Die Offenburger Band THE WILD DOVES trat im September 2005 den weiten Weg vom Schwarzwald bis nach Köln an, um dort mit Paul Dumbell in dessen Burning Ear Studios ihr Debüt aufzunehmen. Sämtliche Songs wurden innerhalb von 10 Tagen in die Kanäle geprügelt, und das hört man dem Album auch an. Positiv gesagt: Der punkige Rotz-Rock des Fünfers klingt absolut authentisch, roh, ungeschönt und nach viel Spaß und Bier. Negativ gesagt: Letzteres sollte man wohl in ausreichendem Maße zu sich genommen haben, um zu der Musik abgehen zu können. Nüchtern wirken der Sound dann doch zu Garagen-mäßig, die musikalischen Fähigkeiten der Jungs etwas zu unausgereift und die Songs zu eintönig. Im Vollrausch dürfte man dazu aber bestens abfeiern können - hymnische Mitgröl-Refrains sind jedenfalls mehr als genug vorhanden.
FELSKINN-Kopf, -Gründer und -Sänger Andy Portmann hat schon eine ganze Menge Musikgeschickte miterlebt. Nicht nur hat er schon für diverse Schweizer und amerikanische Bands gesungen, getextet und geschrieben, sondern er war auch im Jahre 1995 bei der Schweizer Hardrock-Legende KROKUS als Backgroundsänger engagiert und von 1994 bis 1997 Lead-Sänger der Schweizer Metal-Combo "AIN´T DEAD YET". Ab 1998 war der in London ausgebildete Sänger auf Solo-Pfaden unterwegs, und nebenbei spielte er auch noch die Hauptrolle im Rock-/Metal-Musical "The Passion". Im Jahr 2005 schließlich hatte er keine Lust mehr, alleine herumzuziehen und suchte sich Mitstreiter für sein neues Projekt, aus dem mittlerweile eine Band mit festen Mitgliedern geworden ist. Das noch mit Studiomusikern eingespielte Debüt-Album überrascht vor allem angenehm durch seinen transparenten, modernen Sound. Wenn es auch größtenteils relativ traditionell zugeht - von Altherren-Hardrock keine Spur! Die Songs sind zwar im klassischen Hardrock und Heavy Metal verwurzelt, aber durch treibend groovige Riffs und teils fast schon Nu Metal-artige Gitarrensounds angereichert, was als Mischung erstaunlich gut funktioniert. Andy Portmann selbst ist dabei über jeden Zweifel erhaben. Für meinen Geschmack lässt er sich zwar zu häufig zu Screams hinreißen, aber das macht er locker dadurch wett, dass er wirklich in allen Stimmlagen über extremen Druck verfügt, auch wenn er einfach nur böse zischt, wie in der angepunkten Strophe von "But It´s Like" oder bei der Ballade "Stay Together" ruhige und weiche Töne anschlägt. Erstaunlich auch, wie unpeinlich das auf deutsch gesungene "Stillstand" daherkommt, das mit seinen wuchtigen Gitarren und dem hymnischen Chorus auch MANOWAR-Fans durchaus zufrieden stellen dürfte. Insgesamt wird die Musik wohl hauptsächlich Old School-Anhänger ansprechen. Trotzdem: Frischer kann man traditionellen Metal/Hardrock wohl nicht klingen lassen.
SPLITTER könnte ein neues Synonym für "brutal" werden. der Schwedenhaufen geht auf seiner dritten EP dermaßen brachial zu Werke, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. In nicht einmal einer halbten Stunden ballern SPLITTER 18 Tracks runter, die in bester NASUM-Manier stehen und bei aller Heftigkeit sehr abwechslungsreich ist (die Jungs haben sogar das Kunstück geschafft, Mid-Tempo-Grind zu spielen) und niemals einen gewissen Groove vermissen lässt, was selbst Brachialsongs wie "Landets Blinda Undergang"hörbar macht. Alle Lyrics auf schwedisch ist eh klar, oder? Ist beim Gesang aber auch egal, da versteht man ehj’ nix von den (durchaus sozialkritischen) Texten, sondern konzentriert sich auf die Wut und Anpissheit, die der Mikrosklave versprüht. Seine Gitarristen konzentrieren sich derweil auf effektives Grind-Geschrubbe oder bauen mal einen kleinen Melodie-Part ein, während der Drummer eigentlich immer auf den Blastpart wartet. Ergibt eine arschgeile Grindplatte, die en par mit der neuen GADGET ist.
