Für mich gehört der ex-Maiden-Sänger PAUL DI'ANNO zu den Protagonisten, die mir den Metal mit das erste Mal ins Ohr gelegt haben. Sicher auch deswegen, aber nicht nur, ist IRON MAIDEN mit Paul Di'Anno meine klar favorisierte Variante der Eisernen Jungfrauen. Gerne gebe ich zu, dass Bruce Dickinson der technisch bessere Sänger, stabilere Charakter ist und der Erfolg sowie Status von IRON MAIDEN fest mit eben seinem Namen zu verknüpfen ist. Aber Di'Anno hatte den Dreck der Straße, den Zorn, das Aufbegehren und nicht zuletzt die Verletzlichkeit einer neuen Generation in seiner Stimme. "Remember Tomorrow" trägt so viel Fragilität und Empfindsamkeit in sich, die ich Bruce Dickinson einfach nicht abkaufen kann. Tragisch dabei ist, dass eben oft die weicheren und labileren Menschen am Erfolg und dem damit verbundenen Druck scheitern. So ist Bruce Dickinson Multimillionär und Freizeitpilot, und Paul Di'Anno ist gesundheitlich und karrieretechnisch, sagen wir mal angeschlagen.
Das uns vorliegende Livedokument rührt noch aus einer Zeit als Paul Di'Anno sowohl körperlich als auch stimmlich fit und bei Laune war. Der bei "Hell Over Waltrop - Live in Germany" eingetütete Gig war lange nicht vorzeigbar und wird jetzt neu bearbeitet und "ansehnlich" unters Volk gebracht. Aufgezeichnet wurde er im Sommmer 2006 auf einem eher regional geprägten Stadtfest. Paul Di'Anno und seine deutsche Begleitband "PHANTOMS OF THE OPERA" mischten das bunt besetzte Billing auf und waren das Highlight des damaligen "Festivals". Der Sound der CD klingt direkt, unbearbeitet, ist ohne Overdubs und hat wie schon das Artwork andeutet einen Bootleg-Charakter. Paul Di'Anno sowie seine spielfreudige und sauber musizierende Band servieren dem lebhaft aufgelegten und hörbar mitgehenden Publikum sowohl Klassiker aus der IRON MAIDEN-Frühphase als auch aus der Solokarriere von Di'Anno. Die Dynamik, Energie und unverfälschte Wucht der Performance sind mitreißend, und es ist eine große Freude, den "gefallenen Helden" des Metals so energisch und ausgelassen zu hören.
Ich drücke die Daumen, dass Paul seine gesundheitlichen Probleme in den Griff bekommt, wir bald wieder von ihm hören und er zeitig zurück auf die Bühne findet.
Der Todeskult erklingt jetzt bei den Kriegs-Hymnen – für beide Seiten sicherlich nicht die schlechteste Wahl! REVEL IN FLESH und ihr Fronter Haubersson gehören sicherlich zu den integersten und ehrlichsten Vertretern der Szene, und das trifft zu hundert Prozent eben auch auf ihre Musik zu. Das inzwischen fünfte Album (plus Compilations und Splits) bietet wieder haargenau das, was die Fan-Gemeinde haben will. Klassischen Death Metal mit ollen Roots und fast epischen Melodien ("My Trial"!), mit schneidenden Riffs (überall!) und einem rohen, in der Tat immer noch verständlichen Organ. Dazu frischer Swanö-Sound und zehn Weltidee-Songs plus ein geniales Cover ("Rock Out") von MOTÖRHEAD. Bleibt zu hoffen, dass nicht allzu viele Fans bei den Live-Gigs den Chorus allzu wörtlich nehmen – und ihr Dingdong aus der Hose. So mitreißend, wie die ganze Scheibe rüberkommt, wäre das aber keine allzu große Überraschung. Wahrscheinlich im doppelten Sinne. Im Ernst: REVEL IN FLESH scheinen auch in der neuen Besetzung noch enorm heiß, sie sind motiviert und voll dabei. Was bei dem Band-Fronter auch nicht weiter verwundert. Aber man hat ja schon Pferde kotzen gesehen. Keine Ahnung, wer den diesjährigen Death-Metal-Grand-Prix gewinnt. Verdient hätten es REVEL IN FLESH, FLESHCRAWL und FLESH- äh, ENDSEEKER allemal und gleichermaßen.
