Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA hat mich nie sonderlich interessiert: zu strategisch, zu offensichtlich kommerziell die Ausrichtung. Und mit SAVATAGE hat das meiner Meinung nach ungefähr genauso viel zu tun wie ein Chiwawa mit dem Wolf. Ebenso hat mich die Wacken-Werbeveranstaltung eher bestätigt als vom Gegenteil überzeugt. Aber - und jetzt wird's passend zum Fest versöhnlich - „The Ghosts Of Christmas Eve" (heuer erstmals auf Audio CD, 2001 unter demselben Titel als DVD) gefällt mir, und zu meiner Überraschung sogar richtig gut.
Mit Metal hat das nichts zu tun, aber mit gutgemachtem Rock und Weihnachten allemal. Und das ist doch irgendwie klasse, zwei nicht unbedingt zusammen passende Dinge so stimmig zu vereinen. Schon die ersten Töne des Longplayers zeigen, wie der Stern, der einst die drei Könige führte, unmissverständlich in Richtung des Christfestes. Bei "Good King Joy" wird es soulig, und bei "Christmas Dream" begeistern die kräftigen Vocals, wobei hier im Mittelteil die Gitarren gleichberechtigt Dampf bzw. Weihrauch produzieren dürfen. "Christmas Eve/Sarajevo 12/24", einst auf SAVATAGEs "Dead Winter Dead", füllt die Scheibe weiter mit Qualität, und das wunderschöne "Christmas Canon" inklusive Kinderchor überzeugt mich endgültig von diesem Weihnachts-Rock-Album. Zu guter Letzt muss noch der emotionale, phantastisch intonierte (hier erinnert die Stimme an Terence Trent D'arby) Hard Rock-Song "Music Box Blues" Erwähnung finden.
TRANS-SIBERIAN ORCHESTRAs „The Ghosts Of Christmas Eve" ist mal feierlich festlich, mal rockig und mal ein souliger Wonneproppen, der unbedingt unter den Baum oder besser gleich in den Player gehört - großartig!
Mit der selbstbetitelten 5-Track-EP „Phil Campbell And The Bastard Sons” setzt der Namensgebende ex-MOTÖRHEAD-Gitarrist nach dem Ende seiner Stammband auf Familie – neben ihm an der Gitarre sind da nämlich Todd Campbell (Gitarre), Dane Campbell (Schlagzeug) und Tyla Campbell (Bass). Nur Sänger Neil Starr scheint da aus der Rolle zu fallen (zumindest sind mir keine verwandtschaftlichen Verbandlungen zum Campbell-Clan bekannt). Wer hier jetzt gehofft (oder befürchtet) hatte das Phil und seine Söhne einen auf MOTÖRHEAD machen der darf sich getäuscht sehen. Allein schon die cleanen Vocals von Starr geben den Songs einen anderen Anstrich. PHIL CAMPBELL AND THE BASTARDS SONS können ihren Lemmy-Einfluss zwar nicht verleugnen (die Verbindung gen Historie stellt das flotte „No Turning Back“ dar), haben dann aber doch eher einen Hang zu einer Mixtur aus Alternative und Classic Rock. Wer das mal antesten möchte darf sich gerne den melodisch-harte Rock’n‘Roll-Opener „Big Mouth“ zu Gemüte führen. Der akustische, LED ZEPPELIN-affine Abschluss mit „Life In Space“ passt nicht ganz – birgt aber für sich allein stehend Potential – schöne Nummer allemal. Also gar nicht mal übel die EP, aber noch ausbaufähig – wir werden sicher sehen, respektive hören was der gut Phil aus seinen BASTARDS SONS noch macht.
Die schwedischen NEKROKRAFT bringen mit „Will O’Wisp“ ihr Debüt raus. Optisch besticht das Werk mit einem nebulösen Sonnenuntergang. Besonders schön ist dabei, dass das Cover der im August erschienenden Singel "Will O'Wisp" sich hier wiederfindet. Wer hier (aufgrund des epischen Artworks) trotz des plakativ-satanischen Logos an melodischen Death Metal denkt hat weit gefehlt, denn NEKROKRAFT sind ziemlich viel mehr und vor allem schnell.
