Zum Teufel: TANZWUT feiern 25 Jahre! Die Geschichte ist ja bekannt: Die Berliner gingen irgendwie aus CORVUS CORAX hervor, kommen von der puren Mittelaltermarktmusik, seinerzeit war auch das letzte Einhorn von IN EXTREMO dabei. Wie eben jene entfernten sich auch TANZWUT von der r(h)einen Lehre, mischten Rock, Pop, Elektronik, Gothic, Industrial, Metal, NDH und noch mehr unter. Zu Silbernen Musikhochzeit motzen die Tanzwütigen zwölf alte Songs (siehe unten) nochmals auf, davon sind „Labyrinth“ und „Niemals ohne dich“ erstmals digital verfügbar (sagt das Info). Okay. Aber ein paar Extras hätte so einer Compilation schon gut getan – als Hochzeitsgeschnenk für die Fans sozusagen. Die Lieder kennen die Fans in den ursprünglichen Versionen natürlich, die neuen Versionen machen Spaß – und rocken. Auf eventuelle Ähnlichkeiten zu IN EXTREMO nicht nur wegen des Dudelsacks wie im großartigen „Meer“ muss niemand eingehen. So bleibt eine gelungene Mixtur elektrischer Gitarren mit ollen Flöten und Dudelsäcken, eingängig, klebrig und doch frisch. Einzige echte Enttäuschung: Die „Eiserne Hochzeit“ fehlt, obwohl „Der Wächter“ dich niemals vergisst, eisern und in Union dazustehen! PS: Die totalen Nerds greifen natürlich zur auf 666 Stück limitierten Fan-Box mit allerlei Extras. Die Songs sind alle Teufelszeug! Als da wären: „Labyrinth“, „Ihr wolltet Spaß“, „Meer, „Was soll der Teufel im Paradies“, „Der Wächter“, „Niemals ohne dich“, „Lügner“, „Der Arzt, „Im tiefen Gras“, „Vulkan“, „Dämmerung“, „Nein Nein“.
Lang ist es her seit dem letzten regulären Studioalbum von SORTILÈGE. Genau genommen 38 Jahre her, seit "Larmes De Heros" erschien. Auch ist trotz einer kurzfristigen "echten" Reunion aktuell nur noch Sänger Christian "Zouille" Augustin von der 80er-Besetzung mit an Bord. Mit welcher Erwartungshaltung also soll man als Altfan an "Apocalypto" herangehen, um nicht zwangsläufig enttäuscht zu werden? Ich habe dezidiert im Vorfeld noch einmal "Phoenix" von 2021 angehört, welche Neueinspielungen alter Klassiker enthielt (und "Apocalypso" als Bonus beiliegen wird) und mich so dem aktuellen Klangbild angenähert, welches härter und aggressiver als in den seligen 80ern tönt. Das mag anfangs irritieren, jedoch habe ich mich mit jedem Durchlauf mehr und mehr damit anfreunden können und muss konstatieren, dass "Apocalypso" ein ambitioniertes und vor allem durch und durch ehrliches und authentisches Album ist. Was viel mehr Wert und Substanz besitzt als ein halbgarer Dienst am Fan. Denn es zeigt, dass es SORTILÈGE 2.0 noch einmal wissen wollen und sich nicht nur auf alten Lorbeeren ausruhen. Auch wenn dies Mut zum Risiko bedeutet.
Das heißt jetzt nicht, dass man sich vollends von seinen Wurzeln gelöst hat, sondern, dass man einen Spagat nicht nur wagt, sondern diesen auch hinbekommt. Zouille selbst hat seine Kehlkopf-OP offensichtlich gut überstanden und tönt zwar passend zur Musik rauer als früher, aber nicht weniger kraftvoll. Darüber hinaus ist er immer noch unter tausenden anderen Sängern sofort herauszuhören. Seine Begleitmusiker sind technisch natürlich oberste Liga, und so brennt da nichts an, sondern man wird mit tollen Soli und präzisem Riffing verwöhnt.
