Lange war es ruhig um sie: Anette Olzon, ihres Zeichens Ex-Sängerin von NIGHTWISH. Jetzt ist sie wieder da, und zwar zusammen mit einem anderen einschlägig bekannten Kollegen: Jani Liimatainen, ehemals bei SONATA ARCTICA und seither mit CAIN´S OFFERING unterwegs. Gemeinsam mit Schlagzeuger Jani Hurula und Bassist Jonas Kuhlberg haben die beiden ein neues Projekt aus der Taufe gehoben, das nun mit „The Dark Element“ sein selbstbetiteltes Debüt präsentiert – und das kann sich hören lassen. Angesiedelt irgendwo zwischen Symphonic Metal, Melodic Metal und Melodic Rock mit poppigem Einschlag und stets auf Eingängigkeit bedacht, geht das Album schnell ins Ohr und setzt sich dort beharrlich fest. Die musikalische Vergangenheit offenbart sich an der einen oder anderen Stelle recht deutlich: insbesondere manche Parts von „My Sweet Mystery“ und „The Ghost And The Reaper“ (beide überaus gelungen) könnten ohne weiteres von NIGHTWISH stammen -- besonders die charakteristische Kombination aus fetten Gitarren und Tuomas Holopainens Keyboards im Arrangement lässt hier grüßen. Insgesamt kommt die Band jedoch etwas weniger hart und dafür pop-lastiger daher. Dass ihnen diese Kombination durchaus gut zu Gesicht steht, macht schon der Titeltrack und Opener deutlich, „My Sweet Mystery“ und „Last Good Day“ setzen die musikalische Linie fort. „Here´s To You“ geht gut nach vorne, bevor die Band mit „Someone You Used To Know“ eine Ballade zwischenschiebt. „Halo“ beginnt mit ein wenig elektronisch angehauchteren Klängen, bevor es sich zu einem ebenso treibenden wie melodischen Ohrwurm entwickelt. Fazit: „The Dark Element“ ist eine schöne Mischung aus skandinavischer Melancholie, Symphonic Metal und Pop-Appeal, bekommt als solche hier eine eindeutige Hörempfehlung und stellt überdies ein äußerst gelungenes Comeback für Anette Olzon dar.
Die Noise-Welle rollt und rollt. Nun sind endlich Frankfurts Alkvernichter Nummer 1 an der Reihe. Von den 7 Alben für Noise Records werfen wir heute einen Blick auf das 87er Zweitwerk „Chemical Invasion“.
Alleine schon das Coverartwork ist ein Klassiker. Der verrückte Wissenschaftler, welcher auf das Reinheitsgebot einen Feuchten gibt und eine eklige grüne Soße ins güldene Glück gießt, wurde von Sebastian Krüger in genialster Art und Weise auf die Leinwand gebracht. Was hier noch auffällt ist die exzellente Qualität des Drucks. Es gab schon Re-Release Reihen, wo man mit einem schlecht kopierten, verpixelten Abklatsch des Originalcovers abgespeist wurde. Hier (wie auch bei den anderen Veröffentlichungen der Reihe) ist die Liebe zum Detail sofort erkennbar.
Als besonderes Schmankerl gilt das ehrliche Interview mit Fronter Gerre. Als einziger Kritikpunkt soll das Fehlen der Texte erwähnt werden. Denn neben Humor und Promilleworshipping hatten TANKARD auch ’87 schon was zu sagen. Allein „Don’t Panic“ gehört einfach abgedruckt.
Ach ja…Musik gab’s ja auch noch. Nach dem noch recht vom Punk beeinflussten Debut „Zombie Attack“ haben TANKARD offensichtlich mächtig geübt und sich zu 100 % dem verschrieben, wofür sie auch heute noch stehen: THRASH METAL. Die genrefremden Einflüsse lassen sich mit dem kurzen Ausbruch „Puke“, dem GANG GREEN-Cover „Alcohol“ und dem teilweise sogar schon traditionellen Instrumental „For A Thousand Beers“ an einer Hand abzählen.
