Es ist sicherlich richtig, dass die GUANO APES damals der deutschen Rockszene den ein oder anderen Impuls gaben und sicherlich auch einige nette Songs in ihrem Repertoire zu finden sind. Der Veröffentlichungswahn ihrer Plattenfirma GUN steht aber nicht erst mit "Lost (T)apes" in keinem Verhältnis mehr zum Gewicht der Band. Wer nach Best Of, Single Compilation und post-Auflösungs-DVD seinen Schrank weiter füllen möchte, braucht definitiv ein noch dickeres musikalisches Fell. Denn "Lost (T)apes" blickt zurück auf die Anfängen der Göttinger Band. Zurück zu einer Zeit als die großen Studios für sie noch unerschwinglich waren und als Aufnahmemedium eine normale Kassette reichen musste - angesichts dieser Tatsache ist der Sound bisweilen aber erstaunlich gut. Ihre Songs klingen funkiger und auch Bassist Stefan Udes kann seinem Instrument noch deutlich mehr Raum geben als dies auf späteren Veröffentlichungen der Fall ist (man höre sich "Ignaz" oder "Wasserfliege" an). Etliche Tracks wirken verspielter, bisweilen aber auch verfahrener als dies später der Fall war. Es mag sozusagen musikhistorisch für Fans der Band interessant sein, wie sperrig "Open Your Eyes" oder "Maria" ursprünglich klangen, für den normalen Hörer bietet diese CD aber zu wenig Kaufanreize. Auf eine Ende dieser Leichenfledderei.
Bei ELECTRIC OUTLET handelt es sich um eine vierköpfige deutsche Formation, die sich sehr vertrackten, jazzigen Art Rock auf den Leib geschrieben hat. Dabei wird auf Gesang völlig verzichtet, lediglich ein paar verzerrte "Spoken Words"-Samples werden eingespielt. Leicht zu konsumieren ist "On!" keineswegs, sondern erfordert konzentriertes Zuhören und das "Verstehen" der Musik, obwohl lediglich klassische Rockinstrumente, nämlich Gitarre, Bass, Drums und Keyboard, zum Einsatz kommen. Trotzdem richten sich die durchweg schrägen Melodien und Songaufbauten eindeutig an Fans von Jazz und verwandten Genres. Normale Rockfans dürften mit "On!" nicht viel anfangen können, obwohl die vier Musiker ihr Handwerk hervorragend beherrschen und schon mit illustren Größen wie SAGA, KINGDOM COME oder sogar XAVIER NAIDOO und den SÖHNEn MANNHEIMS (Pfuibäh!) aufgetreten sind. Zweifellos eine objektiv sehr gute Scheibe mit hohem musikalischem Anspruch, aber ebenso zweifellos nicht die Baustelle von Ottonormalrocker.
Aus der Asche der Schweizer Band NUUK ist THE BEAUTY OF GEMINA auferstanden. Und auch wenn sich mit Sänger und Songwriter Michael Sele sowie seinen beiden Musikern Marc Vinzens und Martin Luziodas das gesamte Line-Up aus der NUUK-Vergangenheit rekrutiert, lege Sele nach eigenen Angaben wert darauf, dass THE BEAUTY OF GEMINA eine eigene und eigenständige Band sind. Trotz der Asche ist es aber kaum ein Phönix, der hier aufsteigt. Den Schweizern THE BEAUTY OF GEMINA fehlt nämlich die Farbenvielfalt des Fabelwesens. Denn bei aller Abwechslung ist der Farbton ihrer Kompositionen grau - durch und durch. Was der Titel "Diary Of A Lost" schon andeutet: Sie singen sie von Verlorenem und Einsamen - sowohl textlich als auch musikalisch dreht sich alles um diese Thematik. Es sind weitläufige, trostlose Soundscapes, der monotone und fast durchweg recht warme Gesangs aus Seles Kehle dominiert die meisten Tracks. Musikalisch durchbrechen bisweilen Gitarren ("Hunter") den Nebel aus elektronischen Klängen und lassen bei aller Elektronik einige Gothrock-Tracks auf dem Album erklingen. Das mit minimalistischem Electrobeat ausgestattete "One Step To Heaven" oder das ansatzweise in moderne EBM/Electro-artigen Gefilde tendierende "Victims Of Love" dürften in der ein oder anderen wavelastigen Tanzhölle toleriert werden. Das todtraurige "Forgiveness" könnte in cineastischem Kontext den Abspann eines Dramas untermalen, das härter aufspielende "Trapped" zeigt die Industrial-trächtige Seite der Schweizer. Diese Songauswahl deutet die Vielfalt der Band an, songwriterisch spielen die Schweizer auf hohem Niveau. Und wären unter den fast 70 Minuten dunkler Musik nicht auch Füller wie das abschließende und langweilige Instrumental "La Rève De L´Infidèle", hätte mich "Diary Of A Lost" wirklich überzeugt. Es brodelt ein kreativer Cocktail in dieser Band, lediglich einige Zutaten fehlen noch zum richtig guten Düsterdrink.