Der flotte Opener "Poseidon" steht ganz in der Tradition von "D’Ailleurs" und wird in Zukunft bestimmt das eine oder andere Konzert eröffnen. "Attila" ist dann das erste Stück, welches für die moderne Seite von SORTILÈGE steht: rhythmisch, stampfend und fies mahlend wird der Hunnenfürst besungen. Das nun folgende "Derrière Les Portes De Babylone" ist auch eher modern und versteht es geschickt, einen epischen/orchestralen Chorus mit arabischen Motiven zu verbinden. Das flotte "Le Sacre Su Sorcier" ist purer klassischer Heavy Metal, welcher jeden Fan der ersten Alben begeistern sollte. Selbst die "Ohohoh-Chöre" wirken nicht aufgesetzt. Bei "La Parade Des Centaures" wagen sich SORTILÈGE sehr weit auf fremdes Territorium: sehr moderne Gitarrenarbeit trifft auf vereinzelte Deathgrunts und einen kommerziellen Refrain. Das anschließende, galoppierende "Walkyrie" ist dann wieder deutlich oldschooliger und hätte auch von "Larmes De Heros" sein können - 2023 eben mit etwas mehr Pfeffer und Dampf auf den Gitarren. Mit "Encoure Un Jou" haben SORTILÈGE eine Halbballade geschaffen, bei der Zouille eine andere Seite zeigen kann und beweisen, dass auch seine gefühlvolle Stimme über die Jahre nicht abhandengekommen ist. Sehr emotional und absolut kitschfrei. "Trahison" ist wieder purer Stahl und wie gemacht für Liveshows. Das ebenso flotte "Vampire" schlägt in eine ähnliche Kerbe und führt das Erbe von Songs wie "Bourreau" oder "Cyclope De L'Étang" 2023 weiter. Das abschließende fast achtminütige Titelstück beschließt das Album würdig. Düster, episch und elegisch entfaltet sich die Apokalypse, bis sie in einem bombastischen Finale kulminiert.
"Apocalypso" ist ein mutiges, ehrliches und relevantes Album, welches sicherlich Kritik wird einstecken müssen. Ich persönlich halte es für ein sehr gutes Album einer Band, die immer noch etwas zu sagen hat und nicht nur Altes wiederkäuen möchte.
Leider wurde die für Mai angesetzte Tour ersatzlos gestrichen. Ich hoffe dennoch, dass man Frankreichs legendärste echte Heavy Metal-Band bald wieder auf der Bühne wird erleben dürfen.
ZEBRAHEAD zählen rückwärts. Nach der 2022 erschienenen EP „III“ kommt nun in 2023 die in der gleichen Session aufgenommene EP „II“ daher (die „I“ dann wohl 2024, oder?). Die Band aus dem Orange County in Kalifornien hat trotz Erfolge in Japan und einem hohen Bekanntheitsgrad in den USA immer noch einen gewissen Underground-Ruf, ihre Melange aus poppigen Punk, HipHop-Metal und groovigem Rock ist dann auch eher Live zu Hause als im Radio. Die eher düsteren Songtexte tun ein übriges – ZEBRAHEAD stehen hier nicht für Spaß-Punk. Die fünf Tracks der etwas über 15 Minuten langen EP „III“ bieten auch genau das zu erwartende, dürften damit der Zielgruppe gefallen, aber nicht unbedingt neue Fans erschließen. Zwei Songs heben sich nach dem ersten Hör aus der Masse der Punk-Rock-Songs hervor. Da wäre das mit Bläsern und Ska-Rhythmen daherkommende flotte „Evil Anonymous“ und das abschließende, flätige „F.L.F.U.“ (Fuck love, and fuck you) welches abwechslungsreich Pop und Punk mixt, inklusive Ali Tabatabaees gekonnten Rap-Parts.
Was ist denn auf dieser Welt los? Es gibt Dinge die kann man nicht verstehen. Dazu gehört, dass das neue Album von WICHITA FALLS durch die Band in Eigenregie veröffentlicht werden muss. Da sind die Labels aber mal schön im Tiefschlaf... denn die Norddeutschen wuchten mit ihrem zweiten Longplayer "When Hell Comes To Town" einen Brocken von internationaler Klasse ans Licht der Metalwelt. Für den richtigen Sound konnten WICHITA FALLS mit Bob Katsionis (ex-FIREWIND, WARRIOR PATH, STRAY GODS) einen bekannten Namen in der europäischen Hartwurst-Szene verpflichten. Und er hat einen tollen Job gemacht. Extrem wuchtig und trotzdem transparent drückt das Album durch die Speaker.
