Ginge man die Sache sarkastisch an, könnte man behaupten, dass die 1976 von Lead-Gitarrist Brian Tatler gegründeten DIAMOND HEAD zwar die New Wave Of British Heavy Metal (NWOBHM) mit befeuert haben, ansonsten aber schon seit Jahrzehnten kein Hahn mehr nach ihnen krähen würde, hätten nicht METALLICA im Jahr 1984 den Hit „Am I Evil“ auf ihrer „Creeping Death“-Single gecovert.
Da ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Diamantenköpfe ihr tatsächlich grandioses Debütalbum „Lightning To The Nations“ (das auch als „The White Album“ bekannt ist - nähere Infos dazu finden sich in den ausführlichen, zehnseitigen Liner Notes im Booklet der vorliegenden Wiederveröffentlichung, das zudem sämtliche Songtexte enthält) oft und gerne in jeglicher Form verwursten, zuletzt in einer kompletten Neueinspielung von 2020. Nun legt die immer noch sehr gefragte und auch heute noch ansprechende Truppe so etwas wie einen ultimativen Re-Release des ursprünglichen Albums vor, der es auf 100 Minuten Spielzeit bringt und neben dem Originalalbum auch alternative „Lost Original Mixes“ der ersten fünf Songs der Scheibe sowie sieben Bonustracks enthält, die allesamt von den Singles „Sweet & Innocent“ (1980), „Shoot Out The Lights“ (1980), „Waited Too Long“ (1981) sowie der EP „Diamond Lights“ (1981) stammen. Während Letztere das remasterte Album adäquat ergänzen und, auch wenn sie qualitativ etwas abfallen („Diamond Lights“ etwa hat schon gehöriges Nervpotential!), diese Wiederveröffentlichung zumindest in historischer Hinsicht bereichern, sind die eher demohaften „Lost Original Mixes“ problemlos verzichtbar und allerhöchstens für DIAMOND HEAD-Komplettisten interessant, da sie zuvor unveröffentlicht waren.
Als Fazit kann man sagen, dass hier tatsächlich ein „Lightning To The Nations“-Allround-Paket geschnürt wurde, dessen Cover-Artwork zwar zu wünschen übrig lässt, das musikalisch aber alles bietet, was man zu diesem Meilenstein liefern kann. Ob man jedoch ein weiteres Mal zugreifen muss, wenn man frühere Versionen der entsprechenden Veröffentlichungen besitzt, liegt wie immer im Ohr des Zuhörers.
Zählen wir das Coveralbum "Locked and Loaded" mit, ist "Radiance" das siebte Album, und die DAISIES mausern sich langsam, aber beständig zum Headliner-Status, auch für größere Hallen. Das liegt nicht zuletzt an GLENN HUGHES, der mit seinem Legenden-Status und prägenden Einfluss die Gänseblümchen auf das nächste Level hievte; auch und gerade, da sich das Songwriting und die Qualität der Studioalben gegenüber der Corabi-Ära enorm gesteigert haben. Genau das unterstreicht auch der neue Longplayer.
Die Band ist durch das gemeinsame Touren gereift und zusammengewachsen. Ich unterstelle mal, dass die Hierarchie klar geregelt ist und es keine Überraschung ist, dass GLENN HUGHES sowie Doug Aldrich als erste Songwriter aufgeführt werden. "Face Your Fear" wird auf GLENN HUGHES unverkennbarer Stimme und seiner emotionalen Art, diese zu gebrauchen, gebaut. Doug Aldrich flankiert mit bluesiger Gitarre die wuchtige Nummer, die dort weitermacht, wo "Holy Ground" 2021 aufgehört hat -klassischer Hard Rock at its best! Der Titelsong grollt und stampft doomig wie ein wütendes, Tonnen schweres Mammut, das der Eiszeit entrinnen will, und punktet darüber hinaus mit Heavyness und athletischem Gitarrenspiel. "Kiss The Sun" unterhält mit überraschendem Rythmus und einer Gesangslinie, die sich gleich einer Schlange anschleicht, um im richtigen Moment ihr Gift in den Hörer zu injizieren.
"Radiance" hält die Qualität von "Holy Ground" und geht dessen Weg weiter. Das neue THE DEAD DAISIES-Album ist ein typisches GLENN HUGHES-Werk, hier mit einem unter seiner Führung und prägender Dominanz angestachelten Doug Aldrich. Diese Zusammenarbeit und Konstellation könnte noch so manches Heavy Rock-Juwel zum Vorschein bringen - doch erst einmal Applaus für eben dieses!
