Die Entwicklung der schwedischen Progmetalller PAIN OF SALVATION nach dem grandiosen Album „The Perfect Element, Pt. I“ (2000) habe ich aus unerfindlichen Gründen leider nicht mehr intensiver weiterverfolgt. Und dies trotz der klasse Leistung von Mastermind, Sänger, Multiinstriumentalist Daniel Gildenlöw mit seinen Gastvoclas auf dem ebenfalls hammermäßigen "01011001" Album von AYREON aus dem Jahr 2008 - die eigenen Werke dieses Ausnahmemusikers gingen danach an mir vorbei.
Jetzt gibt es aber wieder etwas neues und klar, wie immer, ist es ein Konzeptalbum geworden. Über fünf Jahre sind seit dem letzten Release der Band vergangen, wobei auf „Road Salt Two – Ebony“ stilistisch eher bluesrockige Töne dominierten. Die Aufnahmen zu dieser Scheibe stammten dabei sogar noch von 2010, damals zusammen mit dem ersten Teil aufgenommen. Sei's drum, jetzt tönt als endlich wieder neues Material aus den Boxen und es geht musikalisch wieder deutlich „back to the Roots“. Sowohl die für POS typische Komplexität, teilweise auch etwas Verschroben-und Vertracktheit verbunden mit einer gewissen düsteren Note – dies alles findet der aufmerksame Zuhörer auf 72 Minuten ausladenden Progmetals vor. Exemplarisch hierfür steht der 10-minütige Opener „On a Tuesday“: der Song startet mit heftigen Metalriffs, variiert dabei immer mal wieder das Tempo, garniert mit melancholischen Streicherparts und sogar Beats sind zu hören. Eine wirklich klasse Melodie sowie zart klingenden Frauengesangparts sorgen für die nötige Eingängigkeit, da wird sofort klar – hier gibt es keinen Progmetal von der Stange sondern etwas ganz Eigenes.
In den letzten Jahren ist viel passiert rund um Pain Of Salvation insbesondere auch bei der Besetzung, fast die Hälfte der Musiker ist nicht mehr dabei, nur noch Drummer Léo Margarit und der Mastermind himself bilden die Konstante seit 2011. Daniel Gildenlöw hatte außerdem eine schwere Krankheit zu überstehen und fiel in 2014 fast ein ganzes Jahr lang aus, dies hat das Songwriting unüberhörbar beeinflusst. Und so beschäftigt er sich inhaltlich mit den Fragen über Leben und Tod sowie den Gefühlen und Erlebnissen in dieser Zeit. In der Musik kommen diese Erfahrungen voll zum Tragen, es gibt viele Ecken & Kanten und schroffe rhythmische Wechsel. Darüber hinaus findet sich oftmals ein gewisser Industrial Einschlag mit wuchtigen Gitarreneinschüben wie u.a. bei dem starken „Meaningless“.
Es dominieren zwar vermeintlich härtere Klänge, die aber stets mit feinen Melodien versehen sind wie etwa bei „Tongue of God“ - erst ruhig mit Piano startend kommt der Song dann mit einem verschleppten sowie bulligem Gesangsrefrain sowie Gitarrenlicks in bester FAITH NO MORE-Tradition daher. Ja, es geht hier mitunter auch mal sperrig und rau zu, der Sound ist eher ungeschliffen aber dann kommt wie aus dem Nichts so mal zwischendurch eine berührende Klavierballade “Stilen Gold“ hervor, die ist einfach klasse gemacht. Zwei weitere Longtracks sind auf dem Album enthalten u.a. „Full Throttle Tribe“ das mit vielen Sounds und elektronischen Keyboardsamples aufwartet und zusammen mit fetten Prog-Metal-Vibes ein fettes aber auch atmosphärisches Stück Musik geworden ist. Immer wieder spielt er mit gekonnten Wechseln zwischen gefühlvollen und brachialen Parts sowohl stimmlich als auch instrumentell, dies klingt manchmal recht verstörend und aggressiv aber er findet meist wieder in die hoffnungsvolle Spur zurück „The taming of the Beast“. Der 15-minütige finale Albumtrack beginnt zunächst recht langsam aufbauend (fast ein wenig zu lange) mit rein rein akustischen Slidegitarrens und entspannten Vocals, danach entwickelt sich der Mittelteil erst ab Minute acht mit leicht schrägen Sprengseln zu einem echten Pathosrocker. Dieser endet, irgendwie auch typisch für diese Scheibe, mit einem getragene Part und einem positiven Ausblick - Daniel Gildenlöw hat somit seine Krankheit auch musikalisch besiegt bzw. zum Guten verarbeitet.
