Jani Stefanovic dürfte einigen von DIVINEFIRE bekannt sein, einem Metalprojekt, das er mit Leuten von NARNIA macht und dessen letztes Album Kollege Knackstedt überzeugen konnte. MISERATION ist sein Projekt, in dem er heftigen Death Metal zockt und mit dem SCAR SYMMETRY-Sänger zusammenarbeit. Herausgekommen ist "Your Demons - Their Angels", eine erstklassige Death Metal-Scheibe, die auf technisch und kompositorisch hohem Niveau überzeugen kann und mit einigen Killertracks wie dem hochmelodischen "Chain-Work Soul" (mit catchy Refrain) oder dem modern angehauchten Opener "Thrones" (bei dem FEAR FACTORY als Inspiration dienten) aufwarten kann. Die beiden Mucker haben sich eine hochkarätige Mannschaft gesucht, zu der auch Plec von UNMOORED gehört, um die neun Tracks des Albums entsprechend ihrer Vorstellungen umzusetzen. Das ist ihnen locker gelungen, "Your Demons - Their Angels" ist eine eingängige und gleichzeitig brutale Death Metal-Scheibe geworden, die an die Glanzzeiten schwedischen Totmetalls erinnert (damals, als No Fashion Records noch groß waren) und gleichzeitig den Bogen zu modernen Einflüssen schlägt. Da bleibt zu hoffen, dass MISERATION nicht nur ein einmaliges Projekt war, sondern sich als langfristige angelegte Band entpuppt, die uns mit noch mehr hochkarätigen Alben versorgt.
LAMAGRA haben schon ein paar Jährchen auf den Buckel und mit "Disease Called Mankind" ihre zweite Veröffentlichung am Start, der es an einer elementaren Sache mangelt: einer guten Produktion! Bei aller Liebe zum Underground und so, aber was die Band hier aufgenommen hat (in einem Studio!), klingt einfach scheiße. Im Prinzip hört man den viel zu weit nach vorne gemischten Gesang, ein wenig Gitarren und ganz schwach die Drums. Das ist Mist, schlicht und einfach. Wären LAMAGRA true evil frostbitten Schwarzmetaller, könnte man darüber wenigstens noch lachen (und "Disease Called Mankind" würde als Tape kommen), aber so ist es nur traurig. Dazu kommt der unspektakuläre Aufbau der Songs, die sich oftmals auf tausendmal gehörten Ideen ausruhen und ziemlich zäh sind. Nee, das ist nix.
Der Zweitling "Feindbild" der deutschen Elektrometaller TREIBHAUS macht wenig anders und manches gar besser als auf dem Debut. Den teilweise gestandenen Schwermetallmusiker um Sänger Doernberg gelingt es dank druckvoller Produktion Akzente zu setzen - die oftmals aber unter ihrer glänzenden Oberfläche aus knallenden Beats und harten Gitarren wenig Substanz besitzen. Das ist schlimmstenfalls ziemlich plump, bestenfalls wirklich amüsant und vielleicht sogar tanzbar. Sie sind etwas härter geworden, die Gitarre versucht gar nicht erst herauszuragen und überlässt die Melodie oft der Elektronik: Etwas mehr Ideen hätten bei den konstant harten Riffs aber drin sein müssen. Die Songs wirken flüssiger als auf dem Erstling und wirkliche Ausfälle finden sich bei insgesamt durchschnittlichem Niveau nicht. Die quäkenden Vocals im Hintergrund bei "Retter" strapazieren zwar meine Nerven, als wirklich Barriere in Richtung Höherem wirken die Texte und allgemein der Gesang Doenbergs. Wie auch schon auf ihrem Album ?Unsterblich? wirken die textlichen Inhalte gnadenlos eindimensional. Was sich bei "Besser" noch im naiv lustigen Rahmen bewegt, stört im weiteren Verlauf manchmal richtig. Klänge Doernberg dabei etwas emotionaler, wäre der Eindruck vielleicht anders, aber der gelangweilt kühle und nicht selten auch gekünstelte Sound seiner Stimme gibt mir zu wenig. Die Kombination aus Elektronik und Metal/Rock dagegen hat ein angenehmes Symbioselevel gefunden - einzig die bereits eingangs erwähnten Gitarren dürften etwas origineller werden. Ob mehr Metal oder mehr Elektronik - der Schwerpunkt wird variabel gewählt: "Radikal" kann als EBM-dominierter Song das eine Extrem markieren und auch wenn völlig Elektronik-leere Songs fehlen sind etwa der Titeltrack das metallischere Ende der TREIBHAUS Skala. TREIBHAUS fehlt noch immer zumindest ein guter Sänger und intelligentere Vocals.
