VANDENBERG sind eine niederländische Hard Rock Band deren Geschichte bis tief in die 80er reicht und deren ersten Alben in ihrem Heimatland respektable Chartplatzierungen einfuhren. Bandchef und Gitarrist Adrian VANDENBERG heuerte in den späten 80ern dann bei Davis Coverdale und WHITESNAKE, was seine musikalische Ausrichtung nachhaltig prägte. Nach dem VANDENBERG-Comeback-Album „2020“ liefert der Gitarrist nun zusammen mit Neu-Sänger Mats Levén (u.a. MAMLSTEEN, THERION, CANDLEMASS), Schlagzeuger Koen Herfst und Bassist Randy van der Elsen sein neues Werk „Sin“ ab.
Entsprechend seinem Background und seinen Vorlieben hört sich das Material überwiegend nach einer Mixtur aus WHITESNAKE und LED ZEPPELIN an – was für eine Hard Rock Platte als Lob verstanden werden darf. Denn „Sin“ läßt sich locker, gut durchhören, hat seine Momente und dürfte jeden gefallen, der Coverdale & Co. immer noch auf den Plattenteller legt. Tolles, natürlich Old-School-lastiges Gitarrenspiel trifft ebenso passenden Sänger. Der beiden flotten Opener „Thunder And Lightning“ (hat was von einem Ohrwurm) und „House On Fire“ (groovt, läßt einen an VAN HALEN denken und braucht zwei, drei Durchläufe) eröffnen den Reigen. Insbesondere der Titeltrack „Sin“ läßt die guten alten LED ZEP am Regenbogen vorbeifliegen. Dieser Song hätte auch zum Vorgänger am Mikro gute gepasst (RAINBOWs Ronnie Romero). Bei „Walking On Water“ spielt man auch mal die Blueskarte, bevor es mit „Hit The Ground Running“ einen weiteren kraftvollen Rocker gibt, welcher sogar Hit-Potential hätte. Gegen Ende gibt es mit „Baby You’ve Changed“ die unvermeidliche Ballade, welche natürlich einen starken WHITESNAKE-Touch hat. Und so wiederhole ich gerne nochmals mein am Anfang gemachtes Statement: „Sin“ läßt sich locker, gut durchhören, hat seine Momente und dürfte jeden gefallen, der Coverdale & Co. immer noch auf den Plattenteller legt.
Die Band NEUROTOX legt mit „Echt“ ihren sechsten Longplayer im zehnten Jahr Bandgeschichte vor. Die Band aus Rheinberg/Wesel hat sich zum Jubiläum schöne „Geschenke“ für die Fans ausgedacht: den Release gibt es als Digi mit Studio-Album auf der ersten und einem Livemitschnitt auf der zweiten CD und als Box-Set mit tollen Goodies wie Beanie, signierten Plektren und Drum-Stick-Schlüsselanhänger, Stickern und Autogrammkarte. Ich persönlich bevorzuge es, einen richtigen Tonträger in der Hand zu halten, im Booklet Songtexte nachlesen zu können und solche reichhaltig ausgestatteten Box-Sets sind auch irgendwie ein Dankeschön an alle, die Musik tatsächlich noch kaufen und nicht nur streamen, woran Bands ja bekanntlich so gut wie nichts mehr verdienen.
Das Album geht mit dem Titelsong gleich in die Vollen und es gibt Punkrock in unterschiedlichen Variationen zu hören. Da könnte man z. B. DIE TOTEN HOSEN oder DIE ÄRZTE erwarten, oder auch mal fetteren CALIFORNIA SKATE PUNK, wird dann aber doch auf eine etwas andere Schiene geleitet, denn Bennys Gesang ist jetzt nicht unbedingt der feinste und die Texte nicht die poetischsten. Das Ganze ist definitiv Richtung Party mit alkoholischen Hopfen-Getränken ausgelegt, bei der Anreise zum Festival oder hinterher auf dem Campingplatz. Musikalisch gefällt es mir gut, aber mir persönlich sind die Texte etwas zu simpel und zu „alles schon mal da gewesen“ (wobei: ist hier für irgendeine Band noch etwas zu holen? Fragen wir Gutalax....). Insgesamt ganz gut, aber der Song, der tatsächlich für einen halben Punkt-Abzug sorgt, ist „Weniger Schlafen“; „Weniger scha la la la la la lafen und mehr sau sau saufi saufi saufen...“ Meinen die das Ernst? Der Gegenpol hierzu kommt kurz darauf mittels echt schönen Piano Versionen von „Heute Nacht“ und „Nur einen Herzschlag“,
Ich empfehle das Album allen, die auf DEUTSCHROCK stehen und/oder bei Songs die Lyrics nicht so wichtig sind. Es gibt von mir 3,5 von 5 möglichen Schweissbändern. Vom Spaßfaktor der vierköpfigen Gruppe kann man sich auf der kommenden Tour ab September machen.