"Natural Disaster" eröffnet den Reigen und geht nach einem coolen Synthiepart in hammerhartes Stakkatoriffing über. Gitarrist Matze Büsing macht dem Hörer hier schon klar, dass er zu den besten Riffmaschinen des Landes zählt. Über die gesamte Spielzeit wird hier eine geniale Akkordfolge nach der anderen auf den Hörer abgeschossen. Alle zugeschnitten auf die starken Vocals von Wolfram Burda. Der Sänger ist eine echte Seltenheit in diesen Zeiten, weder Fünf-Oktaven-Trällerhennes noch Extrem-Metal-Brüllaffe, bietet er mit seinem rauen Organ genau die richtige Mischung aus Power und Melodie. Dazu kommt noch das variable und kraftvolle Drumming von Uwe Reese und fertig ist die Metal-Laube. Stilistisch kann das Gesamtpaket vielleicht irgendwo in der Nähe von ICED EARTH, NEVERMORE oder auch BRAINSTORM verortet werden, ist aber absolut eigenständig - insbesondere aufgrund der Ohrwurmrefrains. Songs wie "The Quest" oder das flotte "Total Eclipse Of The World" (geiles Intro auch!) verschwinden so schnell nicht mehr aus den Gehirnwindungen. Und selbst gegen Ende des Albums geht WICHITA FALLS nicht die Luft aus. Das thrashige "Meet Your Master", der energische Quasi-Titelsong "Legions" und das erneut mit einem Monster-Refrain gesegnete "Until The Storm Is Over" beschließen die Scheibe, ohne auch nur einen Moment das Level herunterzufahren.
"When Hell Comes To Town" ist ein Album auf internationalem Niveau. Die Produktion, das starke, originelle Artwork, die Musik sowieso. Wenn schon die Plattenfirmen dieser Welt nicht auf der Höhe des Geschehens sind, dann solltet ihr das sein und eine Band unterstützen, die in Eigenregie so ein geiles Geschoss abgeliefert hat. Digitalen Download gibt es bereits, ab März folgt die CD und im April sogar eine kleine Vinylauflage. Wer also auf kraftvollen Metal zwischen Melodie und Härte steht, sollte - nein muss - die Scheibe ohne schuldhaftes Zögern verhaften!
Bei THE COLD STARES neuem Album steht neben dem Bandnamen und Titel des Longplayers auch der Zusatz "Made in Nashville Tn". Nashville ist die Hauptstadt des Bundesstaats Tennessee (Tn), und neben Whiskey ist es das Zentrum der kommerziellen Country-Musik, in den USA, und bekannt für sein üppiges Nachtleben und seinen unzähligen Honky-Tonk Bars. So stellt sich der Hörer auf Bluegrass, Country, Folk und generell American Roots Music ein. Aber - und das ist dann doch unerwartet und erfreulich - das Trio bietet auf "Voices" doch weit mehr Southern bzw. Hard und kernigen Blues Rock.
"Nothing But The Blues" ist bärbeißiger, bluesiger Hard Rock, der sich zwischen Paul Rogers BAD COMPANY und frühen BLACK STONE CHERRY plaziert. Der Sound ist roh und direkt, der Gesang von Chris Trapp ist leidenschaftlich und irgendwie angepisst, das Solo heavy und mitreißend. Das gemächliche "Come For Me" mahnt an frühe ZZ Top, bis auf den immer mit Emotion gefüllten Gesang. Coolness bietet das Power-Trio nur in der instrumtalen Auskleidung der Songs an. Das sanfte "Joy" ist entgegen dem Titel, musikalisch doch eher verregnet und melancholisch. Das Kollektiv bleibt bei allen Nummern gradlinig und kommt umweglos auf den Punkt. Das verleiht dem Album eine stämmige Kompaktheit, die es offen und unverbaut wirken lässt. "Got No Right" klingt nach CREAM, "Waiting For The Rain Again" ist Southern Rock mit einer Prise WISBONE ASH gewürzt, und "Sorry I Was Late" ist ein psychedelisches Kleinod, das mit seiner zarten Atmosphäre und tiefen Traurigkeit berührt und zu den Highlights des Albums gezählt werden muss. Die starke, auf ihre Essenz reduzierte Bluegrass-Nummer "Throw That Stone" wird dann der "Nashville Verheißung" gerecht, bleibt aber doch eigentlich der einzige Track, der das vollumfänglich leistet.
