Steve Grimmett, im Laufe seiner Karriere immer mal wieder mit neuen Bands unterwegs gewesen, hat jetzt ein neues Projekt am Start, nämlich GRIMMSTINE. Mit von der Partie ist auch Gitarrist Steve Stine, dessen Gitarrenparts entsprechend jede Menge Platz eingeräumt wird, und die zusammen mit Grimmets charakteristischem Gesang das gesamte Album prägen. Geboten wird eine Art Mischung aus Heavy Metal und klassischem Hard Rock, deren Solidität außer Frage steht, aber auf Dauer mitunter irgendwie doch etwas eintönig wird. Aus dem druckvollen, nach einer Weile aber leider etwas monotonen Gitarrenfeuerwerk herauszustechen gelingt beispielsweise der Ballade "You´ll Never Know", bei der Grimmet zeigt, dass er eben nicht "nur" auf klassischen Hard Rock-Gesang machen kann, sondern auch das Zeug zu klasse Rock-Balladen mit Gesang in tendenziell etwas tieferen Tonlagen hat. "You Give Me Love" ist eine gelungene Mischung aus beidem, der Song rockt, gleichzeitig geht aber die Melodie weniger in den Gitarren unter als bei manch anderem. Fazit: keine große Überraschung, aber solide Handwerkskunst.
Noch eine Musikerversammlung, diesmal aus Australien. Unter anderem von Pestilential Shadows und Austere sind hier Mucker zusammen gekommen, um das fortzuführen, was bereits 1993 begann und mit „Totem“ 1995 erstmals eine Full-Length veröffentlichte: NAZXUL. Die unheimliche Black-Metal-Kapelle führt mit dieser Scheibe das Erbe des verstorbenen Gitarristen Greg Morelli fort – der übrigens auf ausdrücklichen Wunsch der Band immer noch Teil derselben ist. Die Fünft-Kontinentler machen Black Metal der bombastischen Sorte, verzichten nicht auf Keyboards, aber auf überdimensionierten Schmalz. Dabei versprüht „Iconoclast“ immer eine böse, wenn auch nicht allzu fiese Stimmung. Die Musik groovt einserseits ziemlich, liegt insgesamt irgendwo zwischen melancholisch und bedrückend. Hier ist wenig neu – klirrende Gitarrenkälte, ekligen Keyboard-Kleister und krächzende Vocal-Abscheu gab es in der Tat schön öfter, aber bei NAZXUL wirkt’s alles interessant und atmosphärisch – und das ist in der heutigen Zeit schon viel Wert. Das Album fesselt, ob man will oder nicht.
Die Dänen kramen wieder das Klischee von freier Liebe und langem Frieden, von lecker Marihuana und stinkenden Patchouli-Stäbchen aus der inzwischen verstaubten Schublade hervor. Hippies, Woodstock, Christiania, Hendrix, Led Zep, Bob Dylan. Bla fasel blubb. Die Damen und Herren von damals sind jetzt entweder bei den Grünen, auf Entziehung oder einfach nur spießig geworden, eine neue Generation wie HIGHWAY CHILD versucht, den Spirit von damals auf CD (auf dem Label namens Elektrohasch – sic!) zu fangen. Kann ja gar nicht klappen. Denn, wer damals dabei war und es wieder hören will, der kramt seine alte Scheiben wieder raus (falls er sie findet und den Schallplattenspieler noch verwenden kann) und hört die alten Helden. Denn da ist nichts augesetzt oder wirkt kalkuliert. Nicht, dass diese Band nicht ihren Blues hat, nicht, dass sie auch Country („Branded A Fool“) und Retro-Rock zu einer schlüssigen Mischung verquickt, aber wer steinigen, altmodischen, angebluesten Rock hören will, der ist mit den Doors und ihren Kollegen von damals wesentlich besser bedient. Wolfmother und Co? Nicht mehr anzuhören! Aber inwischen ist diese pyschedelische rockige Retro-Grütze ja sogar im Black Metal angekommen – und beliebt…
EVERY TIME I DIE haben sich seit „Hot Damn!“-Zeiten weiterentwickelt, weg vom extrem schrägen Core zu rockigeren Gefilden. Aber auch in den letzten Alben schwang immer ein gewisser Grad Wahnsinn mit, der so oft mit (musikalischem) Genie einhergeht und verhinderte, dass EVERY TIME I DIE eine belanglose Altherrencombo werden. „New Junk Aesthetic“ stellt das erneut unter Beweis und lässt Southern Rock auf Hardcore treffen, erweitert um die erwartete Dosis Beklopptheit. Herausgekommen sind EVERY TIME I DIE-typisch abgedrehte Nummer Marke „Turtles All The Way Down“ oder „Wanderlust“ (bei der Shouter Keith alle Register zieht), aber auch bitterböse Nummern wie der schwere Opener „Roman Holiday“. Es spricht für die Band, dass die Songs durchweg hörbar sind und fast alle auch Hitpotential besitzen und dem album so nie die Luft ausgeht. Dafür sorgen die wunderbare Gitarrenarbeit, die gleichermaßen rockig wie chaotisch klingt, aber immer nachvollziehbar bleibt, und Shouter Keith, der vom Psycho bis zum schmeichelnden Sangesknaben ein breites Spektrum hat und das voll nutzt. Würde aber alles nichts nützen, wenn EVERY TIME I DIE nicht auch begnadete Songschreiber sind, in deren Hirne sich wahnsinnige Idee an wahnsinnige Idee reiht, die dann im Kollektiv zu krachigen Songs verwertet werden. Ergibt ein verdammt gelungenes Album, auf das EVERY TIME I DIE stolz sein können!
