DOCTOR MIDNIGHT & THE MERCY CULT, die schon seit 2009 existieren, vereint eine Menge bekannter Namen: Hank von Helvete (TURBONEGRO), Tim Skold (MARILYN MANSON, KMFDM), Anders Odden (CELTIC FROST), Audun Stengel (THE KOVENANT) und David Husvik (EXTOL). Laut CD Cover hat man sich zusammengefunden, "to create something hard, loud and completely new". Musikalisch klingt das Ganze zwar nicht ganz neu, aber nach einer dreckigen Mixtur aus ein wenig Hard Rock, viel Heavy Metal und stellenweise sogar instrumentalen Ausflügen in Speed- oder Death Metal-typische Gitarrenarbeit. Nach einem überflüssigem Intro kommt das noch mäßige "Sign My Name" daher, bevor mit "I Declare: Treason" das erste Highlight der Scheibe durch die Boxen ballert. Auf dem gleichen hohen Niveau befinden sich "(Don´t) Waste it", "Blame Is The Game" und "OK (We´re about to die)". Leider kann der Rest der Scheibe nicht auf dem Level mithalten, so dass die Scheibe doch recht abflacht. Was allerdings obige Nummern angeht, so mag man diese immer wieder hören, weil sie tolle Riffs und eine ins Ohr gehende Gesangsmelodie beinhalten, die richtig Spaß macht. Die Produktion der Scheibe ist recht rauh und dreckig gehalten, was jedoch dem positiven Gesamteindruck nicht schadet. Die Band sollte man auf jeden Fall im Auge behalten, da sie mit den benannten Nummern für mich bewiesen hat, dass sie fähig ist, absolute Knallersongs zu produzieren. Daumen hoch!
Etwas lieblos gestaltet kommt das Albumcover von ETILIST "Fear In A Handful Of Dust" daher. Ein gezeichneter Baum mit einer eingewachsenen Hand, bei der man die Finger teilwesie abgeschnitten hast. Hier und da ein umgedrehtes Kreuz und Äste, die wie Spieße aus dem Stamm ragen. Nunja, Lust auf das Album macht das Artwork also gerade nicht. Nach dem Einschieben der Silberscheibe bin ich jedoch sehr überrascht, was sich da aus den Boxen rausdrückt. ETILIST spielen in der Regel langsamen Death Metal, der aber eine völlig eigenständige Note hat. Man erzeugt einen düsteren sehr rau produzierten Klangteppich, bei dem nicht Riffs im Vordergrund stehen oder Melodielinien, die man immer wieder zu hören bekommt, sondern eine noisige Atmosphäre, die durch langezogene Schreie und dem Gekreische von Sänger Joshua Greene überdeckt wird. Das klingt nun nicht gerade attraktiv, schafft aber eine unheimlich intensive Atmosphäre, die einen packt und bis ins Mark erschüttert. Wollen viele Death- oder Blackmetal Bands düster klingen und schaffen dies letztlich doch nicht, so sind ETILLIST tatsächlich eine schwer verdauliche Kost, die man nicht so eben mal nebenbei hören kann. Zu kompliziert ist der Songaufbau, zu intensiv ist der Sound, mit dem die Band ihre Songs an die Wand nagelt. Einzelne Songs herausgreifen ist hierbei unmöglich. Man möchte der Band eigentlich vorwerfen, fast nur den gleichen Song immer wieder zu spielen, was jedoch nicht geht, da man das Album als eine Art Gesamtwerk auf sich wirken lassen muss, das viele Facetten hat, aber seinem Stil stets treu bleibt. Es verbleibt eine bleischwere, intelligente Death Metal-Scheibe, wie ich sie noch nie gehört habe. Mit einer solchen Musik stürmt man nicht die Charts, schafft sich aber bestimmt einen treuen Fankreis. Wer sich hierfür interessiert, sollte auf der Website der Band in die Songs hineinhören, bevor er zuschlägt.
GHOST BRIGADE haben mit ihren bisherigen Veröffentlichungen sowohl Kollege Memme wie Kollege Otto überzeugen können und sind mittlerweile beim dritten Album angekommen. „Until Fear No Longer Defines Us” beginnt langsam mit dem rein akustischen “In The Woods”, ehe es mit „Clawmaster“ finnisch-schwermütig richtig losgeht, wobei dem Song ein starker CULT OF LUNA-Einfluss nicht abgesprochen werden kann, gerade beim Gesang. Das zeigt sich auch beim Album-Highlight, dem abgefahrenen „Breakwater“, dessen Doom-Part am Ende richtig böse ist. Vorher können aber das wunderschöne „Grain“ und dem heimlichen Popsong „Chamber“ voll überzeugen. GHOST BRIGADE haben ihren finnischen Dark Metal weiter verfeinert und die Referenzen an alte SENTENCED ebenso beibehalten wie die klangliche Nähe zu SWALLOW THE SUN und KATATONIA, was sich in wunderschön-traurigen Songs äußert, die so nur aus Finnland kommen können. Mit der Hinzunahme von Postcore-Elementen haben sie gleichzeitig ihren Sound um eine passende Nuance erweitert, was „Until Fear No Longer Defines Us“ zu atmosphärisch dichtesten GHOST BRIGADE-Werk macht. Zehn Songs voller Gänsehautmomente ergeben ein packendes Album, das Düsterfans auf jeden Fall gefallen wird und GHOST BRIGADE in die erste Reihe des Genres katapultiert.