Die Wolfsburger CRYPTIC BROOD veröffentlichen mit ihrer zweiten Full-Length ein ranziges, verrottetes Werk (Wortspiel. VW und Werk und so!). Eklig. Von Höhlenmenschen für Höhlenmenschen. Und das Rülpsen aus der Hölle steckt wirklich ganz leicht an – und stinkt noch erbärmlicher. In der Tradition von Bands wie REPULSION, AUTOPSY, NIHILIST und sogar DECEASED lärmen sich die drei Niedersachsen durch den tiefen Morast aus Knochen, Exkrementen, Eiter und Blut. Heiser-kehliges Röcheln trifft hier auf hysterisches Geschrei ("Harrowing Hallucinations"), und dahinter rödeln olle Death-Stinker in gemäßigtem Tempo bin hin zum Doom. Ein Lied später ("Mantled With The Stench Of Death") werden die Freunde gar hektisch und rumpeln schnell vorwärts mit urwüchsigem Geknüppel – um dann einen vollen Stopp hinzulegen. Ein Drama voller Verzweiflung. Die CRYPTIC BROOD ist in der Tat morbide, das Tötungsmaterial besteht aus grässlichem Grind, dödem Doom und geschmackslosem Gore-Death. So machen Dir diese Jungs mächtig Angst, reißen dein Hirn aus der Murmel und lachen schallend über Dich. Keine Ahnung, wie so nette Menschen so abstoßende "Musik" machen können. Aber CRYPTIC BROOD tun es, mit ganz viel Verve und absolut ehrlich. Und richtig gut - "Relish In Ecstasy", Alda!
Und wieder gibt es eine neue Personalie bei MAGNUM - Dennis Ward (PINK CREAM 69 / UNISONIC) ersetzt Al Barrow am Bass. Somit sind inklusive des letzten Studiowerks mittlerweile Schlagzeug, Keyboard und jetzt auch der Posten am Tieftöner neu besetzt worden. Aber die wirklich prägenden Künstler, und über die Jahrzehnte einzige Konstante, sind und bleiben Songwriter und Gitarrist Tony Clarkin und Sänger Bob Catley. Somit bleibt alles doch gewohnt und irgendwie vertraut. MAGNUM verdanken diesen beiden und ihrer kontinuierlichen und fruchtbaren Zusammenarbeit ihren Status als Classic Rock-Juwel und Instanz des pompösen Hard Rocks.
Das Album beginnt mit "Where Are You Eden?" typisch für die Briten nach vorne drängend, mit dominantem Keyboard-Support, im Refrain prachtvoll und musikalisch bunt dekoriert. Wie schon bei dem Studio-Vorgänger, harmoniert das lebhafte, oft prominent platzierte Keyboardspiel von Rick Benton wunderbar mit Tony Clarkins Gitarre (u.a."You Can't Run Faster Than Bullets", "Madman or Messiah") und bildet feine Kontraste, die "The Serpent Rings" dynamisch und spannend halten. Bob Catleys Gesangslinien bleiben anspruchsvoll und variabel, wobei er im Studio natürlich jeder Höhe gewachsen ist, was ich mir bei mancher Melodie live nur bedingt vorstellen kann. Auf diesem Studiowerk ist nicht oder kaum spürbar, dass der Barde 73 ist; als Beispiel darf das großartig intonierte und kühne "The Archway Of Tears" herhalten. Folglich haben die Veränderungen in der Besetzung nicht geschadet. Ganz im Gegenteil, MAGNUM klingt motiviert, inspiriert (11 Songs, 1 Stunde Spielzeit) und vertraut wie eh und je. Dazu das typische Artwork, wie immer aus der Feder von Rodney Matthews - also alles beim Alten, alles gut.
Die toten Götter mit dem griechischen Namen kommen aus Florida und grunzen und krawallen gegen Rassismus, Faschismus und Kapitalismus. Das ist prima und vor allem Letzteres passt gut, denn eine müde Mark werden die Amis mit dieser schwer verdaulichen Musik nicht verdienen. Denn sie mischen ultra-langsamen Doom mit Grindcore der tschechischen Art, also Gurgelgrunz trifft auf froschfotzenartigen Quieky. Wer nun denkt, "jaja, alles nicht so schlimm", der irrt (sich). So einen irren (im Sinne von vollirren) Song wie "The Foul Eucharist" gibt es nicht oft, der abgedrehte Mix der genannten Stilarten mausert sich zu einer destruktiven Kakophonie der Klänge, wie sie nur der unnormalste Freak ohne Unterhose aushält. Stelle er sich vor: Die wenig zitierten und vom Rezensenten geradezu geliebten NEGLIGENT COLLATERAL COLLAPSE treffen sich zur Session mit den extrem fordernden ESOTERIC. Könnte sein, dass dabei "Dead Gods" herausgekommen wäre. Wenn Ihr also gerade mal Schmerzmittel nehmen müsst, hört euch dabei diese abgefahrene Scheibe an, dann tut es nicht ganz so weh. NEKROÍ THEOÍ sind irgendwie Brutal Death Metal, aber mit einer gehörigen Ration Überraschungs-Tabletten. Und nicht nur deswegen ein echt verrücktes Kleinod in einer immer konventioneller werdenden (Musik)-Welt. Eine vollkommen bizarre Urgewalt. Extravagant. Geradezu grotesk. Toll.