Seit mehr als 20 Jahren sind KNORKATOR mit ihrem Mix aus Metal, Techno-Klängen und fast schon opernhaftem Gesang nun unterwegs, um die Menschheit mit astreinem, absurden Blödsinn zu unterhalten und mit den satirischen Texten auch auf Missstände aufmerksam zu machen. Unwissenden beschreibe ich die Band auch gern mit "RAMMSTEIN in lustig".
Wenn man KNORKATOR schon ein bisschen kennt, kann man behaupten, man bekommt genau das mit den elf neuen Titeln serviert, was man erwartet hat. Das ist keinesfalls negativ gemeint, denn die Band agiert musikalisch und textlich einfach auf ihrem eigenen, beständig hohen Level. Die ersten zwei Durchläufe empfehle ich mit guten Kopfhörern und ohne Ablenkung, damit die Lyrics und die Computer-Techno-Sounds ihre Wirkung entfalten können. In den für ungeschulte Hörer "niveaulosen" Texten über unter anderem Scheiße stecken so viel Wahrheit und unzählige Gelegenheiten, der Menschheit den Spiegel vorzuhalten, um auch über eigene Verhaltensmuster einmal genauer nachzudenken. Alf Ator hat uns hierzu ein paar Einblicke gewährt, die Ihr hier nachlesen könnt. Ich empfehle das Interview ausdrücklich als Erweiterung dieses Reviews.
Ansonsten entzückt mich wieder einmal Stumpens großartiger Gesang, der als Kontrast neben dem Chorgebrüll der Band auch wieder seine richtig schöne, manchmal auch engelsgleiche Facette entfaltet. Mitschreien und Dampfablassen paaren sich wieder mit Moshen zu unterschiedlich schnellen Metal-Songs. Das Album ist einfach richtig super geworden und macht Lust auf die kommende Tour Anfang 2023. Meine Lieblingssongs sind "Sieg Der Vernunft" und "Augen Zu", und auch der Cover-Song "One Way Or Another" ist in seinem KNORKATOR-Gewand eine coole Nummer.
Der neue Longplayer kommt als CD in Buchform daher, in der ein gewisser Herr Buchta auf 112 (!) Seiten seinem kreativen Talent freien Lauf lassen konnte. Zu jedem Songtext hat er passende Zeichnungen und Karikaturen gefertigt, auf den folgenden Seiten werden alle Beteiligten auf KNORKATOR-Art vorgestellt, dazu gibt es noch die Band in weltgeschichtlich relevanten Szenen und schließlich auf Doppelseiten die Artworks der vergangenen Alben. Mehr KNORKATOR geht nicht. Eine rundum gelungener und liebevoll gestalteter Release!
Erhältlich als CD, Vinyl und Download ab 07.10.2022.
Langeweile fördert ja bekanntlich Kreativität. Im Falle von RAGE kann man das getrost unterschreiben. Im Januar 2020 erschien “Wings of Rage“ und im September 2021 folgte auf dem Fuße “Resurrection Day“, beides Bock-starke Scheiben. Vom letzten Album waren dann auch noch ein paar Stücke über, die wir jetzt als Appetizer für die bevorstehende Tour mit BRAINSTORM (siehe unten) in Form einer EP kredenzt bekommen.
Das Ding enthält drei neue Nummern. “To Live And To Die“ wurde im August bereits als Single und Video veröffentlicht und wird in Rage-Manier so richtig nach vorne geprügelt. Die anderen beiden Tracks sind mit etwas feinerer Nadel gestrickt. Das triolisch angelegte Titelstück ist ein typischer Ragesong zum Mitgrölen, der überdies mit exzellenten Gitarren punktet. Nummer drei ist eine Powergranate mit ansprechenden Melodiebögen. Auch hier wissen sich die Gitarristen erneut prima in Szene zu setzen
Abgerundet wird die EP mit drei Bonustracks, die sich ebenfalls hören lassen. “A New Land“ aus dem letzten Longplayer gefällt mir als akustische Version (mit elektrischem Gitarrensolo) außerordentlich gut. “The Price Of War 2.0“ ursprünglich auf “Black in Mind“, dürften viele schon kennen, da man damit vor einigen Monaten die NEUEN an den Klampfen per Video vorgestellt hat. Last but not least gibt’s dann noch eine Nummer vom Live-Stream aus der Balver Höhle “Straight To Hell“.