Der dicke Mann von Finntroll ist wieder: Tapio just jetzt Basser und muckelt bei SURVIVORS ZERO. Zusammen mit Kollegen, die bereits bei Impaled Nazarene, Deathchain, Machine Men spielten, überredete er Produzent Sami Jämsén (Deathchain, Barathrum) zum Musizieren und gemeinsam lassen sie sich von Jonas Kjellgren (Trillionen Kapellen) produzieren. Wie das mit vermeintlichen All-Star-Bands so ist: Der Hörer vermutet dolle viel Rauch und recht wenig. Und in der Tat: Anfangs macht „999“ einen unspektakulären Eindruck. Mal wieder geht es um eine Mischung aus (melodischem) Death Metal mit Thrash-Einschlag, aber nicht zu modern. Älter In Flames, Arch Enemy und Co. lassen grüßen. Das Album ist aggressiv und durchaus groovig, das namhafte Team der Überlebenden weiß in allen belangen, was es macht. Das Album tut niemandem weh, ist aber gleichzeitig nicht tantig – es hat durchaus das überaus professionell eingetrümmerte Zeug zum Verkaufsschlager (relativ gesprochen) und ist allemal besser als Vergleichsformation der Marke Scar Symmetry. Und vor allem: Was anfangs beinahe langweilig wirkt, entwickelt sich entgegen der eigenen Vermutungen zu einem durchaus spannenden Werk, dem die geneigte Zielgruppe eine Chance geben sollte. All-Star-Band hin, Berechenbarkeit her…
CINDERELLA wurden von der Grunge-Explosion erwischt, bevor sie, was sie verdient gehabt hätten, richtig groß wurden. Die Band stand G’n’R oder auch SKID ROW nichts nach, die Mischung aus fetzigem Sleaze, Hard Rock, Heavy Blues und gefühlvollen Balladen, dazu Tom Keifers intensiver Gesang kam Live wie Hammer. Trotzdem war, auch aus bandinternen Gründen, Anfang der Neunziger an sich Schluss mit CINDERELLA. Und trotz Reunion-Versuche und Liveauftritten kamen die Amis aus Philadelphia nie mehr richtig in Tritt. Was der Fangemeinde blieb sind vor allem die ersten drei hervorragenden Alben - „Night Songs“ (1986), „Long Cold Winter“ (1988) und „Heartbreak Station“ (1990). Das dann noch 1994 erschienene Werk „Still Climbing“ zeigte dann CINDERELLA äußerst blueslastig. Unter dem Titel „Live At The Mohegan Sun” gibt es jetzt einen Auftritt der Band in Originalbesetzung mit Tom Keifer (Gesang und Gitarre), Jeff LaBar (Gitarre), Eric Brittingham (Bass) und Fred Coury (Schlagzeug) vom 21. Juli 2005 in Connecticut (die Location Mohegan Sun ist eines der größten Casinos der Welt). CINDERELLA war damals Headliner eines Packages mit RATT, QUIET RIOT und FIREHOUSE (wie geil muss das gewesen sein) und das Live-Album wird jetzt als Appetizer für eine 2010 geplante Europatournee veröffentlicht. Die Band powert sich durch Hämmer wie „Shake Me“ und „Push Push“, durch Hits wie „Night Songs”, „Gypsy Road”, „Don't Know What You Go”t und den No.1 Hit „Nobody's Fool” (hier hört man Tom Keifers Organ bis zum bersten) und natürlich gibt es auch das geniale „Fallin' Apart At The Seams“. Mit „Live At The Mohegan Sun” sollte sich jeder Fan gut gemachten Hard Rocks anfreunden können (die CINDERELLA Alben gehören eh’ in eine gut sortierte Sammlung) – schön das es die Combo noch/wieder gibt.