Ich habe jetzt vermutlich raus, warum das Phänomen "Visual Kei" (soll soviel wie "visuelle Herkunft" oder "optisches System" bedeuten) bei uns bislang nicht eingeschlagen ist. Dabei handelt es sich nämlich nicht um irgendeine neue Musikrichtung oder ein neues Genre, sondern es geht dabei nur um das Aussehen der Musiker. Stilistisch kann Visual Kei variieren zwischen Alternative, Metal, Rock oder sogar Pop, lediglich die Musiker sind zumeist japanisch, möglichst homosexuell angemalt und mit menschenverachtenden Frisuren ausgestattet. Bestes Anschauungsobjekt für offensichtliche Nachahmung ist der kleine Sängerbengel von Tokio Hotel (darum wohl auch der Bandname, man sollte allerdings nicht zu lange darüber nachdenken?), der alle Kriterien dieser fernöstlichen Modeerscheinung erfüllt. So ähnlich sehen die wohl alle aus und proben damit den Aufstand gegen den guten Geschmack. Im Falle von KAGEROU wird äußerst hektischer Alternative Rock geboten, der, wäre er nicht diesem hier zum Glück nicht sonderlich gefragten Trend unterworfen, höchstens mal den Gasmann interessieren würde. Und würde die Band etwas weniger abgehackt, nervös und nervig klingen, könnte sie sogar hörenswerten Sleaze Rock produzieren, der ja optisch schon in den 80ern "Visual Kei"-artige Züge trug - oder umgekehrt. Nur waren damals die Haare quadratmetergroße Haarspray - Testgelände und keine mit Tapetenkleister ausgehärteten Yuccapalmen. Natürlich kassieren KAGEROU allein schon wegen ihrer japanischen Texte einen Exotenbonus, doch der reicht nicht aus, die allerhöchstens durchschnittliche Mucke, die wirklich eher hektisch als dynamisch klingt, zu kaschieren. Coolerweise liegt der CD ein zweites Booklet bei, in dem man sämtliche Texte sowohl in einer englischen, wie auch einer deutschen Übersetzung findet. Trotzdem sind Visual Kei und Bands wie KAGEROU genauso wertvoll wie Automaten für getragene Schulmädchenslips oder offizielle Bukkake-Kreismeisterschaften!
Das italienische Trio mit dem schottischen Sänger nennt sich THE HORMONAUTS, das mittlerweile vierte Album heißt "Hormonized" und ihren Stil nennen die drei "Hormonebilly". Das klingt nach wahren Spaßvögeln und könnte auf eine reine Fun-Band schließen lassen. Das sind die HORMONAUTS zum Glück aber nicht, obwohl sie sich selbst offensichtlich nicht allzu ernst nehmen und durchaus viel Spaß dabei zu haben scheinen. Der gemeinsame Nenner ihres Sounds ist Rockabilly, der mal dreckig und rock ´n rollig wie im Opener "Lucky Toy" klingt, mal swingend wie in "Swimming Pool" und mal surfig wie in "Hatuey". Aber auch vor genrefremden Stilen machen die Jungs nicht halt. So ist ausgerechnet der Titelsong ein fetter Dub-Track, die Strophe von "Bunole Of Fun" wird als Latin gespielt und "Top Of The World" ist grader, melodischer Rock. Und dann ist da auch noch dieses geniale, treibende "My Sharona"-Cover, bei dem ein bratiges Baritonsaxophon im Hintergrund den Bass mitspielt. Trotzdem gelingt es dem Trio, einen einheitlichen Sound durchzuziehen und dabei auch noch hervorragende Songs abzuliefern, die direkt ins Ohr gehen und an jeder Ecke Überraschungen bieten. Das liegt sicherlich auch an den spielerischen Fähigkeiten der drei Vollblut-Musiker, die alle schon seit vielen Jahren im Rock ´n Roll- und Punkrock-Geschäft unterwegs sind. Sasso Battaglias Kontrabass groovt und klackert ohne Ende, Mat "Pinna" de Pauls Drums swingen und treiben unerbittlich, und über allem liegen die Stimme und Gitarre von Andy Macfarlane, dessen Gesang und vor allem Sound und Stil an den großen Brian Setzer erinnern lassen. Hier haben sich drei Ausnahmemusiker gefunden, die mit Witz und schier unendlichem Ideen-Reichtum ihren musikalischen Vorlieben frönen und den Spaß, den sie selbst dabei haben, ungefiltert transportieren. Ein geniales Album, das von Anfang bis Ende begeistert. Mehr davon!