Ob eine Zwei-Tages-Romanze eine euphemistische Bereichnung für einen One-Night-Stand ist, kann ich nicht sagen, ein schöner Bandname ist es allemal. TWO DAY ROMANCE haben dazu noch einen Sänger mit dem schönen Namen Flop und ihre Debüt-EP "Suicide Note Of The Individual" in einem sehr schönen Metallkästchen verpackt. Alles schön also bei den Hessen? Kann man so sagen. Sänger Flop ist glücklicherweise kein solcher, sondern im Gegenteil ein verdammt guter aggressiver Shouter, der die brachialen Tracks ansprechend unterlegt. TWO DAY ROMANCE sind von modernen Combos wie HOPESFALL oder DESTINY inspiriert und trümmern fachgerecht mit Stakkato-Riffs, ordentlich Wucht und einigen Moshparts, beherrschen aber ebenso sphärische, ruhigere Parts ("Missing Depth Perception"), was die EP zu einer enorm vielfältigen Angelegenheit macht. Eine Kohlekeller-Produktion sorgt für die entsprechend passende Soundwand, so dass einem Hörvergnügen für Metalcore-Freunde nichts mehr im Wege steht. Abseits der üblichen Pfade haben die Mid Tempo-Freaks TWO DAY ROMANCE ihren eigenen Weg gefunden, auf dem sie hoffentlich von vielen Fans begleitet werden.
Drummer wechsle dich bei AURORA BOREALIS: nachdem Mastermind Ron Vento (der auf jedem Album alles bis eben auf die Drums selbst eingespielt hat) beim letzten Album auf ex-HATE ETERNAL-Drummer Tim Yeung zurückgreifen konnte, ist es jetzt wieder Tony Laureano dabei, der mit Meister Vento schon das Debüt eingetrümmert hat und sich nebenbei noch Credibility bei NILE, DIMMU BORGIR und ANGELCOPRSE verdient hat. An ihm liegt es auch nicht, dass "Relinquish" mich nicht sonderlich vom Hocker reißen konnte, seine Arbeit ist wie gewohnt vorzüglich und unterlegt die acht Tracks mit einem sehr dichten und druckvollem Soundteppich. Leider kann Vento nicht mithalten und hat die acht Songs ziemlich gleichförmig werden lassen, so dass "Relinquish" an einem vorbeirauscht, ohne dass irgendwas im Ohr hängenbleibt. An den technischen Fähigkeiten des Mannes gibt es nichts auszusetzen, sowohl Gesang als auch Gitarrenarbeit sind erstklassig, ebenso die Produktion (für die sich natürlich auch Vento höchstpersönlich verantwortlich zeigte), aber so coole, leicht thrashige Parts wie bei "The Red Flag" hat er viel zu selten eingebaut - dabei heben sich die wohltuend vom Highspeed-Geballer der restlichen Zeit ab und würden AURORA BOREALIS einen eigenen Sound geben, weg vom Ami-Einerlei. Gibt es aber nicht und so bleibt die Scheibe ein weiteres Zeugnis für technisch erstklassiges Geballer, dass Normalkonsumenten langweilig finden.
Schwedischer Bandname, ausnahmslos schwedische Songtitel und einen Haufen 7" in der Disco - es ist Crust-Zeit! Nach dem Ende von WOLFBRIGADE sprangen DISFEAR in die Lücke - spätestens ab dieser Scheibe werden sie von TOTALT JÄVLA MÖRKER dabei unterstützt, erstklassigen schwedischen Crustcore zu machen (schlechten gibt es wahrlich genug). TOTALT JÄVLA MÖRKER geben von der ersten Sekunde an Vollgas und lassen ein Crustgewitter der heftigsten Sorte auf den Hörer niederprasseln. Crustcore muss rasend schell sein, einen mächtig angepissten Sänger haben und jede Menge Blast-Parts haben, Voraussetzungen die TOTALT JÄVLA MÖRKER locker bestehen. Dazu haben sie noch ein Gespür für Melodien und Groove, was jeden Song von "Totalt Jävla Mörker" hörbar macht und keinen in sinnentleertes Geprügel abdriften läßt. Leider ist die Produktion einen keinen Tick zu höhenlastig, um vollendeten Druck aufzubauen, das ist aber auch das einzige Manko einer ansonsten rundweg gelungenen Crust-Scheibe.
Eine Band, die als Einflüsse AC/DC, GUNS´N´ROSES oder Jimi Hendrix angibt und Songtitel wie "Rose Tattoo" im Gepäck hat, muss man nicht mehr einkategorisieren. Die multinationalen Rock´n´Roller (die Mitglieder stammen aus Deutschland, Schweden und Norwegen) gehen bei ihrer Arbeit sehr traditionell vor und scheinen Referenzwerke wie "Assault & Battery", "Let There Be Rock" oder meinetwegen auch "New American Shame" in - und auswendig zu kennen. Immerhin konnte man bereits diverse Independent - Filme mit seinen Songs unterlegen und sogar für Größen wie Pat Benatar und NASHVILLE PUSSY die Shows eröffnen. DEAD END JANE klingen also eher "konservativ" und haben mit dem moderneren "Ass Rock", der von Bands wie den HELLACOPTERS oder den BACKYARD BABIES gespielt wird, nicht viel am Hut. Für traditionelle Rock´n´Roller ist "Nicotine Queen" (kultiger Titel!) demnach ein echter Anspieltipp, wobei die Jungs etwa mit der coolen Groovemaschine "Rodeo", erwähntem "Rose Tattoo" oder dem fetzigen "The Reptile" ein paar weit überdurchschnittliche Hits im Gepäck haben, die sicher nicht nur live für schweißtreibende Konzerte sorgen. Ein sehr gelungener Einstand!