Konnte die ATROCITY-Nebenbeschäftigung LEAVES EYES mit ihrem Debütalbum „Lovelorn“ im Jahr 2004 noch einen wirklich guten Überraschungserfolg landen, so haben sich im Laufe der Jahre einige Abnutzungserscheinungen bei der von Alex Krulls Ehefrau Liv Kristine gefronteten Band bemerkbar gemacht. Selbst einem eigentlich kreativen Kopf wie Herrn Krull fällt es eben schwer, zwei Bands gleichzeitig- und wertig auf voller Flamme zu fahren, was sich im Songwriting unmissverständlich bemerkbar macht. Hat sich die einstige Hauptband ATROCITY schon zum reinen Coversongspielchen-Ensemble in die inspirationslose Parkposition bewegt, so lassen auch LEAVES EYES deutlich Federn in Sachen mitreißendes Songmaterial. „Njord“, das nach einigen EPs und zwei Langspielvorgängern dritte Album des Sextetts, kann daher nur sehr bedingt überzeugen. Man hat ständig das Gefühl, dass schwere Gitarren hier nur Beiwerk darstellen, das den unglaublichen Kitsch mühsam zu bändigen versucht. Zwar macht die gute Liv nach wie vor einen guten Job und dürfte ihre Fans nicht enttäuschen, doch dreht man mal spaßeshalber dem Keyboard den Saft ab, wird man erschrocken feststellen, dass die Stücke kaum etwas hergeben und nur von ihrer pompigen Fassade leben. Zwar lassen sich im opulenten Klangregen ein paar ganz hörenswerte Stücke wie die erste Single-Auskopplung „My Destiny“, das atmosphärische „Take The Devil In Me“ oder das flotte „Northbound“ ausmachen, doch Wände reißen auch diese Kompositionen nicht ein. Einen echten Klopper hat sich die Truppe jedoch mit der Coverversion von SIMON & GARFUNKEL´s „Scarborough Fair“ geleistet. Grundsätzlich gut angedacht, versuchen LEAVES EYES, diesen Jahrhundertsong in ihr Schmalzgerüst einzubinden, was gnadenlos nach hinten losgeht; da haben sich NEVERMORE/Warrel Dane mit dem Material der beiden Genies eindeutig besser angestellt. Zwar wird „Njord“ die Fangemeinde erneut ansprechen, aber von der Vorlage ihres starken Debüts haben sich LEAVES EYES endgültig entfernt. Und noch was: Alex Krull taugt als Background-Growler so viel wie Britney Spears als Gastsängerin bei IMMORTAL.
THIS IS HELL machen mit ihrer neuen EP einen weiteren Schritt nach vorne und stellen erneut unter Beweis, dass sie eine der ehrlichsten Hardcore-Bands sind, die zurzeit aktiv sind. Die fünf Songs der 7“ sind wieder einmal der Beweis, dass die Band um Schreihals Travis Wut und Aggression nicht nur musikalisch einzufangen vermag, sondern diese Gefühle auch wirklich in sich trägt und das nicht nur als Image vor sich her trägt. „Warbirds“ beginnt mit einem kraftvollen Opener, der gerade raus ist und bis auf das Thrash-Solo keine Überraschungen bietet, dafür geht der im Anschluss kommende Titelsong mit etwas mehr als einer Minute old schoolig-authentisch über die Bühne. „Woship Syndrome“ ist das genaue Gegenteil und fast schon eine kleine Hymne (mit verdammt melodischer Gitarenarbeit) und läutet den zweiten Teil der Scheibe ein. Da wäre zum einen die arschcoole THIS IS HELL-Version von „Crazy But Not Insane“, mit der die New Yorker zeigen, dass ihnen guter alter Hardcore einfach liegt; zum anderen „Never Tear Us Apart“ (INXS), das in eine bösartigen HC-Song umgewandelt wurde. THIS IS HELL verstehen es, ihr Potential zu nutzen und sind eine der Bands, die hoffentlich noch lange im HC aktiv bleiben und viele weitere EPs in „Warbirds“-Qualität raushauen. Für Fans der Bands eh’ ein Pflichtkauf, muss sich jeder, der auf aggressiv-wütende Musik steht, dieses Stück Vinyl sichern.
