Oberflächlich betrachtet ist die zweite GRAVEN ein Black-Metal-Album wie tausend andere. Das Cover ist schwarz weiß, die Gesichter angemalt, Totenschädel, umgedrehte Kreuze, krächzende Stimme, Gitarren, die für das ungeübte Ohr wie Rasierapparate klingen, ein bös-beruftes Label, pappiger Drumsound und überhaupt. Totaler evil-grim-bitten-frostig Black Metal aus der höllischen Tiefgarage? Ja. Aber mit einem kleinen Unterschied zu vielen anderen angefrorenen Satansdienern: GRAVEN ist eklig, aber gut. Die Gitarren klirren zwar, versetzen einen aber tatsächlich in geradezu höllische Stimmung, transportieren also jede Menge böses Feeling. Und manchmal kommen sogar schwarz-gewürzte Melodien heraus, die auch Immortal nicht besser gemacht hat. Natürlich sind GRAVEN (ohne Vargsang, aber mit Zingultus von den sagenumwobenen Graupel) viel old-schooliger als die norwegischen Megaseller. Dennoch entfernen sich GRAVEN nicht sooo weit von den Skandinaviern, denn trotz aller Underground-Trademarks sind auf dieser Scheibe so richtig gute Songs enthalten, vor allem im mittleren und langsamen Tempo bliebt viel im Ohr hängen . Und irgendwie schafft der Dreier um Kollegen Vronth das, ohne jegliche Trend-Anbiederung, hier regiert der echte Geist der frühen 90er. Darkthroner müssen reinhören, alle anderen Kaltblüter sollten es zumindest.
So langsam werden die Helden meiner Jugend zu Legenden. Legenden, die mindestens eine Generation geprägt und einen Musikstil entscheidend mitgeprägt haben und sich nach zehn oder mehr Jahren immer noch nicht angepasst haben. ENTOMBED, DISMEMBER oder eben SICK OF IT ALL gehören zweifellos dazu. Auf die neuen ENTOMBED-Scheibe müssen wir noch bis September warten, aber die New Yorker sind beinahe pünktlich zum 20. Geburtstag mit einer neuen Scheibe am Start. Natürlich hofft man bei SOIA dass sie sich nicht verändert haben und im Alter irgendwie ruhiger geworden sind. Aber ihre Shows 2005, sei es beim WFF, Pressure oder auf Tour, haben keinerlei Ermüdungserscheinungen der Koller Brothers und ihrer Minions gezeigt. Und die Energie, die sie immer noch haben und versprühen, konnten sie ins Studio tragen und auf CD banne. "Death To Tyrants" ist angefüllt mit fünfzehn erstklassigen Hardcore-Songs, die irgendwelche halb-Emo-Jungspunden zeigen, wie Hardcore aus New York zu klingen hat - schnell, direkt und trotzdem eingängig. Auf der ganzen Scheibe wimmelt es vor Ohrwürmer, die mit teils sehr politischen Texten den Standpunkt der Band klarmachen und zeigen, dass die Jungs mit offenen Augen durch die Welt schreiten. Man kann einfach keine Abnutzung bei SOIA feststellen, weder was die gnadenlos geile Gitarrenarbeit, das wie gewohnt ausdrucksstarke Organ Lou Kollers oder das hervorragende Songwriting angeht. SICK OF IT ALL können’s einfach und haben offensichtlich noch viel zu sagen - und keine Lust, aufzuhören oder Kompromisse einzugehen. "Let´s celebrate that we don´t give a fuck!" (Take The Night Off") - jau!
Seit 2002 treiben FIRE TRAILS, die unter Anderem aus (ehemaligen) Mitgliedern von VANADIUM und BEHOLDER bestehen, bereits ihr Unwesen. Auf "Third Moon" habe man sich laut Info eine Konzeptstory vorgenommen und eine Hauptfigur in den Mittelpunkt gestellt, von deren Höhen und Tiefen das Album handeln solle. Das klingt nicht sonderlich aufregend, wird jedoch musikalisch weit besser umgesetzt, als man vermuten würde. Stilistisch bewegen sich FIRE TRAILS irgendwo in der etwaigen, gemeinsamen Schnittmenge aus GRAVE DIGGER, RUNNING WILD oder REBELLION und setzen ihr Keyboard tatsächlich nur zur stimmigen Untermalung, denn zum Zukleistern vom letzten bisschen Restverstand ein. Zwar besitzen lange nicht alle Songs Erstligaqualitäten, ein paar echte Feger findet man aber sofort: den Banger "Fighter", die zähflüssige Hymne "Brave Heart", den lupenreinen Hit "Silent Heroes" (klasse!) oder den Stampfer "Stronghold". Auch der Rest des Materials fällt nicht groß ab, ist nur ein wenig unspektakulärer, wird jedoch sehr solide und ansprechend umgesetzt, wobei sich besonders Sänger Pino Scotto als kraftvoller, rauer, mitunter aggressiver Shouter outet, der kaum bis gar nicht schwächer tönt als ein Herr Boltendahl oder Kasparek. Wer also die oben genannten Bands schätzt, dürfte auch mit FIRE TRAILS keine Probleme haben, denn "Third Moon" geht als sehr hörenswertes Album durch!