Das Cover-Artwork stammt im Übrigen von Karim König, der u.a. bereits “The Devil Strikes Back“ und “Seasons Of The Black“ designt hat.
Von RAVEN erscheint heuer eine Best Of der besonderen Art. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den letzten sieben Jahren, die für das Metal-Trio nicht immer einfach, aber enorm wichtig waren, wie John Gallagher (Gesang,Bass) erklärt. In dieser Zeit entstanden zwei Studio- und eine Livescheibe. Aus den Studioalben “ExtermiNation“ und “Metal City“ wurden jeweils drei Stücke ausgewählt, vom Livemitschnitt “Screaming Murder Death From Above: Live In Aalborg“ gibt’s den obligatorischen Schlussakkord “Crash Bang Wallop“.
Richtig interessant sind aber eigentlich die Bonustracks. “Necessary Evil“ und das Montrose-Cover “Space Station #5“ stammen beide vom Come Back “Walk Through Fire“. “Necessary Evil“ war nach dem schweren Unfall von Mark Gallagher (Gitarre) einer der ersten Songs für das Album und ist seltsamer Weise auf der Neuauflage der CD und auf den bekannten Streaming-Plattformen nicht mehr vorhanden.
“Malice In Geordieland“ wurde während der “ExtermiNation“ Session aufgenommen und als Bonus bereits veröffentlicht. Mit dem THIN LIZZY-Cover “Bad Reputation“ verneigen sich die Briten auf ihre Art vor ihren Idolen. “Rock This Town“ und “Stay Hard“ (live), die letzten beiden Stücke, haben eine eigentümliche Vorgeschichte. Erst genannte Nummer wurde 2018 live im Studio eingespielt und von Michael Wagner in Nashville produziert. Seitdem lag das gute Stück in der Schublade und erblickt nun das Licht der Öffentlichkeit. “Stay Hard“ fand relativ selten den Weg ins Set und ist aufgrund dessen schon etwas spezielles. Aber ähnlich wie beim Entstehen des o.g. Livealbums wurde der Track 2017 von einem Clubbetreiber in Tulsa (Oklahoma) während eines Gigs mitgeschnitten und der Band im Anschluss übergeben.
Just in diesem Jahr hab ich die Jungs das letzte Mal live erleben dürfen (Bang Your Head) und ich würde mich freuen die Speedmetal-Pioniere bald wieder in Aktion auf der Bühne zu sehen. Das neue Scheibchen macht jedenfalls Appetit.
PURPENDICULAR begannen 2007 als reine Coverband von DEEP PURPLE. Schon kurz nach Beginn, partiell, mit Original-Mitglied Ian Paice geadelt, entwächst das Kollektiv zusehends dieser Kategorisierung. "Human Mechanic" ist das dritte Band-Album, auf dem eigene Kompositionen zu finden sind. Selbstredend ist der gebotene Classic Rock nahe am Vorbild. Dazu tragen u.a. der Bandinitiator und Sänger Robby Thomas Walsh und dessen an Ian Gillan angelegter Gesangsstil und naturgemäß das Schlagzeug-Spiel von Ian Paice bei.
Der Sound und die Ausrichtung, bzw. das Songwriting, entsprechen der DEEP PURPLE-Version der 80er-Jahre bis hin zur Neuzeit. So empfängt den Hörer gleich zu Beginn eine wuchtige, gemächlich marschierende, stämmige Hard Rock-Nummer ganz im Stil der ersten Alben ab dem Comeback. PURPENDICULAR orientieren sich stark an ihren "Vorbildern"; von einer plumpen oder jedenfalls uncharmanten Kopie möchte ich dennoch nicht sprechen. Das großartige "Made Of Steel" fährt zwar im Windschatten von "Perfect Strangers", hat aber eigene starke Momente und hinterlässt Eindruck. Im Kontrast dazu gibt es auch weit weniger gelungene Nummern, wie zum Beispiel das simple, zu lange und gleichförmige "Ghost". Generell meine ich, dass ein Verdichten und Kürzen der Instrumental-Sessions dem Album gut getan hätte. Insbesondere dann, wenn dadurch aus Atmosphäre eher Eintönigkeit entsteht.
