MOOR ist mehr Vermächtnis wie Band. Die Zukunft wird weisen, ob das Kollektiv bestehen wird. Vor der Veröffentlichung des Debüts sind zwei Mitglieder an Krebs erkrankt, und Bassist und Gründungsmitglied Christian Smukal ist tragischerweise daran verstorben. "Heavy Heart" ist geprägt von diesem Schicksal und geformt von diesen Ereignissen. Seine Schroffheit und Lichtundurchlässigkeit verlangen dem Hörer einiges ab.
Der Titelsong eröffnet mit verzweifelter Wut. Der Gesang von Ercüment Kasalar ist kaum so zu bezeichnen, es ist ein zorniges, durchdringliches Brüllen. Die Band rifft dazu monoton im Zeitlupentempo, und man hat das Gefühl, MOOR steckt fest, kommt nicht vom Fleck, eingemauert in Kummer und Schmerz. "Pale Grey Snow" zeigt sich dann beweglicher und groovend; auch hier sind stimmliche Parallelen zum Hardcore nicht von der Hand zu weisen, wobei immerhin eine weitere Facette an Gesang geboten wird. In der Mitte atmet der Song, bleibt aber in seiner Stimmung. "Void" als reines, minimalistisches, instrumentales Zwischenspiel gefällt. Das episch erzählte "Breath Like Nails" überzeugt und macht einges interessanter und agiler wie zuvor. Der geradezu erschütternde Longplayer beeindruckt in seiner Konsequenz und Intensität, und wirkt dadurch nahezu avantgardistisch. Die norddeutsche Band verarbeitet ihren Verlust und schafft Atmosphäre, es fehlen jedoch zu oft Abwechslung, Melodien und Soli.
"Heavy Heart" ist Extreme Metal, der keinen Funken Freude oder Hoffnung in sich trägt. Genre Anhänger die sich hier angesprochen fühlen, sollten MOORs "Heavy Heart" schlagen lassen.
Das norwegische Schwarzkittel-Kommando MORK hat bislang bereits einige Beachtung gefunden, seit es aus den eisigen Fjorden seines Heimatlandes herausgekrochen ist und im Laufe des letzten Jahrzehnts hat dieses Ein-Mann-Projekt von Thomas Eriksen immer wieder gute Alben mit abgeliefert.
Das sechste Album “Dypet” besticht optisch mit einem geschmackvollen Cover, das in verschiedenen Grautönen eine bedrohliche Gestalt in den Wolken erscheinen lässt und dem Betrachter gleich zu einem angenehmen Frösteln verhilft. Denn darum geht es bei Black Metal: Atmosphäre und nochmal Atmosphäre.
Und an dieser Atmosphäre mangelt es auch dem Opener “Indre Demoner” nicht. MORK sind nicht darauf aus, Geschwindigkeitsrekorde zu brechen oder zu beweisen, dass sie die Bösesten auf der Welt sind. Vielmehr begeistert der Song durch eine Vielschichtigkeit, die man im Black Metal eher selten findet. Alle Instrumente sind klar zu hören. Die Gitarren verströmen Wave-/Gothic-Flair, der Bass setzt sehr coole melodische Akzente und das Schlagzeug groovt richtiggehend. Ist das denn im Schwarzmetall überhaupt erlaubt?
Spätestens mit dem dritten Song “Svik” wird dieses Rezept endgültig perfekt abgeschmeckt. Mit seinen großartigen Gitarrenarrangements und der dezenten Beigabe von unaufdringlichem Klargesang kann man die Nummer durchaus als kleinen Hit bezeichnen.
Etwas ruppiger wird es dann mit “Et kall fra dypet”, wo auch zum ersten Mal ernsthaft mit Blastbeats gearbeitet wird. Düster baut sich dieser Siebeneinhalbminüter auf und führt durch viele verschiedene Parts ohne ziellos zu sein. Auch hier sind interessante Drumgrooves zu hören, die Gitarren bedienen sich auch mal eines zünftigen Stakkatos. Das folgende “Hoye Murer” überrascht mit fast folkiger Melodieführung inklusive Gast-Vocals des ehemaligen KVELERTAK-Sängers Erlend Hjelvik. Ganz stark. “Avskum” klingt dagegen wie eine kleine Hommage an neue SATYRICON mit deren typischen - ja, fast schon tanzbaren - Rhythmen. Und eines drauf gesetzt wird dann noch mit dem abschließenden “Tilbake til opprinnelsen”. Hier wird ordentlich geblastet, aber natürlich mit einem gewissen Kniff, der im Einsatz von Synthies besteht, die dem Ganzen einen völlig morbiden Klang geben. Großartige Idee, großartig umgesetzt.
