Eonian Records liefern mit SWEET SYBIL wieder mal Stoff aus den guten alten Tagen als sich in den Staaten noch Hard Rock und Alternative Mucke die Waage hielten und die Clubszene boomte. Von 1988 bis 1992 waren die Jungs aus Chicago in der Hard Rock / Sleaze / Hair Spray Ecke unterwegs und durften dabei u.a. für Acts wie EXTREME, KING’S X, ENUFF Z’NUFF und gar ALICE IN CHAINS eröffnen. Half alles nichts, richtig in die Gänge kam man nie. Denn obwohl Songs wie das groovende „#69“, das schon in Metal-Gefilden wildernde „Downtown Suicide“ und auch das melodisch eingängige „Someone In Your Eyes“ Potential zeigten kann man über die Leistung von Sänger Sami S. durchaus geteilter Meinung sein. Klingt er auf den ersten Hör noch sehr eigenwillig und markant (stärker näselnd als Mike Tramp, ex-WHITE LION), so offenbart er gelegentlich auch noch eine gewisse Schwachbrüstigkeit. Ein Manko welches die an sich guten Kompositionen nicht immer abdecken können. Demzufolge blieb der große Erfolg aus – die rollende Grungewelle gab SWEET SYBIL dann wohl den Rest. Den Bandnamen verdankt man übrigens einem Missverständnis – bei einem Bandcontest Ende der 80er wurde man irrtümlich als SWEET SYBIL vorgestellt, an sich der erste Titel der Setlist. Das brachte dann wohl auch Glück, den Contest gewann das Quartett und den Namen behielt man kurzer Hand bei. Für Freunde alter Sleaze und Hair Spray Mucke könnte die Zusammenstellung der SWEET SYBIL Historie (eine 6-Song EP von 1991, 2 Songs von einer 1992er Kompilation, ergänzt um eine Neuaufnahme aus 2009, „You & I“), welche klangtechnisch in Ordnung geht und mit einem schönen Retro-Cover daherkommt trotzdem was für die Raritätenecke sein.
Mann, was für ein Brett! TRUPPENSTURM, das Ein-Mann-Projekt von Vangard von Rimburg (der auch bei KERMANIA und ABUSUS lärmt), stammt aus der erstklassigen, nordrhein-westfälischen Dunkelstahlschmiede Wod-Ván, der auch etwa DESECRATION, GRAUPEL oder VERDUNKELN entspringen und deren Ursprung seinerzeit die Referenz-Black Metaller NAGELFAR bildeten. Nicht umsonst tauchen viele Mitglieder in verschiedenen Bands dieses Zirkels auf; zum Bleistift ist Meilenwald (THE RUINS OF BEVERAST) unter Anderem Live-Drummer dieser alles zermalmenden Combo. „Salute To The Iron Emperors“ ist völlig unpolitisch, aber in musikalischer Hinsicht radikal, wie Black Metal nur sein kann. Dumpf, sehr basslastig und mit hohem Vollgasanteil, hat man stellenweise das Gefühl, als wollten sich BOLT THROWER an einem schnellen, abgefuckten Schwarzmetallwerk austoben. Schöngeister machen besser einen Bogen um diese Band, die hier eine der fiesesten Scheiben der letzten Zeit eingetrümmert hat, die selbst gestandenen Genre-Fans Einiges abverlangt. Wenn auch rein stilistisch etwas anders geartet, steht „Salute To The Iron Emperors“ locker auf einer Kompromisslosigkeitsstufe mit etwa „Panzer Division Marduk“ oder „We Are War“ und ist für klangliche Extremisten eine grandiose Pflichtübung!
SISTER SIN hatten in 2008 mit ihrem Debüt „Switchblade Serenade“ für ein dickes Ausrufezeichen gesorgt und durften also nicht umsonst mit ARCH ENEMY und MOTÖRHEAD auf Tour. Sängerin Liv SIN und Konsorten kultivieren ihren Retro-Metal zwischen Sleaze und in die Fresse auf „True Sound Of The Underground“ weiter und liefern ein nicht minder gelungenes Zweitwerk ab. Flotte Abgehnummern welche auch noch ins Ohr gehen wie „24/7“ (im Original von uns UDO) und „The Times Aren't A-Changing“ überzeugen ebenso wie die harten Banger „BetterThan Them“ und „I Stand Alone“ – aber auch ansonsten bewegen sich die 11 Songs auf gleichermaßen hohem Niveau. Und wie gehabt geht das schwedische Quartett dabei ohne Keys und Spielereien straight ahead. Wer also auf gut gemachten 80er-Metal der Marke SKID ROW, TWISTED SISTER und den CRÜE steht, mit kräftigen weiblichen Vocals keine Probleme hat und dabei noch Wert auf hart melodisches legt der liegt bei SISTER SINs „True Sound Of The Underground” sicher goldrichtig.