PURPENDICULAR ist keine Mogelpackung. Sowohl der Bandname als auch der auf dem Album-Cover aufgeführte Name Ian Paice deuten an, welche Intension bzw. welcher Inhalt zu erwarten ist. Die Band startete als Live-Band und versucht nun, eigene Songs auf ein Album zu bannen. Das macht das Kollektiv mit Leidenschaft und handwerklichem Können. Was live funktioniert und Mehrwert bringt, muss noch auf Studiogröße modifiziert und übertragen werden. Das gelingt nicht in jedem Song, aber zum Teil auch überraschend stimmig und erfreulich.
Euer neues Album ist während der "Hochphase" der Corona-Pandemie entstanden. Wie haben die Band und das Zusammenspiel untereinander während dieser Zeit funktioniert?
Da bei uns das Songwriting zum größten Teil in meiner Hand (Alf) liegt, konnte dieser Teil der Arbeit ganz gut unter Isolationsbedingungen stattfinden. Für die Proben mussten wir dann schon zusammenkommen. Im Studio wiederum waren selten alle auf einmal anwesend. Eigentlich war es fast wie immer, nur dass hin und wieder jemand krank bzw. positiv getestet war, und wir dann verschieben mussten. Das hat ein wenig genervt, aber unterm Strich sind wir da ganz gut durchgekommen. Schwieriger war es bei Konzerten. Zum einen die ständigen Verschiebungen, zum anderen die Erkrankungen, wenn es dann doch stattfinden konnte. Wir sind einmal ohne Buzz Dee aufgetreten, da hat mein Sohn ihn kurzfristig ersetzt, viermal haben wir es ohne Stumpen durchgezogen, da haben seine Tochter und ich uns den Part geteilt. War ein Abenteuer, aber auch ein interessantes und spaßiges Experiment, das von den Fans zum Glück sehr gut aufgenommen wurde.
Ihr habt schon ziemlich am Anfang der Pandemie die Chance genutzt und ein wunderbar unterhaltsames Live-Konzert ohne Publikum über’s Internet gestreamt (übrigens eins meiner wenigen "Konzerte" in 2020). Wessen Idee war das? Denkt Ihr, Streaming-Konzerte können oder werden jemals Live-Show-Erlebnisse ersetzen?
Also die Idee, Livestreams zu veranstalten, war ja schnell als einzige Alternative etabliert. Wir konnten einfach nur mitmachen oder nicht. Einmal ging es um die Rettung des Frannz-Clubs, einmal gab es einen Stream auf Arte. Es lief ganz okay, aber für uns ist das nichts, deswegen blieb es auch bei zwei Versuchen. Stumpen braucht einfach den direkten Kontakt zum Publikum.
Der Songtext zum wunderschönen Lied "Ihr habt gewonnen" ist ziemlich traurig. Ist dieser zumindest teilweise ein Produkt der Lockdown-Zeit, im Hinblick auf Eingesperrt-Sein, Kontakt über Smartphone...?
Der Lockdown war sicher ein wichtiger Auslöser. Aber es geht vor allem um die grundsätzliche Tendenz, dass wir Menschen uns immer weiter von der Natur und unseren Mitmenschen entfernen. Früher sahen wenigstens die Klügeren von uns dies als eine Besorgnis erregende Entwicklung an. Im Zuge des Lockdowns aber hat sich das gedreht. Anstatt diese Entfremdung als eine zeitweilig notwendige Maßnahme zu kommunizieren, nahmen viele das als Gelegenheit, es zum neuen Lifestyle schönzureden, um die Digitalisierung voranzutreiben. Nach dem Motto: "Es lässt sich eh nicht aufhalten, also nutzen wir doch die Vorteile, die es bietet." Dabei wird ganz gern übersehen, dass die Digitalisierung - egal wie sehr wir uns auch bemühen - den meisten Menschen der Welt Nachteile bringen wird.
Gab es für den Songtext zum Titellied "Sieg Der Vernunft" einen Auslöser oder eine Inspiration in Form einer bestimmten Person?
Dieser Song zielt auf unsere wachsende Unfähigkeit ab, konstruktiv miteinander zu reden. Das Internet hat es jedem ermöglicht, endlose Monologe zu halten, ohne unterbrochen zu werden. Das kann manchmal ganz zweckmäßig sein. Aber viele haben einfach verlernt, auch dem Menschen gegenüber zuzuhören. Die Diskussion als Mittel, nach einem Konsens zu suchen, ist fast völlig verloren gegangen. Es ist geradezu schick geworden, sich hysterisch abzugrenzen und alles zu tun, damit die Gegenseite keine Chance bekommt, ihre Argumente zu formulieren. Wir benehmen uns wie Kinder, die mangels sprachlicher Fähigkeiten versuchen, ihren Gegner wegzuschreien.