Was ist es nur, das mir an der Musik der Schweden HOLIDAY WITH MAGGIE so gefällt? Ihr extrem melodischer Poppunk fällt bei mir eigentlich unter eine musikalische Kategorie, die ich nicht nur grundsätzlich nicht ausstehen kann, sondern die bei mir auch nach kürzester Zeit Brechreiz erregt. Und trotzdem packt mich auch ihr drittes Album von Anfang an, lässt mich in dessen Harmonien schwelgen und trägt mich an einen Ort, der sonnig, warm und unschuldig ist. Es müssen wohl die Melodien sein, die unwiderstehlich schön, ein bisschen melancholisch und gleichzeitig wunderbar einfach sind, verbunden mit diesem schlichten und leicht angeschrebbelten Sound. Zugegeben: Songs wie "From Sweden With Love" oder "Seventeen Days From Now" sind vielleicht ein bisschen zu schön geraten und bewegen sich hart an der Grenze zum Kitsch. Aber Ohrwürmer wie "Leaving The Lights On", "Mistakes And Accidents" oder das leicht NEW ORDER beeinflusste "Ghost World" halten perfekt die Waage zwischen rockigen Riffs und poppigen Harmonien und verströmen eine Atmosphäre irgendwo zwischen gute Laune und Wehmut. Und das sind die Songs, die einen nicht mehr loslassen und die nichts anderes sind als ein großartiger Sommer-Soundtrack. Es muss einem wohl wirklich gut gehen, damit man soviel Schönheit und Unbekümmertheit ertragen kann, sonst geht einem die Musik sicherlich schnell auf die Nerven. Aber mir geht´s grade ausgezeichnet - und deshalb lasse ich mich gerne hineinfallen.
Mit der letzten FEAR MY THOUGHTS-Scheibe bin ich immer noch nicht so richtig warm geworden, aber trotzdem ist die Band für mich eine der besten deutschen Metal(core)-Combos. Das sehen Century Media bekanntlich ähnlich und haben sich die Jungs ins Haus geholt. Let It Burn Records nahmen die Zäsur in der Bandgeschichte zum Anlaß, die ersten beiden (mittlerweile vergriffenen) Alben der Jungs auf eine Scheibe zu packen und dem interessierten Fan so die Möglichkeit zur Sammlungs-Komplettierung zu geben. Auf "Smell Sweet Smell" finden sich also die beiden LEB-Veröffentlichugnen "Vitriol" und das Debüt "23", verpackt in ein schickes buntes neues Artwork. Ich schätze mal, dass die beiden Alben auch noch mal neu gemastert worden, jedenfalls ist der Sound ober-amtlich. Zu ihren Anfangszeiten waren FEAR MY THOUGHTS noch deutlich metallischer und besonders beim Gesang richtig aggressiv. Die Gitarren hatten auch damals schon ordentlich melodische Riffs und das Songwriting war erstklassig, das beweisen Kracher wie "Words Can’t Express" oder das echt true-as-fuckige "Fear My Thoughts". Die Scheiben können sich locker mit aktuellen Veröffentlichungen messen und präsentieren FEAR MY THOUGHTS als eine Band, die schon immer viel Talent hatte. somit ist das Re-Release nicht nur für Die Hard-Fans interessant, sondern genenerell für jeden Death Metal-Fan lohnenswert.