MORK liefern mit “Dypet” ein maximal abwechslungsreiches Album im engen Korsett des Black Metals ab. Für den Puristen könnte das schon zu viel sein, obwohl die misanthropische Grundstimmung, die in diesem Genre so wichtig ist, durchgängig gehalten wird. Für jeden aufgeschlossenen Fan extremerer Mucke ist dieses Album jedoch ein Muss und es wird spannend, ob es in diesem Jahr noch besser kommt. MORK mischen jedenfalls ganz vorne mit.
Die einzige wirkliche Konstante bei den Australiern KORITNI ist Namensgeber und Sänger Lex Koritni. Beim neuen Album hat er auch gleich noch den Bass und partiell die Gitarre sowie die Produktion und das Songwriting (das lag ja schon immer in seinen Händen) dazu übernommen. Abgemischt wurde der Longplayer von Kevin Shirley (IRON MAIDEN, LED ZEPPELIN) und gemastert von Ryan Smith (AC/DC, GREAT VAN FLEET), deren beide Namen für Qualität und Erfolg bürgen. Und dieser Erfolg ist auch schon lange überfällig, somit passt der Name des achten Studiowerks "Long Overdue" wie Eukalyptus zum Koalabär.
Lex Koritnis Stimme ist das Alleinstellungsmerkmal der Band. Sie erinnert vage an den seligen Kevin DuBrow, hat aber etwas mehr Schärfe und ist variabler. "No String Attached" ist ein zu Beginn bluesiger Hard Rock-Stampfer, der neben seinen klassischen Rock Roots eine gehörige Portion AC/DC in seiner DNA trägt. Die entfachte Energie ist ansteckend und der Gesang packend und beißend. "Tonight" fängt mit einem leicht an ALICE COOPERs "Poison" mahnenden Riff an, ist aber zu 100% KORITNI; hier kommt zu seiner Stärke als Sänger auch sein songwriterisches Talent zum Tragen. Ein Song voller Melodie, gleichwohl kräftig rockend und feurig präsentiert. "Bone for You" ist ein räudiger Straßenköter von Rocksong, der knurrt und Zähne zeigt. "Last Time" ist eine Schmacht-Hymne, die uns alle nochmal 16 sein lässt, und "Take it Off" schließt das Album dann bluesig und mit einem kräftigen Punch.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Nach dem wunderbaren "Crossroads" ist KORITNI mit "Long Overdue" erneut ein Genre-Juwel gelungen. Also, Freunde des Rock'n'Rolls und des klassischen Hard Rocks: Wer starke Melodien, einen rauen, eskalierenden, leidenschaftlichen Gesang, scharfe Riffs und einen mächtigen Groove liebt, der kommt an diesem Release nicht vorbei.
THE WHITE STRIPES ist schon irgendwie eine ausgefallene Band, oder sagen wir besser war. Das Ehepaar (Gitarre & Schlagzeug, Gesang beide), dass sich zwischenzeitlich als Geschwisterpaar "tarnte", ist eher organisch und frei von ökonomischen oder kommerziellen Reflexen unterwegs. Der Gitarrist Jack White produziert und komponiert die Stücke des Duos überwiegend selbst. Desweiteren wird auf ein Low Budget-Format bei der Produktion geachtet. Oft wird ohne einen zusätzlichen Bass aufgenommen, und es wird Wert auf analoge Technik (am besten Vintage aus den 60er oder 70er Jahren und ohne Computer), geringe Studio-Kosten und wenig Aufwand gelegt. Authensität, zwei autarke Künstlerseelen, die nicht nach der Pfeife der Musikindustrie tanzen und ihre Kunst pur, quasi nur mit Salz und Pfeffer garnieren, scheint das Rezept zu sein. Musikalisch bieten die zwei überwiegend leicht antiquierten, ursprünglichen, mit Blues versetzten, roh klingenden Garagenrock oder verträumt wirkenden, minimalistischen Folk an. Aber diese Melange traf bei ihrer Veröffentlichung, um die 2000er Jahre, den Zeitgeist wie Wilhelm Tell einst den Apfel.