Wenn es überhaupt eines Beweises bedurfte, dass Progmucke ohne Lead bzw. Rhythmusgitarre tatsächlich funktionieren kann und dann auch noch rein instrumental - dieser Dreier LUCAS, WHITE & EDSEY leifert diesen Nachweis auf dem Debüt, folgerichtig mit "LWE" betitelt, schon irgendwie überzeugend. Als besonderer Gast haben sich die Boys aus Chicago Violinist Edgar GABRIEL dazugeholt, der auf dem ein oder anderen der 8 Tracks zur Soundverfeinerung beiträgt. Insbesondere beim gelungenen Opener "Liberty" sorgt er für die nötigen Kontraste. Vordergründig dreht sich schon alles um Hauptsongwriter sowie Keyboarder Frank LUCAS, trotzdem gehört er nicht zur Gattung der eitlen "nur Tempomacher" oder "Retroaufwärmer", was aktuell bei den Tastenheroes wieder etwas in zu sein scheint. Nein, er bevorzugt erfreulicherweise ein sehr warmes, wohltemperiertes, geradezu perliges Keyboardspiel ohne viel Schnickschnack. Der Bassist kann noch am ehesten Ausrufezeichen setzen mit dem ein oder anderen coolen Lauf - und einen schönen Groove hat er ebenfalls zu bieten. Als Ganzes betrachtet ist der Sound eher einfach gehalten, geradezu betont unaufdringlich sind die trotzdem stets fliesenden Melodiebögen geraten. Die eher schlichten Rhythmen sind solide aber unspektakulär. Der Songaufbau kommt meistens ohne zahllose Breaks aus, trotzdem sind die stets markanten, etwas ausufernden Progstrukturen immer irgendwie präsent. So richtig heftig wird es hier (natürlich) nie, selbst wenn die Hammonds röhren, ist immer ein gewisses Understatement zu spüren. Die Platte läuft so mehr oder weniger in einem Fort gut durch. Jordan RUDESS (DREAM THEATER) ist ein Song gewidmet und wird unter anderem als Vergleich bezüglich der Technik genannt - kann ich eher nicht so nachvollziehen - da nicht heraushörbar) und diese Art der Musik doch eine völlig andere ist bzw. hier fast nur Pianoklänge zum Einsatz kommen. Aber auf "A Note to Jordan" gibt er sich alle Mühe auch viel jazziges mit einzustreuen. Beim wildesten Track des Albums "Hasta Manana" werden dann aber alle Register gezogen, es gibt einen richtigen Spannungsaufbau, verschiedenste Soli und ein packendes Hauptmotiv in den verschiedensten Variationen. Ich würde ansonsten viel eher deutlichere Assoziationen an einen Bruce HORNSBY oder auch Steve WINWOOD ("A Dog And His Boy") ausmachen, aber dies wird wohl jeder etwas verschieden sehen. Diese Musik eignet sich wunderbar zum entspannen ohne dabei gleich einschläfernd zu sein, wie bei so manchen tranigen New Age Bands der Szene. Etwas trendy könnte man auch sagen, zum chillen gut geeignet, stets freundlich hell gehaltene Klangbilder ohne schwertragende Mollkantonaten. Mir als "Rockfan" fehlt natürlich trotzdem das ein oder andere Gitarrenriff bei dieser Musik. Auch die nicht gerade abwechslungsreiche Mache der einzelnen Tracks könnte man etwas kritisieren. Nichtsdestotrotz sollte "LWE" für Instrumentalfreaks sowie EMERSON, LAKE & PALMER Fans vielleicht doch eine lohnenswerte Anhörscheibe sein.
Emo aus der Oststeiermark ist schon exotisch. Wer auf Wiener Schmäh beim Gesang wartet oder folkloristische Einflüsse, der ist mit dieser EP falsch bedient, denn soundmäßig sind DEFCON nicht von anderen Bands des Genres zu unterscheiden. Das ist gleichzeitig das große Manko der Combo (und des Genres insgesamt): in der Veröffentlichungsflut wird "Fuel The Fire" ziemlich schnell untergehen. Für große Aufmerksamkeit werden die sechs nach Schema F gestrickten Songs nicht reichen, auch wenn sie gut ins Ohr gehen und solide gespielt und produziert sind. Aber das reicht einfach nicht aus, wenn man in einem so überlaufenen Genre wie dem Emocore eine durchschnittliche Platte veröffentlicht.