"Grünspanmucke" mag in gewissen Kreisen des Hamburger Nachtlebens durchaus ein geflügeltes Wort sein. Und um diese Musik zu Hören geht man natürlich in ebendiesen Club in einer Seitenstraße der berühmten Reeperbahn, in den Club in dem auch die "Hörsturz" Parties zu Hause. Wer auf "Grünspanmucke" steht, für den ist die mittlerweile sechste "Hörsturz" Compilation die perfekte Musik zur Einstimmung ins Wochenende. Es ist die Mischung, die dafür sorgt ob man den "Hörsturz" liebt oder hasst. Nicht jeder kann zu den HIVES tanzen um Minuten später bei CALIBAN zu rocken um dann seine Gedanken bei TOMTE zu ordnen. Hörsturzler stehen auf Gitarrenmucke. Und das ist die einzige Schublade in die die Songs der beiden CDs passen. Die wirklich harten Nummern kann man an einer Hand abzählen, es überwiegen indieangehauchte Alternative Rocker - mal mehr oder weniger durchs Radio bekannt (BEATSTAKES "Hand In Hand", KETTCAR "Deiche"), einige aber auch völlig neu (PASSADEENA "Through Wind And Storm" und die Metaller BLOODSTAIN mit "Back To Reality"). Das "Mad World" Cover von EVERGREEN TERRACE macht Laune aber ist musikalisch wenig erbaulich, TURBONEGRO oder DANKO JONES sind live zwar noch besser aber beweisen natürlich auch auf Konserve ihre große Klasse. Etliche Tracks kommen mit deutschen Texten daher (erstaunlicherweise nur einmal mit Frau am Mikro) - einmal mehr ist also musikalische Toleranz gefragt. Wer Lust hat sich darauf einzulassen, hat die beste Erinnerung ans letzte Wochenende im Player - oder die Vorschau aufs nächste.
CD1
1 Beatsteaks - Hand In Hand
2 The Hives - Die All Right
3 Boy Sets Fire- Requiem
4 Evergreen Terrace - Mad World
5 Days In Grief - All Inside
6 Tomte Ich Sang - Die Ganze Zeit Von Dir
7 Nada Surf - Blankest Year
8 The Robocop Kraus - You Don´t Have To Shout
9 The Pigeon Detectives - I´m Not Sorry
10 Alterkicks - Oh Honey
1136 Crazyfists - At The End Of August
12 Caliban- The Beloved And The Hatred
13 Heaven Shall Burn - The Weapon They Fear
14JR Ewing - Change Is Nothing
15 Danko Jones - Baby Hates Me
16 Turbonegro - All My Friends Are Dead
17The Paddingtons - 50 To A £
18The Rakes - 22 Grand Job
19 Anti Flag - Turncoat
20 Pennywise - Bro Hymn Tribute
21 Agnostic Front - Gotta Go
CD2
1 Taking Back Sunday - Cute Without The E
2 Maximo Park - Apply Some Pressure
3 Bloc Party - Helicopter
4 Test Icicles - Circle. Square. Triangle. (James Ford Remix)
5The Sunshine Underground - Commercial Breakdown
6 Passadeena - Through Wind And Storm
7 Atreyu - Right Side Of The Bed
8 Ektomorf - I Know Them
9 Kettcar - Deiche
10 Olli Schulz & Der Hund Marie - Dann Schlägt Dein Herz
11 Moneybrother - Reconsider Me
12 Morning Runner - Gone Up In Flames
13 Waterdown - My Hopelessness And Me
14 Comeback Kid - Wake The Dead
15 Little Man Tate - The Agent
16 The Cribs - Martell
17 The Raveonettes - Love In A Trashcan
18 In Flames - Take This Life
19 Alexisonfire - Accidents
20 Bloodstain - Back To Reality 21 As I Lay Dying - Forever
Nachdem sich die New Yorker I FARM in den ersten Jahren ihres Bestehens mit eher phlegmatischen Labels rumschlagen mußten, haben sie für "IV" bei den deutlich aktiveren Go Kart Records unterschrieben, wodurch die Chancen steigen, dass die Platte die ihr zustehende Aufmerksamkeit bekommt. I FARM dürfte es mit ihrer Version des Hardcore auch nicht schwer fallen, einmal gewonnene Hörer an sich zu binden, dafür ist die Mischung aus old schooligen heftigen Parts und melodischen Einschüben zu Ohrschmeichelnd und ehrlich. Vergleiche mit SICK OF IT ALL kommen durch den ähnlich klingenden Gesang zustande und durch die ebenso wütend-eingängige Grundstimmung. Allerdings können I FARM auch deutlich melodischer, wie das leicht punkige "Rayuela" beweist. Überhaupt haben die Jungs viele Mitsing-Parts und machen die Songs von "IV" zu Live-Krachern. I FARM haben mittlerweile ihren eigenen Stil gefunden und werden sich mit dieser intelligenten HC-Platte ein hohes Maß an Aufmerksamkeit sichern - zu Recht, vollkommen zu Recht!