Da hat SERAINA TELLI aber mal richtig Gas gegeben. Noch kein Jahr ist seit ihrem Solo-Debut “Simple Talk” vergangen und schon steht der Nachfolger “Addicted To Color” in den Regalen. Die Sängerin von DEAD VENUS und ehemals von BURNING WITCHES ist scheinbar als Kind in das Fass mit dem Zaubertrank gefallen und ihre ureigene Energie überträgt sich auch auf ihre Musik. Lebendig, rotzig, packend kommt ihr Hard Rock auf dem neuen Album rüber und dies kompakter und zielgerichteter als auf dem Erstling. Im Mittelpunkt steht natürlich Serainas tolle, kraftvolle Stimme, die keine internationalen Vergleiche scheuen muss. Das trifft ganz überwiegend auch auf die Kompositionen zu. Mit dem Eröffnungs-Trio, das ein einziger Rock’n’Roll-Arschtritt ist, hat die Scheibe eigentlich schon gewonnen. Die Befürchtung, dass 13 Songs (plus zwei etwas seltsame Spoken-Word-Einlagen) für ein Album mit straighter Rockmusik zu viel sind, bestätigt die Scheibe mit dem farbenfrohen Cover nicht. Langweilig wird es zu keiner Zeit. Die Balladen “The Harder Way” und “All Your Tears” meistern SERAINA TELLI und ihre Mitmusiker mit Bravour. Auch das Cover von “Spaceman” (im Original von 4 NON BLONDES) fügt sich sehr gut in das Album ein und ist sicher nicht einfach zu singen. Die Schweizerin gibt sich dabei aber natürlich keine Blöße.
Damit diese Kritik aber nicht ganz ohne Kritik auskommt, müssen die Arrangements der Songs angesprochen werden, die noch etwas Luft nach oben lassen. Hier und da hätte der Einsatz einer zusätzlichen Akustikgitarre oder gar Bläsern den Liedern gut getan. We need more cowbell! Insbesondere aber ist das Fehlen einer echten Leadgitarre leider ein kleiner Downer. Was für ein Feuerwerk hätten wir hier, wenn zu dieser Mordsstimme noch geile Licks und Soli kämen.
Die Kritikpunkte sollen den Genuss dieses Werks allerdings nicht großartig schmälern. Bei “Addicted To Color” handelt es sich um ein sehr gutes Hard Rock-Album, das perfekt in den (Spät-)Sommer passt und gute Laune pur verströmt. Und wer kann sowas nicht gebrauchen? Eben!
THE UNITY haben den Zeitpunkt zur Veröffentlichung ihres vierten Studiowerkes gut gelegt. Eine Woche nach Erscheinen von "The Hellish Joyride" (25.08.2023) geht das Kollektiv mit PRIMAL FEAR auf Europa-Tour. Im Gepäck 12 neue Songs, die vor Energie und Kraft nur so strotzen.
Die pathetische, leicht überladene Einleitung "One World" eignet sich als Einstimmung zum Entern der Bühne perfekt. Und auch das darauffolgende "Masterpiece" könnte sicherlich schnell für Betriebstemperatur im Auditorium sorgen. Diese Nummer ist, um es mal altmodisch auszudrücken, Speed Metal in Reinkultur. Im Doppelbass-Gewitter stehend, von Gitarren-Blitzen erhellt, erinnert der Song an alte HELLOWEEN, was ja nicht ganz abwegig ist, wenn man bedenkt, dass ein Drittel der Band bei GAMMA RAY ihren Ursprung hatte. Der Titelsong zelebriert dann Power Metal, groovend marschierend, dazu begleitet mit einer mystisch anmutenden Keyboard-Melodie. THE UNITY zeigen sich auf "The Hellish Joyride" etwas härter als gewohnt, die liebgewonnenen, geschmeidigen Melodic Rock Momente ("Something Good") sind heuer rar gesät. Die Songs indes erscheinen eine Spur verzierter und detaillierter in ihrer Aufmachung; "Saints and Sinners" ist eine Melange aus PRETTY MAIDS, und erneut würde ich hier einen beleuchteten Kürbis ins Fenster stellen. Erfrischend und bereichernd ist das zwischen DEEP PURPLES "Burn" und RAINBOWS "Kill The King" angesiedelte, athletische "Never Surrender" - hier brilliert handwerklich das gesamte Kollektiv, im Besonderen aber Sänger Gianbattista Manenti.