2003 erreichten THE WHITE STRIPES mit dem Album "Elephant" ihren absoluten Höhepunkt (Platin in Deutschland, UK und USA, Platz 1 in UK, Platz 6 in USA und eine Grammy-Auszeichnung). Der Album-Opener "Seven Nation Army" wurde quasi in kürzester Zeit so etwas wie die Indirock-Nationalhymne und zur Erkennungsmelodie einer ganzen Generation. Dieses Album bekommt heuer zum 20jährigen Jubiläum ein Re-Release spendiert. Zum einen in digitaler Form, als Deluxe Edition mit einem 27 Songs umfassenden Mitschnitt eines Konzerts vom 2. Juli 2003 im Chicagoer Aragon Ballroom, zum anderen als Doppel-Vinyl in den Farben „Red Smoke“ und „Clear with Red and Black Smoke“.
Uns liegt dieser Longplayer als schicke Vinyl-Version vor. Das veränderte Artwork schimmert in Seidenmatt, und die zwei bunten Scheibchen stecken in einer Gatefold Plattenhülle. Auf der Rückseite sind der Bandname und die Seiten-Auflistung im Reliefdruck hergestellt, was zusätzlich das Album dekoriert. Die Innersleeves sind bedruckt und mit Bildern und Texten versehen. Die rot-weiß-schwarze Aufmachung zieht sich komplett durch die Gestaltung. Die beiden Vinyls wiegen jeweils 180g und sind hervorragend verarbeitet. Die zwei Farben mit dem grauen "Rauch" sind sehr ansprechend und passen zu dem Release. Die Laufzeiten pro Seite variieren, sind aber generell zu kurz. Bei Seite A zum Beispiel muss der Hörer sich schon nach drei Songs und 10 Minuten aufmachen und die Seite wechseln. Leider gibt es immer mehr solcher Pseudo-Doppelalben, die es dem Viny-Freund schwer machen, die Musik zu genießen. Hier entschädigen zwar die zwei starken Platten-Farben, trotzdem bleibt es für mich eine Unart der Musikindustrie. Indes, der Klang ist warm, transparent und kräftig.
Ohne Frage ist dieses Werk ein wichtiges und in seiner Konsequenz beeindruckendes Rockalbum, auch wenn es eigentlich keine Erneuerung oder Inspirationsquelle der Musik darstellt, sondern eher eine Rückschau auf die Anfänge und Ursprünge ist. Für die Plattensammlung ist diese Veröffentlichung rein optisch eine Zierde und Bereicherung, als Doppelalbum mit nicht einmal 40 Minuten Laufzeit allerdings auch zuweilen eine Last.
MECCA ist etwas besonderes. Wenn eine Review mit so einem Satz beginnt, ahnt der werte Leser schon, was Phase ist. Richtig, ich stehe auf Joe Vanas Band, aber das kann ich begründen. Der AOR, den der korpulente Künstler hier seit Jahrzehnten präsentiert, hebt sich von den oft schwer unterscheidbaren Genre-Bands ab. Das liegt einmal an seiner besonderen, profilgebenden Stimme, an den oft ganz eigenen Gesangslinien und deren Tiefgang. Das liegt aber auch an der einfühlsamen Art der Interpretation und nicht zuletzt an der hohen Güte des Songwritings. Selbst das "The Demos" Album sticht mit seiner Qualität ein Gros der Konkurrenz aus, und das sagt doch schon einiges.
"Everlasting" ist, wenn wir das eben erwähnte "The Demos" mitzählen, das fünfte Album, und Frontiers "Hans-Dampf-in-allen-Gassen", Alessandro Del Vecchio, konnte nicht verhindern, dass das Album unverkennbar nach MECCA klingt. Wobei die Produktion gelungen ist und ich die Arbeit von Del Vecchio schätze.
Das mit einem Piano eingeleitete "And Now The Magic Is Gone" breitet seine typischen melancholischen Flügel aus und umschließt den Hörer mit rockiger Wehmut. "I Won't Walk Away" bietet zur Melancholie eine gehörige Portion Zuversicht und sommerliche Leichtigkeit. "These Times (Are For Heroes)" ist überraschend forsch und kraftvoll und für MECCA-Verhältnisse bündig erzählt. "Everlasting" stellt sich etwas breiter auf und wirkt zuweilen dynamischer als erwartet, aber von Anpassung an den typischen Frontiers-Sound kann (noch) keine Rede sein. Es wäre auch ein großer Fehler, wenn das der Plan des Labels wäre.