BUCKETLIST aus Braunschweig kredenzen uns mit "Dust Has Settled" ihr Debütalbum, das sie in Eigenregie aufgenommen haben. Das Teil macht sowohl vom visuellen (Artwork) als auch vom akustischen Inhalt (Sound) her einen professionellen und wertigen Eindruck. Die fünf Jungs bieten eine gefällige Melange aus Groove Metal und Alternative Rock. Das Songwriting kann sich hören lassen. Gerade das Eröffnungsduo bestehend aus dem hymnischen "Now Or Never" und dem energischen und mit lebhaften Gitarren-Leads ausgestatteten "Back Again" gefallen. Dieses starke Niveau können die Norddeutschen nicht auf ganzer Distanz halten, uninteressant oder gar langweilig wird "Dust Has Settled" aber dennoch nicht. Die Gitarrenarbeit ist flink und vermag Akzente zu setzen. Die Rythmusfraktion ist kraftvoll und unterlegt die Nummern mit einem treibenden und stabilisierenden Groove.
Müsste ich etwas kritisieren, so würde ich mich für die Vokals entscheiden, die manches Mal nicht ganz präzise sind. Der Wechsel zwischen Klargesang und tiefer, rauer Stimme hingegen ist unterhaltsam und gefällt. Alles in allem ein überzeugender, vielversprechender Auftritt. Gut gemacht, BUCKETLIST!
Den großen Southern Rock Bands wie LYNYRD SKYNYRD, THE ALLMAN BROTHERS oder eben die unverwüstlichen MOLLY HATCHET sind durch Unglück und Tod mit der Zeit die Gründungsväter abhanden gekommen. Gleichwohl gelingt es zwei dieser Bands, das Feuer von einst mit neuen Besetzungen überraschend authentisch am Lodern zu halten. Eben darum freut man sich, diese Legenden auf einem Festival- oder Tourplakat zu sehen. MOLLY HATCHET sind jetzt im Dezember in Deutschland unterwegs, und wie als Beleg für ihre Live-Qualität veröffentlichen sie um das neue Mastermind Bobby Ingram (Gitarre) zeitgleich ein neues Live-Album.
Auf "Battleground" sind 19 Songs aus ihrer über 40-jährigen Karriere enthalten, selbstredend mit Klassikern wie "Fall Of The Peacemakers" oder "Flirtin' With Desaster", aber es sind auch Nummern dabei, die noch nie als Live-Version veröffentlicht wurden (u.a."Justice"). Hinzu kommt, dass diese Besetzung, insbesondere Neusänger Jimmy Elkins (Vorgänger Phil McCormack ist im April 2019 verstorben), das erste Mal unter dem Banner MOLLY HATCHET live auf Konserve zu hören ist. Die Power und die Spielfreude der Band sind auf der Bühne um einiges voluminöser und auch die Improvisationskraft sowie das nahezu enthusiastische Ausweiten der Songs gerade in den zum Teil überlangen Songfinalen sind mitreißend und so typisch für Southern Rock Bands.
Das Doppelalbum punktet dazu mit einem entspechend der Tradition der vergangenen und ikonischen Artworks auch hier mit einem grimmigen Krieger (aus der Feder von Illustrator Paul Raymond u.a. für SAXON, DIO, URIAH HEEP). Ein starkes Live-Album, das für deutsche Hörer und Fans nicht hätte passender zur Tour in die Läden kommen könnte.
"Battleground" erscheint am 29.11.2019 über Steamhammer/SPV als 2CD DigiPak, 3LP Gatefold Version, Download und Stream.
Alle Jahre wieder...scheint das aktuelle Motto bei SODOM zu sein, denn ziemlich genau vor einem Jahr kam die “Partisan“-MAXI auf den Markt. Tom und seine Spießgesellen präsentieren uns nun zum zweiten Male kurz vor Weihnachten eine weitere EP mit dem Titel “Out Of The Frontline Trench“.
Diesmal darf sich die treue Gemeinde über 5 Songs freuen, von denen der erste “Genesis XIX“ ein Vorgeschmack auf den Longplayer mit gleichnamigem Titel, laut Tom, sein soll. Thematisch geht es hier um die Zerstörung von Sodom und Gomorrha, musikalisch kommt die Nummer eher schleppend daher, groovt sich aber über den Gitarrenteppich irgendwie in den Gehörgang. Der 2. Track “Down On Your Knees“ lebt ebenfalls mehr von den verschiedenen Tempowechseln, als von brachialer Gewalt. Im Titelsong “Out Of The Frontline Trench“ setzt sich die Band moschend mit dem ersten Weltkrieg auseinander. Der Fuß am Gaspedal ist mir aber auch hier zu zögerlich. Die beiden letztgenannten Songs sind im Übrigen exklusiv auf dieser Scheibe.
Mein absolutes Highlight ist aber zweifellos die Neuaufnahme des Klassikers “Agent Orange“, endlich gehts wieder so richtig zur Sache. Das Ding war vorher schon ein Brett, jetzt wurde der Aggressivität eine weitere Gitarre und obendrauf eine Portion Soundqualität hinzugefügt. Als Schmankerl zum Schluss gibt’s noch eine Liveaufnahme von “Bombenhagel“ (Gelsenkirchen 2018), das sowohl die Nationalhymne als auch das “Steigerlied“ in Auszügen enthält. Uns liegt das gute Stück als CD-Digipak vor, ist aber auch in weiß und grün-transparentem Vinyl als 12" erhältlich.