Mit "Wistful" steht das zweite SYLVAINE-Album an, auf dem es mit ALCEST-Kopf Niege an den Drums einen prominenten Mitstreiter gibt. Angesichts des gelungenen Shoegaze-Sounds der Norweger ist die Beteiligung des ALCEST-Herrens wenig überraschend. Auf "Wistful" gibt es neben verträumten, melancholischen Shoegaze-Soundwällen immer wieder rohe Parts, die den Geist des Black Metals versprühen, wodurch die Herkunft des angesagten Sounds ins Gedächtnis gerufen wird.
Insgesamt wirken die Songs des Albums sehr von den persönlichen Erfahrungen der alleinigen Songschreiberin und Namensgeberin geprägt. Mal gibt es einen positiven Vibe, mal sind negative Gefühle beim Schreiben des Songs vorherrschend gewesen - so oder so, atmosphärisch dicht ist "Wistful" zu jeder Sekunde. "Delusions" ist fast schon klassicher Shoegaze und wird sehr vom Gesang dominiert, wohingegen "A Ghost Trapped In Limbo" folkig angehaucht daherkommt. Hier wird der Facettenreichtum SYLVAINEs deutlich, was mit dem rasanten Black Metal-Stück "Earthbound" als weiterer Kontrast unterstrichen wird. "Wistful" entpuppt sich als sehr verdichtetes Album, dessen vielen Facetten in den drei Beispielsongs deutlich werden und das seine Zeit beansprucht, eher der Hörer einen Zugang finden kann. Oder finden darf. SYLVAINE versteht es, Shoegaze und Black Metal zu einer organischen Einheit zu verschmelzen, ohne dass ein Bestandteil dominiert. "Wistful" ist ein forderndes, atmosphärisch sehr interessantes Album geworden - Freunde progressiver Klänge werden hier ihre Freude haben.
ROTTEN SOUND halten die Fahne des Grindcore schon eine gefühlte Ewigkeit hoch, ohne dass sich der Sound der Finnen abnutzt. "Abuse To Suffer" macht das mit seinen 16 Songs in nicht einmal einer halben Stunde deutlich. Zwar klingen die Drums - sowohl im Vergleich mit der Konkurrenz wie auch dem "Abuse To Suffer"-Vorgänger "Cursed" - etwas weniger präsent, aber das beeinflusst die Durchschlagskraft der Songs überraschenderweise zu keiner Sekunde. Wie kaum eine andere Grind-Band haben ROTTEN SOUND ein Gespür für den richtigen Mix aus gnadenlos-brutalem Gehacke und einem Gespür für Groove. Manchmal wird es schon fast tanzbar ("Time For The Fix"), um dann nahtlos in den totalen Abriss überzugehen. Bei "Slave To The Rats" überzeugt das Drumming, während "Machine" stellvertretend für die Abrisskommandos des Albums stehen kann. ROTTEN SOUND wissen, wie sie eine gelungene Grindcorescheibe schreiben und liefern ein mehr als überzeugendes Ergebnis ab. Auf den Punkt geschrieben, gespielt und geschrien. Von Alterserscheinungen keine Spur, ROTTEN SOUND stecken mit "Abuse To Suffer" jede noch so junge und vermeintlich vitalere Konkurrenz locker in die Tasche. (lh)
Seit nun mehr als vier Jahren definieren Nicholas McMaster und Lev Weinstein von KRALLICE den Death Metal neu. Schreddernde Gitarren-Riffs? Brachiales Tempo? – Fehlanzeige. GERYON lassen E-Gitarren einmal ganz außen vor, setzen auf Weinsteins heftiges Drumming und ersetzen die Gitarrenarbeit durch einen ziemlich krank akzentuierten Bass. Dadurch öffnen sich vollkommen neue Klang-Welten. Einige Post Metal-Passagen, spacige Auswüchse und die wirre, undurchsichtige Instrumentierung (und das mit nur zwei Instrumenten!) lassen das Duo klar in die Exoten-Zone rücken. „The Wound And The Bow“ wirkt ungewöhnlich kalt und abstract. Das Songwriting ist durchweg schwer verschachtelt, was „The Wound And The Bow“ zu keinem leichten Album macht. Gerade das dominante Bass-Spiel ist hier sehr gewöhnungsbedürftig. Punkten können GERYON durch das abwechslungsreiche Schlagzeugspiel, einige atmosphärische Parts („Lys“ und vor allem in „Dioscuri“) und wenn man so will durch ihren eigentümlichen Sound.
Ist die Welt im Hipster-Death Metal angekommen?
„The Wound And The Bow“ liefert die Antwort.