GENERATION KILL ist kein Nebenprojekt. Auch nicht wenn EXODUS-Stimme Rob Dukes am Mikrofon steht – sondern eine vollwertige Thrash-Metal Fraktion der härteren Gangart. Härtere Gangart? Nun ja; auf dem Cover ein Typ mit einer Knarre, auf den ahnungs- und schutzlosen Hörer gerichtet – auf den ersten Blick denkt der geneigte Amerikaner an ein NRA-Werbegeschenk, der Deutsche wird vermutlich ein Killerspiel-Verbot fordern. Aber „Red White And Blood“ hat da weit ernstere Ansätze: Es handelt sich um ein Konzeptalbum über einen (amerikanischen) Kriegsveteranen welcher sich nach traumatischen Erfahrungen an der Front zum Serienkiller entwickelt hat. Wem das zu abwegig klingt, praktischerweise hat meinereins da sogar mal eine 4.500-Wörter starke Arbeit über das Thema geschrieben: „PTSD stands for “post-traumatic stress disorder” and means a psychological trauma. […]In 2007, the U.S. Army reported that 40% of all reservists returning from Iraq needed a treatment for PTSD, other sources say 25 – 30%.” Autor: Ich, Quelle: National Institute On Drug Abuse, United States Of America. Und jetzt geht‘s aber an die Musik.
Die Platte startet mit einem ruhigen Intro, nur um dann direkt in die Saiten und Drums zu ballern. GENERATION KILL macht Thrash Metal. Und zwar nicht irgendeinen Thrash, sondern genau das was man von Bands wie (den frühen) MEGADETH, ANTHRAX oder von PANTERA kennt: Viel Verzerrung, tiefe und schnelle Riffs und aggressive Vocals und mitreißende Soli, perfekt zur Unterstreichung des Album-Konzepts. Mitunter driften die Vocals allerdings auch etwas in andere Genres ab (schräg gen Death Metal), teilweise wechselt man von High-Tempo und Geballer („Depraved Indifference“) zu ruhigeren, dafür sehr druckvollen Riffs und klareren Vocals („Slow Burn“) – von Langeweile oder Aufkochen von Bekanntem kann jedenfalls nicht die Rede sein. Die Tatsache, dass einige Tracks sogar über die sechs Minuten raus kommen hilft da auch sehr. Das Ganze wird musikalisch übrigens an zahlreichen Stellen durch kurze Einspieler aufgelockert. So taucht in „Red White And Blood“ gegen Ende „The Star-Spangled Banner“ (Nationalhymne der USA) auf und „Section 8“ ist ein reines Atmo-Stück, bestehend aus einem verwirrenden Chor aus Stimmen und einigen Powerchords im Hintergrund.
Mein Fazit: Hat richtig Eier das Ding. Ich stehe ohnehin sehr auf gute und durchdachte Themen und da macht „Red White And Blood“ einen sehr ordentlichen Ansatz. Aber das ist nicht alles, denn immerhin geht’s bei uns immer noch um Musik: Und da hauen GENERATION KILL ordentlich rein. Viel Dampf, viel Potential zum Nackenbrechen, eine sehr durchdachte Mixtur aus Bekanntem Und Neuen und dann noch gekonnt umgesetzt – ich will mehr!
Im Hause FAIR TO MIDLAND hat das vierte Album das Licht der Welt erblickt. Wer fürchtete, die der Sound der Band könne mit wachsendem Erfolg Gefahr laufen, weichgespülter zu werden, sei hiermit beruhigt: „Arrows & Anchors“ klingt komplex und obendrein fett produziert, Progressive mischt sich mit Alternative. Das Spektrum reicht von schon regelrecht brachialer Härte (wie das in den ersten Sekunden verräterisch ruhig beginnende „Rikki Tikki Tavi“, das plötzlich überraschend ein gefühltes Dutzend Gänge zulegt und von einem auf den anderen Moment dadurch völlig irre klingt) bis zu getragenerem, melodiösen Material wie „Short Haired Tornado“, „Coppertank Island“ oder das mit über zehn Minuten Spielzeit schon epische „The Greener Grass“. Die Trackliste täuscht ein wenig, da von den 15 aufgelisteten Songs 3 eher Intro-/ Interlude-Charakter haben, was aber nicht weiter stört, da schließlich trotzdem noch genug übrig bleibt. FAIR TO MIDLAND biedern sich eindeutig nicht an, sondern toben sich auf hohem Niveau kreativ aus.