Die höllische Spritztour des deutsch-italienischen Sextetts ist eine unterhaltsame und rasante Fahrt, eine Spur hitziger als gewohnt. Ohne Frage werden von hier einige Nummern ins Live-Set finden und ihre Uraufführung im Spätsommer 2023 haben. Applaus verdient die Band für ihre beständig hohe Qualität, die sie von Album zu Album abliefert. Auf diese Zuverlässigkeit ist, wie es scheint, immer Verlass. Hut ab!
Was macht man als Euro Power Metal Fan, der späten 90er und frühen 00er Jahre, wenn die Heroen nachlassen oder es schlicht wenig neue Veröffentlichungen in diesem Genre gibt? Man nimmt die Dinge selbst in die Hand. Und genau das war der Startschuss von BURNING SUN (natürlich benannt nach dem HELLOWEEN Song). Zoltán Papi ist einer der größten Fans, die ich kenne und so weiß er natürlich genau wie seine Scheibe zu klingen hat. Mit Hilfe des MERCILESS LAW Sängers Pancho Ireland hat Papi 8 veritable, meist sehr flotte Power Metal Hymen zusammengezimmert, die sich gut zwischen Deris-HELLOWEEN, CRYONIC TEMPLE, HELICON, STEEL ATTACK oder NOSTRADAMEUS machen. Natürlich darf auch ein gewisser Nerdfaktor nicht fehlen und so drehen sich die Texte um Zoltáns Word of Warcraft Character Emaly. Munter davon galoppierende Nummern wie „Hundred Lions“ oder „Darkfang Keep“ passen perfekt zu Konzept und wecken tatsächlich die Lust mal wieder zu zocken. „Wake Of Ashes“ hat nicht den Anspruch die Metalwelt aus den Angeln zu heben, funktioniert aber klasse als persönlichen Tribut an ein etwas in Vergessenheit geratenes Genre. Bei „Under The Burning Sun“ darf dann die tschechische Sängerin Alena Krákorová ans Mikro und macht ihre Sache ziemlich gut. Vom Sound ihrer Stimme erinnert das an Kimberly Goss und könnte auch von den großartigen SINERGY sein. Das bei einem Song Cederick Forsberg die Finger an den Saiten hatte, überrascht da dann nicht mehr wirklich. Coole Scheibe, die Spaß macht.
Seit etwas mehr als 10 Jahren gibt es THE DEAD DAISIES, somit ein durchaus nachvollziehbarer Grund, das wechselhafte Kollektiv mit einer "Best Of"-Scheibe zu würdigen. Noch dazu, da Langzeit-Sänger John Corabi (von 2015 - 2019) zurückgekehrt ist. Glenn Hughes als beständiges Mitglied zu installieren, war sicher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ist der umtriebige Künstler doch wieder mit BLACK COUNTRY COMMUNION beschäftigt, und darüber hinaus war auch die Dominanz einer Legende wie Glenn, unterstelle ich mal, nicht auf längere Sicht durchzuhalten.
Also gesanglich ist man wieder zurück auf Anfang, und ansonsten komplettieren das einzige dauerhafte Duo aus Bandchef David Lowy und Doug Aldrich, Brian Tichy am Schlagzeug und Michael Devin am Bass die "neuen" THE DEAD DAISIES. In dieser Besetzung ist man im Studio, um neue Songs zu erarbeiten.