Auf ganz ähnlichen Pfaden wie die Landsleute VADER (mehr) und BEHEMOTH (weniger) bewegen sich auch LOST SOUL, die seit 1991 ebenfalls dazu beigetragen haben, diesen „typisch polnischen“ Stil im Death Metal zu etablieren. Dabei hat man aber stets den Eindruck, dass die Verlorenen Seelen speziell der erstgenannten Referenzband immer einen Schritt hinterher sind. Auch „Immerse In Infinity“ klingt wie eine leicht schwächere Variante von „Litany“ oder „Revelations“, auch wenn die Jungs um Gitarrist und Sänger Jacek (der auch ähnlich klingt wie VADERs Peter…) rein objektiv einen sehr guten Job machen. Mit der Präzision eines polnischen Uhrwerks (vermutlich eines Schweizer Uhrwerks, das mal in der Schweiz abmontiert und nach Polen „exportiert“ wurde) haut sich das Quartett durch technisch erstklassige Dampframmen wie „Personal Universe“, „216“, aber auch etwas relaxteres, grooviges Material wie „…If The Dead Can Speak“ oder das superbe, fast schon doomige, komplexe „Breath Of Nibiru“, die allesamt keine Fragen offen lassen. Der einzige Haken an dem Album ist und bleibt eben die Tatsache, dass man hier scheinbar irgendwie „VADER light“ heraushört, denn auf deren Kompositionslevel sind LOST SOUL bislang noch nicht ganz angelangt. Ok… ganz so groß und unüberwindbar wie bei AIRBOURNE und AC/DC ist der Qualitätsgraben nicht, aber ein kleiner Beigeschmack bleibt am Ende doch.
TAPROOT gibt e simmer noch, auch wenn sich die Amis in ihrem Heimatland deutlich mehr Aufmerksamkeit erfreuen können als in Europa. Das hält Victory Records und sie aber nicht davon ab, die neue Scheibe „Plead The Fifth“ auch hierzulande zu veröffentlichen. Und es klingt noch alles wie zu Anfang des Jahrtausends, als sie zusammen mit LIMP BIZKIT und SYSTEM OF A DOWN in den USA für Furore sorgten. Wie nicht anders zu erwarten sind die Songs Radio-kompatible drei bis vier Minuten lang, bedienen sich des laut/leise-Schemas und haben fast durchweg catchy Refrains. Der Gitarrensound ist fett und heftig, schön KORN-like und damit genauso, wie es im New Metal sein sollte. Dabei versuchen TAPROOT, nicht zu soft zu werden, weswegen sie den meisten Songs eine gesunde Härte verpasst haben, selbst den potentiellen Auskopplungen „911Ost“ oder „Fractured Everything“ – New Metal-Fans wird’s freuen, Neueinsteiger und Alternative-Fans eher zu heftig sein. Fragt sich, auf welche Verkaufszahlen TAPROOT aus sind, die Mega-Seller-Zeiten dürften vorbei sein, was die Besinnung auf harte Songs als ehrliche Entscheidung erscheinen lässt.
Hach, die Achtziger verantworten nicht nur das Ozonloch und die Verbreitung von Schulterpolstern, sondern sie hatten auch ganz nette Seiten. Wie zum Beispiel die Serie Miami Vice, die momentan wiederholt wird, und Bands wie CHARLOTTE. Die klingen nicht nur 1:1 wie aus den 80ern ins heute gebeamt, die Platte ist es auch. Die Songs auf "Medusa Groove" wurden zwischen 1988 und 1992 in Los Angeles und Hollywood aufgenommen und hören sich an wie POISON mit Eiern, B-Seiten der GUNS'N'ROSES oder "7800° Fahrenheit" von Bon Jovi ohne Jon Bon Jovi. 20 Jahre später sind die Angaben der Band nicht mehr verifizierbar, aber klingen durchaus nachvollziehbar: CHARLOTTE wollten sich angeblich nicht verbiegen und nicht noch eine Tonne Haarspray in die Ozonschicht pusten, nicht noch eine verzuckerte Ballade aufs Album packen und waren damit für Plattenfirmen, die nach dem nächsten fetten Glamrock-Act suchten, nicht vermarktbar, selbst wenn die Band in Clubs wie das Whisky-A-Go-Go oder The Troubardour in Hollywood gebucht wurde. Ihrer eigenen Aussage nach war ihr Ziel "to put the voodoo back in rock'n'roll". Gucken wir im Jahre 2010 auf Album und Band, hört sich das alles natürlich nicht sonderlich gefährlich an. Gleichwohl können CHARLOTTE Balladen schreiben, aber nur eine echte akustische Ballade hat es mit dem herzerweichenden "Changes" auf das Album geschafft. Viel wahrscheinlicher waren CHARLOTTE einfach zur falschen Zeit am falschen Platz, denn die Grunge-Welle hatte zum Zeitpunkt der letzten Aufnahme bereits selbst erfolgreiche Bands aus dem Sektor des Dauerwellen-orientierten Hard Rock von der musikalischen Landkarte der USA einfach herunter gespült. Und CHARLOTTE ebenfalls, denn Mitte der Neunziger löste die Band sich auf. Die Veröffentlichung von "Medusa Groove" ist wahrscheinlich ein Testballon für eine mögliche Reunion - die dann vom Erfolg des Albums abhängt. Also: Taugt "Medusa Groove"? Bedingt. Für diese Art von Musik sind einfach zu wenig "echte" Hits auf dem Album versammelt, auch wenn mit dem Titelsong, dem eben schon erwähnten "Changes", den Uptempo-Nummern "Siren" und "Little Devils" mehrere gutklassige Stücke vereint sind. Geeignet ist die Platte auf jeden Fall als Soundtrack für GTA-Spieleabende, Miami-Vice-Mottoparties, und alle, die ihrer Bluesrock-Sammlung noch etwas Originelles hinzufügen wollen.