In geselliger Bierrunde kam bestimmt schon bei manchen Metalheads die Frage auf, wie METALLICA wohl heute klingen würden, wenn Dave Mustaine die Band nicht schon in den Anfangstagen verlassen, sondern bis heute das Songwriting der Multimillionäre bereichert hätte… die Antwort versinkt irgendwo zwischen Bier Nummer zwölf und dreizehn. Fakt ist, dass MEGADETH spätestens seit Ende der 80er die musikalischere, technisch deutlich bessere und kompromisslosere Band sind. Daran ändern auch ein paar etwas schwächere Alben wie „Cryptic Writings“ oder „The World Needs A Hero“ nix. Wieder mit Producer Andy Sneap neben Davey selbst an den Reglern und unter Anderem mit Gitarrengott Chris Broderick (der schon NEVERMORE und JAG PANZER durch sein grandioses Spiel bereichert hat) als Verstärkung, ist das neue Werk „Endgame“ noch eine Ecke besser ausgefallen als die beiden wahrlich schon nicht üblen Vorgänger „The System Has Failed“ und „United Abominations“. Das Album knüpft qualitativ sogar an die frühen Meisterwerke der Band an und erinnert oftmals an beste „Rust In Peace“ oder „Peace Sells…“-Zeiten. Schon das vor geilen Gitarrenmelodien nur so strotzende Intro „Dialectic Chaos“ weist den Weg: mit „This Day We Fight“ (einer der aggressivsten MEGADETH-Songs seit Ewigkeiten!), dem Stampfer „44 Minutes“, dem typisch verwinkelten „Bite The Hand That Feeds“, dem etwas an „Symphony Of Destruction“ erinnernden „Bodies Left Behind“, dem Ohrwurm-Titelsong, dem halb balladesken und orchestralen „The Hardest Part Of Letting Go… Sealed With A Kiss“, dem rohen „Head Crusher“ oder dem sich nach und nach steigernden Abschluss „Nothing Left To Lose“ befinden sich etliche sehr geile Stücke auf „Endgame“, die besonders im Gitarrenbereich zum absolut Besten gehören, was im traditionellen Sektor seit Langem veröffentlicht worden ist. Dave Mustaine ist immer noch ein begnadeter Songwriter und markanter Sänger, auch wenn man seinen rotzigen Sprechgesang (den ich persönlich immer noch klasse finde!) natürlich nicht mögen muss. Au weia, jetzt kommt das Fazit, das sicher wieder zig Kommentare mit sich ziehen wird: ja, „Endgame“ mag objektiv vielleicht nicht die bessere Platte sein als „Death Magnetic“ (das wage ich schon gar nicht mehr zu beurteilen), aber sie ist fraglos die musikalischere und instrumental versiertere. Und ja, der ignorante und ahnungslose Autor zieht sie dem Konkurrenzprodukt eindeutig vor!
Im Zuge des neuen ILLDISPOSED-Albums „To Those Who Walk Behind Us“ veröffentlichen Massacre Records die beiden seinerzeit bei Roadrunner erschienenen Meisterwerke “1-800 Vindication” und “Burn Me Wicked” aufs Neue. Der Nachfolger des grenzgenialen 2004er Werks „1-800 Vindication“ wurde im Nachhinein von den Fans etwas zwiespältig aufgenommen. ILLDISPOSED verwendeten die selben Zutaten wie auf dem Vorgänger, gingen jedoch bei der Ausführung noch einen Schritt weiter. Mehr Bombast (einige der Songs wurden von MERCENARY´s Mikkel Sandager grandios eingesungen) und Mut zu (beim ersten Hören wohlgemerkt) nicht ganz so eingängigen Songs wie auf dem Vorgänger wurden einerseits honoriert, andererseits aber auch stark kritisiert. Während Leute wie der Autor dieses Album auf eine Stufe mit „1-800 Vindication“ stellen, mögen andere Fans „Burn Me Wicked“ überhaupt nicht. Dabei sind bis zum Exzess g.r.o.o.v.i.g.e. und h.y.m.n.i.s.c.h.e. Songs wie „Shine Crazy“, „Case Of The Late Pig“, „Our Heroin Recess“, der Titelsong oder die obergeile Bandhymne „Illdispunk´d“ auch rückblickend, mit über drei Jahren Abstand zur Erstveröffentlichung, echte Perlen, die die große Songwritingkunst von Kreativkopf und Gitarrist Jakob Batten einmal mehr offenbaren. Auch wenn „Burn Me Wicked“, ebenso wie sein Vorgänger, in jede geschmacksichere Death Metal-Sammlung gehört, ist vorliegender Re-Release (der ebenfalls zwei nette, aber verzichtbare Live-Bonustracks enthält – „Dark“ von „1-800 Vindication“ sowie „Weak Is Your God“ von „The Prestige“) wieder nur etwas für Leute, die die Originalveröffentlichung nicht besitzen. Aber diese müssen zuschlagen!