Im Oktober 2019 rezensierte ich die Debüt-EP der Frankfurter Band EMPERORS LAIR. Und wie ich seinerzeit angekündigt hatte, blieb ich in Kontakt zu dem Trio. Heuer veröffentlicht das zum Quartett gewachsene Kollektiv ihr erstes vollwertiges Album. "Dare Mighty Things" ist der Titel, und visuell punktet das Werk mit einem starken und stylischen Artwork. Neu ist auch, dass diesmal Gesang geboten wird, den der neue Mann Sebastian zu seiner Funktion am Synthesizer beisteuert.
Musikalisch bleiben die Hessen bei ihrem psychedelischen, zähfließenden Stoner Rock. Das starke "House Of The Righteous" eröffnet den Longplayer wuchtig und sphärisch. Der Gesang von Sebastian ist klar, der Hall auf der Stimme lässt sie, zuweilen flüchtig und transparent, wie Nebel über der Nummer schweben. Fuzz-Gitarren und ein basslastiger Sound bilden dazu einen deutlichen und massiven Kontrast. EMPERORS LAIR nehmen sich viel Zeit, um ihre Nummern zu erzählen. Sieben Songs mit einer Laufzeit von fast einer Stunde sprechen hier eine deutliche Sprache. Der Band gelingt es, Spannung zu kreieren, diese auch zu halten und somit durchaus unterhaltsam und abwechslungsreich die Dauer der Songs zu gestalten ("Gravity"). Hier muss noch das flehende und stoische "Kronos" Erwähnung finden. Wobei sich auch Wiederholungen im Aufbau der Tracks nicht immer vermeiden lassen und gewisse Längen und Gleichförmigkeiten ("The Mind's Eye") nicht ganz ausbleiben. Das gechillte, rein instrumentale und atmosphärische "Deimos" und das leicht orientalische, beschwörende und kompakte "The Elephant" punkten gegen Ende nochmal.
EMPERORS LAIR haben einen beachtlichen Schritt gemacht. Artwork, Sound, Songs - alles ist qualitativ gewachsen. Schade, dass die Band kein Vinyl im Angebot hat. Das Artwork schreit geradezu nach einem größeren Format. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Da ist uns etwas Interessantes in die Redaktion geweht worden. NOSFERATU heißt die Band, kommt aus Brasilien, und der Tonträger hat den Titel "Law Of The Streets". Eben dieser wird als EP angepriesen, es ist aber doch eher eine Single. Das besondere dabei - der Tonträger ist ausschließlich als 7 Inch große, schwarze Vinyl-Single zu erwerben, wertig mit Innersleeve und beidseitig bedrucktem Insert und zusätzlich auf 500 Stück limitiert.
"Law Of the Streets" wird erstmalig von dem Label Anger Of Metal veröffentlicht, die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009. Selbst für 2009 wirkt das Artwork eher altbacken und dem Heavy Metal Klischee der 80er Jahre entsprechend. Aber der dazu passende Inhalt - eine wilde, rohe Mischung aus NWoBHM und frühen US-Metal - machen daraus ein charmantes Relikt aus einer anderen Zeit. Der Gesang ist limitiert, aber authentisch, die Gitarrenarbeit leidenschaftlich und mitreißend. Frühe IRON MAIDEN scheinen hier einen großen Einfluss auf die Südamerikaner ausgeübt zu haben. Die Verarbeitung und der Sound sind ausgezeichnet.
Für Traditionalisten und Vinyl-Sammler eine ausgefallene und wie ich finde reizvolle Veröffentlichung.
Zählen wir die Debüt-EP mit, so veröffentlichen DEWOLFF mit "Love, Death & In Between" ihr zehntes Album. Und ich prognostiziere, dass spätestens ab jetzt die drei Niederländer ein weitaus größeres Publikum erreichen werden. Es ist einfach nur großartig, wie authentisch, liebevoll und detailliert das Trio seine Melange aus Soul, Blues und psychedelischem Rock präsentiert. Und nicht nur die Präsentation, sondern auch der Inhalt, sprich das Songwriting, das Handwerkliche und zu guter Letzt der unfassbar transparente Sound tragen zu dem beeindruckenden Ergebnis bei. Wenn ich etwas kritisieren müsste, so würde ich das Überangebot, d.h. den fast schon inflationären Gebrauch von Inspiration bemängeln. Denn mit 12 Songs und einer Spielzeit von weit über einer Stunde ist es fast zu viel des Guten. Im speziellen ist die 16:30 Minuten lange "Rosita" etwas üppig geworden. Aber das ist jammern auf hohem Niveau.