WE ARE WOLF haben mal unter dem Namen EAT UNDA TABLE Musik gemacht, dann aber aus “künstlerischen Gründen” einen Neustart unter dem jetzigen Namen gemacht. „Aeons“ ist also ein Quasi-Debüt, auch wenn die Combo dahinter schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, was dem Album zu jeder Sekunde anzumerken ist, da sitzt einfach alles und ist auch die Produktion routiniert gut geworden. Vor ihrem Wechsel haben WE ARE WOLF fleißig NEAERA gehört, anders lassen sich die frappierenden Ähnlichkeiten bei Gesang, Songaufbau, Gitarrenarbeit und Produktion nicht erklären, mit Zufall hat das nichts zu tun, denn so blind und taub können die Bonner sich nicht geben – Aber besser gut geklaut als schlecht selber gemacht, nicht wahr? In dem Sinne ist „Aeons“ eine gute Platte geworden, die druckvollen Metalcore mit Death Metal-Kante bietet, von Anfang bis Ende Druck macht und handwerklich einwandfrei ist. Zwar haben WE ARE WOLF keinen Übersong geschrieben, aber als Gesamtwerk funktioniert ihr Erstling sehr gut, sofern die kleine nörgelnde Stimme im Hinterkopf ausgeschaltet werden kann.
Catchy Refrains und cleanen Gesang hatten THIS OR THE APOCALYPSE auf ihrem Lifeforce-DEbüt “Monuments” nicht nötig, um den geneigten Hörer zu überzeugen, zu gut war ihre technische anspruchsvolle Metalcore-Spielart auch ohne diese Zutaten. Auf „Haunt What’s Left“ hat sich das geändert und ist der Drang nach Massenkompatibilität scheinbar stark genug geworden, um sich Nummern wie „Subverse“ auf den Leib zu schreiben: klarer Gesang, KILLSWITCH ENGAGE-Gitarrenarbeit und kaum etwas von dem Wahnsinn, der „Monuments“ so gut machte. Ok, ganz zurückgenommen haben sich die Herren beim Einsatz ihrer MESHUGGAH-Einflüsse nicht, aber diese sind viel zu stark in den Hintergrund gedrängt worden, zugunsten eines anno 2010 soliden, aber zu sehr auf Nummer Sicher gehenden Songwritings, das so gut wie keine Überraschungen mehr bereit hält. Ein Schelm, wer sich fragt, wie groß der Einfluss der beiden Produzenten Josh Wilbur (ATREYU, AVENGED SEVENFOLD) und Chris Adler (LAMB OF GOD-Drummer) dabei war, denn genau nach deren Handschrift klingt „Haunt What’s Left“. Kurzum: wer auf eingängigen Metalcore steht und neuere KILLSWITCH ENGAGE und LAMB OF GOD abfeiert, ist hier richtig. Wer auf eine Fortführung des relativ mutigen zweiten Albums gehofft hatte, wird von THIS OR THE APOCALYPSE enttäuscht.
