Das Wort „Vederkast“ stammt aus der norwegischen Mythologie und bezeichnet Flüche, mit denen Wesen aus der Unterwelt Unschuldige belegen. Wenn das Debüt-Album dann auch noch „Northern Gothic“ heißt, könnte man hinter der Musik durchaus etwas in Richtung Gothic-Rock oder -Metal vermuten. Doch damit führt einen das Quartett aus dem nordnorwegischen Tromsø in die Irre. Vielmehr besteht sein Sound aus einer Mischung aus Hard Rock, Stoner, Metal und progressiven Elementen. Schwere Riffs werden mit melodischen Gesangslinien und teils längeren Instrumentalteilen kombiniert, der Gesang ist dabei immer intensiv und druckvoll. Stellenweise ist auch ein gewisser Grunge-Einfluss bemerkbar, so erinnern einige Refrains etwas an SOUNDGARDEN, in den ruhigeren Passagen wiederum klingen gelegentlich OPETH an, beides zu hören etwa im Siebenminüter „My Burden“. Dazu ist alles von einer Melancholie durchzogen, wie sie wohl vor allem skandinavischen Bands zu eigen ist. Richtig schnell wird es dabei selten. Zwar gibt es immer wieder treibende Parts, aber meistens kehrt die Band schnell ins drückende Mid-Tempo zurück und streut auch immer wieder Passagen mit ungeraden Taktzahlen ein.
Unterm Strich liefern VEDERKAST mit „Northern Gothic“ ein schönes Debüt ab, das trotz der verschiedenen Einflüsse einen ganz eigenen musikalischen Fluss besitzt. Die Produktion klingt zwar etwas verwaschen und dumpf, ein etwas prägnanterer Gesamtsound wäre hier wünschenswert gewesen. Die spannend aufgebauten Songs, die düster-melancholisch Grundatmosphäre und nicht zuletzt die vielen tollen Melodiebögen machen das aber größtenteils wieder wett. So liefern Stücke wie das bereits erwähnte „My Burden“, „Malison“ oder das teils mit Streichern unterlegte „Meliora“ Ohrwürmer zum Reinlegen.
Seit ACCEPT 2010 mit Neu-Sänger Mark Tornillo wieder auf der metallenen Landkarte auftauchten, haben die Exil-Solinger drei starke Studioscheiben veröffentlicht und unzählige umjubelte Liveshows gespielt. Die Show auf dem Bang Your Head Festival 2015, welche den visuellen Teil dieses Packages bildet, war insofern etwas Besonderes, als dass sie eine der ersten Auftritte mit Drummer Christopher Williams und Gitarrist Uwe Lulis (Ex-REBELLION, Ex-GRAVE DIGGER) markierte.
Leider liegt mir zu Rezensionszwecken dieser Teil nicht vor. Aus meiner Erinnerung kann ich aber sagen, dass ACCEPT in Balingen eine fette und tighte Show gespielt haben, bei der das Publikum wie ein Mann hinter ihren Helden stand. Von Anfangsnervosität war bei den beiden Neulingen nichts zu spüren und ACCEPT wirkten wie eine Einheit, trotz der Fokussierung auf Hoffmann / Baltes.
Der Audio-Teil hingegen wurde bei unterschiedlichen Konzerten der „Blind Rage“-Tour mitgeschnitten. Was es einerseits ermöglicht ein Paket aus extrem vielen Songs zu schnüren, andererseits geht durch Ein- und Ausblendungen das Feeling, einem Livekonzert beizuwohnen, etwas flöten. Was aber auch der einzige kleine Kritikpunkt ist. Der Sound ist fett aber authentisch genug um genug Liveatmosphäre ins heimische Wohnzimmer zu bringen.