Während Songs wie „Ov Hell“ und das abschließende „Succubus“ mit mehr als deutlicher BM-Schlagseite punkten, gibt es in Songs wie „Worship“ ziemlich viele Thrash-Elemente während man es in „Will O’Wisp“ und „Forestlurker“ etwas melodiöser inklusive Chor und Sampler angehen lässt.
Dabei schaffen es NEKROKRAFT ein stringentes und doch abwechslungsreiches Album zu bieten, welches zwar im Grunde genommen gar nicht so viel Neues bietet, aber trotzdem spannend und aufregend daher kommt. Langeweile und unnötige Wiederholungen wird man auf „Will O’Wisp“ nicht finden, was bei einer Länge von gerade einmal dreiundzwanzig Minuten zwar nicht überraschen sollte – aber immerhin positiv auffällt.
Dennoch kann „Will O’Wisp“ sich wirklich sehen lassen: NEKROKRAFT sollte man im Auge behalten. Fans von älteren DIMMU BORGIR sollten hier mal reinhören!
Japan Ladies die dritte: Auch die große alte Dame des J-Rocks SHOW-YA Sängerin Keiko Terada wird dieser Tage wieder einmal mit einem Soloalbum vorstellig. Das erste Album seit dem 2003er „Wonderground“ hat allerdings weder mit Heavy Metal noch mit Hard Rock irgendwas zu tun. Während es SHOW-YA immer noch amtlich krachen lassen, lässt es die Mittfünfzigerin Solo bedeutend entspannter angehen. Aber auch schon ihre anderen Solo-Ausflüge waren ruhiger aber auch experimenteller als alles, was SHOW-YA jemals gemacht haben. Aber ein Soloalbum, welches wie SHOW-YA klingt, hätte auch wenig Sinn gemacht. Teradas Stimme klingt in meinen Ohren im positivsten Sinne „gereift“. Das leicht rauchige, mitunter brechende steht den Songs sehr gut und war auf den Alben aus den 80ern mit SHOW-YA so noch nicht zu hören. Man nennt das wohl „Charakter“. Spannend ist wie Terada auf diesem vornehmlich akustischen Album zwischen den Stilen hin und her springt und sowohl eine Hillbilly-Nummer wie „Walk“ als auch französisch angehauchten Bar-Jazz („黒い揚羽蝶 ~ No, No, No“) überzeugend rüber bringt. Aber auch extrem reduzierte Singer / Songwriter Songs wie das Duett „嫌んなった” funktionieren prächtig. Vorausgesetzt man hat kein Problem mit der japanischen Sprache. Mit der energischen Ballade “私は嵐” gibt’s gegen Ende auch noch mal ein richtiges Highlight.
“Piece Of My Heart” ist ein Statement einer gestandenen Musikerin und Sängerin, die es schafft mit ganz reduzierten Mitteln zu begeistern und auch abseits von Stromgitarren und Doublebassgewittern einfach gute und sehr erwachsene Musik zu machen.