Los geht’s mit dem Vollgasklopper „Total Addiction“, welcher nach einem kurzen Intro einen perfekten Einstieg in „Chemical Invasion“ darstellt. Das folgende „Tantrum“ ist nicht viel langsamer und Energie pur. Das schon erwähnte „Don’t Panic“ bleibt in der gleichen Spur, glänzt aber mit memorablem Thrash Riffing, cleveren Breaks und Gerres charmant dahingerotztem „Don’t Panic – It’s Just Our World“.
Die damalige B-Seite leitete das Titelstück ein, dessen bluesiger Beginn überrascht und bis heute bei keinem TANKARD Konzert fehlen darf. Nachdem sich das Stück immer weiter steigert, mutiert es nach ca. 2 Minuten endgültig in einen klassischen TANKARD Thrasher, dessen Refrain Generationen von Thrash Fans schon in die DNA geschrieben wurde.
„Farewell To A Slut“ ist noch einmal ein richtiger Klopper, in dem TANKARD ungewohnt hasserfüllt agieren.
Mit dem über 7-minütigen „Traitor“ dann gelingt TANKARD zum Finale ein fettes Ausrufezeichen. Eine abwechslungsreiche Thrash Abrechnung mit der damals grassierenden Poser Seuche. Heute würde man das wohl nicht mehr so ernst sehen. Aber gerade TANKARD haben in den letzten Jahrzehnten mehr als bewiesen, dass sie zu ihren Idealen stehen.
Nach dem erwähnten GANG GREEN Cover ist dann dieses Kleinod germanischen Thrashes auch schon zu Ende.
Kollege Dennis darf euch nun erzählen wie es auf „The Morning After“ weitergeht.
Dieser Tage gesellen sich zu den Wiederveröffentlichungen aus dem Hause Noise Records die frühen Klassiker der Bier-Thrasher TANKARD aus Frankfurt am Main. Zwar haben die Jungs um Bassist Frank Thorwarth und Sänger Andreas "Gerre" Geremia in ihrer mittlerweile 35-jährigen (!) Karriere nie den ganz großen (internationalen) Wurf landen können, dafür jedoch allein schon durch ihr sehr stabiles Line-Up (nur etwa ein halbes Dutzend Besetzungswechsel in der Bandgeschichte) ein qualitativ hohes Niveau gehalten, das bis heute stets nur gute bis sehr gute Alben abgeworfen hat.
Zu Ersteren gehört das Debütalbum "Zombie Attack" aus dem Jahr 1986, das inmitten eines Jahres voller Thrash-Metal-Meilensteine ("Master Of Puppets", "Reign In Blood", "Pleasure To Kill", "Eternal Devastation", "Obsessed By Cruelty", etc.) seine liebe Not hatte, nicht in der Masse der Hochkaräter zu verdunsten. Ein großer Bonus des Quintetts, mit dem es bis heute heraussticht, war schon damals die Verbindung aus "ernsthafter" Musikalität mit t(h)rashigem, alkoholfreudigem Humor, die TANKARD seit jeher von stumpfen Sauf-Punk-Kapellen abhebt. Hinzu gesellt sich eine gehörige Prise jugendlicher, aus heutiger Sicht unbekümmerter Energie, die Songs wie das Titelstück, "Mercenary", "Maniac Forces", "Thrash ´Till Death", "Chains", "Screamin´ Victims" oder das bis heute bei Live-Shows obligatorische "(Empty) Tankard" zu flotten, schweißtreibenden Perlen macht, die man über die Jahre immer wieder gerne hört. Auch wenn TANKARD später noch deutlich stärkere Alben vorgelegt haben, bleibt "Zombie Attack" vielleicht kein Meilenstein, aber eine wichtige Duftmarke in der heimischen Genre-Landschaft.
Vorliegender Re-Release, wie gehabt im schmucken Digipak mit rar bebildertem Booklet, kommt leider einmal mehr ohne die große "Post-Noise-Records-Aufbereitung" aus und enthält keine Texte und keine Bonustracks, dafür jedoch ein interessantes Interview mit Xavier Russell aus dem Jahr 2015.