Ihr seid bekannt dafür, regelmäßig coole Cover-Songs auf Eure Alben zu packen. Wer von euch sucht diese aus? Gab es in der Vergangenheit auch schon Stücke, die ihr covern wolltet, die am Ende dann aber nicht "funktioniert" haben? Wenn ja, welche?
Meist suche ich diese aus. Beim letzten Album aber war "Ring My Bell" von Stumpen und Buzz Dee vorgeschlagen worden. Ich kann gar nicht genau sagen, was ein Song haben muss, um von uns gecovert zu werden. Die Liste der Songs, wo es mal zur Debatte stand, aber dann doch nicht klappte, ist lang. Du willst Beispiele? Ich wollte mal "San Jacinto" von PETER GABRIEL covern. Hat nicht funktioniert. "Obsession" von ARMY OF LOVERS. Oder "Rock Lobster" von THE B52S.
Im Song "Tut Uns leid" wird satirisch beschrieben, wie alles kaputt gemacht und nicht an die Zukunft gedacht wird. Erwartet Ihr aufgrund des "Kinder-Bashings" im Refrain einen Shitstorm?
Naja, wir bashen die Kinder ja nicht wirklich. Wir tun nur so. In Wirklichkeit schlagen wir uns mit dem Lied auf ihre Seite. Wenn überhaupt, erwarte ich eher doofe Reaktionen von denen, die tatsächlich gerade "Kinder-Bashing" betreiben. Aber wir nehmen sowas nicht allzu schwer. Ich glaube, man tut gut daran, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass es meist nur wenige Leute mit großem Geltungsdrang sind, die so viel Kraft aufwenden, um mit Scheiße um sich zu werfen. Ein paar weitere werden angestachelt, auch einen Kommentar abzugeben, aber so laut und viel es auch wirkt, die meisten Menschen sind vernünftig und können ganz gut eine andere Meinung ertragen, ohne gleich auszurasten. Greta und ihre Mitstreiter (bzw. deren Kritiker) sind ein gutes Beispiel, wie sogenannte Argumente derzeit aus dem Ruder laufen. Oft lese ich, wie Erwachsene sich echauffieren, dass kleine Rotznasen, die ständig zu McDonalds rennen und sich mit dem SUV zu Schule bringen lassen, ihren Eltern Verschwendung vorwerfen, welche damals ja viel weniger Energie verbraucht haben. Aber einfach alle Kinder in einen Topf zu werfen, damit man den kleinen Aktivisten Dinge vorwerfen kann, die gerade jene wahrscheinlich überhaupt nicht betreffen, ist bescheuert. Außerdem sind es ja die Eltern, die die SUVs gekauft haben und McDonalds-Filialen betreiben. Wir alle verbrauchen heute einfach mehr als vor 30 Jahren. Wichtig wäre zu überlegen, wie wir das ändern können, anstatt diejenigen, die das ansprechen, in ihre Schranken zu weisen.
Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Milan Peschel für Euer Video zu "Die Welt Wird Nie Wieder So…" zustande? Kanntet Ihr ihn schon persönlich, oder war das ein Input der Werbeagentur/des Labels?
Wir kennen Milan tatsächlich schon eine Weile. Wir wohnen halt in derselben Stadt, und über die Jahre laufen sich Künstler dann schon mal über den Weg. Wir schätzen ihn, er schätzt uns, wir sagen uns das gegenseitig, und als wir ihn wegen des Videos fragten, hat er sich gefreut. Ich finde seine Performance auch grandios, es wirkt tatsächlich so, als hätte er es selbst gesungen.
Wessen Knurrkater wurde eigentlich auf dem Album verewigt?
Es ist die Stimme des Katers… der Katze (?) von Stumpens Frau. Mist, ich kenne nicht einmal das Geschlecht dieser Katze (dieses Katers)! Hier bräuchte ich mal eine Lösung von der Gender-Fraktion. Das Katz? Die Kater:in? Ich hab’s: Das Katzenvieh! So könnte man das auch für Menschen regeln: das Verkaufs-Vieh, das Politik-Vieh, das Handwerks-Vieh. Genial.