THE COLD STARES haben mit "Voices" ein ganz starkes Rock-Album anzubieten, das viel Blues, Heavyness und Urspünglichkeit in sich trägt, aber wesentlich von seiner ergreifenden Leidenschaft und Direktheit lebt.
Es ist ja einfach: Neue Deutsche Härte klingt öde, da passiert nix mehr, alle rühren ständig im gleichen Sud, eifern eh nur RAMMSTEIN nach, überhaupt ist NDH doof und die Fans sind noch schlimmer als Kegelklubs auf Wacken. Und dann ist da noch der latente Konservatismus-Vorwurf. Nun können weder MAERZFELD die wenigsten anderen Bands was für den Rechtsruck in der Gesellschaft oder die zu vielen erhobenen Zeigefinger. Fakt ist: „Alles anders“ ist richtig gut und professionell aufgenommen und eingespielt – fetter Sound und gute Songs für die reichlich vorhandene Zielgruppe.
Der Opener und Titeltrack beginnt rammsteinig mit den typischen Stakkato-Riffs und ebensolchen Vocals von Helfried (JAAAA!) Weißenweber. Ja, das ist der Heli, der mit einigen MAERZFELD-Mitgliedern im fetten Stahlzeit-Nightliner durch die Republik fährt und gekonnt eben jene große Blaupause covert – und vielleicht damit einer der besten Coverbands der Berliner stellt. Aber schon in der zweiten Hälfte des Songs und an dessen gefälligen Refrain ist eine Verpoppisierung des Sounds zu spüren. „Wach auf“ hingegen schielt wieder in Richtung Rammstein, wenngleich die Sätze des Kulmbacher Kneipenwirts nicht so verquer daherkommen wie die des Berliner Eulenspiegels. Insgesamt sind die zum Teil gesellschaftskritischen Texte weitestgehend unpeinlich. Ein paar sexistische Pseudo-Provokationen wie in „Bakkushan“ funzen nicht. Hier sei Kritikern Resilienz enmpfohlen.
2004 gestartet, schwankten die Musiker stets zwischen Stahlzeit und MAERZFELD, 2009 „gründeten“ die Franken ihre eigene Band quasi neu. Mit „Alles anders“ kommt das fünfte volle Album der Band, die ihren Namen als Metapher für das Leben deutet. Apropos: Name! Sie leiten ihn von den Merowingern ab, die dort ihr Heer versammelten und von einem Feld, dass alljährlich im März bestellt wird und sehen ihn laut Wikipedia als Protest gegen das Dritte Reich. Vielleicht wichtig zu bemerken auch in diesen Zeiten, nicht nur in der Weimarer Republik.
Zurück zur Musik: Das kommerzielle „Von 100 auf 0“ hätte wohl auch beim Songwettbewerb Chancen, ebenso wie das sehr cheesige „Plötzlich tut es weh“. Überhaupt kommen MAERZFELD in den sanfteren Parts rüber wie ein Bastard aus dem Grafen, Rammstein und vielen deutschen Jammer-Pop-Musikern, die gerade so in sind – und unhörbar. Die „Hübschler:in“, ein Song über ein Freudenmädchen, ist der vielleicht härteste und eine Neuaufnahme des 2012er-Stücks. Und zeigt am besten die Wandlung: Die sind gefälliger geworden, die Jungs. „… Eine Mischung auf Depression, Hoffnung, Mut, Verzweiflung, Freude und Mut…“ verspricht das Info – von allem etwas also. So verhält es sich auch mit der Musik. MAERZFELD haben eine deutlich breitere Spannweite bekommen – genau wie Helis Stimme, die viel mehr kann als nur Till nacheifern. Und das Ergebnis beim Hörer könnte somit das gleiche sein wie die Versprechungen des Infos. Fazit: Das Album ist super-professionell, abwechslungsreich, hat furchtbar kommerzielle, schlimme Momente, aber auch echt gute und taugt dank eingängiger Songs und klebriger Melodien als Unterhaltung nicht nur für die Zielgruppe richtig gut. Vielleicht darf es sogar ein bisschen mehr sein?