Letztlich wurde hier ein ganz starkes Album abgeliefert, dass trotz alles Düsterniss und teilweiser Schwermut, nicht im musikalischen Selbstmitleid untergeht sondern mit schönen Stimmungsbögen den Hörer fordert aber auch mit nimmt und in tolle soundliche Welten eintauchen läßt. So schaffen PAIN OF SALVATION insgesamt ein überzeugendes Comeback und setzen ein erstes Prog-Highlight des Jahres 2017.
VOODOO VEGAS legen mit "Freak Show Candy Floss" Album Nummer Zwei vor. 2013 debütierten die Briten mit "The Rise of Jimmy Silver" und ließen 2015 die EP "Hypnotis" folgen. Seit diesen beiden Veröffentlichungen waren die Musiker viel auf Tour durch Kern-Europa und UK. Die dadurch gesammelten Erfahrungen flossen in den Schreibprozess des neuen Albums ein. So kann man den Songs eine professionelle und dem Longplayer eine homogene Ausrichtung nicht absprechen. Auch handwerklich gibt es bis auf die eher unspektakulären Vocals von Lawrence Case nichts zu kritteln. Aber was dem sleazigen, zuweilen bluesigen Hard Rock-Mix des Fünfers abgeht, sind Profil und eine eigene Note. So klingen die Dinger mal nach GREAT WHITE, alten SKID ROW oder RATT. Hin und wieder blitzen ein paar nette Ideen durch, aber so richtig eigen oder gar verwegen sind auch die nicht: hier mal eine Mundharmonika, da mal ein Banjo. Erschwerend kommt hinzu, dass das Songwriting oft zu vorhersehbar und durchschnittlich ist, um wenigstens hier Punkte zu holen. So bleibt "Freak Show Candy Floss" ein sauber produziertes, ganz nett durchhörbares Album, aber eindeutig zu wenig für Applaus.
Wahnsinn – zum vierten Mal in Folge steht pünktlich zum Jahresanfang ein neues SPIDERGAWD-Album in den Läden. Dabei ist das norwegische Quartett zwischen den Alben immer ausgiebig auf Tour gewesen und musste jüngst auch noch einen Besetzungswechsel verkraften: Nach dem dritten Album hat Bassist Bent Sæther die Segel gestrichen, weil er mit seiner Hauptband MOTORPSYCHO langfristig doch zu viel zu tun hatte. Drummer Kenneth Kapstad wiederum stieg zwischenzeitlich bei MOTORSPYCHO aus, so dass sich SPIDERGAWD jetzt auch besetzungstechnisch vom Status eines MOTORPSYCHO-Nebenprojekts befreit haben. Ihr Sound hatte eh schon immer nur am Rande mit der ehemaligen Hauptband zweier ihrer Gründungsmitglieder zu tun, kam immer schon rotziger, roher, straighter und direkter daher.
Das hat sich auch mit „IV“ nicht geändert. Wie eh und je halten SPIDERGAWD mit ihrer schier grenzenlosen Energie nicht groß hinter dem Berg, sondern kommen schnell und ohne viele Schnörkel zur Sache. Dabei werden auch wieder jede Menge Ohrwürmer ausgeschüttet, vor allem in den melodischeren Stücken wie dem hymnischen Opener „Is This Love…?“, „dem leicht 80s-Rock beeinflussten „LouCille“ oder „What Have You Become“, das, weniger rau gespielt, auch von den FOO FIGHTERS sein könnte. Dass SPIDERGAWD auch lange Songs spannungsvoll aufbauen können, zeigen sie erneut im über acht Minuten langen „What Must Come To Pass“, das mit einem Blues Harp-Intro beginnt und sich über ein sägendes, schwer groovendes Riff bis hin zu einem spacigen Instrumental-Jam entwickelt.
Das alles ist mehr oder weniger bereits bekannt, und trotzdem klingt auch „IV“ zumindest in Nuancen wieder etwas anders als sein Vorgänger. Eine Vorliebe für klassischen Hard Rock im Stile THIN LIZZYs hat sich schon auf den vorigen Alben gezeigt, hier macht sich jetzt dagegen immer wieder ein gewisser NWOBHM-Einschlag bemerkbar. Offensichtlich haben SPIDERGAWD im vergangenen Jahr viel britischen Metal gehört, denn immer wieder tauchen Riffs und Melodiebögen auf, die etwa an alte JUDAS PRIEST oder IRON MAIDEN erinnern. Das passt wunderbar zum Gesamtsound und lässt in Verbindung mit dem SPIDERGAWD-typischen Garagen-Blues-Rock-Sound wieder etwas ganz Neues entstehen.
Es ist kaum zu glauben, aber mit „IV“ halten SPIDERGAWD nicht nur erneut ihren Jahresrhythmus ein, sondern setzten auch wieder noch einen auf das Vorgängeralbum drauf. Wo soll das noch hinführen?! Ach ja, SPIDERGAWD sind auch eine fantastische Live-Band und sind im März wieder in Deutschland und der Schweiz unterwegs. Nicht verpassen!