Im Frühjahr findet Eure Tour zum Album statt. Habt Ihr dafür schon konkrete Pläne in Bezug auf Kostüme, Bühnenshow usw.? Worauf dürfen sich die Fans freuen?
Wir haben einen Zeitspiegel gebaut, der unser Konzert von hinten nach vorne abspielt. Dazu üben wir gerade unsere Lieder rückwärts zu spielen, damit das Publikum sie dann vorwärts hören kann.
Hört sich super an! Wir sind gespannt. Vielen Dank für das Interview!
Streitigkeiten zwischen den beiden Produzenten TOM GALLEY und W.F. Rimensberger sowie dem Label BMG führten dazu, dass TOM GALLEY das Erfolgsprojekt PHENOMENA erst einmal allein und mit einem neuen Label weiterführte - allerdings mit der Einschränkung, dass es ab da PSYCHOFANTASY getauft wurde. Auch die hochrangige Besetzung, die zuvor für zusätzlichen Verkaufserfolg sorgte, war dieses Mal weit weniger prominent. GLENN HUGHES indes war aber weiterhin beteiligt, und immerhin auch der ex-BLACK SABBATH-Sänger TONY MARTIN gab sich bei zwei Songs die Ehre.
Metalville legt heuer das längst vergriffene PSYCHOFANTASY-Album erneut auf - als Doppelalbum inklusive 6 Demoversionen.
Gediegenen AOR, wie bei den drei vorherigen Alben, findet man kaum auf diesem Longplayer. "Sunrise" ist Hard Rock der klassischen Sorte, intoniert vom aktuellen LIONHEART-Sänger Lee Small, der sich hier kaum von GLENN HUGHES unterscheiden lässt. GLENN HUGHES folgt darauf mit dem leicht souligen, würzigen "Touch my Life", das sich so auch auf einem seiner Soloalben drehen könnte; passenderweise ist gleich sein etatmäßiger Gitarrist J.J. Marsh mit von der Partie. "Killing for the Thrill" überrascht mit harten Kontrasten: dunkel, kühl, fast New Metal-artig öffnet sich der Song, ehe er in einen sonnig wärmenden und typischen PHENOMENA-Refrain mündet. PSYCHOFANTASY ist ein unterhaltsames und zuweilen erstaunlich markiges Hard Rock-Album, das bockstarke Songs zu bieten hat. Hier müssen das epische "So Near so Far", großartig gesungen von ex-MAMA'S BOYS-Vokalist Keith Murell, und das pompöse "60 Seconds" in jedem Fall noch Erwähnung finden. Und trotz der gezeigten Härte gelingt es TOM GALLEY mit seinen Kompositionen die typischen Trademarks des PHENOMENA-Projekts, zumindest partiell, zu transportieren. Ich kann jedem Fan von kraftvollem Hard Rock dieses Album wärmstens empfehlen.
Die Demo-Versionen der Songs sind mit viel elektronischen "Studio-Helfern" produziert, was die Rohfassungen teilweise im 70er Jahre-Disco-Kugel-Licht schimmern lässt und diese so kaum wiederzuerkennen sind. Das ist interessant, manchmal verblüffend, oft kurios und ein unterhaltsamer Mehrwert.
Nie, seit ihrem Comeback 2012, klangen THE AFGHAN WHIGS so vertraut, wie auf ihrem neuen Album "How Do You Burn?". Es ist, als ob man "Gentlemen" oder "Black Love" hört, als ob man die Songs zum x-ten Mal durch die Stube schallen lässt - und doch ist alles neu und frisch. Es sind die vertrauten Mechanismen, es ist die Attitüde, der Sound und nicht zuletzt die prägenden Künstler und Stimmen, die diesen Zauber vollbringen. Da sind Susan Marshall und Marcy Mays zu hören (Vocals auf "1965" bzw. "Gentlemen") sowie Van Hunt ("Do to the Beast") und auch sein "Zwilling" (THE GUTTER TWINS), der im Februar verstorbene Freund Mark Lanegan. Und natürlich ist da Mastermind Greg Dullis unverkennbare Stimme und sein expressiver Gesangstil.