"Night Train" beginnt JAMES BROWN-würdig; wie ein langsam laufender Schweißtropfen auf erhitzter Haut, rollt sich die Nummer ihren warmen, souligen Weg hinunter in die Beckengegend. Das Gitarrensolo im Songfinale, das zusätzlich mit Bläsern und Gospelchor zum "Höhepunkt" kommt, schließt die perfekt erzählte Nummer stimmig ab. Um hier für Klarheit zu sorgen, mit Hard- oder Stoner-Rock haben die Musiker nichts im Sinn - also nicht vom Artwork verführen lassen. Blues und Soul sind die vorherrschenden Ingredienzen. "Will o'the Wisp" ist stimmungsvoll dargebotener Blues, reduziert und atmosphärisch. Es ist schwer zu glauben, dass sich die doch relativ jungen Künstler diese in den 60er, Anfang der 70er "spielende" Nummer allein erdacht haben. Wem das Genre und die musikalische Zeit zusagen, der kann, nein, der muss dieses Album erwerben. Es verdient nahezu jeder Song, vorgestellt zu werden. Kommen wir noch zum chronologisch gesehen letzten Track des Albums. "Queen of Space & Time" vereint THE DOORS mit CREAM und dazu eine sanfte JETHRO TULL-Flöte. Hört sich komisch an? Ist aber so und dazu richtig gut.
DEWOLFF kommen im Februar d.J. auf Tour. Dazu dieses Album und die gebotene Qualität werden die Band auf die nächste Erfolgsstufe hieven - und das völlig zu Recht!
Viele Kulturschaffende, im Besonderen Künstler, die vor Publikum spielen, litten unter Corona. Klar ist, dass diese Krise eine Band wie IRON MAIDEN weit weniger bedroht als eben eine Kapelle wie SCREAMER. So mussten die Musiker zum Teil ihren früheren Jobs wieder nachgehen und verloren in dieser Zeit auch einen Kollegen, den Gitarristen Anton Fingal. Aber Ersatz wurde gefunden und ein neues Album eingespielt. Jedoch ganz spurlos blieb diese Zeit nicht. So zeigt sich der Schweden-Fünfer textlich nachdenklicher und auch musikalisch zum Teil verändert.
SCREAMER servieren ihren Metal frisch und hart, aber mit genügend Griffigkeit, um beim ersten Durchlauf bereits Gefallen daran zu finden. Sänger Andreas Wikström performt solide, hat aber keine Stimme, an der ich mich berauschen könnte. "Rise Above" gelingt es, sich gekonnt zwischen Hard Rock und Metal zu platzieren, was in der Definition NWoBHM Vibes offenbart. DEMON, TOKYO BLADE und IRON MAIDEN kommen mir immer mal wieder in den Sinn. "The Traveler" markiert dann mit seinem "schillernden" Keybord einen Grenzgang hin zum Rock; ich möchte hier fast Vergleiche zu TEN ziehen. Ich mag die melancholische Nummer, kann aber verstehen, dass alteingesessene Fans hier die Nase rümpfen. "Chasing The Rainbow" punktet mit Dynamik und überraschendem Classic Rock-Anteil. "Ashes And Fire" ist dann Power Metal mit leicht epischem Anstrich.
"Kingmaker" zeigt SCREAMER etwas breiter und variabler aufgestellt; neben Spaß und Volldampf-Metal werden heuer auch neue und ungewohnte Töne angeschlagen. Ich, für meinen Teil, empfinde das als Bereicherung und Entwicklung im Bandsound.
Das atmosphärische und starke Artwork schaut nach Doom Metal oder einer noch extremeren Version Schwermetalls aus. Doch weit gefehlt, die Essener Band WOLFSKULL bietet eine recht ausgefallene, mit dunkler Note versehene Version von Hard Rock an. Gerade Sänger Pete 9 ist mit seinem abgeklärten, fast chortauglichen Gesang maßgeblich an diesem Eindruck beteiligt. "Ave Goddes" ist der erste Longplayer des Kollektivs, das aus erfahrenen und bereits in anderen Bands agierenden Musikern besteht.
Es lassen sich Spuren von frühen THE CULT, DANZIG und TYPE O NEGATIVE finden. Die präsente Gitarrenarbeit punktet mit kernigen Riffs sowie emotionalen und mitreißenden Soli. WOLFSKULL zeigen ein eigenes und klares Profil, das vom Bandkern nach außen strahlt. Der Fokus liegt auf tragenden Melodien, die oft im dunklen, leicht sakralen Umfeld platziert werden. "Ember Falls" ist 80er Jahre Dark Rock, der erhaben und melancholisch zum Höhepunkt marschiert. Das hymnische "Black Winged Angels", das gar etwas Blues in sich trägt, darf getrost als Hit bezeichnet werden - oder hat zumindest das Potenzial dazu. Und die Herzschmerz-Ballade "Sea Sangre" überzeugt mit Schwermut und Sanftheit und dem Wissen: weniger kann mehr sein. Applaus nach Essen für diese gefühlvolle, markante und gleichwohl geschmeidige Vorstellung!
“History's Hand“ ist sage und schreibe die 100. Veröffentlichung von Johnny Gioeli. Er ist seit 1998 bei AXEL RUDI PELL eine feste Größe, gründete 1991 zusammen mit seinem Bruder HARDLINE, deren Debüt “Double Eclipse“ getrost als Klassiker bezeichnet werden kann und vertont mit CRUSH 40 seit 1998 regelmäßig Videospiele. Nebenbei wirkte er bei unzähligen Projekten mit, ebenso wie sein Buddy Alessandro Del Vecchio (Bass, Keyboard), der Haus- und Hof-Produzent von Frontiers Records. "ENEMY EYES ist das Endprodukt einer Vision, die ich seit vielen Jahren habe, Old School Rock mit einem europäischen Metal-Feeling zu kombinieren“, sagt Johnny über das neue Projekt. Er selbst bezeichnet es allerdings als Lebenswerk.