Diese "Best Of" ist quasi ein Résumé und Appetithappen zugleich. 20 Songs auf zwei Scheiben und dazu als Leckerli zwei unveröffentlichte Nummern aus der Glenn Hughes-Ära. Was will Fanherz mehr? Die Musiker wählten aus den sechs erschienenen Studioalben einige Lieblingssongs plus Stücke, die sich regelmäßig auf der Tour-Setlist befinden, aus. Die Aufmachung des "Best Of"-Albums lässt kaum Wünsche offen. Das Booklett skizziert die Geschichte der bunten Truppe nach; dazu wird jedes der Alben mit Besetzung, Songs und weiteren Details vorgestellt.
Besser kann man eine solche Veröffentlichung kaum machen. Die Zusammenstellung zeichnet gut die Entwicklung von der Party-Band hin zum Classic Rock-Juwel nach und macht Freude auf das, was da noch so kommen wird. Ich bin gespannt!
SPIRIT ADRIFT begann 2015 als Soloprojekt von Multiinstrumentalist Nate Garrett, und auch heuer steht der bärtige Bandgründer klar im Zentrum des Kollektivs. Aber mehr Band als bei "Ghost At The Gallows" gab es wohl nie, ist das Kollektiv immerhin Tour erprobt und, bis auf der Position am Bass, so seit mehreren Jahren zusammen. SPIRIT ADRIFT haben sich auch mit dem neuen Longplayer von ihren Doom Roots gelöst. Zumindest musikalisch, während textlich und atmosphärisch, nach wie vor eine feine, finstere, eher lichtscheue Aura die Songs umhüllt.
"Give Her To The River" ist purer Metal mit leicht epischem Unterton. Die Stimme von Nate Garrett erscheint zu Beginn etwas blass und eintönig. Sie gewinnt aber von Durchlauf zu Durchlauf an Eindringlichkeit. Die großartige Gitarrenarbeit von Tom Draper (Ex-CARCASS) bereichert, mehr noch, er schmückt mit seinem akzentuierten Spiel und leidenschaftlichen Soli die Songs. Das packende Riffing bei "Burn Burner" mahnt an RUNNING WILD, der Song ist schlicht in seiner Struktur umso direkter, dringt er in den Hörer. Hier wird Metal in seiner Essenz dargeboten, pur und funktional. Das dramatische balladeske "These Two Hands" zeigt sich METALLICA verehrend, aber mit dennoch genug Eigenleben.
Liebe Metalgemeinde - SPIRIT ADRIFT verdienen viel mehr Aufmerksamkeit. "Ghost At The Gallows" ist quasi ein Referenzwerk wie zeitgemäßer Metal 2023 zu klingen hat.
Uns liegt das Album in Vinyl vor. Die Pressqualität der schwarzen Platte ist makellos. Das starke Artwork kommt gut zur Geltung, und auch die Illustration auf der Rückseite ist klasse. Einen tollen Mehrwert stellt das reichhaltig illustrierte, mehrseitige Textbook dar.
DEGREED scheinen es langsam wissen zu wollen. Nach dem starken Longplayer "Are You Ready" (2022) legen die vier Schweden bereits heuer einen neuen Longplayer nach. So schnell waren sie noch nie. Somit dürfen wir annehmen, dass der Vierer sich kreativ in einer Hochphase befindet und eben diese ihrem Publikum schnellstmöglich präsentieren will. Und tatsächlich ist "Public Address" ein überzeugendes und schmackhaftes Album geworden.
DEGREED kredenzen uns zu Beginn dynamischen Hard Rock, der nach vorne marschiert und im Kern oft mit einem packenden Refrain garniert ist. Doch die Band hat einige überraschende Moves im Repertoire, die das Werk spannend und abwechslungsreich machen. Das mit viel Bombast behängte und schneidige "The Way of The World" ist eines dieser interessanten Stücke. Oder auch das schwülstige, an TNT mahnende, mit 80er Keyboard verzierte "This Is Love" verdutzt den Zuhörer, punktet aber mit gehaltvoller und ergreifender Melodie. Hierbei muss der variable, emotionale und leidenschaftliche Gesang von Bassist und Sänger Robin Eriksson Erwähnung finden. DEGREED überzeugen auf "Public Address" mit griffigen Melodien, nahezu durchweg gelungenen Songs und einem modernen, detaillierten und sehr geschmeidigen Sound. Gleichwohl schaffen sie es, nicht zu poppig oder gar kitschig zu klingen. Wer auf Melodic Rock / AOR nordeuropäischer Machart steht, darf hier ungehört zugreifen.