Irish Folk Punk aus Münster: Aus der Stadt der Fahrradfahrer und Tatort-Kommisare kommt der lustige Gran E. Smith mit seinen Kumpels. Alle sehen aus, wie sich das Volksauge den gemeinen Pub-Besucher auf der grünen Insel vorstellt. Und der Apfel-Mann am Mikro macht auch einen recht guten Job, fast denkt der geneigte Hörer, hier sänge tatsächlich ein zahnloser Brite oder noch besser Ire. Nur: Der letzte Pepp, die letzte Rauheit die fehlt irgendwie. Wo die Pogues oder die Dropkicks so richtig in die Eier trampeln, da streicheln dir die Münsteraner zärtlich ums Kinn. Oder: Während die "harten" Bands dieser Schiene animieren zum Vollsuff im verrauchten Pub mit klebrigen Tischen, da fordert dieser Bastard auf zum Genuss dreier, gepflegter Bierchen mit kurzem, nicht zu lautem Mitsingen im Yuppie-Pub. Insgesamt ist die im schicken Digi-Pack veröffentlichte CD nicht schlecht (abgesehen vom mäßigen Sisters-Cover "Temple Of Love"), aber irgendwie zu glattgebügelt und letztlich arm an Überraschungen. Passt irgendwie zu ihrem Auftritt bei der so genannten "Stadtteilverein vs. Celtic-Party" in Hamburg. Aber das ist ein anderes Thema ...
Ein ruhiger, sphärischer Beginn und dann - bumm! Die ersten Töne von "Cocoon" kommen unerwartet brachial aus den Boxen, neben der Gitarrenwand brüllt sich der Sänger seinen Weltschmerz und seine Wut weg. Genauso unerwartet wie der Beginn ist der nachfolgende Part, in dem auf einmal melodisch gesungen wird, die Gitarrenwand zurückgenommen und stattdessen eine ruhige, melancholische Atmosphäre geschaffen wird. Man sieht, TRANSMISSION0 gehen beim Songaufbau nicht gradlinig vor, sondern bevorzugen die gleichen verworrenen Wege, auf den schon NEUROSIS und CULT OF LUNA gewandelt sind. Ob das TODAY IS THE DAY-Ikone Steve Austin bewogen hat, bei "Token" mitzuwirken? Man weiß es nicht, nachvollziehbar wäre es angesichts der Klasse von "Memory Of A Dream" allemal. Denn was die Holländer hier über mehr als eine Stunde aufbauen, hat Hand und Fuß - und viel wichtiger noch: hat Atmosphäre. Auch wenn dieser Winter zu warm ist, sind die Tage immer noch dunkel und die Laune gedrückt. Für solche Momente ist Postcore der ideale Soundtrack, jedenfalls wenn man sich der dunklen Stimmung ganz hingeben möchte. So vielschichtig wie "Memory Of A Dream" ist, kann man sich damit den Winter über locker beschäftigen. Großes Kopfkino, das fast in die Königsklasse des Genres vorstößt!
Durch das auf 80er-Disco gestylte Cover sollte man sich nicht irritieren lassen. Das italienische Trio THE JERSEY LINE spielt echte Instrumente. Der Gitarrensound ist auch schön verwaschen bis schrebbelig, was gekonnt mit poppig-melancholischen Harmonien verbunden wird. Die Songs selbst sind gut komponiert und arrangiert, so dass für den geneigten Alternative-Pop-Fan keine Wünsche offen bleiben. Songs wie der Opener "The Control" oder "A Letter Never Sent" sind vom Start weg Ohrwürmer, in die man sich reinlegen kann. Auf Dauer wird aber zu viel schöner Brei serviert, der zwar nett klingt, aber irgendwann doch eintönig und klebrig wird. So zu hören bei der Single "Sabotage", die wirklich sehr schlimm ist. Die schwermütigen Harmonien sind zwar schön anzuhören, doch es fehlt ein echtes Ausbrechen und ein treibender Kick, der das In-Selbstmitleid-Schwelgen ausgleicht. Erhofft man sich das von einem Song wie "My Failure", der anfangs ganz gut rockt, wird sich dann wieder viel zu schnell in Wohlklang ergangen. Und ein Song wie "Rise And Fall" ist zwar perfekt gemacht und gespielt, erinnert aber zu sehr an eine rockige Variante von COLDPLAY. Für Fans von harmonieverliebtem Indie-Pop ist "Misery Club" sicherlich ein tolles Album. Mir persönlich fehlen hier aber Druck, Dreck, Vielfalt und Authentizität.