So kann es gehen: Olve Eikemo alias Abbath zieht sein eigenes Ding durch. Nachdem es mit Demonaz Doom Occulta und Horgh für ihn bei IMMORTAL nicht mehr funktionierte wagt der legendäre Meister seines Fachs den Erstschlag. Um Verwechslungen zu vermeiden veröffentlicht er dieses mal nicht unter „I“ sondern nennt seine Band gleich beim Namen. ABBATH. Das Artwork zeigt das kultige Corpsepaint des Sängers und auch der Titel der Scheibe gibt Hinweise um wen es sich hier handeln könnte: Richtig, “Abbath”.
Musikalisch gab es mit „Count The Dead“ (inklusive JUDAS PRIES-Cover“ im Dezember schon einen kleinen Vorgeschmack auf das Werk. Und tatsächlich klingen ABBATH ziemlich nach Abbath, IMMORTAL inklusive. Diese Kriegserklärung ist eindeutig, „To War!“ zeigt ordentlich Tempo. Creature alias Kevin Foley (BENIGHTED) und King (Ov Hell) (GORGOROTH) machen ihr Ding ausgezeichnet. Doch ABBATH können mehr als Tempo. Heavy Metal-Einflüsse machen sich hier immer wieder und vor allem in der Gitarrenarbeit bemerkbar, was ein wenig an „I“ erinnert. Das lockert das Ganze ein wenig auf und sorgt für Dynamik, hier gibt es einige Variationen. Das Tempo wird ab und an gedrosselt – was vor allem bei dem epischen „Winterbane“ sehr zu gefallen weiß. Doch auch „Ocean Of Wounds“ und „Root Of The Mountains“ wissen mit der gewissen Note Heavy Metal im Schwarzmetall zu gefallen. In „Fenrir Hunts“ und „Endless“ wird das Tempo angezogen, hier schimmert ein wenig MOTÖRHEAD-Liebe durch.
Große Innovationen braucht man auf „Abbath“ nicht zu erwarten. ABBATH macht hier genau das was er am besten kann und wofür man ihn schätzt. So können alte Abbath-IMMORTAl-I-Fans praktisch bedenkenlos zuschlagen.
THIS GIFT IS A CURSE haben 2015 nicht nur eine coole Split mit HEXIS rausgebracht, sondern mit "All Hail The Swinelord" ihr - nicht minder cool betiteltes - zweites Album veröffentlicht. Das kommt in der Vinylversion als Doppelscheibe daher und bietet gut 50 Minuten gnadenloses Crustgeballer mit Sludge- und Black Metal-Einschüben. Angesichts der Intensität, mit welcher der Schwedenhaufen zu Werke geht, ist das eine ziemliche Hausnummer an Minuten und so funktioniert die Chose live besser als auf Platte. Dabei gibt sich die Band alle Mühe, ihre Lärmattacke variabel zu gestalten und hat in den Black Metal-beeinflussten Parts ("We Use Your Dead As Vessels") und den Sludge-Momenten ("Rites") richtig gute Songs zu bieten. Leider geht das immer wieder in dann doch zu ähnlich klingenden Crust-Nummern unter, bei denen Gesang und Drums zu wenig Ideen haben. Da kann das Musikhören richtiggehend anstrengend werden. Beim Rausschmeißer "Askradare" blitzt noch einmal die in der Band schlummernde Kreativität auf, dann ist das Inferno vorbei. "All Hail The Swinelord" ist eine Platte mit Licht und Schatten, zeigt THIS GIFT IS A CURSE aber auf dem richtigem Weg. Wenn sie sich etwas vom zu eintönigen Crust hin zu Crust-meets-Sludge-meets-Black Metal bewegen, kann der Nachfolger richtig cool werden. Wer die Jungs bei einer Show sehen kann, macht sowieso nichts falsch, das ist Abriss pur.
