Man kann über die Toten Hosen viel sagen, aber die Entscheidung, The Bones als Vorband mit auf ihre letztjährige Tour zu nehmen, war sicher kein Fehler, wenn die Jungs live auch nur halb so heftig abgerockt haben wie auf "Bigger Than Jesus". Eingängige und kraftvolle Nummern irgendwo im Grenzbereich von Rock’n’Roll und Punk hat der Vierer auf dem Silberling verewigt. Die Gitarren braten richtig fett und haben so manche Ohrwurmmelodie, das Schlagzeug ballert ganz gut, aber der Dreh- und Angelpunkt ist sicher der Wechselgesang von Beef Bonanza und Boner. Im ersten Song, "Chrome, Smoke And Thunderroads", noch zurückhaltend, fast schüchtern, gibt’s spätestens bei "Denial" keine Zweifel mehr, daß die beiden auch gut rotzig-aggressiv sein können. Die Mischung stimmt auch in den späteren Songs. Die Songs sind allesamt recht flott und gewinnen durch die beiden Sänger (und die dezenten Backing Vocals der anderen beiden Mitglieder) richtig an Farbe und Charakter. Am Besten hat mir besagtes "Denial" gefallen, was mich sehr an alte Hellacopters erinnert hat, sowie "Casino Knockout" und "Going Nowhere", ob ihrer mehrstimmigen Refrains. Da sind den Schweden echte Ohrwürmer gelungen. Die anderen Songs fallen qualitativ nicht sehr ab, also gebt der Platte ruhig mal eine Chance. Und bei Parties, auf der nicht nur Metaller rumlaufen, kommt die Mucke gut an.
Mad Sin gibt’s mittlerweile verdammt lange, mehr als fünfzehn Jahren. In der Zeit haben sie so ziemlich alle Höhen und Tiefen erlebt, die man als Band so erleben kann, aber es trotzdem geschafft, zu einer festen Größe in der Psychobilly/ Punk-Szene zu werden. Nicht zuletzt durch ausgedehntes Touring und eine ziemlich geile Live-Show wurde ihr Ruf immer besser. Doch auch auf Konserve rocken Mad Sin das heimische Wohnzimmer, was sie mit "Survival Of The Sickest"eindrucksvoll beweisen! Psychobilly, wie er sein muß: laut, schnell und schmutzig! Der Kontrabaß wummert, die Gitarren halten sich ein wenig zurükc, haben aber immer eine geile Melodie am Start und Sänger Köfte ist mit seiner charismatischen Stimme das I-Tüpfelchen. Songs wie "Love Is Dead" oder "1000 Eyes" sind dermaßen rockig und schweinegeil, das es niemand auf seinem Sitz halten dürfen. In bester Rock’n’Roll-Tradition wird ohne Rücksicht auf Verluste straight nach vorne gespielt - gerockt eben. Refrains, die man sofort mitsingen kann, als Beispiel diene nur "Dangerzone", Songs, die rockig aber genauso auch abwechslungsrecih sind, da macht ein Album doch Spaß, oder? Mad Sin hatten spaß bei den Aufnahmen, das hört man. Auch wenn sie zwei Drummer verschlissen haben (mittlerweile ist wieder ein fester Mann hinter den Drums), hat sie das nicht daran gehindert, ein verdammt gelungenes Rock’n’Roll-Album zu schreiben. Daumen hoch!