"Everlasting" ist nicht ganz so eigen wie "Undeniable" und "III", aber immer noch unverkennbar MECCA und immer noch eindrucksvoll und gut.
BMG würdigt mit der Vinyl-Box DOKKEN "The Elektra Albums 1983-1987" eine der hervorstechendsten Hard Rock Bands Amerikas und deren stärkste Zeit. In der Box enthalten sind vier Alben, nämlich "Breaking the Chains", "Tooth and Nail", "Under Lock and Key" sowie "Back for the Attack", welches einzig als Doppelalbum dabei ist. Die stabile Box ist auf einer Seite offen, was praktisch ist, so muss man nicht umständlich einen Deckel öffnen, um ein Album zu entnehmen, und kann die Box simpel im Plattenregal zwischen anderen Alben integrieren. Die Werke sind auf 180 Gramm schwarzen Vinyl gepresst, die Pressqualität ist hervorragend. Partiell sind bedruckte Textsheets dabei, das Doppelalbum ist leider kein Gatefold. Die Longplayer wurden allesamt neu gemastert und punkten mit einem leicht verbesserten, etwas prägnanteren Gitarrensound. Wobei da zugegebenermaßen immer noch etwas Luft nach oben ist.
Das Debüt "Breaking the Chains" wurde 1981erstmalig von Carrere Records veröffentlicht. Alsbald interessierte sich das Majorlabel Elektra für das Werk und veröffentlichte es neu mit veränderter Tracklist und Artwork. Namensgeber Don Dokken tritt hier stimmlich noch weit weniger prägend und stilgebend in Erscheinung. George Lynch indes zeigt schon, was für ein überragender Gitarrist er ist. Der Kontrast zwischen feiner, melodiöser Stimme und kantigem, filigranen Spiel ist noch weniger ausgeformt. Das Songwriting überzeugt über weite Strecken aber schon und der mitreißende Titelsong setzt ein Ausrufezeichen in der jungen, aufkeimenden Hair Metal-Szene von L.A.
Mit dem Nachfolge-Album zeigt DOKKEN, was tatsächlich in ihnen steckt. "Tooth and Nail" überzeugt mit seiner Hitdichte und markierte auch den Durchbruch in den USA; dort erreichte es Platin. Die songwriterische Güte hat sich verfeinert und der Kontrast zwischen der muskulösen, grimmig aufspielenden Gitarre und den geschmeidigen Melodien wird perfektioniert. "Just Got Lucky", die Ballade "Don't Close Your Eyes" und das packende "Into The Fire" gehören hier zu den Highlights.
Das dritte Album "Under Lock and Key" bestätigte und verfestigte den DOKKEN-Sound. Entgegen der sich immer weiter dem Meanstream zuwendenden Szene in L.A. blieben DOKKEN ihrer härteren Ausrichtung überwiegend treu. Einziges großes Zugeständnis war das gestylte und dem Zeitgeist entsprechende Artwork. Das mit einem düster eingeleiteten Intro verzierte "Unchain the Night", das treibende, mit einem etwas zu süßen Chor dekorierte "In My Dreams" und das athletisch-wuchtige "It's not Love" stechen ein wenig heraus. Wobei das Album keine Ausfälle zu verzeichnen hat und vor Inspiration und Griffigkeit strotzt. Ohne Zweifel gehört dieses Werk zu den ganz großen Alben des amerikanischen Hard Rocks.
"Back for Attack", hier erstmalig als Doppel-Vinyl erhältlich, war das letzte Album vor dem Split der Band. Der sich immer weiter ausformende Konflikt zwischen Don Dokken und George Lynch führte 1989 zur Trennung der Band. DOKKEN zeigt sich auf diesem Longplayer etwas scharfkantiger als beim Vorgänger. Man hat das Gefühl, dass George Lynch hier seine Präsenz noch deutlicher herausarbeitet. Ein Indiz dafür ist sicher das reine instrumentale und metalartige "Mr. Scary". Songwriterisch ist "Back for Attack" ähnlich gehaltvoll wie "Under Lock and Key". Mit "Tooth and Nail" bildet diese Troika die besten Werke von DOKKEN ab. Somit bekommt man mit der Box nahezu alles, was man von dieser Band braucht. Einzig das Live-Album "Beast from the East", das danach erschien (1988), wäre noch ein "must have". Dieses Live-Werk als Doppel-Album würde ein Re-Release sicher noch verdienen.
