekommen. Just zu Beginn dieser Epoche veröffentlichten CONCEPTION ihr Debüt “The Last Sunset“. So ist es nicht verwunderlich, dass der eine oder andere die Norweger noch nicht auf dem Schirm hat.
Im Zuge der Neuveröffentlichungen ihrer ersten vier Scheiben erscheint “The Last Sunset“ nun in remasterter Form mit drei Demotracks auf blauem Vinyl.
In unserer ersten Ankündigung vom 22.07.2022 wurde die Veröffentlichung als Übergangsalbum bezeichnet. Das lag natürlich u. a. daran, dass das Werk fast komplett fertig war, als Roy Sætre Khantatat alias Roy Khan (vermutlich vielen als Sänger von KAMELOT bekannt) den Job am Mikro übernahm und sämtliche Songs, bis auf den Titeltrack, vom Ausnahmegitarristen Tore Østby komponiert wurden. Folglich spielt hier die Gitarre mehr oder weniger die erste Geige. Die einzelnen Songs beinhalten lange, teils ausufernde Gitarrenparts, die mitunter klassisch angehaucht sind, wie man sie vom Saitenhexer Yngwie Malmsteen kennt; das Besondere sind indes die Flamenco-Einlagen. Das erste Mal tauchen sie bei “War Of Hate“ auf und ziehen sich dann wie ein roter Faden durch die ganze LP. Meist werden sie auf der akustischen Gitarre traditionell dargeboten. Bei “Among The Gods“ (mein persönliches Highlight) wurde sogar das typische Klatschen hinzugefügt, man entdeckt das Thema aber zuweilen auch im elektrischen Gitarrenspiel, wodurch “Fairy´s Dance“ eine orientalische Färbung bekommt. Im Vergleich zu den Folgealben, war damals Roys Gesang deutlich klarer und getragener angelegt. Das einzige von ihm mitgeschriebene Stück “The Last Sunset“ trägt progressive Züge, der Rest ist weniger verkopft und könnte man in der Schublade “Power Metal“ finden. Der Sound selbst ist transparent, und alle Instrumente kommen zur Geltung. Die Keyboards waren jedoch bei weitem noch nicht so prägnant wie in den folgenden Jahren.
Die Demos auf der D-Seite sind allesamt bisher unveröffentlicht (nicht irgendwelche anderen Versionen), die im Übrigen in puncto Sound den anderen Tracks in nichts nachstehen. Warum diese bisher noch nicht das Licht der Welt erblickt haben, ist mir ein Rätsel. “Bound To Suffer“ wurde bereits am 19.08.2022 als Appetizer veröffentlicht, und “By Dawn´s Early Night“ ist ein großartiges Instrumentalstück mit Gitarrengefuddel vom Allerfeinsten. Überirdisch was der gute Tore da raushaut - die Kirsche auf der Torte.
Die LPs selbst sind sehr gut verarbeitet, haben aber leichte Laufgeräusche, die wohl der Farbe geschuldet sind. Mit einer Länge von ca. 66 Minuten ist die Ausführung als Doppel-LP außerdem gerechtfertigt. Einziges Manko ist die Rückseite des Gatefold-Covers. Dort sind die vier Musiker abgebildet, aber leider so unscharf, als sei hier das CD-Booklet als Grundlage verwendet worden.