ACCEPT finden einen guten Mix aus alt (13 Songs) und neu (derer 14). Dabei wird deutlich wieviele der neuen Songs problemlos mit den alten Klassikern mithalten können („Stalingrad“, „Dying Breed“, „Shadow Soldiers“, „Pandemic“ und natürlich „Teutonic Terror“). Das können nicht viele altgediente Combos von sich behaupten. ACCEPT erlauben sich sogar den Luxus, den einen oder anderen etwas obskureren Song auszugraben („Demon’s Night“, „Bulletproof“) ohne dass das Stimmungsbarometer zu einer Sekunde abfällt, und Publikumschöre wie bei „Stalingrad“ kommen in Wolgograd halt nochmal eine Spur enthusiastischer.
Obendrauf gibt es dann noch einen Strauß unsterblicher Melodien, die jeder Metalfan schon mit der Muttermilch eingeimpft bekommen hat: „Midnight Mover“, „Restless & Wild“, „Fast As A Shark“, „Metal Heart“ und natürlich „Balls To Wall“.
„Restless And Live“ bietet eine beeindruckende Werkschau einer Band, welche auch nach 40 Jahren seit ihrer Gründung immer noch voll im Saft steht, hungrig ist und relevante neue Musik veröffentlicht. Für Fans von Metal made in Germany (mit etwas amerikanischer Hilfe) die sprichwörtliche Vollbedienung.
Der italienische Gitarrist und Produzent Dario Mollo, der dem geneigten Classik Rock-Hörer durch seine Projekte (CAGE mit Tony Martin und VOODOO HILL mit Glenn Hughes) bekannt sein sollte, reanimiert seine erste Band CROSSBONES. Sänger ist diesmal Carl Sentance (NAZARETH), der hier einen Mörderjob abliefert und sich nicht hinter den zuvor genannten Vokalisten verstecken muss. Das Ding pendelt zwischen DEEP PURPLE ("Take Me High"), RAINBOW ("Red") und BLACK SABBATH ("Navigation") zu Gillan-Zeiten. Dario Mollo´s CROSSBONES punkten mit erdigem und hartem Classik Rock, der voll ist von Zitaten der ganz Großen. Das epische "Gates Of Time" paart "Kashmir" mit "Born Again" und erschafft so einen neuen Hard Rock-Song, dem die Kraft eines neuzeitlichen Klassikers innewohnt. Auf "Rock The Cradle" hört man Hard Rock mit alter Seele, der sich verneigt vor den prägenden Künstlern des Genres – Chapeau!.
VENOM PRISON ist das neue Betätigungsfeld der ehemaligen WOLF DOWN-Sängerin Larrissa, die sich hier in einer amtlichen Death Metal-Band austobt. Dabei machen sie und ihre Mitstreiter aus ihrer britischen Wahlheimat grundsätzlich alles richtig; vom Genre-typischen Bandnamen über interessant formulierte Songtitel bis hin zur Produktion erfüllt "Animus" alle Erwartungen, die an Totmetallscheiben gestellt werden. Beim zweiten Song, "Abysmal Agony" wird das alles zu einem feinen Gebräu verrührt, bei dem alles passt. Besonders dank des gut gesetzten Breakdowns und der Gesangsleistung macht der Song wirklich Laune. Im Grunde wird hier die Marschrichtung für "Animus" gegeben, was allerdings auch das große Manko der Scheibe ist, ähneln sich die Nummern stellenweise doch zu sehr. Wenn VENOM PRISON neue Einflüsse in einen Song einfließen lassen, wird die Nummer richtig gut - das pechschwarze "Devoid" bezeugt das. VENOM PRISON geben sich alle Mühe, bösartig zu klingen ("Perpetrator Emasculation"), schießen aber manches Mal über das Ziel hinaus, wenn sie beispielsweise in "Desecration Of Human Privilege" zu chaotisch-maliziös vorgehen. Da kommt dann selbst eine versierte Shouterin wie Larissa nicht gegen das instrumentale Inferno an.
Am Ende überzeugt "Animus" nur bedingt. VEMON PRISON haben ein Gespür für Groove und verbinden modernen Death Metal mit Hardcore, leichtem Grindcore-Touch und Verbeugungen vor klassischem Death Metal; alles auf handwerklich hohem Niveau. Beim Songwriting schwächeln sie aber, so dass "Animus" zu homogen klingt und mancher Song nicht beim Hörer hängenbleiben will oder kann.