Fett fand ich auf Marduks Auftritt bei den Christmas-Festivals allenfalls den Oberkörper Legions und sein amtliches Stage-Acting, rein musikalisch hatte ich mir von den "wir-spielen-ständig-und-überall-Schwarzwurzeln" viel mehr erwartet. Und so ging ich auch mit ein paar kleinen Ressentiments an die neue Scheibe, die erste für das schwedische Label Regain. Nach einem kurzen Intro aus "Der Name der Rose" marschieren die Panzerfahrer mit "Satan und siegreichen Waffen" (sic!) los. Und trampeln dabei derart auf’s Gaspedal, dass man auf dem Truppenübungsplatz nicht im Wege stehen sollte. Neben amtlichem Sound aus dem Kasernenhof namens Abyss fällt die große Energie und Spielfreude als auch das unbestrittene technische Vermögen der Brigade auf. (Eine Brigade übrigens, die nicht selten einen Waffenbrüderschaft mit den norwegischen Genossen von Immortal aufweist, das aber nur am Rande.) Ähnliche Wummen tragen die Jungs mit "Cloven Hoof" (tolles und überraschendes Break mittendrin oder "Night of The Long Knives" im Sturmgepäck. Aber die schwedischen Soldaten ziehen auch gemächlicher in den Krieg - wenn sie wollen. "Bleached Bones", "To The Death’s Head Course", "Castrum Doloris" oder auch (teilweise) "Hearse” entwickeln ihre Brutalität schon im ersten Gang des schweren gepanzerten Fahrzeugs. Mit dem Outro "Blackcrowned" liefert die Band schließlich die Musik zur Trauerfeier nach der Schlacht. Die schwedische Armee präsentiert also hier sozusagen ihr gesamtes Waffenarsenal - vom bedrohlich anrollenden Kettenfahrzeug bis hin zum überschall-schnellen Düsenflügzeug. Hier geht einiges. Ein Tipp geht nur flöten, weil ich Immortal noch viel besser finde. Dennoch: Menschenfeinde müssen unbedingt zuschlagen!
Zugebenermaßen verstehe ich den Begeisterungssturm zur Festival-Season 2002 bezüglich dieser schwedischen "Trödler" kaum. CANDLEMASS sind wichtig, sicherlich, aber ich fand sie nie soooo geil, wie im vergangenen Spätsommer plötzlich alle schrieen. Nun denn, mag daran liegen, dass ich genauso wie einige weitgereiste Die-Hard-Messiah-Fans CANDLEMASS in Wacken verpasst habe. Und dann flatterte mir auch noch eine Digital-Versatile-Disc im Doppelpack ins Haus … In der Tat kann ich’s jetzt besser nachvollziehen, warum jedermann "seinen fucking kopf bangt". Hier mal die Fakten: Auf der einen DVD befindet sich ein Live-Gig von 1990 (Stockholm, Fryshuset) mit 13 Songs, der wohl auch schon 1990 mal auf CD erschienen ist, wenn ich nicht irre. Die Klassiker sind vertreten, "Bewitched", "Samarithan", oder "A Sorcerer’s Pledge" sollen als Beispiele genügen. Die Kameraführung ist solide, nervt nicht mit unnötigen Spielereien und lässt wirken, was die Band (aus-)macht. Und das ist natürlich in erster Linie "unser liebster Messias" … Und Sound kommt sogar richtig gut! Geiles historisches "Dokument" sozusagen … Ebenfalls auf diesem Rundling befinden sich Bio- und Discographie und eine Galerie, guter Service also. Scheiblette zwo präsentiert amüsante Episoden aus dem Tourleben der Kapelle und weitere Live-Mitschnitte sowie Ausschnitte von Fernsehauftritten der Schweden. Meine kleinen Highlights: Der Schnipsel vom "Top Gear Sweden 1989", wohl eine Sendung im Stile von "Top of the Pops", ein Ausschnitt vom Dynamo 1988 oder die Bade-Einlagen in amerikanischen Pools. Witzig, nett, cool. Von 1986 bis 2002 reicht die Zeitspanne, von Amerika über Polen bis nach Norwegen nehmen uns Nordmannen mit auf die Rundreise. Spezielle Band-Kommentare, Biographie, Discographie und eine Galerie vervollständigen die DVD und machen das Paket zu einem mehr als lohnenswerten. Diese DVD ist ein Muss, und das nicht nur für CANDLEMASS-Fanatiker.