PLACENTA hatten nach den Aufnahmen zu ihrem Album entweder noch Songs in petto oder sind fixe Songschreiber, anders lässt sich die kurze Spanne zwischen „Fixed Action Pattern“ und der „Brutalis“-EP nicht erklären. Fünf Songs haben die Berliner draufgepackt, in denen sie sich weiterhin auf dem SUICIDE SILENCE/ BRING ME THE HORRIZON-Pfad unterwegs zeigen, wo sie eine gute Figur machen. Technisch ist das neue Material noch einen Ticken komplexer als die in der Hinsicht schon krassen Sachen von „Fixed Action Pattern“ – insbesondere beim Gesang haben PLACENTA noch eine Schippe draufgelegt. Selbst die Breakdowns passen und sind nicht wie bei vielen anderen Bands aus der Ecke unsinnig platzierte Stilmittel („Trendcutter“). PLACENTA sind um Abwechslung bemüht, wodurch sie nicht vor überraschend genutzten Mitteln wie Gangshouts („Trendcutter“) oder die immer wieder wechselnde Gitarrenarbeit, die sich nicht auf stumpfes Schema F limitieren lässt. Unter dem Strich, dem berühmten, ist „Brutalis“ eine saugute EP geworden, die auch Produktionstechnisch mit den Genre-Größen mithalten kann und somit für Fans genannter Bands ein Muss ist.
Die kanadische Metaller von DERAILED um Bandleader Dean Boland warten mit einem echt fetten Promo-Auftritt auf. An Selbstbewusstsein scheint es den Jungs also schon mal nicht zu fehlen. Dass das Cover dies nicht ganz halten kann ist eher nebensächlich, schmälert aber erst mal den oberflächlichen Eindruck. Also rein damit. Nach einem mal wieder nutzlosen 1-Minuten Intro wird erst mal demonstriert das man ganz toll Gitarrenspielen kann, auch die Gitarreriffs machen Spaß – aber kompositorisch ist „Adrenaline“ eher Massenware. Ganz anders bei den beiden folgenden Tracks. Der Bandsong „Derailed“ hat eine deutliche METALLICA-Affinität was Riffing und Stimmlage von Sänger Johnie Sin angeht (und das zieht sich durch das ganze Album), Eigenständigkeit ist hier weniger, dafür macht der Song aber trotzdem was her. Vieles bei DERAILED klingt nach Hetfield-Light bis MEGADETH; nach Thrash-Anleihen, versehen mit melodischen 80er-Metal und ruhigen Passagen sowie öfters mal nach rockenden Nickelback Zitaten. Der folgende Titeltrack „Judgement Day“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie der Vorgänger und animiert zum steten Mit-Bangen. Recht stark dann die Songs im Mittelteil der Scheibe (das treibend eingängige „Rush“ – bester Songs der CD, das fast schon Balladen-mäßige „I’d Love To Change The World“ und der Mid-Tempo Rocker „Skinned“) bevor es nach hinten raus leider doch schwächer wird. So darf man der Band aus Calgary mit „Judgement Day“ sicherlich ein gutes Album attestieren, das aber vor allem auch Potential zeigt, das nicht immer ausgeschöpft wurde.
DERAILED aus Kanada wurden 2008 gegründet und legen mit „Judgement Day“ ihre Debut Scheibe vor. „Judgement Day“ bietet soliden Heavy Metal der seine Wurzeln bei Bands ala Rush, Kings X oder Judas Priest hat. Leider fällt mir an der Scheibe schon was auf, bevor ich den Silberling überhaupt in den CD Player lege. Das Cover der Scheibe ist nicht gerade der Hit. Es hat allerbestens Hinterhof Qualität und kommt diletantisch rüber. Nach den ersten Stücken fällt mir auf, dass mich der Sound auch und vom Sofa bläst, er kommt zum großen Teil drucklos daher. Musikalisch legen die Kanadier nach einem langatmigen Intro dann gleich mal richtig los. Wurde auch Zeit. Schwerpunktmäßig liegt das Hauptaugenmerk bei DERAILED auf deren Gitarrist, Songwriter, Producer und Bandleader Boland, der auch ordentlich das ein oder andere Klasse Solo aus der Hüfte zaubert. Echt cool, da das ein oder andere Solo schon ein wenig an alte MEGADETH Platten (Rust In Piece oder Piece Sells...) erinnert. Leider bleibt aber auch festzuhalten, dass keiner der Songs auf „Judgement Day“ so richtig sticht. Auch wenn bei „SHINE“ versucht wird, spielerisch ein bisschen in die Trick-Kiste zu greifen und die VICIOUS RUMORS Keule raus zu holen. Schade, das so was nicht durchgängig gelungen ist. Zusammenfassend kann man festhalten, dass DERAILED mit „Judgement Day“ in Ansätzen zu gefallen wissen, denn der kanadische vierer beherrscht seine Instrumente, keine Frage. Andererseits zieht der Sound und zu viele charakterlose Stücke die Scheibe runter. Jeder der auf True Old Heavy Metal steht, wird an den Songs von DERAILED gefallen finden. Potential ist vorhanden, mal abwarten was draus wird. (ah)