Ich verstehe bis heute nicht, was viele Black Metal-Fans an den Kielern auszusetzen haben. Vielleicht ist es die Abkehr vom ach so „bösen“ Underground (dem ENDTSILLE spätestens mit ihrem 2005er Meisterwerk „Navigator“ entwachsen sind) in Kombination mit verstärkter Live-Präsenz auf „kommerziellen“ Festivals… man weiß es nicht. Dabei ist das inzwischen um GRAUPEL/GRAVEN/DESECRATION/Ex-NAGELFAR-Kreischer Zingultus, der hier einen erstklassigen Job macht, bereicherte Quartett (Iblis verließ die Band 2009) seiner Linie stets treu geblieben und hat es mit jedem Album geschafft, seinen Standard mindestens zu halten oder sogar, wie jetzt im Fall von „Infektion 1813“, noch zu steigern. Die Jungs haben ihren treibenden, mit minimalistischen Riffs und fast schon punkiger „Leck mich“-Attitüde unbändig nach vorne walzenden Stil weiter kultiviert und klingen anno 2011 nahezu völlig eigenständig. Und jeder der neun Songs ist eine Klasse für sich; von „Bloody H (The Hurt-Gene)“ (im Refrain höre nicht nur ich immer die Zeile „Yes, we can“ raus…) über das gnadenlose, für ENDSTILLE-Verhältnisse fast schon progressive Massaker „When Kathaaria Falls“ bis hin zum totalen Abschuss „Endstille (Völkerschlächter)“, das nur aus einem einzigen, monotonen Riffs besteht, das zehn Minuten lang akribisch wiederholt wird. Einen Text gibt es nicht, nur die Namen von grausamen Diktatoren der Weltgeschichte werden aufgesagt (auch Lars Wachtfels ist dabei) – ein unglaublicher Hammer, der fast schon Gedanken aufkommen lässt, ob MINISTRY jemals Black Metal gemacht hätten. Ein Meisterwerk, dieses Album!
Die Band hat einen Super-Namen. Die Band hat tolle Musiker. Und die Band hatte auch schon gute Alben. Na ja, sie waren immer schon überladen, beinahe bombastisch aber stets sehr fordernd. Dennoch bohrten sie stets das dicke Brett des technischen Death Metals mit kalten industriellen Klängen und künstlichen Keys. Mitunter münden die Skandinavier jetzt sogar in operettenhafte Sphären, wie bei „Summoning Majestic War", das zunächst klingt wie die Akte-X-Titelmelodie von Kraftwerk gecovert und mit Metal-Elementen angereichert. Dazu grunzt Kamerad Sandström fein, tief und voller Inbrunst. Es könnte also alles so schön sein im Hause des Hasses, passenderweise mit einer neuen Apokalypse, das vorletzte Stück „The Serpent Crowning Ritual“ groovt streckenweise sogar wie Sau Dass das Alsbum aber insgesamt weder groovt noch richtig geil ist, liegt mal wieder an den Frauen: Ruby Roque kommt aus Portugal – und redet, also singt zu viel. Denn mit ihrer durchaus brauchbaren, keineswegs schiefen Stimme überlagert sie alles, macht mit ihrer dominanten jegliche Atmos zur ihrer und damit zunichte. Für mich ganz persönlich wird das gesamte Album durch die Tante nahezu unhörbar. Wahrscheinlich empfinden das wohl die wenigsten Hörer genauso so extrem. Schade drum ist’s trotzdem.