Wer der Meinung ist, dass Thrash Metal nur dann gut und authentisch ist, wenn er aus räudigem & undergroundigem Geprügel besteht, der kann KREATOR gerne poppiges Auswimpen attestieren und an dieser Stelle aufhören zu lesen. Wer allerdings der Meinung ist, dass auch zum Thrash Metal Musikalität, Intellekt, große Refrains, eine tolle Produktion und sinnvolle Weiterentwicklung passen, der ist herzlich willkommen im Reich der „Götter Der Gewalt“ und darf sich in die Reihen derer einreihen, die KREATOR auf dem weltweiten Thrash Thron sehen.
Um es vorweg zu nehmen: Auch der Autor sitzt nach mehrmaliger Einfuhr von „Gods Of Violence“ geplättet vor der Anlage und überlegt verzweifelt, ob es in den letzten Jahren einen stärkeren Thrash Release gegeben hat. SLAYER? Nö! TESTAMENT? Stark, aber auch nicht! SODOM? Auch gut, aber nicht auf dem Niveau, auf dem sich Petrozza und Co. bewegen. Und so könnte man das noch ein paar Stunden weitermachen.
Nach dem symphonischen Einmarsch „Apocalypticon“ überfährt einen die High-Speed Abrissbirne „World War Now“ sofort und gnadenlos. Und so geht es weiter: die Midtempo-Abrissbirne „Satan Is Real“, mein Liebling „Totalitarian Terror“ (was ein Refrain!!), das etwas langsamere „Gods Of Violence“ und „Army Of Storms“, welches sich einmal mehr als hammerharter Thrasher präsentiert. Mit „Hail To Hordes“ haben KREATOR dann einen lupenreinen Epic Metal Hit am Start, der auch einen MANILLA ROAD Jünger nicht kalt lassen kann. Nach einem kurzen akustischen Intro geht „Lion With Eagle Wings“ in die Vollen, um im Refrain wieder wunderbar aufzugehen. „Fallen Brother“ nimmt mit seinem „Stampf-Rhythmus“ das Soldatenthema sehr gut auf. Nur auf die eingestreuten deutschen Textzeilen reagiere ich allergisch. Aber das Problem habe ich immer, allen anderen scheint das ja zu gefallen. Ändert aber wenig an der Qualität des Songs. Bei „Side By Side“ kreist wieder der Thrash Hammer und sollte live abgehen wie das sprichwörtliche Zäpfchen. Mit dem fast 8-minütigen „Death Becomes My Light“ wird dann das Finale eingeläutet. Nach anfänglichen balladesken Klängen (erinnert vage an OVER KILLs „Soulitude“) wandelt sich der Song in eine schöne „Galoppel-Nummer“. Das Einzige, was man an dieser Stelle machen kann, ist das Drücken des Repeatknopfs, um sich ein weiteres Mal plätten zu lassen.
Auch wenn das Energielevel unheimlich hoch ist und „Gods Of Violence“ die wohl schnellste KREATOR Scheibe seit den 80ern ist, ist sie zeitgleich die melodiöseste. Was der Finne Sami Yli-Sirniö an Harmonien und sensationellen -bis ins Detail ausgearbeiteten- Gitarrenleads auf die Gemeinde loslässt, ist richtig großes Kino.
Und auch die transparente aber immens fette Produktion von Jens Bogren passt hier wie die Faust aufs Auge.
Sicherlich kein charmant-naives Undergroundwerk aber Hochglanz-Thrash aus der Champions-League. An „Gods Of Violence“ wird sich jedes Thrash Metal Werk 2017 messen lassen müssen.
Für die EP „Errai“ haben sich TESSERACT vier Stücke ihres letzten Albums „Polaris“ noch einmal vorgenommen und diese komplett überarbeitet und neu aufgenommen. Was an den neuen Versionen als erstes auffällt, ist, dass es die Band dabei deutlich ruhiger angehen lässt. Allesamt klingen sie deutlich zurückgelehnter, stimmungsvoller und enthalten balladeske Elemente. Dem Gesang wurde mehr Platz eingeräumt, die Instrumente wurden teilweise sehr sparsam eingesetzt und die Melodien und Harmonien sind in den Vordergrund gerückt.