DESTINATION ANYWHERE ist eine Ska-Pop-Punk-Band aus Siegen und Umgebung, welche sich nach ihrem letzten Album „Bomber“ (2018) und einer Abschiedstour in 2019 an sich aufgelöst hatten. Im Herbst 2022 gab es dann mit der gelungenen Single „Erkennst du mich denn wieder?“ ein Lebenszeichen, dem nun ein komplettes Album („Mehr davon“) folgt. Die vier Jungs und ihre Bläsertruppe offenbaren dabei ein geschicktes Händchen für eingängige Melodien. Die meist flotten Ska-Punk-Stücke überzeugen aber auch durch textliche Vielfalt, einer gewissen Pop-Hit-Attitüde und kommen fix auf den Punkt. Dabei erinnert mich persönlich DESTINATION ANYWHERE gelegentlich an die ÄRZTE – was ja nicht die schlechteste Referenz ist. Wer mal schnuppern möchte darf mal gerne in „Bassdrum“, „Loser-Hymne (Halb so gut wie du)“ oder „Sonne“ reinhören. Macht Laune – „Mehr davon“.
ENFORCED, die Thrash-Brigade aus Richmond, Virginia, lädt zum dritten Tanz in Vollzeit. “War Remains” heißt das neue Werk, das erneut in der gleichen Besetzung wie seine beiden Vorgänger eingespielt wurde. Vielleicht ist diese Beständigkeit das Geheimnis, warum bei diesem Album alles ein Stückchen besser geworden ist. Natürlich waren ENFORCED schon immer eine richtig gute Band und sowas wie die tollwütige Variante von POWER TRIP, aber nach zwei extrem starken Demos konnten die beiden Longplayer bislang noch nicht auf ganzer Linie überzeugen. Damit ist nun jedoch Schluss. “War Remains” packt ab der ersten Sekunde zu. Wütend, schnörkellos und ohne Gnade. Der Opener “Aggressive Menace” geht nicht nur lyrisch ohne Umwege in die Vollen. Und direkt sind sie wieder da: die Anleihen an POWER TRIP, aber auch an frühe SLAYER mit einem Hauch von 80er Crossover à la NUCLEAR ASSAULT. Der Sound ist dafür perfekt - trotz des ununterbrochenen Krawalls immer transparent und druckvoll. Insbesondere die relativ zurückhaltend verzerrten Gitarren tragen dazu bei, dass der Hörer bei diesem Geballer nicht den Überblick verliert. Shouter Knox Colby gehört definitiv zu den besseren seiner Zunft und bringt mit seinem derben Organ zusätzlich eine kleine Death Metal-Kante ein.
Die schon genannten Crossover-Einflüsse machen sich auch in Sachen Songwriting positiv bemerkbar. Man hält sich nicht großartig mit überflüssigem Schnickschnack wie ausufernden Gitarrensoli auf, dafür aber die Songs erfreulich kurz und streut immer wieder fieseste Midtempo-Parts ein, bei der das Ridebecken einiges aushalten muss. Und vor allem: die Songs sind insgesamt viel kürzer als noch auf “Kill Grid”. Ganze zweimal wird die Vier-Minuten-Grenze überschritten und das tut dem Album extrem gut. Wahrscheinlich ist das die entscheidende Zutat, die “War Remains” so fantastisch schmecken lässt. In weniger als 34 Minuten ist dieser Audio-Anschlag vorbei. Dabei ist die Qualität der Songs gleichbleibend hoch. Neben dem bereits erwähnten Opener sind “Avarice” und der Titelsong als Anspieltipp zu empfehlen.
Mit “War Remains” haben ENFORCED endlich ihr volles Potential abgerufen und ein Album veröffentlicht, das in vielen Top 10 des Jahres 2023 zu finden sein wird, nicht nur wenn es um Thrash Metal geht. Sehr stark und einen Tipp wert!