„Bad Magic“ war Ende August 2015 das 23. (oder 22.) Album der MOTÖRHEAD-Historie – das erste das in Deutschland auf Nummer 1 in die Charts stieg - und leider auch das letzte. Den Bandleader Lemmy Kilmister verstarb 4 Monate nach der Veröffentlichung. Qualitativ war „Bad Magic“ richtig stark und MOTÖRHEAD pur (dazu unten mehr). Mit der Wiederveröffentlichung (aus welchen Gründen auch immer) wurde das Album um zwei bisher unveröffentlichte Tracks erweitert: „Bullet In Your Brain“ und „Greedy Bastards“. Beides keine Überflieger, eher gewohnte Kost aus dem Hause Lemmy & Co. – aber als Erweiterung des Albums und Schmankerl für Fans eine gute Sache.
Als Bonus agiert ein 68-minütiger Livemitschnitt aus Japan – „Live at Mt Fuji Rock Festival 2015“ mit einer wie immer nur Subjektiv zu bewertenden Songauswahl (wie immer fehlen Songs). Auf der anderen Seite steht eines der letzten Tonzeugnisse von Lemmy – was man durchaus merkt. Die gewohnt ikonischen Ansagen sind seltener, auch „träger“ – man merkt, dass Lemmy alles gibt, aber nicht mehr alles geht. Mr. Kilmister hat den Rock’n’Roll bis zum Schluss gelebt – die asiatischen Fans waren hörbar begeistert. Man muss aber auch erwähnen, dass der gebotene Live-Sound auf besserem Bootleg-Niveau daherkommt. Anyway! Lemmy geht immer.
Nochmal zum eigentlichen Album „Bad Magic“ - meiner mehr als wohlwollenden Review Anno 2015 habe ich nichts hinzuzufügen außer, daß das Album noch immer im Player funktioniert – nachfolgend zum Nachlesen:
Nachdem „Aftershock“ schon ein richtig starkes Album war setzten Lemmy & Co. im 40. Jahr der MOTÖRHEAD-Historie noch einen drauf. Denn das neue Werk „Bad Magic“ geht noch weiter „back to the roots“ und gibt der alten Weisheit „no fillers, all killers“ neuen Schwung. MOTÖRHEAD 2015 kommen heuer derart fix auf den Punkt - alle Eigenkompositionen bewegen sich um die 3-Minuten-Marke – dass man gar nicht anders kann als den zweiten Gitarristen zu mimen und das Haupthaar zu schütteln.
Und mit „Victory Or Die“ und „Thunder & Lightning“ eröffnet die endgültige Rückkehr zu alter Stärke ja auch standesgemäß – schneller, basischer, hingerotzter Rock’n’Roll der voll in die Mitte zielt - „Victory Or Die“ und „Thunder & Lightning“ halt. „Fire Storm Hotel“ geht dann doch etwas mehr gegen Stampfer – eine Verschnaufpause klingt aber definitiv anders. Bei „Shoot Out All Of Your Lights“ darf der gute Mikkey mal wieder den vertrackten Könner geben – ein Track zum genauer hinhören. Und dann geht es erst richtig los. Wo andere Bands im Mittelteil des Albums die etwas schwächeren Kompositionen platzieren, da jagt bei MOTÖRHEAD ein Highlight das andere. Das mit einem Brian May (QUEEN) Girarrensolo versehene „The Devil“ groovt hier gen Hölle, der typische Lemmy’n’Roll Song „Electricity“ geht als toller punkiger Feger gerade mal was über 2 Minuten – wie auch „Evil Eye“. Der Song macht sowas von Spaß, hat ein paar Gimmicks zu bieten und kommt mit zwei unterschiedlichen Vocals daher; da kommt man gar nicht mehr runter von der Repeat-Taste im 2-Minuten-Takt. Nachfolgend gibt das fette und raue „Teach Them How To Bleed” den Einpeitscher für die neue Powerballade. Und „Till The End” darf man in dieser Form durchaus als einer der Höhepunkte der MOTÖRHEAD-Geschichte benennen – so reich ist man ja nicht mit Balladen versehen - Lemmy gibt hier gekonnt den melancholischen, whiskeygetränkten Blues. Den Abschluss bildet ein Trio von MOTÖRHEAD-Signatursongs – das bass-lastig dunkle „Tell Me Who To Kill”, der böse Groover „Choking On Your Screams” und der melodisch coole Rocker „When The Sky Comes Looking For You”.