Die 1996 gegründeten FRANKENSTEIN DRAG QUEENS gibt es schon seit 2002 nicht mehr. Gründer und Bandkopf Wednesday 13 ist seitdem für die MURDERDOLLS, das Neben-Projekt des SLIPKNOT-Drummers, als Frontmann tätig und hat auch unter eigenem Namen bereits zwei Alben aufgenommen. Für die Fans der Ur-Formation hat das Dortmunder People Like You-Label jetzt das Debüt-Album, das 1996 nur in kleiner Auflage erschien und nicht mehr erhältlich ist, wieder aufgelegt. Zu hören gibt es natürlich den Sound, den man erwartet: Dreckigen Horror-Punk/Rock/Rock ´n Roll vom Feinsten, über dem Wednesday 13 wie ein überdrehter Alice Cooper morbide ins Mikro kreischt. Das macht im wahrsten Sinne des Wortes höllisch Spaß und dürfte besonders die Fans erfreuen, denen der Sound des 2004 erschienenen "6 Years, 6 Feet Under The Influence", für das altes FDQ-Material neu eingespielt wurde, zu differenziert war. Der Erstling wurde für diese Veröffentlichung zwar geremastert, hat seinen herrlich trashigen Sound aber nicht verloren. Außerdem gibt´s auch noch neues Cover-Artwork sowie sämtliche Texte mitgeliefert. Da es das schöne Stück dazu noch zum Midprice gibt, sollten Fans, die die Scheibe noch nicht besitzen, hier unbedingt zuschlagen.
Laut neuesten Berichten ist wohl die komplette Band von TRAIL OF TEARS während der laufenden Tour stiften gegangen, so dass Sänger Ronny Thorsen nun allein zusehen muss, wie es weitergeht. Auf ihrem neuesten Werk ?Existentia? sind aber noch alle sieben Bandmitglieder zu hören, was den Split doppelt schade macht, denn das Album ist echt sehr hochklassig ausgefallen. Zwar bewegt sich der ?Dark Gothic Metal? der Norweger immer ganz dicht an der Klippe zu überladenem Kitsch, was aber erstens ein generelles Problem des Genres ist, und zweitens bei TRAIL OF TEARS nur selten wirklich stört. Gerade Stilmittel wie der gezielte Einsatz von Breitwand-Synthies, die gemischt gegrowlten und gesungenen Vocals von Ronny Thorsen und Ex-GREEN CARNATION-Mitglied Kjetil Nordhus, sowie die vereinzelten Beiträge von der französischen Sängerin Emmanuelle Zoldan (beim gewöhnungsbedürftigen, teils elektronischen ?Empty Room?-hier gehen die Geschmäcker sicher auseinander, mein Fall ist die Operndiva naturgemäß nicht unbedingt) sorgen für Abwechselung und machen viele der Songs auf ?Existentia? zu kraftvollen, bombastischen Hymnen, die etwa an eine Mischung aus MOONSPELL und einer metallischen Version der SISTERS OF MERCY denken lassen, denn auch die fetten Doppelgitarren kommen bei TRAIL OF TEARS nicht zu kurz. Selbst ausgeprägte Gothic-Muffel könnten hieran Gefallen finden, denn die Band gehört mit flott ins Ohr gehenden Stücken wie ?Deceptive Mirrors?, ?My Comfort?, ?Decadence Becomes Me?, ?As It Penetrates? oder dem lupenreinen Hit ?Venom Inside My Veins? zu den stärksten Vertretern ihrer Zunft, was ?Existentia? zu einem Anchecktipp für die Zielgruppe macht. Hoffentlich kann Ronny und Co. mit einer neuen Mannschaft an diese sehr gute Arbeit anknüpfen.