Das ursprünglich treibende „Survival“ erhält hier einen schwelgerischen Charakter, und das vormals rhythmusorientierte „Cages“ mit seinen unregelmäßigen Takten baut sich behutsam bis zu seinem groovenden zweiten Part auf. Das eh schon getragene „Tourniquet“ wird hier noch ruhiger und klingt in der ersten Hälfte geradezu meditativ, und auch die Steigerung in der zweiten Hälfte geht fließend vor sich. Dem Schluss-Track „Seven Name“ schließlich wurde der Bombast genommen.
Man hört den Songs von „Errai“ an, dass sie tatsächlich völlig neu erarbeitet wurden, denn sie sind kaum wiederzuerkennen. Diese EP hat also mehr zu bieten als lediglich einige bereits bekannte, neu aufgewärmte Tracks und hat damit absolut ihre Berechtigung. Mehr noch – alle vier Stücke haben durch die Neubearbeitung deutlich gewonnen. Es wurde – im Gegensatz zum Album – eher auf weniger als auf mehr gesetzt, und diese Reduktion hat den Songs gutgetan. Sie klingen weniger kühl, strahlen mehr Ruhe als die Originale und oft eine ganz spezielle schwebende Atmosphäre aus. Wer mit „Polaris“ nicht viel anfangen konnte, könnte daher trotzdem an dieser EP Gefallen finden, und wer das Album mochte, kann sich über tolle Neuinterpretationen freuen.
Zu haben ist „Errai“ zusammen mit „Polaris“ als Doppel-CD sowie als Stand-Alone-Release auf Vinyl oder als Download.
Auch im Jahre 2017 ist da wo GRAVE DIGGER drauf steht auch zu 100 % GRAVE DIGGER drin. Hymnischer Heavy Metal, der genau da weitermacht, wo man 2014 mit „Return Of The Reaper“ aufgehört hat. Die symphonischen Experimente, die man in den frühen 2000ern gerne etwas übertrieb, gehören der Vergangenheit an und auch der Dudelsack bleibt im Keller. Dafür packen GRAVE DIGGER die ganz dicke Klischeekeule aus: „Healed By Metal“ oder „Ten Commandments Of Metal“, der DeMaio Joey wäre richtig gerührt vor so viel stählerner Trueness. Dennoch habe ich den Eindruck, dass - trotz zur Schau gestellter metallener Kompromisslosigkeit - das Songwriting im Allgemeinen einen Tick „rockiger“ geraten ist als zuletzt. Das steht GRAVE DIGGER aber gut zu Gesicht und so ist zwischen einer rockigen Nummer wie „Free Forever“ („Solid Ball Of Rock“, anyone?) und In-Your-Face-Metal Krachern wie „The Hangman’s Eye“ genug Abwechslung gegeben.
Wie schon zu erahnen war, gibt es in Sachen Lyrik keine Höhenflüge, jedoch eignen sich die prägnanten Refrains wunderbar zum Mitgröhlen und Fistraisen. Und damit liefern GRAVE DIGGER im Endeffekt genau das, was man sich als Fan erhofft. Mit dem speedigen „When Night Falls“, dem stampfenden Titelstück, dem treibenden „Call For War“ und dem etwas an alte U.D.O. („Faceless World“) erinnernden „Kill Ritual“ gibt es einige heiße Anwärter für die Liveshows im Januar und im Februar.
Im Vergleich zu den beiden absoluten Klassikern („The Reaper“ & „Tunes Of War“) gibt es zwar immer noch zu viel Handbremse und zu wenig Vollgas. Oder um es für Sänger und Amateurgolfer Boltendahl im Golferslang zu sagen: „Kein Hole-In-One“ aber ein „Eagle“ ist „Healed By Metal“, trotz dem einen oder anderen recht bekannt klingenden Riff allemal geworden und reiht sich damit souverän im oberen Drittel der umfangreichen GRAVE DIGGER Diskographie ein. The Reaper has risen once again!