Ob es ein ROLLING STONES-Cover von MOTÖRHEAD wirklich gebraucht hat lass ich mal dahingestellt sein, cool und eindeutig Lemmy kommt der Klassiker „Sympathy For The Devil“ aber allemal daher – und ist damit der 13. gute Song des Albums. Bei solch einem hohen energetischen Level können einen schon zwiespältige Gefühle befallen bezüglich der zu erwartenden Live-Performance des Lemmy Kilmister – aber da hoffen MOTÖRHEAD und wir mal das Beste. „Bad Magic“ aber macht die 40 Jahre der Rock’n‘Roll-Metal Institution aber auf jeden Fall mal richtig rund. Keine Frage - Pflichttermin.
Im Oktober 2019 rezensierte ich die Debüt-EP der Frankfurter Band EMPERORS LAIR. Und wie ich seinerzeit angekündigt hatte, blieb ich in Kontakt zu dem Trio. Heuer veröffentlicht das zum Quartett gewachsene Kollektiv ihr erstes vollwertiges Album. "Dare Mighty Things" ist der Titel, und visuell punktet das Werk mit einem starken und stylischen Artwork. Neu ist auch, dass diesmal Gesang geboten wird, den der neue Mann Sebastian zu seiner Funktion am Synthesizer beisteuert.
Musikalisch bleiben die Hessen bei ihrem psychedelischen, zähfließenden Stoner Rock. Das starke "House Of The Righteous" eröffnet den Longplayer wuchtig und sphärisch. Der Gesang von Sebastian ist klar, der Hall auf der Stimme lässt sie, zuweilen flüchtig und transparent, wie Nebel über der Nummer schweben. Fuzz-Gitarren und ein basslastiger Sound bilden dazu einen deutlichen und massiven Kontrast. EMPERORS LAIR nehmen sich viel Zeit, um ihre Nummern zu erzählen. Sieben Songs mit einer Laufzeit von fast einer Stunde sprechen hier eine deutliche Sprache. Der Band gelingt es, Spannung zu kreieren, diese auch zu halten und somit durchaus unterhaltsam und abwechslungsreich die Dauer der Songs zu gestalten ("Gravity"). Hier muss noch das flehende und stoische "Kronos" Erwähnung finden. Wobei sich auch Wiederholungen im Aufbau der Tracks nicht immer vermeiden lassen und gewisse Längen und Gleichförmigkeiten ("The Mind's Eye") nicht ganz ausbleiben. Das gechillte, rein instrumentale und atmosphärische "Deimos" und das leicht orientalische, beschwörende und kompakte "The Elephant" punkten gegen Ende nochmal.
EMPERORS LAIR haben einen beachtlichen Schritt gemacht. Artwork, Sound, Songs - alles ist qualitativ gewachsen. Schade, dass die Band kein Vinyl im Angebot hat. Das Artwork schreit geradezu nach einem größeren Format. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Da ist uns etwas Interessantes in die Redaktion geweht worden. NOSFERATU heißt die Band, kommt aus Brasilien, und der Tonträger hat den Titel "Law Of The Streets". Eben dieser wird als EP angepriesen, es ist aber doch eher eine Single. Das besondere dabei - der Tonträger ist ausschließlich als 7 Inch große, schwarze Vinyl-Single zu erwerben, wertig mit Innersleeve und beidseitig bedrucktem Insert und zusätzlich auf 500 Stück limitiert.
"Law Of the Streets" wird erstmalig von dem Label Anger Of Metal veröffentlicht, die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009. Selbst für 2009 wirkt das Artwork eher altbacken und dem Heavy Metal Klischee der 80er Jahre entsprechend. Aber der dazu passende Inhalt - eine wilde, rohe Mischung aus NWoBHM und frühen US-Metal - machen daraus ein charmantes Relikt aus einer anderen Zeit. Der Gesang ist limitiert, aber authentisch, die Gitarrenarbeit leidenschaftlich und mitreißend. Frühe IRON MAIDEN scheinen hier einen großen Einfluss auf die Südamerikaner ausgeübt zu haben. Die Verarbeitung und der Sound sind ausgezeichnet.
Für Traditionalisten und Vinyl-Sammler eine ausgefallene und wie ich finde reizvolle Veröffentlichung.