Bleeding The New Apocalypse (Cum Victriciis In Manibus Armis)
KYLESA haben erkannt, dass der alte Spruch von doppelt und hält besser wahr ist. Vom Bass einmal abgesehen, haben sie alles in doppelter Ausführung am Start, wobei gerade die Live sehr geschickt platzierten Drumkits für mächtig Druck sorgen. Auf Platte kommt das nicht ganz zu so gut zur Geltung, „Spiral Shadow“ ist da keine Ausnahme. Trotzdem legen die beiden Herren an den Fellen immer noch ein sehr solides Fundament für die elf neuen Songs, die gehabt in der Schnittmenge von Stoner Rock, dreckigem Metal und Hardcore angesiedelt sind. Selten genug, dass die beiden unterschiedliche Sachen spielen, aber darauf ist der KYLESA-Sound auch nicht ausgelegt. Im Vergleich zum Vorgänger fällt auf, dass Sängerin Laura vermehrt auf ihre sanftere Tonart zurückgreift und die aggressiven Töne für ihren männlichen Counterpart freimacht, was ganz gut funktioniert. Beim Songwriting haben die Südstaatler ihre Nische gefunden, „Spiral Shadow“ hat ihre ganz eigene Mischung aus entspannt-doomigen Parts und Arschtritt-Momenten perfektioniert, so dass die 40 Minuten schnell vorbei sind, ohne irgendwann zu langweiligen. Mag das Konzept der Band begrenzt erscheinen, verstehen es die Herren (und die Dame) bestens, die Zutaten zu immer neuen, interessanten Mixturen zusammen zu bringen. „Spiral Shadow“ ist eine ehrliche, nach Schweiß riechende Scheibe, mit der KYLESA im Fahrwasser des BARONESS-Hypes gut fahren dürfte.
An den italienischen Industrial-Black Metallern ABORYM scheiden sich seit jeher die Geister; ein Umstand, den auch „Psychogrotesque“, das inzwischen fünfte Album der Band, nicht ändern wird. Durch exzessive Wechsel im Line-Up (unter Anderem gehörten schon MAYHEM´s Attila Csihar und DISSECTION´s Set Teitan zur Band) war es für Bandchef Malfeitor Fabban nahezu unmöglich, eine einheitliche Linie zu finden. Mit Bard G. „Faust“ Eithun, Paolo „Hell:IO:Kabbalus“ Pieri sowie einer Armada Gastmusiker im Gepäck wurde „Psychogrotesque“ eingetütet, das ebenfalls zwischen allen Stühlen sitzt. Auf Songtitel wurde ganz verzichtet, lediglich eine Nummerierung ziert das Backcover, aber eigentlich ist das auch Hupe, denn das Album wirkt sowieso am Besten am Stück genossen, auch wenn hier alles verkocht wurde, was gerade in der Küche war. Mal werden ein paar Minuten lang zu Synthie-Klängen italienische (glaube ich zumindest…) Spoken Word-Passagen eingefügt, dann regieren mal rasender Black Metal, Saxophon-Soli, Dance-Floor-Beats oder gotischer Bombast inklusive Chören. ABOYRYM bedienen irgendwie alles und jeden, aber doch wieder gar keinen, denn die experimentelle Auslegung des Albums dürfte den meisten Black Metallern (also der eigentlichen Zielgruppe) zu schwer im Magen liegen. Aufgeschlossene Naturen finden aber eine interessante, vielseitige und technisch sehr gut umgesetzte Scheibe vor, die keine Scheuklappen erlaubt. Und ich denke, die Band könnte mit ihrem Konzept echt abräumen, wenn sie ihre vielen Ideen in geordnete Bahnen lenken und gezielter auf den Punkt kommen würde. So lange bleibt die Musik von ABORYM zwar originell und durchaus sehr hörenswert, aber ebenso gewöhnungsbedürftig.
Mit „Absolute Design“ hatten die Schweden ENGEL einen Einstand nach Maß, auch wenn der ganz große Durchbruch noch nicht kam, was sich aber mit dem (schon seit einigen Monaten in Japan erhältlichen) „Threnody“ ändern könnte, sollte und dürfte. Die Combo um Niclas Engelin (Ex-IN FLAMES, GARDENIAN, PASSENGER) hat sich für die Scheibe bei Tue Madsen (DARK TRANQUILLITY, MOONSPELL, THE HAUNTED) im Studio verschanzt, der einen perfekt passenden modernen Sound kreiert hat. Stärker noch als beim Debüt haben sich ENGEL in die tanzbar-poppige Richtung begeben, was immer wieder an neuere IN FLAMES, aber ganz besonders an PAIN und beim Gesang an MARYLIN MANSON erinnert („Sense The Fire“). Brachial können die Schweden dabei immer noch zu Werke gehen, ihre Death Metal-Herkunft ist eben nicht zu leugnen („Six Feet Deep“), aber richtig wohl scheinen sich die Herren anno 2009/ 2010 in modernen Metal-Sounds zu fühlen, in denen gerade Shouter Magnus voll aufblüht und mit einem gekonnten Wechselspiel aus sanften und aggressiven Parts überzeugt. Zudem zielt das Songwriting voll auf Eingängigkeit und Pop-Appeal ab, was Magnus’ Stimme bestens umsetzen kann, so dass „Threnody“ am Ende eine überzeugende moderne Metal-Scheibe ist, die ein breites Spektrum an Fans ansprechen wird. ENGEL hätten es verdient, wenn sie mit diesem Album voll durchstarten würden, wo das doch schon ganz andere Bands mit schwächeren Werken geschafft haben.