PARACHUTES haben schon mal den Preis für den längsten Plattentitel ever sicher, der zugleich sehr bösartig ist. Verflossene Liebe, wo kannst du hinführen? Die Saarbücker nähern sich dem Thema von der Screamo-Ecke aus - gekonnt werden die üblichen Zutaten für eine Screamo-Platte genommen und zu äußerst melodischen, emotionalen Songs verarbeitet. Technisch voll auf der Höhe, kann das Songwriting nicht immer überzeugen. Zu oft haben PARACHUTES für meinen Geschmack auf langsamere Parts gesetzt und den Gitarren zu wenig Spielraum gegeben. Dominantes Instrument ist Sänger Stefan, der sich für die cleanen Parts verantwortlich zeigt (unterstützt wird er Gitarrist Carsten und Basser Elmar) und ganz klar die Akzente setzt. Das führt nur leider dazu, dass wirklich heftige Parts sehr selten sind und kurz ausfallen. Zu kurz für eine gute Screamo-Platte. "And I Won�t Stop Until You�ve Lost Everything You Ever Loved� ist dadurch etwas zu soft und zahnlos geworden, dürfte aber in der Emo-Anhängerschaft trotzdem (oder gerade deswegen?) viele Freunde finden. Einzig der letzte, sehr relaxte, Song mit Frauengesang war so gar nichts für mich. Das können die Jungs besser, wie das an FIRE IN THE ATTIC erinnernde "Carve Your Name Into My Arms" oder das flotte "Gentlemen Choose Your Weapons" beweisen. PARACHUTES haben mit diesem Album einen anständigen Einstand hinbekommen, der noch ausbaufähig ist. Oder wie es beim Spitzensport so schön heißt: das ist noch Potential nach oben.
And I Won't Stop Until You've Lost Everything You Ever Loved
So recht durchgestartet ist Jason Netherton (ex-DYING FETUS) mit MISERY INDEX bisher noch nicht. Ob da wohl ein Labelwechsel zu Relapse hilft? An der Musik lieg es jedenfalls nicht, "Retaliate" ist eine verdammt geile Grind-Scheibe, die mit "Discordia" ihren würdigen Nachfolger erhält. Die zum Quartett gewachsenen MISERY INDEX kennen auch heuer keine Gnade und prügeln gnadenlos, wie sie es schon bei "Overthrow" und "Retaliate" gemacht haben. Dabei haben die Amis trotz durchgehendem Hochgeschwindigkeitsgeprügel immer noch ein Näschen für Melodie und Groove und schaffen so den Spagat zwischen Brutalität und Abwechslung. Hin und wieder werden auch mal Mid Tempo-Parts eingestreut (an die sich der Drummer aber nicht gebunden zu fühlen scheint), was Vergleiche mit DYING FETUS aufkommen lässt ("Outsourcing Jehova"), die aber mit der nächsten Grind-Attacke zum Verstummen gebracht werden. Die Produktion ist druckvoller als beim Vorgänger und setzt die zehn Granaten perfekt in Szene. Mit "Retaliate" haben MISERY INDEX eine Duftmarke gesetzt, die sie durch "Discordia" eindrucksvoll verstärken. Eines der besten Death/ Grind-Alben seit langem, das über alle Zweifel erhaben ist! Ein erbarmungsloser Hammer erster Güte!
Mit AGE OF ORANGE scheint Ex-HOSEN-Drummer Wölli mal wieder eine junge, viel versprechende Band für sein Goldene Zeiten-Label an Land gezogen zu haben. Die Mönchengladbacher beherrschen ihre Instrumente, gehen mit ordentlich Energie und Spielfreude zu Werke und bringen mit ihrem Debüt 13 Songs zwischen Rock und Melody-/Pop-Punk zu Gehör, die durchaus Ohrwurmqualitäten und teils echtes Hitpotential aufweisen. Einzig Lead-Sänger und Gitarrist Andreas Roffmann sollte noch an seiner Stimme arbeiten, denn die klingt oft zu dünn und etwas gequetscht. Darüber könnte man aber hinwegsehen. Wenn der Sound des Vierers nicht gar so glatt und die Melodien nicht ganz so lieblich wären. So aber gerät die Musik schnell zu belanglosem Gedudel, das zum einen Ohr rein und zum anderen gleich wieder rausgeht, ohne dass viel hängen bleibt. Auf Ecken und Kanten hofft man vergeblich, echter Dreck ist nicht mal ansatzweise vorhanden. Was bleibt, ist leider nur poppiger Weichspül-Rock.