"I'll Make You see God" ist ein standesgemäßer Einstieg ins Album: kantig, laut, verzerrt, grungig, Alternative Rock an der Grenze zum Post Rock. "The Getaway" fährt aber direkt danach rechts ran, öffnet die Fenster und schaut verträumt ins Umland. Hier formen Streicher Rick Nelson und Dulli den Song. "Catch a Colt" ist dramatisch, intensiv, psychotisch, nervös und einfach nur ein flirrend heißer Rock Song, den so nur THE AFGHAN WHIGS bieten können. "Please, Baby, Please" ist Soul, Blues und ein Greg Dulli auf Knien flehend, der seine Romanze "anheult" , wie der Wolf den Mond. Die Stimmungen wandeln sich von Song zu Song. Einzig die Intensität und Leidenschaft bleiben - Rock, Gospel, Soul, Alternative und alles überzogen mit einer geschwungenen, glänzenden Schicht aus Goldfäden gewobener Inspiration. Nichts ist zu viel, nichts ist zu wenig, alles scheint hier genau richtig dosiert zu sein. "How Do You Burn?" ist ein Genuss, das beste Album der Band seit ihrer Rückkehr oder gar das stärkste überhaupt.
Die walisischen Jungs von den MANIC STREET PREACHERS gehören mittlerweile zum Inventar gut gemachter Rock-Pop-Musik von der Insel. Und deren sechstes Album „Know Your Enemy“ gehört dabei zu den Fan-Faves, da sich die PREACHERS hier in Gänze wieder rockiger gaben als auf dem Vorgänger und trotzdem ihre melancholische Grundhaltung und Hitdichte beibehielten. Das damals fast Live eingespielte Album war auch voll von politischen Statements, welche der Band aber nicht nur Freunde machte. Es zeichnete sich durch einen hohen Grad an unterschiedlichen Songs aus, durch einen ständigen Wechsels unterschiedlicher, aber bandtypischer Sounds.
So war das aber gar nicht gedacht. Denn das Nachfolgewerk des Überfliegeralbums „This Is My Truth Tell Me Yours“ sollte eigentlich auf zwei verschiedenen Alben veröffentlicht werden. Eine Scheibe mit dem Titel „Solidarity" sollte die Rückkehr der Band zu ihren musikalischen Wurzeln markieren und auf ihrer Titelliste sollten die aggressiven Uptempo-Songs platziert werden. Auf der zweiten Scheibe namens „Door To The River" wollte man die eher zurückhaltenden, nachdenklicheren Lieder versammeln. Während der Aufnahmesessions verwarf man dieses Konzept und entschied sich gegen die Idee zweier separater Alben. So entstand „Know Your Enemy“ als ein Album – ein richtig gutes Wohlgemerkt. Aber Jahre später und wohl eines Besseren belehrt holt man das mit den beiden Alben nun nach und veröffentlicht „Know Your Enemy“ als Doppelschlag inklusive zweier bisher unveröffentlichte Songs: "Studies in Paralysis" und "Rosebud". Das Ganze wurde noch neu abgemischt, aus einigen „Door To The River“-Tracks wurde unnötige Orchestrierung und andere musikalische Effekte entfernt. Autor Robin Turner erklärt in seinen Liner Notes: „Diese Veröffentlichung ist der Director's Cut von 'Know Your Enemy'. Das Bild wurde mühsam restauriert, gesäubert, aufgehellt. Man zielt nicht darauf ab, das Original zu ersetzen, verbessert es aber definitiv." Dazu kommen Outtakes, nicht verwendete Mixe von Tom Lord-Alge sowie eben jene Songs von 'Know Your Enemy', die nicht für die zwei-Alben-Idee vorgesehen waren. Das Booklet enthält für die Fans bisher ungesehene Fotos von den Aufnahmesessions und vervollständigt so ein „neues Werk“.
Ergo: Für eine Band die seit ihrer Gründung 1986 in gleicher Besetzung agiert (Gitarre und Gesang James Dean Bradfield, am Bass Nicky Wire, Schlagzeuger Sean Moore) und im Jahre 1995 das bis heute unerklärliche Verschwinden ihres Gitarristen Richey James Edwards verkraften mussten haben es die MANIC STRRET PREACHERS weit gebracht und dürfen immer noch zu den Besten ihres Faches gezählt werden. Ihr „altes“ 2001er-Album so zu ehren ist da nur folgerichtig. Darf man sich also gerne zulegen, auch gerade dann, wenn man die Original-Version von „Know Your Enemy” im Regal stehen hat.