KYLESA haben zwar in ihrer Karriere nie eine radikale Kurskorrektur vorgenommen, aber ihren Kurs immer zumindest leicht korrigiert. So sind ihre Alben facettenreicher geworden, ohne das KYLESA-typische zu verlieren. "Exhausting Fire" setzt das fort. Im ersten Moment überrascht die Platte mit - zumindest beim nicht-konzentiertem Hören - mit Songs, die einem gleichem Schema und einem gleichem Beat zu folgen scheinen. Dieser Eindruck mag durch die starke Betonung der Riffs und die Betonung der Sludge-Einflüsse - wie bei "Inward Debate" oder "Blood Moon" - zustande kommen; ganz gerecht wird er dem Album aber nicht. Denn KYLESA verstehen es, die Balance zwischen knackigem Metal und schleppendem Sludge zu halten. "Shaping The Southern Sky" hat somit genauso seinen Platz auf "Exhausting Fire" wie "Falling": wo Ersterer ordentlich Druck macht, ist Kandidat Zwei mit seinem Stoner-Einflüssen und fast schon entspannter Atmosphäre der passende Gegenpol. "Exhausting Fire" funktioniert so als Gesamtwerk und nimmt den Hörer schnell mit seiner Atmosphäre gefangen. Einzig der Gesang bleibt etwas hinter den Erwartungen zurück, trotz Zweistimmigkeit. Zu oft wird den gleichen Rhythmen gefolgt, wo mehr Ausdifferenzierung angebracht wäre. Das mindert den guten Eindruck, den KYLESA mit ihrer neuen Scheibe hinterlassen, nur wenig. "Exhausting Fire" ist eine feine Sludge-Scheibe geworden, mit der sich KYLESA gegen die starke Konkurrenz Marke BARONESS oder DOWN locker behaupten können werden. Kurs weiter beibehalten!
TSJUDER sind die Black Metal-Variante einer Band, die trotz guter Alben nie wirklich den Durchbruch geschafft hat. Vier Jahre haben die Norweger an "Antiliv" gewerkelt, ohne dass sie in dieser langen Zeit neumodische Einflüsse oder hippen Scheiß an ihren Black Metal ließen. Der ist gewohnt puristisch. Rasend schnell geht es schon beim Opener "Kaos" zu, womit die Ausrichtung der Platte gleich mal klargestellt wird. In ähnlich hohem Tempo geht es - bei weitgehendem Verzicht auf Melodien - weiter, egal ob beim treibenden "Norge" oder dem old schooligen "Slumber With The Worm". TSJUDER konzentrieren sich auf eingängige Riffs, die Betonung des bösartigen Keifgesangs und auf so viel Abwechslung, wie beim Old School Black Metal geht. Das Ergebnis überzeugt von Anfang bis Ende: "Antiliv" ist ein pechschwarzer Klumpen Hass. Genau so muss Black Metal sein. Das Können des Trios zeigt sich beim Schreiben einer rasend schnellen Black Metal-Platte, die in gut 45 Minuten kein einziges Mal langweilt. "Antiliv" ist jedem Black Metal-Fan an das eiskalte Herz zu legen, besser geht es in diesem Jahr kaum.
Der Avandgarde Metal-Import Nr. 1 aus Ungarn THY CATAFALQUE ist zurückgekehrt. Da Tamás Kátai, der seit „Rengeteg“ (2011) einzige Mann hinter THY CATAFALQUE, nach Edinburgh umgezogen ist, könnte man meinen seine Musik sei nun etwas weltlicher und greifbarer geworden. Tatsächlich hört man dem Werk die neue Heimat seines Künstlers aber nicht an: Ein in ungarischer Sprache gehaltenes Intro der Viktória Varga leitet „Sgùrr“ ein, bevor mit „Alföldi kozmosz“ ein Instrumental-Intro folgt und schließlich mit „Oldódó formák a halál titokzatos birodalmában“ der erste Song mit knapp fünfzehn Minuten Spielzeit.
Die Mischung ist hier so wirr und dennoch packend wie eh und je: Auf düsteres Gothic-Feeling, welches auch mal gerne elektronisch angehaucht daherkommt, folgt im nächsten Moment ungarische Folklore. Schließlich erhält der Schwarzmetall – gern auch untermalt von Flöten oder elektronischen Klängen – Einzug und die Fetzen fliegen. Dabei erschaffen THY CATAFALQUE eine unglaublich dichte und düstere Atmosphäre, die zwischen allen möglichen Stilrichtungen zu hängen scheint. Einige Interludes versuchen dabei einen zarten Übergang zu schaffen und die Atmosphäre zu bewahren, welche leider insgesamt allzu oft durch ziemlich abrupte Songenden ein Wenig in Mitleidenschaft gezogen wird. Doch das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau. Ansonsten ist es einfach faszinierend, wie gut sich Elektronische Beats, folkige Melodien und Black Metal zu einem Ganzen fügen können. In „Segùrr“ kann man sich verlieren.
Das Album wurde von 2012 bis 2014 in Schottland, Ungarn und Italien aufgenommen und von Ken Sorevceran (ABIGAIL WILLIAMS) gemastert. Es erscheint in einer sehr kunstvollen Digi-Book-Version mit vielen Photographien, welche die Stimmung der Musik wiederspiegeln. „Sgùrr“ ist ein düsteres Meisterwerk für aufgeschlossene Hörer. Fans von Bands wie SÓLSTAFIR, ARCTURUS, NEGURA BUNGET und GERM sollten hier unbedingt rein hören!