Der Einstieg mit “Here We Are“ gibt schon recht deutlich die Marschrichtung vor. Der Song strotzt vor Kraft, lebt aber von der Melodie. Im Anschluss folgt sogleich das erste Highlight in Form des Titeltracks. Eine vielschichtige Nummer, die sich vor allem durch ihren progressiven Touch vom Rest signifikant abhebt. “Peace And Glory“ schickt einen dann unwillkürlich zurück in die NWoBHM-Zeit. Beim stampfende “The Chase“ wiederum kommt Mr. Gioeli's Königsdisziplin zum Tragen, der eingängige Refrain, hier gleichwohl mit einem mystischen Unterton. Beim “Hey, Hey, Hey“ sehe ich zudem förmlich die Hände mit den Pommesgabeln rhythmisch in die Luft gestreckt vor mir. Die Platte hat eigentlich alles, was das Metalherz begehrt. Einerseits sind da wunderbare Melodiebögen, die nicht überzuckert sind. Gitarren, die hier und da richtig zupacken, um im nächsten Moment mit den dramatischen Keys zu harmonieren, andererseits temporär treibende Doublebasspassagen, die sich songdienlich dann aber auch zurücknehmen. Und nicht zuletzt ist da die charismatische Stimme von Johnny, die in nahezu jeder Spielart eine gute Figur abgibt. Eine richtig ruhige Nummer hat die Scheibe zwar nicht, aber “What I Believe“ ist eine gelungene Powerballade mit leidenschaftlich schmachtendem Vortrag, eingebettet in das Pianospiel zu Beginn und zum Ende.
Ob es nun das Album ist, das sich Johnny Gioeli vorgestellt hat, ist schwer zu sagen. Es ist ein Werk mit viel Abwechslung, bei dem die Protagonisten nachrangig Wert darauf gelegt haben, nicht nur auf alt Bewährtes zurückzugreifen, sondern auch dezent moderne Elemente einfließen zu lassen. Bei einigen Songs ist das recht gut gelungen, wobei man an der ein oder anderen Stelle mit weniger womöglich noch mehr erreicht hätte. Insgesamt ist es eine solide CD die sich von den diversen Frontiers Projekten ein wenig nach oben abgrenzt. Ob es nun mehr ist, als eben nur ein Projekt wird sich zeigen.
ABOUT US kommen aus Nagaland, das liegt in Indien, und somit darf die Band, zumindest, was die Herkunft betrifft, durchaus als exotisch bezeichnet werden. Das Genre indes, was sie überwiegend anbieten, ist weit weniger ausgefallen und liegt zwischen AOR und Hard Rock. Das passt wunderbar ins Beuteschema von Frontiers Records. Deshalb bemühte sich das italienische Label, das Kollektiv unter Vertrag zu nehmen, und veröffentlicht nun das bereits 2021 begrenzt erschienene Debüt-Album der Band erstmalig international.
Der Opener "Right Now" ist, bis auf die nervös wirkende Schlagzeug-Arbeit, AOR wie aus dem Lehrbuch, der Gesang von Sochan Kikon ist gefällig und beruhigend typisch bei der Nummer. Das stimmungsvolle "Gimme Gimme" ist kerniger Hard Rock mit einem etwas zu "flauschigen" Refrain. Im weiteren Verlauf kommt die Darbietung zuweilen eine Spur zu übermotiviert rüber; gerade bei "Lead my Heart" oder auch "Our Fairyland" wirkt der Gesang ausgereitzt und unnatürlich. "Loaded Love" ist beschaulicher, mit bluesiger Note versehener Radio Rock, der stimmig und gut performt wird und ebenso unterhält. "Rock on Top" ist eine vorhersehbare Nachbildung, die sowohl vom Titel als auch musikalisch ein pures Klischee des 80er Jahre Rocks darstellt. Das sich an der Grenze zum Hardcore bewegende "Golden Troops" passt nicht auf den Longplayer und wirkt wie ein Fremdkörper. Die darauffolgende und gelungene Ballade "Open your Heart" versöhnt und mildert den negativen Eindruck der zuvor "gehörten" Nummer.
In der Gesamtschau überraschen ABOUT US - wenn man das Artwork wie auch die Herkunft betrachtet - mit solidem und vertraut klingendem Melodic Rock. Ein eigenes Profil ist noch nicht zu erkennen, das Songwriting schwankt zwischen blass und gelungen. Hin und wieder wäre etwas weniger mehr gewesen. Das Debüt ist, statt exotisch, an mancher Stelle zu vorhersehbar, schablonenhaft und bleibt, letztendlich an der Durchschnittslinie kleben.