Nach FUKI ist eine weitere J-Metal Frontlady mit ihrem ersten Soloalbum am Start. EX-ALDIOUS und RAGLAIA Sängerin Rami bringt mit „Aspiration“ ihre Version eines modernen Rock / Metal Longplayers an den Start. Auf instrumentaler Seite geht „Aspiration“ zu einem großen Teil auf die Kappe von GALNERYUS Axeman Syu und auch sein Keyboarder Yuhki hat mit dem an MEAT LOAF angelehnten 7-Minüter „Pray To The Sky“ sein Scherflein beigetragen. „Aspiration“ ist kein reines Metal Album, sondern ist trotz nur 7 „richtiger“ Songs extrem vielschichtig und abwechslungsreich geworden. Geht es mit „In My Eyes“ und viel Doublebass und schnellen Riffs noch recht klassisch im Stil alter ALDIOUS los, so überrascht schon das folgende „Secret Flame“ mit sehr modernem Breitbandrock. Das ebenfalls über sieben Minuten lange „Forever Precious“ ist eine recht traurig daherkommende Ballade mit ausladenden Pianopassagen, in denen Rami ihre warme Stimme richtig wirken lassen kann. Danach kommt wieder ein harscher Wechsel: „Sing For You“ entpuppt sich als sehr elektronischer Rocker mit diversen stimmverfremdenden Effekten, welche Rami auch in der Vergangenheit schon immer mal wieder gerne eingesetzt hat. „Pray To The Sky“ haben wir am Anfang schon abgehandelt und so folgt nur noch der Schlusstrack „Rainwater“. Selbiger ist ein mit einem klassischen 80er Hard Rock Riff ausgestatteter Song, welcher „Aspiration“ würdig beschließt.
Rami ist mit „Aspiration“ ein Album geglückt, welches Fans von ALDIOUS oder RAGLAIA zwar vor einige Herausforderungen stellt, bei entsprechendem Durchhaltevermögen aber mit vielen unterschiedlichen musikalischen Leckerbissen entschädigt und viel Langzeitwirkung mitbringt.
Eine der umtriebigsten Frontfrauen in Japan ist zweifelsohne Fuyuki Tenge, welche unter dem Namen Fuki schon bei DRAGON GUARDIAN, LIGHTBRINGER, UNLUCKY MORPHEUS und DOLL$BOXX für Furore sorgte. Unter dem Titel FUKI COMMUNE lässt sie nun ihr erstes Soloalbum vom Stapel, welches dann auch ziemlich breitgefächert und „japanisch“ daherkommt. Will sagen, der J-Pop Anteil ist recht hoch, was durch die technoiden Keys und die vielen unterschiedlichen Sounds zum Ausdruck kommt. Wenn man das Soloschaffen von Fuki mit ihren alten Bands vergleicht, so ist „Welcome!“ weniger am Progressive Metal von den im Moment auf Eis liegenden LIGHT BRINGER dran, sondern erinnert eher an eine weniger hektische Version ihrer Kollaboration mit GACHARIC SPIN: DOLL$BOXX. Auch wenn die Keys einen großen und weiten Raum einnehmen, gibt es auch noch genug metallische Elemente auf „Welcome!“. Nach dem sehr technoiden Intro „Welcome To My Dream“ folgt mit „月が満ちる前に” ein typisch japanischer “Feel-Good-Uptempo-Rocker”. Bei “I Never Let You Down” tritt der Metal am stärksten hervor und zu flotten Riffs und viel Doublebass erinnert Fuki vehement an 80er Jahre Material von MARI HAMADA. “僕が生きる世界” gäbe eine gute Single ab und ist tanzbarer, kraftvoller japanischer Edelpop mit partiell harten Gitarren. “狂い咲け雪月華” gefällt als moderner Rocker, mit den bekannten technoiden Sounds und paradoxerweise recht gut passenden folkloristischen Flötensamples. Klingt komisch? Funktioniert aber. Mit “Liberator” und “Sail On My Love” gibt Fuki nochmal richtig Gas und haut uns zwei zwar etwas kitschige, aber Spaß machende Melo Power Metal Nummern um die Ohren. “朝な朝な” setzt als reine Pop Nummer und “未来” als Halbballade den ruhigen Kontrapunkt. Fuki selbst wandelt mit ihrer kraftvollen Stimme recht souverän zwischen diesen Extremen und liefert so ein Album ab, das sie mit vielen Facetten zwischen süßlichem J-Pop und Melodic Power Metal zeigt. Ob das auch außerhalb diverser Nippon Fankreise für Euphorie sorgen wird, wage ich zwar zu bezweifeln, mir macht das Teil aber durchaus Spaß.