Die genialen Finnen, die für 90er - Meilensteine wie "Torcha!" "So Fine" oder "Big Bang" verantwortlich waren, treiben wieder ihr Unwesen! Ich gebe gerne zu, dass ich die Band nach ihrem genialen "Space Avenue" - Release von 1997 etwas aus den Augen verloren hatte, doch was mir hier mit "Blood Sample" in den Player geflattert ist, lässt meinen Glückshormonpegel stetig ansteigen. Die Jungs um Kärtsy Hatakka haben rein gar nichts von ihrem lebensbejahenden und chaotischen Charme eingebüßt und wirken jederzeit authentisch und stark wie in alten Tagen. Und diese Originalität erst: stilistisch grast man wieder alles ab, was moderne Rockmusik in zig Jahren zutage gefördert hat; neben melodischen, ultracoolen Gute - Laune - Nummern wie "Not Enough" (Killer!), "Never", "New York", "All Roads Will Lead To Rome" (genial!), "Shades To Grace" oder "Wide Awake" (geil!) stehen auf dem in zwei Teile aufgespaltenen Werk auch einige treibende, sehr Groove - orientierte und äußerst relaxte Knaller wie der Opener "Helsinki", die hiphoppigen (!!!) "I´m In Pain" und "Back To The Audio" (beide gewöhnungsbedürftig, outen sich jedoch als echte Hits), "Shades To Grace", "Aching Eyes" (Depeche Mode lassen grüßen…), "Darling Boy" (super!) oder "Julia". "Ogging Inside" geht dafür als astreine Billy Idol - Hommage durch, während bei "Exterminator Warheads" die blackmetallische (!!!) Keule geschwungen wird! Humor ist, wenn man trotzdem lacht, aber den musste man bei WALTARI sowieso schon seit jeher haben, wenn man diese Wahnsinnsband verstehen wollte. "Blood Sample" ist treffsicheres Songwriting auf allerhöchstem Niveau, denn in die knapp 80 Minuten Material haben sich kaum nennenswerte Schwachpunkte eingeschlichen. Höchst abwechselungsreich, durchdacht und letztlich einfach nur süchtig machend, haben die Finnen, pünktlich zu ihrem 20. Geburtstag, ihren zweiten Frühling in Angriff genommen! Hervorragend!!!
Was FLESHCRAWL für Deutschland, sind CASKETGARDEN für Ungarn: die fünfte Kolonne Schwedens, jedenfalls was Metal angeht. Zwei Jahre nachdem sie Kollegen Stepan zur Verzückung trieben, sind CASKETGARDEN mit "Open The Casket, Enter The Garden" zurück und haben sich nicht einen Millimeter vom Schwedentod entfernt, auch wenn diesmal die AT THE GATES-Einflüsse noch stärker geworden sind. Das liegt zum Einen am Gesang, den manch Unbedarfter für Tompa himself hielt und zum Anderen am Songwriting, das sich sehr am typischen ATG-Songaufbau orientiert. Da passt es, dass die Gitarren verdächtig oft bekannte Riffs und Melodiebögen zocken. Aber die Grenze zwischen Beeinflussung und Klauen ist eine schwierig zu definierende. Technisch ist bei den Ungarn alles im grünen Bereich und auch beim Songwriting haben sie alles richtig gemacht. Die 10 Songs sind ebenso melodisch wie brutal, halt so wie melodischer Schwedentod sein soll. Und wer einen Tompla-Klon am Mikro hat, der hat bei mir sowieso leichtes Spiel. Einzig das Fehlen eines richtig echtes Hits Marke "Blinded By Fear" ist zu beklagen, aber solche Songs haben selbst AT THE GATES nicht am laufenden Band geschrieben. Für Schwedenfans führt deshalb kein Weg an dem Silberling vorbei, auf ein neues ATG-Album können wir ja noch lange warten...
"Reset” ist einigen Fans vielleicht schon bekannt, handelt es sich doch um das vor einiger Zeit erschiene Demo der Kalifornier SET YOUR GOALS. Aufgepeppt mit einem JAWBREAKER-Cover ("Do You Still Hate Me") und einigen Videos und Impressionen der letztjährigen Tour der Combo kommt die Scheibe jetzt als erstes offiziell vertriebenes Lebenszeichen für nen Zehner in den Handel. Feine Sache, finde ich. SET YOUR GOALS bieten zwar keine großen Überraschungen, zocken ihren melodischen HC aber recht gut runter und haben einige nette Singalongs ("How ´Bout Now, Scott?") und Moshparts in petto, die live ohne Zweifel gut funktionieren werden. Der zwischen aggressivem Shouting und ein wenig an BLINK182 erinnernde cleane Stimme klappt auch ganz gut, so dass die sechs Songs angenehm im Ohr bleiben und man von SET YOUR GOALS einen guten ersten Eindruck zurückbehält. Für ein Debüt sehr gelungen. Fans von COMEBACK KID oder WITH HONOR können hier blind zuschlagen.