Ganz klar, bei dieser Band muss man schon ziemlich cool sein um sie zu mögen. Finden wir das denn cool wenn man Jazzz mit 3 z schreibt? Oder entdecken wir einen Hauch von Selbstironie und finden es deshalb cool? Oder weder noch? Ich tendiere fast zu letzterem und werde sie letztendlich doch einigermaßen hörbar finden - doch zunächst zu etwas völlig anderem. Oder besser gesagt alles der Reihe nach. Mit Chicagoer Jazz haben die Jungs natürlich wie erwartet nichts zu tun, weder stilistisch noch geografisch. Es geht hier um hippen Hop und Rock und alles was dazwischen liegt. Und um das Maß voll zu machen, wird die Mischung mit deutschen Texten kredenzt. Etliche Songs beginnen vielversprechend mit originellen Anfängen, lassen dann aber - von Ausnahmen wie "Mondschein" abgesehen - im Laufe der Songs nach bzw. halten die Kreativität nicht über die ganze Distanz. Und dann wären da noch die erwähnten Texte. Ganz ernst gemeint sie sicher nicht. Aber für Ironie braucht man Bissigkeit, und die fehlt leider auch. Was bleibt ist ein verkrampft klingender Versuch anders zu sein, der natürlich nicht aufgeht und bei "Dinge Ling Long" in wohl gewollten aber dadurch nicht besserem Nonsens endet. In sehr fetter - ich meine natürlich fätter - Produktion kommen die ziemlich tanzbaren Gitarren und pumpenden Beats gut zur Geltung und wären bei etwas konsequenterer Verfolgung von Ideen auch sicher lobende Worte wert gewesen - so bleibt lediglich der gute Vorsatz zu erwähnen. Sparen können hätte man sich darüber hinaus den Ausflug in "reinen" Hip Hop beim letzten Track "Ready For War", der so unglaublich wenig aussagt, dass ich ihn mir kopfschüttelnd mehrmals anhören musste. Zusammengefasst: An einigen Stellen sehr pubertär ("Testosteron") klingender Versuch nicht pubertär zu klingen. Cool? Chicago Jazzz rulez? Bleibt abzuwarten.
Recht eigenwillig, gar etwas sperrig beginnt das zweite weltweit vertriebene Album der schwedischen Artrock-Band RITUAL. Zum zehnjährigen Bandjubiläum des Quartetts erscheint mit "Think Like A Mountain" gerade mal der dritte Longplayer überhaupt (das letzte Album "Superb Birth" wurde in Selbstregie vertrieben) - eine Mixtur aus Artrock und Avantgarde, teilweise mit diversen folkigen Elementen garniert. Der Opener "What Are You Waiting For" zeigt dies ebenso wie das Instrumentalstück "On" (mit seinen indisch/nordafrikanischen Klängen fast ein Stück World-Music). Beiden Songs merkt man an, das RITUAL bei diesen von Akustikgitarren getragenen Songs bei den Altmeister von Led Zeppelin genauer hingehört haben. Auch Patrick Lundström’s Stimme ähnelt in gewisser Weise der des jungen Robert Plant - ein ganz großes Plus der Quartetts. Mit der nachfolgenden melodisch-lyrischen Halbballade "Humble Decision" schmeichelt man den Gehörgängen, bevor es mit "Explosive Paste" mal etwas heftiger zur Sache geht, um danach dann doch mit "Once The Tree Would Bloom" wieder bei den Luftschiffern zu landen. RITUAL versuchen allenthalben einen abwechslungsreichen Spannungsbogen, nicht nur in den einzelnen Songs, sondern über das ganze Album hinweg aufzubauen. Dabei fallen vor allem die ausgefeilten Arrangements auf - welche allerdings zum Teil einige Durchläufe brauchen um sich dem Zuhörer zu erschließen - eindeutig kein Futter für nebenbei (wie z.B. das siebenminütige "Mother You’ve Been Gone For Much To Long"). Dabei gibt es durchaus eingängigen Stoff wie das robuste "Infinite Justice" (Anspieltipp!), "Shamarama" oder das gelungene "Breathing" (atmet den Duft der Fab4), von deren Sorte ich mir persönlich einige Tracks mehr gewünscht hätte. Hier gibt es sicher noch Potential nach oben. Die "bang-your-head"-Fraktion wird mit RITUAL herzlich wenig anfangen können. Wer sich aber des Öfteren mal die Zeit nimmt Abseits eingetretener Pfade Musik der Marke Spock’s Beard, Yes, Porcupine Tree oder The Flower Kings zu Gemüte zu führen, der sollte auch mal bei RITUAL ein Ohr riskieren. Und was die 4 Jungs live bringen, werden wir ja im Vorprogramm von RPWL sehen - "schaun’ ’mer mal".