Bei dem norwegisch-schwedischen Quartett handelt es sich um einen Zusammenschluss aktiver (André Aaslie) und ehemaliger (Thomas Angell) Mitglieder der norwegischen Gothic-Doomer FUNERAL; Co-Gründungsmitglied Kjetil Ytterhus verließ OMNIA MORITUS bereits im letzten Jahr, um sich auf seine anderen Projekte (unter anderem KHÔRA) zu konzentrieren. Insgesamt hat es ganze acht Jahre seit der Bandgründung 2014 gedauert, bis das Debütalbum „Ex Inferis“ im Kasten war, und das Ergebnis ist alles andere als leicht verdaulich geraten. Über das ursprüngliche Ziel, düsteren Funeral-Doom zu spielen, sind die Herren jedenfalls meilenweit hinausgeschossen. Stattdessen türmen sie allerlei symphonische Einlagen und gotischen Bombast auf das grundsätzlich doomige Fundament, was „Ex Inferis“ leider einfach nur überlädt. Sänger Göran Setitus (unter anderem ex-SETHERIAL, ex-IMPIOUS und ex-TORCHBEARER) beherrscht zwar tiefes Growlen, aggressives Schreien und sogar Klargesang mühelos, doch am Ende sind es die zerfahrenen und zähen Songstrukturen, die den Hörgenuss vollends kastrieren. Das Album wirkt wie ein Eintopf, in den man alles reingetan hat, was gerade in der Küche herumstand - „aus einem Guss“ geht völlig anders. Selbst nach zehn Durchläufen bleibt kaum etwas von „Ex Inferis“ hängen, was schade ist, bedenkt man die weitläufigen Fähigkeiten und Erfahrungen der Protagonisten. Gegen die besten Momente von Bands wie SWALLOW THE SUN oder NOVEMBERS DOOM kann das Album zu keiner Sekunde anstinken, geschweige denn gegen die Großtaten von (alten) KATATONIA, MY DYING BRIDE oder OPETH. Hier wäre weniger viel mehr gewesen.
Rogga Johannson kann es nicht lassen - ich habe keine Ahnung, in welchen und wie vielen Bands der Mann involviert ist und welche Projekte da noch kommen mögen, aber ich habe den kompletten Durchblick verloren. FURNACE sind in jedem Fall eine Band, bei der Rogga sein ganzes Können unter Beweis stellt und melodischen Death anbietet, der sich auch gerne mal ein wenig rock'n'rollig anhören darf. Der dritte Output von FURNACE klingt sehr spontan und leicht, und somit kann man den Spielspaß, den die drei Protagonisten beim Einspielen der Scheibe hatten, leicht erahnen. Mit „Stellarum“ befindet sich die Band in guter Gesellschaft von Bands wie EDGE OF SANITY, ENTOMBED, GRAVE und DISMEMBER. Natürlich erfindet man den Death'n'Roll nicht komplett neu, aber oft wildert man auch in anderen Gefilden und lässt Thrash oder Heavy Metal-Einflüsse zu, was die Scheibe durchaus belebt und interessant macht. Die Instrumente sind sehr auf das Schlagzeug von Lars Demoké ausgerichtet, dem man einen erstklassigen Job bescheinigen kann. Oft brechen die Gitarren aber aus, und somit wird auf „Stellarum“ den Gitarren viel Platz für hochmelodische Gitarrenläufe und Melodien eingeräumt, die man von Rogga in dieser Form eigentlich nicht kennt - sehr schön! Um noch weitere Traditionen zu brechen, arbeitet man auf dem Album auch mit Synths, die eine hervorragende Atmosphäre erzeugen und nie aufdringlich wirken. Die Vocals klingen immer böse und gemein, und somit kann man der Band nicht vorwerfen, ein kommerzielles Kalkül zu verfolgen. Der Sound von „Stellarum“ klingt satt und aufgeräumt, was das Hörvergnügen weiter steigert und das Album zu einer runden Sache werden lässt. Fans von Rogga und den oben genannten Bands können bedenkenlos zugreifen. Wirklich hörenswert!
Ray Alder (FATES WARNING) hat diesen Monat gleich zwei Veröffentlichungen im Angebot. Einmal das mit Mark Zonder eingespielte und simpel "A-Z" genannte Werk und das Debüt der neu geformten Super-Group FIGURE OF SPEECHLESS, die u. a. aus Größen wie Derek Sherinian (Keybord/Produzent), Ron "Bumblefoot" Thal (Gitarre) und Brian Tichy (Drums) besteht. Der dazu eher unbekannte Musiker Glen McMaster (Gitarre) ist aber der eigentliche Initiator und Haupt-Songwriter des Projekts.