Bei vorliegendem Werk, dem Debüt-Album der Truppe aus Brighton, England, handelt es sich nicht um eine brandneue Veröffentlichung, sondern um einen aufgewerteten Re-Release. „Conduit“ erblickte bereits im März 2016 das Licht der Welt, doch nachdem das Quintett beim italienischen Label Aural Records unterschrieben hatte, entschied man sich, das Album inklusive der selbst betitelten EP aus dem Jahr 2013 neu aufzulegen. Musikalisch bieten KING GOAT im wahrsten Sinne des Wortes schwer verdauliche Kost irgendwo zwischen epischem Doom Metal („Feral Doom“ oder der mit weiblichem Gastgesang veredelte Titelsong vom Album), Progressive („Revenants“ oder das mit Screams versetzte „Sanguine Path“ vom Album)- und Krautrock („The Final Decline“ von der EP) mit fast durchweg überlangen Songs, die allerdings auch nach mehreren Durchläufen nichts von ihrer –nicht nur stilistischen - Zähigkeit verlieren und kaum zünden wollen, beziehungsweise nachhaltig (endlich kann ich dieses Wort auch mal mehr oder weniger sinnvoll einsetzen…) in Erinnerung bleiben. „Conduit“ ist unterm Strich ein sehr hörenswerter bis guter Einstand, der aber das zweifellos vorhandene Potential von KING GOAT speziell in Sachen Songwriting noch nicht voll ausschöpft. Einen echten Kracher traue ich der Band aber ohne Probleme zu.
Mit „Infinite Monkey“ haben die fünf Bremer von MONKEY FIST eben ihr Debüt-Album veröffentlicht. Ihre musikalischen Wurzeln liegen primär im Stoner Rock, wie schon der starke, treibende Opener mit dem unsäglichen Titel „Monkey Fuckfest“ mit seinem leichten Psychedelic-Einfluss inklusive Old-School-Orgel klar macht. Ein bisschen fühlt man sich hier an CLUTCH erinnert. Doch MONKEY FIST können noch mehr. Im melodischen „Bloodfest“ z. B. wird ein großer Chorus aufgefahren, und die stampfend-groovigen, Blues-infizierten „Hopesick“ und „Shape“ sind eher im Garagen-Rock zu Hause. Immer wieder werden auch ruhige instrumentale Parts eingebaut, die sich langsam wieder aufbauen und steigern, und die eine gewisse Nähe zu Prog- und Post-Rock zeigen. Im über 11 Minuten langen, abschließenden „Things I Own“ kommen im langen instrumentalen Mittelteil die Post-Rock-Einflüsse noch einmal richtig zum Tragen. Das krönende Finale kann man gut und gerne als erhaben bezeichnen.
Der Sound ist angemessen dreckig. Die Gitarren stehen im Vordergrund, der Gesang kommt etwas aus dem Hintergrund und wurde auch mit einem leichten Effekt versehen, auch die Drums kesseln eher von hinten. Nur der Bass geht im Gesamtmix leider unter und ist quasi nicht zu hören.
Unterm Strich liefern MONKEY FIST hier ein schönes Debüt ab, das aufgrund seines Stilmixes immer spannend bleibt und das die Energie der Band effektvoll transportiert.
Nun gibt es also kurz vor Weihnachten den zweiten Teil des GROBSCHNITT Back-Katalog als Vinyl - „Jumbo" (englisch, 1975), „Rockpommel´s Land" (1977), „Solar Music Live" (1978) und „Merry-Go-Round" (1979) – wie gehabt in der BLACK & WHITE“-Serie. Das heißt hochwertiger Aufmachung mit Gatefold-Format (unter Verwendung des originalen Artworks). Zu den jeweils zwei 180g Vinyl (1 schwarz, 1 x) kommen jeweils zwei 4-seitige Booklets im LP-Format mit Texten, Bildern, Liner Notes, usw., sowie ein Downloadvoucher für alle Songs. „Rockpommel`s Land“ und „Merry-Go-Round“ enthalten zusätzlich einen farbigen Kunstdruck in LP-Größe. Dabei wurden die Aufnahmen von den drei GROBSCHNITT-Gründern Eroc, Lupo und Willi Wildschwein in 2015 neu remastert.