Schon bei der Besprechung der Vorabpromo konnten die norwegischen Newcomer von ON THE RISE mit den wenigen (vollständigen) Tracks sowie Songauszügen durchaus positiv überzeugen und hinterließen eine guten Gesamteindruck. Jetzt liegt uns mittlerweile auch das komplette selbstbetitelte Album "On The Rise" vor und ich muß wirklich sagen, die Platte ist eine rundum perfekte Angelegenheit dieses Genres geworden. 14 Songs in hauptamtlicher Melodic-Rock Güteklasse A und den beiden Hauptinitiatoren bzw. Songschreiber Terje Eide (Lead & Background Vocals, Guitars) & Bennech Lyngboe (Lead & Background Vocals) kann wirklich bescheinigt werden, einen hervorragenden Job abgeliefert zu haben, so daß wirklich kein einziger Ausfall auf dem Album zu entdecken ist. Mahl etwas gefühlvoller dann wieder rockiger werden die Songs stets mit einer positiven Stimmung interpretiert - diesem Album könn(t)en auch gestandene Hardrockfans durchaus etwas abgewinnen. Die CD ist äußerst kurzweilig wobei besonders die potentiellen Hits "Beat Of Your Heart", "Memories Forever", "Running In The Night" oder "Sadness Hits like A Stone" zu nennen wären - in Amiland wird das wohl in den entsprechenden Sendern rauf und runter gespielt, in unserem traurigen "Einheitsbrei-Chartsforma_Radio" wahrscheinlich leider doch eher nicht. Egal, die Jungs kommen von ihrem Stil her an die US-Boys von NELSON oder auch an die legendären DAMNED YANKEES heraus, alleine schon wegen der tollen, catchy mehrstimmigen Chorgesänge (die erinnern wiederum etwas an TOTO), die einem sofort im Ohr hängen bleiben. Hier wird auf wohltuende Weise einmal nicht, dem derzeit auch wieder etwas grassierenden, "Kleister-Klebrik" AOR gehuldigt sondern ON THE RISE schaffen den schmalen Spagat zwischen Eingängigkeit, Frische und abwechslungsreichen Melodien, daran ändern auch die natürlich aber nicht übermäßig vorhandenen typischen Balladen nichts. Sie übertreiben es jedenfalls nicht so gnadenlos doll wie GOTTHARD auf ihrem letzten Schmuserock Machwerk. Wer auf die bereits genannten Bands oder auch die "alten GIANT steht muß hier einfach zugreifen. Sicher, den Innovationspreis gewinnen sie für diese Musik natürlich nicht aber die Band gibt dem Melodic Rock durchaus einige neue Impulse - diese Hooks und die klaren Gitarren sind ganz einfach sehr gut gemacht. ON THE RISE sind der lebende Beweis, daß "Nordländer" auch noch was anderes können als "nur" GOTHIK Rock/Metal mit Depri-Düster-Stimmungen.