PRIDE OF LIONS sind zurück, und mein Herz schlägt vor Freude wie das einer Beutelratte auf Amphetamin! "Fearless" heißt das neue Album, doch ganz angstfrei bin ich beim Betrachten des fürchterlich Klischee-behafteten Artworks nicht. Hier muss der Grafiker beschwipst gewesen sein. Aber damit genug des Bashings, denn ansonsten gibt es keinerlei Anlass dazu.
Der Mann in Lila und sein beleibter Sidekick legen endlich mal wieder ein Meisterstück auf die Verkaufstheke. SURVIVOR schimmern oft durch wie bei "In Caricature", der Titelsong darf Rocken wie lange nicht und für einen Refrain wie bei "Silent Music" wären andere Songwriter zum Mord bereit. Griffiger, direkter und mit Melodien, die einem Jim Peterik zur Ehre gereichen, präsentiert sich das Duo. Vergessen sind die überladenen Arrangements von Album Drei und Vier, mehr zündende Ideen, und auch der tiefe Griff ins Schmalz- und Schnulzen-Töpfchen bleibt diesmal nahezu aus. "Fearless" bietet in fast einer Stunde Spielzeit 12 pure AOR-Nummern, mal hart, mal zart und auf den Punkt komponiert. Küsschen links und rechts und herzlich willkommen zurück PRIDE OF LIONS.
Die symphonische Metal Formation THE MURDER OF MY SWEET um Sängerin Angelica Rylin und Multiinstrumentalist Daniel Flores (hier hauptsächlich Schlagzeuger) gehörte immer schon zu den Besseren ihres Fachs. Was einerseits daran liegt, dass ihre Kompositionen zwar genretypisch opulent, aber nicht zu überfrachtet sind. Außerdem hat Frau Rylin eine starke und vor allem angenehme Stimme, da sie die Sopranistin im Koffer lässt und mit ihrem im besten Sinne poppigen Organ zu überzeugen weiß.
Was mir bei THE MURDER OF MY SWEET immer etwas gefehlt hat, war die qualitative Konstanz. Zwischen Krachernummern gab es in der Vergangenheit auch immer wieder den einen oder anderen Downer zu hören. Etwas das Angelica Rylin auf ihrem AOR-lastigen Solodebut „Thrive“ ausmerzen konnte.
Leider überzeugt mich auch „Echoes Of The Aftermath“ nicht auf ganzer Linie. Auf der Habenseite haben wir melodische Ohrenschmeichler der Güteklasse 1A (die erste Single „Personal Hell“, das düstere / melancholische Titelstück „Echoes Of The Aftermath“, das balladeske „Loud As A Whisper“ und vor allem die Übernummer „Shining After Dark“) und auf der Sollseite gibt es dafür eine Handvoll Songs, die zwar nicht schlecht sind, mich aber nicht wirklich packen können und etwas am Ohr vorbeirauschen.
Macht in seiner Gesamtheit nun wahrlich kein schlechtes Album, aber eben auch keinen Tipp. Genrefans können zugreifen, allen anderen sei ein Reinhören ans Herz gelegt.
Ich werde nun versuchen den Refrain von „Shining After Dark“ irgendwie wieder aus dem Ohr herauszubekommen und hoffe, dass uns Angelica bald wieder mit einem Alleingang beehrt.
Pünktlich zur anstehenden Tour knallen uns die Kanadier von STRIKER ihr fünftes Album vor den Latz. Dabei ist der starke Vorgänger nach knapp einem Jahr noch warm und präsent. Sei's drum, die Jungs waren mal wieder so weit für zehn neue Nummern. Das Langeisen heißt einfach wie die Band, "STRIKER", und wird wieder unter dem bandeigenen Label Record Breaking Records veröffentlicht. Härter, roher und allen voran die Rythmus-Sektion hat mehr Bumms als zuvor. NWoBHM mit einer mächtigen Prise Thrash und U.S. Metal sind heuer die Zutaten. Mich überzeugt die Energie und Power, aber das Songwriting ist weit weniger zwingend als gewohnt. Vielleicht haben die Musiker das Teil ein wenig zu übereilt eingetütet, um es auf jeden Fall zur Tour präsentieren zu können. Der starke Opener "Former Glory", der fette Sound und das für die Band ungewohnte sowie stylische Artwork sind auf jeden Fall auf der Habenseite.