„Jumbo“ war jenes Album das GROBSCHNITT in zwei Sprachen veröffentlichte. 1976 die deutschsprachige Version, ein Jahr davor in 1975 kam „Jumbo“ mit englischen Lyrics auf den Markt. Musikalisch war der Unterschied zwischen den beiden Versionen marginal. Wobei GROBSCHNITT sich mit der englischen Version mal wieder dem Vergleich zur internationalen Konkurrenz stellten – und mit ihrem symphonischen progressiven Rock hier verdammt gut abschnitten. „Jumbo“ gilt nicht zu Unrecht als eines der besten Alben der Band und Songs wie „The Excursion Of Father Smith“, „Dream And Reality“ und „Sunny Sunday's Sunset“ als zeitlose Prog-Klassiker.
Mit der Veröffentlichung von „Rockpommel´s Land" dürften GROBSCHNITT 1977 dann wohl ihren künstlerischen Höhepunkt erreicht haben (den Dauerbrenner „Solar Music“ mal außen vor gelassen). Das Album ging mehr in Richtung der britischen Prog-Marktführer jener Jahre wie YES und GENESIS ohne die eigenen Trademarks komplett zu vernachlässigen. Das Konzeptalbum handelt vom verträumten Ernie und seinem Fantasie-Vogel Maraboo, einer Stadt in der fast alles verboten war (einschließlich das Lachen), die Suche nach Widerstand und guten Geistern (Rockpommel’s Land) und die Befreiung jener Stadt von ihren bösen Kräften. Das Ganze wurde dabei in eher ruhigeren, melodischen und sehr ausgeglichenen Instrumentalpassagen sowie harmonischem Gesang umgesetzt. Das Album sollte der geneigte Art-, Prog- und Krautrockfan kennen; ein Album zum verträumen, ein Album an dem die Zeit spurlos vorüber gegangen zu sein scheint.
1978 erschien dann „Solar Music Live" - mitgeschnitten wurde das Album damals im Rahmen der Tour zu „Rockpommel´s Land" und dokumentiert auf äußerst gelungen Weise all das, was GROBSCHNITT Live ausmachte, und was GROBSCHNITT an sich ausmachte. Keine Kopie der großen englischen Prog-Bands, sondern eine innovative Mischung verschiedener Stile (Progressiv Rock, Krautrock, Space Rock, Psychedelic), allseits sehr harmonisch, auch ohne Gesang (oder gerade deswegen) ein Hörerlebnis. Eroc, Lupo & Co. waren zu der damaligen Zeit sicherlich die deutsche Band die melodische Spannungsbögen mit atmosphärischen Parts, Gitarrensoli mit überragendem Keyboard am besten vermengte – und das Live gelungen variierte und improvisierte. „Solar Music Live" ist hierfür ein richtiges Zeitzeugnis der deutschen Musikgeschichte. Wer nur CD’s gewöhnt ist, darf sich über einen nostalgischen Moment freuen wenn mittendrin unerwartet die Spielzeit der A-Seite zu Ende ist und man die LP umdrehen darf – ja, so war das früher halt. Natürlich muss man sich auf GROBSCHNITT live einlassen wollen (oder sie gar mal Live gehört haben). Über die komplette Spiellänge hinweg bleibt man melodisch Abwechslungsreich. Die heute oft gewohnten (zum Teil harschen) Tempowechsel waren aber nicht unbedingt das Ding von GROBSCHNITT.
Mit „Merry-Go-Round" waren GROBSCHNITT 1979 dann auch produktionstechnisch auf dem Zenit – und musikalisch an sich schon in der Rockmusik angekommen. Die Songs waren kürzer, es wurde weniger experimentiert. Auf der anderen Seite ist „Merry-Go-Round" ein Album das Spaß macht, das auch über die deutschen Grenzen hinweg Beachtung fand. „Come On People“ und „May Day“ sind großes Rock-Kino – auch wenn es für die „alten“ GROBSCHNITT-Fans schon nach Ausverkauf klang; die Hinwendung vom spaßig-spacigen Krautrock zu politisch angehauchten Prog-Rock aber ein absehbare Entwicklung der Zeit.
Alle sin allem dürften die vorliegenden Alben – vor allem auch auf Grund der wertigen Aufmachung - ihre Fans finden.
„Jumbo" (englisch, 1975), „Rockpommel´s Land" (1977), „Solar Music Live" (1978) und „Merry-Go-Round" (1979)