Die Londoner DEADLINE hatte ich in letzter Zeit etwas aus den Augen verloren, obwohl sie vor knapp zwei Jahren mit "Getting Serious" ein tolles Album abgeliefert hatten. Aber live fand ich die Band wenig überzeugend, das rock ´n rollige, teils sogar etwas poppige Flair von "Getting Serious" wurde besonders durch die Drums komplett platt gebolzt. Jetzt meldet sich der Fünfer um die sexy Frontfrau Liz Rose mit dem vierten Album zurück, und das zeigt eine deutliche Steigerung zum Vorgänger. Denkt man noch beim Opener, dem melodischen Streetpunk-Hammer "Blood On Your Hands", alles sei beim alten geblieben, geht es schon bei den nachfolgenden Tracks "Give It Back" und besonders "1975" deutlich gemäßigter und poppiger, wenn auch keinesfalls weniger rau zu. Diese Mischung aus Hochgeschwindigkeits-Attacken und eingängigen Punkrock-Ohrwürmern zieht sich durch das ganze Album und wird dann mit dem größtenteils akustischen und folkigen "Moving Lines" abgeschlossen. Die musikalische Vielseitigkeit lässt die Scheibe an keiner Stelle langweilig werden und ist vielleicht auch den beiden Neuzugängen an Drums und Gitarre mit zu verdanken. Liz Stimme klingt sexier denn je und haut einen schlichtweg um, und dazu liefert die Band noch jede Menge tolle Songs ab, die sie einem mit endloser Energie und Spielfreude um die Ohren haut. Mit diesem Album werden DEADLINE sicherlich zur derzeit angesagtesten englischen Punk-Band werden.
Ich habe keine Ahnung, was in diesen Gitarrenvirtuosen vorgeht. Auch Marco Ferrigno, der unter Anderem bereits mit Keyboard-Kollege Vitalij Kuprij zusammen gearbeitet hat, gehört zu den Künstlern, die sich, wie viele andere Gitarristen auch, unbedingt selbst in Szene setzen müssen. Zwar ist auf "Hanging Gardens" eine komplette Band am Start, in der außer dem Maestro noch Tony Franklin (Bass), Marco Minnemann (Drums), George Bellas (Gast-Gitarre bei "Night In Babylon") und Javier Leal (Gast-Gitarre bei "Tower Of Babel" und "Secret Garden") zu hören sind, dennoch steht Marco Ferrigno´s Instrument klar im Vordergrund und wird von den anderen Mitgliedern lediglich unterstützt. Und nicht selten übertreibt es der Chef mit den hohen Tönen (die mich stellenweise sogar an Carlos Santana erinnern), die oftmals in sehr schneller Abfolge gespielt werden, was auf die Dauer trotz aller Klasse eher nervt als gefällt. Auch "Hanging Gardens" leidet unter dem Phänomen, ein typisch neo-klassisches "Guckt mal, was ich kann!"-Instrumental-Album zu sein, auf dem ein grandioser Musiker zur Schau stellt, was er alles beherrscht. So ist das Album, wie leider die meisten seiner Artgenossen, wieder nur für die Fans interessant, die sich intensiv mit Musikkunst als Wissenschaft auseinandersetzen, und die man eigentlich eher in der Klassik als im Rock-Bereich findet. Obwohl hier wirklich jeder Musiker ein Meister seines Fachs ist, kann ich "Hanging Gardens" trotzdem kaum allgemein empfehlen.
SOYLVYBE machen schon seit einigen Jahen Musik und haben es mittlerweile fünf Alben veröffentlicht, von denen ?Architecture? das aktuellste ist. Ein wenig verwundert es ja, dass die Band bisher kaum in Erscheinung getreten ist, jedenfalls außerhalb von Bayern. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. An der Qualität vom vorliegenden Longplayer wird aus auf jeden Fall nicht scheitern ? die vier haben ansprechende Songs, die grob als moderner Metal eingeordnet werden können, ohne sich zu sehr an einer Band zu orientieren. Geboten wird stattdessen ein kraftvoller klarer Gesang, der sehr im Mittelpunkt steht und oft von ebenfalls kräftigen Backing Vocals unterstützt wird. Dazu kommen harte Gitarren, die sich aber zurücknehmen können und nie unangenehm in den Vordergrund drängen, sondern sehr songdienlich agieren und gemeinsam mit der Rhythmus-Sektion einen ordentlich Groove aufbauen. Das alles führt zu acht interessanten, hochklassigen Metalsongs, mit denen sich SOYLVYBE sehen lassen können und die die Band hoffentlich im deutschen Raum bekannter machen.