Das Album "Tunnel At The End Of The Light" hat eine bewölkte und finstere Atmosphäre, die gerade Derek Sherinian mit seinem gespenstisch klingenden Keybordspiel zusätzlich dunkel einhüllt. Der starke Opener "Day And Night" stampft stoisch aus dem Startblock; Ray Alder veredelt mit tragischem Unterton die über sieben Minuten lange Nummer, die einen interessanten Mittelteil mitbringt und das Tempo am Ende verschärft. "Carve A Smile" beginnt melancholisch, fast zart, wird aber im weiteren Verlauf dann doch härter und dynamischer - hier gefällt der lebendige Instrumentalteil. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Gesangslinien partiell eine gewisse Eintönigkeit vermitteln. Gerade im Kontrast zu den oft agilen Instrumentalparts. "Escape Hatch" kann hier als Beispiel dienen; musikalisch brennt die Nummer von Anfang bis Ende, Ray Alders gesangliche Performance, bzw. seine Gesangsmelodie wirkt hier abschwächend und bremsend. Das bestätigt sich bei "Midnight Desert Rendezvous" und wird nach einem kurzen Zwischenhoch (Titelsong, "The Cast-Out") leider zur Regel. Auf den Papier ist gerade Ray Alder prädestiniert für die eingangs erwähnte dunkle Aura, die dem Album anhaftet. Aber entweder passt der Sänger nicht ins musikalische Konzept oder eben die Songs nicht zum Sänger.
Wenn man bedenkt, welch großartige Künstler bei FIGURE OF SPEECHLESS beteiligt sind, bleibe ich doch etwas enttäuscht zurück. Instrumental hat das Album einiges zu bieten - gerade Sherinian agiert hier songdienlich und inspiriert wie lange nicht. Schade, hier wäre sicher mehr drin gewesen.
WELCOME TO PLESHIWAR wurden 2021 durch den Gitarristen Karsten Goebel in Marburger Gefilden gegründet und versüßen uns den Spätsommer mit ihrer EP „Unsolved“. Sie spielen Death-Doom mit zarten Schattierungen von Melodic Death Metal und Gothic Metal. Die Belegschaft ist nicht neu in der Szene, man kennt die Mitglieder von Kapellen wie LACRIMA CHRISTI, UNCUT DESPITE, IMMORTALIS, REAWACAN, BLOODJOB und ABZESS. Der Bandname scheint sich auf einen fiktiven indischen Bergort aus der „Drei Fragezeichen“-Hörspielfolge „Der Fluch des Rubins“ zu beziehen, welche unter dem Originaltitel „The Mystery Of The Fiery Eye“ 1967 von Robert Arthur geschrieben wurde.
Gerade bei einer neuen Band, ist es interessant, die Musik mit anderen Gruppen zu vergleichen und Einflüsse herauszuhören. WELCOME TO PLESHIWAR orientieren sich an einigen Helden meiner Jugend. Die guten alten MY DYING BRIDE schlossen gemeinsam mit ANATHEMA und PARADISE LOST die Lücke zwischen dem hasserfüllten Gesangsstil des Death Metal und der melodischen Depression des Doom Metal. Very British, darling! Die drei Peaceville-Kombos veränderten sich im Laufe der Jahre, und nun setzen WELCOME TO PLESHIWAR genau dort an, wo die besagten Friedhofs-Kombos noch richtig gut waren: Nämlich in den 90ern, als eine Spur mehr Aggressivität angesagt war und noch gegrowlt wurde.
Die Scheibe startet mit reitender Gitarre und Midtempo zum rhythmischen Kopfnicken und dem Track „Welcome To Pleshiwar“. Sascha Kaisers tieftönendes Guttural-Organ passt sich schön in den Stil ein. Später wird das Tempo kurzzeitig rausgenommen, und eine sehnsuchtsvolle Gitarrenmelodie lockert die Stimmung auf und verleiht der Musik eine gewisse Leichtigkeit. Die Gitarrenmelodie (nach drei und sechs Minuten Spielzeit) könnte glatt aus der Feder von Markus Vanhala (INSOMNIUM, OMNIUM GATHERUM) stammen.
„Ten Thousand Years...” ist ein schöner Doom-Song, und es geht traurig-leidend zu: das spiegelt sich in Stimme, Gitarre und Keyboard-Einsatz wider. WELCOME TO PLESHIWAR spinnen ein undurchdringbares Dickicht an niederdrückender Schwermut mit feierlichen Begräbnis-Riffs. TIAMAT und Co. lassen grüßen, ohne kopiert zu werden.
Zu „Unsolved“ wird an Tempo wieder zugelegt, und orientalische Elemente nehmen Einfluss. „Beati Pauperes Spiritu“ wurde bereits im Vorhinein samt Video veröffentlicht. Der Bass wummert immer wieder lässig auf, die Gitarre trägt die Melodie. Der Song ist wie ein steiniger, nachdenklich stimmender Marsch durch nebelverhangene Landschaften.