Season Of Mist nennt die Musik der Inselburschen SOLSTAFIR "Icelandic Heathen Rock Metal", ebenso hat sich der Begriff Breitwandrock gefunden, was beides deutlich macht, dass sich die Musik der Band einfachen Kategorisierungen entzieht.
Es ist Musik, die momentan gut läuft - und die Vinylvarianten schnell ausverkauft sein lässt, weswegen dieses Review relativ spät kommt, denn Mondpreise für bestimmte Varianten müssen ja auch nicht sein.
Auffälig ist auf "Ótta" der Wechsel zwischen erwartet überlangen und kürzeren, kompakteren Songs. Kürzer bedeutet hierbei nicht immer schneller gespielt; SOLSTAFIR haben sich auf diesem Album auf die epischen Anteile ihrer Musik besonnen und dafür den aggressiven, harten Teil zurückgehalten. Das an die Landsleute von SIGUR ROS erinnernde und das Album einleitende "Lagnaetti" ist dafür ein gelungenes Beispiel. Die Fokussierung auf epischere Songs und vor allem die sich daraus gewollt ergebende Atmosphäre wird von SOLSTAFIR auf sehr abwechslungsreiche Art und Weise in den Songs zelebiert. Ein roter Faden ist erkennbar, ohne dass sich in den Songs zu viel ähnelt. Beim Songwriting ist es SOLSTAFIR gelungen, die Songs zu einem großem Ganzem zu verbinden: “Lágnætti,” “Ótta,” “Rismál” und “Dagmál” lassen das Album sich langsam aufbauen, ehe es im Mittelteil mit “Middegi” und “Nón" gut zur Sache geht, gefolgt vom langsamen Abklingen in den letzten beiden Songs. Sehr gelungener Albumaufbau und atmosphärisch extrem dicht. Aðalbjörn Tryggvason macht mit seiner Stimme alles richtig und veredelt jeden Song, dabei präsentiert er sich extrem vielseitig. Bei den Instrumenten ist es faszinierend zu beobachten, wie viele Ideen in "Ótta" verarbeitet werden, ohne dass der Postrock-Breitwandsound verwässert wird.
SOLSTAFIR haben sich mit "Ótta" weiterentwicket, ohne sich zu weit von ihren Trademarks zu entfernen. Das Album bietet acht wunderschöne, atmosphärische Songs, mit denen die Isländer ihren Fankreis werden erweitern können. Richtig gutes Album - und wer nach einer bestimmten Vinylversion sucht, kann hier ohne Reue ein paar Euro investieren, die Musik ist es allemal wert!
Trotz derzeitiger Krisen-Zustände in der Ukraine lassen es sich DRUDKH nicht nehmen endlich ihre zehnte Full-Length rauszuhauen. „A Furrow Cut Short“ heißt das Album, welches sich nicht den aktuellen Unruhen im Lande, dafür aber der Thematik slawischer Freiheitskämpfe im zwanzigsten Jahrhundert verschrieben hat – und damit ungewollt ziemlich aktuell ist.
Düster und rauh, aber auch melodiös ist die Musik von DRUDKH. Rauher Black Metal, wie man ihn aus den Neunzigern und aus dem Norden kennt, trifft hier auf wirklich epische Melodien und den Spirit des Slawischen Landes. So wirkt „A Furrow Cut Short“ trotz immenser Kälte letztendlich warm – und ich muss unweigerlich, aufgrund des leicht paganen Einschlags und dem konsequenten Verzicht auf Klargesang und andere neumodische Gestaltungsmittel ein wenig an die Engländer WINTERFYLLETH denken – auch wenn diese um einiges folkiger zu Werke gehen, während DRUDKH den grauen Fels markiert. Erhaben sind wirklich die Melodien, die die Ukrainer hier und da und eigentlich beständig (nur gelegentlich von Blast Beats überlagert) in ihre Songs einfließen lassen. So hat jeder der sieben Songs seine eigene Leitmelodie, seine eigenen Höhepunkte und zieht einen in seinen Bann. So beherrschen DRUDKH die Fähigkeit, einen ohne wirkliche Höhepunkte doch überraschend gut zu fesseln.
Wer auf epischen Black Metal alter, nordischer Machart mit leicht pagan-folkigem Touch steht, der sollte hier mal reinhören. Gerade Fans von WINTERFYLLETH, SAOR und alten PRIMORDIAL sei das empfohlen.