Vor langer, langer Zeit entschloss sich im Lande der Wohnwagen, Coffee-Shops und wässrigen Tomaten eine junge, aufstrebende Death/Thrash Metal-Band namens OCCULT, die Welt mit ihrer coolen Mucke zu beeindrucken. Nur leider stellten die Jungs irgendwann fest, dass sich trotz sehr guter Alben und zahlreicher Touren niemand für sie interessierte. Daraufhin setzten sie sich zusammen, weinten bitterlich und beschlossen einen ultimativen Masterplan. Spielen konnten sie, Erfahrungen hatten sie genug gesammelt, und so kam jemand auf die Idee, den Reset-Knopf zu drücken, die Band komplett umzubenennen und die Karriere bei Null zu starten. Das war die Geburtsstunde von LEGION OF THE DAMNED! Und siehe da: überragende Rezensionen des "Debüts" "Malevolent Rapture", Auftritte auf Festivals zur besten Sendezeit und so etwas wie Verkaufszahlen. Und das Beste daran ist, dass anfangs kaum jemand diesen "Schwindel" bemerkt hat. Aber der Zweck heiligt ja die Mittel, und niemand dürfte es den Holländern missgönnen, zumal sie ihre Qualitäten mit dem neuen Album "Sons Of The Jackal" noch weiter manifestieren. Gerade mal ein Jahr nach dem Debüt aufgenommen, ist die Scheibe wieder eine Abrissbirne der Güteklasse 1A geworden. Natürlich hört man die offensichtlichen Einflüsse wie SLAYER (meiner Meinung nach etwas weniger als auf dem "Debüt"), DESTRUCTION oder SODOM immer noch deutlich heraus, aber zusammen mit Star-Producer Andy Classen zeigt das Quartett, wie Thrash-Metal im Jahr 2007 zu klingen hat; fett, fetter, LEGION OF THE DAMNED! Aber auch das Songmaterial erlaubt sich keine Blöße, denn "Sons Of The Jackal" enthält keinerlei Ausfälle, sondern bis auf das kurze, akustische Intermezzo "Seven Heads They Slumber" ausschließlich Nackenbrecher, über die sich jeder Orthopäde freut. Egal, ob man den Titelsong, "Avanging Archangel", "Death Is My Master (Slay For Kali)", "Infernal Wrath" (Hölle!) oder "Ten Horns Arise" anspielt, man bekommt ein hoch verdichtetes Knüppel-Massaker zu hören, dessen kurze Spielzeit keine Soundlöcher zulässt. Ich persönlich finde "Sons Of The Jackal" sogar noch einen Tick stärker als "Malevolent Rapture", aber echte Thrasher wissen längst, was sie an der Band haben und verhelfen ihr hoffentlich zum längst verdienten zweiten Frühling. Weltklasse!
Spätestens seit "Wicked Scenes From A Memory" sind die Schweden MINORA mein persönlicher Favorit in Sachen New Metal. Mit ihrer neuen EP "A Work Of Fiction" beweisen sie erneut, dass sie zu den ganz großen Hoffnungsträgern des Genres gehören und enttäuschen keinen Fan der beiden vorherigen Eps. Vier Songs haben die Schweden (deren Basser Robert mittlerweile auch bei ONE MAN ARMY AND THE UNDEAD QUARTET spielt) auf den Silberling gepackt, vier Songs, die das volle Spektrum mitreißender, emotionaler und gleichzeitig harter Musik abdecken. Wie gewohnt sehr eingängig, leben die Tracks besonders von Tommies Gänsehautstimme, der die meiste Zeit mit seiner überzeugen klaren Stimme singt, aber auch in aggressiven Tonlagen eine gute Figur macht. Dank des gelungenen Songwritings, das sowohl schnörkellose aggressive Parts und melodische Momente vereint, kommt seine Stimme noch mehr zur Geltung und macht jeden der vier Songs zu einem kleinen Hit. Eine sehr gelungene EP, mit der MINORA dieses Mal hoffentlich mehr Glück bei der Labelsuche haben, zu gönnen ist es ihnen. Bis dahin kann sich jeder geneigte Fan die schick aufgemachte Scheibe entweder bei der Band bestellen oder direkt auf der Homepage runterladen.