„Unsolved“ wurde von der Band in Eigenregie aufgenommen und im Anschluss bei Andy Classen (ASPHYX, DESTRUCTION u. a.) im Stage One Studio abgemischt und endbearbeitet.
WELCOME TO PLESHIWAR haben meine Aufmerksamkeit geweckt und mit ihrer EP einen lohnenswerten Appetizer für ein Full-Length-Album geliefert.
Was sich auf dem Vorgänger "Bleeding The Stars" angekündigt hat, findet seine Vollendung oder zumindest seine Fortsetzung auf "How To Shroud Yourself With Night", dem neuen Album von LACRIMAS PROFUNDERE. Der Opener "Wall Of Gloom" kommt zwar ohne Growls aus, aber er ist heavy und vor allem doomig wie lange nicht; PARADISE LOST und DRACONIAN kommen mir als Vergleich so in den Sinn. Die oft als Vorbilder genannten HIM sind bei dieser Nummer nicht präsent. Gerade die Verzweiflung und Düsternis sind fast greifbar, und Sänger Julian Larre (seit 2018) unterstreicht das mit einer aus Niedergeschlagenheit triefenden Gesangsdarbietung. "Nebula" liefert dann auch die bereits erwarteten Growls und zeigt endgültig, poppiger Gothic Rock wie einst scheint nicht mehr das primäre Ziel von Mastermind Oliver Nikolas Schmid zu sein. Hier gefällt darüber hinaus das "tropfende" Keybord, das die Atmosphäre zusätzlich verdunkelt. "The Curtain Of White Silence" überrascht mit einer Mischung aus Melodic Hardcore und Post Rock und dazu mit seiner nervösen, verstörenden und hysterischen Stimmung. Ich bin fast versucht, Parallelen zu den wunderbaren DISILLUSION zu ziehen.
LACRIMAS PROFUNDERE zeigen sich auf ihrem neuen Album ungemein experimentierfreudig, abwechslungsreich, ambitioniert und nicht zuletzt selbstbewusst. Der Longplayer wirkt dadurch etwas unberechenbar und zum Teil auch fordernd. Einzig die nahezu immer präsente schummrige, morbide Atmosphäre, wie auch das textliche Thema - der Wunsch, einfach zu verschwinden, unsichtbar zu sein und sich von der Außenwelt abzukoppeln - binden das Werk. LACRIMAS PROFUNDERE legen mit "How To Shroud Yourself With Night" ein geradezu lichtraubendes, tiefschwarzes Album vor, dem man kaum kommerzielles Kalkül vorwerfen kann.
Hach ja, wie gut hätte die Band zum alten Namen des Labels gepasst… Denn (Re-) Kotz ist hier nicht nur im Band-Moniker und in Album-Titel zu finden, sondern in all dem ranzigen Verve, in all dem göbeligen Duktus, in all der erbrochenen Musik. Von "Carnage At The Morgue" bis "Anthropophagous Inhumation" transportieren VOMIT SPELL den Zauber echter Kotze und bewegen sich damit ohne Gummistiefel in einer wabernden Masse aus jungen CARCASS, AUTOPSY und all den üblichen Drecksäuen. Nur: Die Mainzer Moderjochen integrieren auch andere Aspekte und nahe gelegene Genre-Varianten in ihren gülligen Sound. Da sind die schwarzen, tödlichen Klopp-Momente, die sich so anfühlen, als wenn beim Erbrechen fast der Kopf platzt: "Contamination Void" ist so ein Beispiel, das immer mal an diese genialen Berliner Todesbotschafter NECROS CHRISTOS erinnert. Punk verwurstet "Axxiom Of Annihilation", Crust das folgende "Curbside Lacerations". Überhaupt klingen VOMIT SPELL insgesamt viel variabler, als vieles vermuten ließe, und sie haben dazu nicht diesen halligen Höhlensound der Black Metal-Hipster. Doch trotz aller Abwechslung, bleibt eins immer bestehen: Kotze stinkt. Und das ist gut so, dann tritt vielleicht einer weniger rein. Das Album hingegen ist so gut, wie es Fans vom Label erwarten. Alles andere als zum Reihern also.