Die BLUES PILLS und vor allem PRISTINE dürfen als Vergleich herhalten. Vintage-, pychedelischer Blues Rock, female gefrontet sind auch der Würzburger Band WOLVESPIRIT musikalische Zutaten auf ihrem neuen Album "Blue Eyes". Bis auf den Schlagzeuger leben die Bandmitglieder gemeinsam in einer Künstlerkommune – das heißt: Vertrautheit, reger Austausch und kurze Wege. So klingt das Album auch harmonisch und homogen. Was meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zieht, ist der warme Hammondorgel-Sound und dessen starke Präsenz sowie die bluesig beseelte Gitarre. Die Stimme bzw. der Gesang der Amerikanerin Deborah Craft ist leidenschaftlich und gibt dem Ding Profil und Eigenständigkeit, kann aber nicht ganz in Volumen, Kraft und Ausstrahlung mit der oben erwähnten Konkurrenz mithalten. Echt und erdig wird auf dem vierten Longplayer des Quintetts gerockt, nicht immer können einen die Melodien, sprich das Songwriting, überzeugen, aber die Leidenschaft und Authenzität der Darbietung machen das irgendwie wieder wett. "Blue Eyes" ist ein Vintage Rock Album, das zu keiner Sekunde aufgesetzt oder affektiert wirkt. WOLVESPIRIT ist eine sympathische Band aus deutschen Landen, die man auf jeden Fall mal antesten sollte. Gerade die Vinyl-Versionen im bunten Artwork machen was her.
BETONTOD sind eine feste Größe in der deutschen Punkrockszene geworden, auch wenn es für den ganz großen Durchbruch bisher noch nicht gereicht hat. Für "Revolution" haben sie mit Vincent Sorg (DIE TOTEN HOSEN, IN EXTREMO) einen etablierten Produzenten gewonnen und sich eines brandaktuellen politischen Themas angenommen. Könnte also was werden mit der einstelligen Charts-Platzierung, oder? Die Band versteht es, eingängige Punkrocknummern zu schreiben, welche beim ersten Hören sofort im Ohr hängenbleiben und auch mit drei Promille noch mitgegröhlt werden können. Aber so richtig piunkig ist das nicht, vielleicht auch schon länger nicht mehr. "Revolution" ist zahm gewordener Punkrock, gerichtet an die Mitte der Gesellschaft, die gerne mal Stadionpunkrock hören möchte und - immerhin! - gegen den rechten Rand eintritt. Diese Zielgruppe bedienen BETONTOD in erstklassiger Art und Weise, dafür sorgt die Mischung aus politischen Nummern wie "Welt in Flammen" - mit IRON MAIDEN-Gitarren ausgetattet - und nostalgischen Songs "Verdammt schwer". Letztere machen die Sache dann auch so schwierig, denn in solchen Momenten wirkt die angestrebte Revolution wie ein zurück in die 90er wollen und nicht wie ein Weckruf für eine moderne Gesellschaft. Gleichzeitig sprechen solche Songs die Ü35-Punkrocker an. Handwerklich ist das alles gut gemacht, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer auf Stadion- wie Kirmestauglichen Punkrock steht, ist mit "Revolution" gut beraten. Für den Sohn des Ü35-Fans ist das ebenfalls eine gelungene, weil nicht zu heftige, Einführung in die Punkrockwelt, also passt das schon. Konsens-Punk.
Der Name verrät es nicht, aber DÉPARTE grüßen aus Down Under - dem Erdteil, der gemeinhin mit Sonne, Strand und guter Laune in Verbindung gebracht wird. Davon ist auf dem Season Of Mist-Debüt " Failure, Subside" nichts, aber so gar nichts, zu spüren. In den sieben Songs regiert die pure Verzweiflung, die sich als nagende, quälende Folter in die Seele des Hörers frisst. Licht findet sich in den 50 Minuten nicht einmal im Ansatz. Kein Sonnenstrahl durchdringt das Dunkel, das DÉPARTE über den Hörer kommen lassen. Dabei versteht es die Band, die Botschaft in musikalisch vielschichtige Songs zu packen, so dass " Failure, Subside" nicht langweilig oder eindimensional wird. Black Metal-Attacken wechseln sich mit langsamen, verstörenden Passagen ab, stellenweise unterstüzt von Soundeffekten ("Winter"). Hörer müssen sich auf Überraschungen gefasst machen, wie der Einsatz klaren Gesangs bei "Ashes In Bloom" zeigt. Dabei büßen DÉPARTE zu keiner Zeit an Intensität oder verlieren sich in Spielereien. Ihr Fokus liegt auf dem Erschaffen nihilistischer Klangwände und das gelingt ihnen durchweg. Natürlich ist so eine Platte nicht immer am Stück hörbar; manchmal ist wie emotionale Wucht einfach zu stark. An anderen Tagen ist die Mischung aus Black Metal, Doom, Ambient und ein wenig Death Metal für die Nerven mehr als genug, aber am Ende ist festzuhalten, dass DÉPARTE ein packendes, extrem wuchtig wie verstörendes Album erschaffen haben, wofür ihnen großer Respekt gebührt.